Das Gericht konnte gemäß § 124
Abs. 2
SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten dem zugestimmt haben.
Der zulässige Antrag ist begründet. Der Kläger ist im Sinne von § 54
Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) beschwert. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 29.06.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.02.2012 ist rechtswidrig und der Kläger in seinen Rechten verletzt. Der Kläger hat Anspruch auf Übernahme der Restkosten der Schulung durch den Sozialhilfeträger in seiner Funktion als Träger der finanziellen Versorgung behinderter Menschen.
Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von
§ 2 Abs. 1 Satz 1 des Neunten Buches wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, erhalten gemäß
§ 53 Abs. 1 SGB XII Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Personen mit einer anderen körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung können Leistungen der Eingliederungshilfe erhalten. Von einer Behinderung bedroht sind gemäß § 53
Abs. 2
SGB XII Personen, bei denen der Eintritt der Behinderung nach fachlicher Erkenntnis mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Dies gilt für Personen, für die vorbeugende Gesundheitshilfe und Hilfe bei Krankheit nach den §§ 47 und 48 erforderlich ist, nur, wenn auch bei Durchführung dieser Leistungen eine Behinderung einzutreten droht. Besondere Aufgabe der Eingliederungshilfe ist es gemäß § 53
Abs. 3
SGB XII, eine drohende Behinderung zu verhüten oder eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und die behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. Hierzu gehört insbesondere, den behinderten Menschen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, ihnen die Ausübung eines angemessenen Berufs oder einer sonstigen angemessenen Tätigkeit zu ermöglichen oder sie so weit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen. Für die Leistungen zur Teilhabe gelten gemäß § 53
Abs. 4
SGB XII die Vorschriften des Neunten Buches, soweit sich aus diesem Buch und den auf Grund dieses Buches erlassenen Rechtsverordnungen nichts Abweichendes ergibt. Die Zuständigkeit und die Voraussetzungen für die Leistungen zur Teilhabe richten sich nach diesem Buch.
Leistungen der Eingliederungshilfe sind gemäß
§ 54 Abs. 1 SGB XII neben den Leistungen nach den
§§ 26,
33,
41 und
55 des Neunten Buches insbesondere 1. Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht und zum Besuch weiterführender Schulen einschließlich der Vorbereitung hierzu; die Bestimmungen über die Ermöglichung der Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht bleiben unberührt, 2. Hilfe zur schulischen Ausbildung für einen angemessenen Beruf einschließlich des Besuchs einer Hochschule, 3. Hilfe zur Ausbildung für eine sonstige angemessene Tätigkeit, 4. Hilfe in vergleichbaren sonstigen Beschäftigungsstätten nach § 56, 5. nachgehende Hilfe zur Sicherung der Wirksamkeit der ärztlichen und ärztlich verordneten Leistungen und zur Sicherung der Teilhabe der behinderten Menschen am Arbeitsleben. Die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und zur Teilhabe am Arbeitsleben entsprechen jeweils den Rehabilitationsleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung oder der Bundesagentur für Arbeit.
Erfordert die Behinderung Leistungen für eine stationäre Einrichtung, für eine Tageseinrichtung für behinderte Menschen oder für ärztliche oder ärztlich verordnete Maßnahmen, sind die Leistungen hierfür gemäß
§ 92 Abs. 1 SGB XII auch dann in vollem Umfang zu erbringen, wenn den in § 19
Abs. 3 genannten Personen die Aufbringung der Mittel zu einem Teil zuzumuten ist. In Höhe dieses Teils haben sie zu den Kosten der erbrachten Leistungen beizutragen; mehrere Verpflichtete haften als Gesamtschuldner. Den in
§ 19 Abs. 3 genannten Personen ist die Aufbringung der Mittel gemäß § 92
Abs. 2
SGB XII nur für die Kosten des Lebensunterhalts zuzumuten 1. bei heilpädagogischen Maßnahmen für Kinder, die noch nicht eingeschult sind, 2. bei der Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung einschließlich der Vorbereitung hierzu, 3. bei der Hilfe, die dem behinderten noch nicht eingeschulten Menschen die für ihn erreichbare Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft ermöglichen soll, 4. bei der Hilfe zur schulischen Ausbildung für einen angemessenen Beruf oder zur Ausbildung für eine sonstige angemessene Tätigkeit, wenn die hierzu erforderlichen Leistungen in besonderen Einrichtungen für behinderte Menschen erbracht werden, 5. bei Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (
§ 26 des Neunten Buches), 6. bei Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (
§ 33 des Neunten Buches), 7. bei Leistungen in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen nach
§ 41 des Neunten Buches und in vergleichbaren sonstigen Beschäftigungsstätten (
§ 56), 8. bei Hilfen zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten, die erforderlich und geeignet sind, behinderten Menschen die für sie erreichbare Teilhabe am Arbeitsleben zu ermöglichen, soweit diese Hilfen in besonderen teilstationären Einrichtungen für behinderte Menschen erbracht werden. Die in Satz 1 genannten Leistungen sind ohne Berücksichtigung von vorhandenem Vermögen zu erbringen. Die Kosten des in einer Einrichtung erbrachten Lebensunterhalts sind in den Fällen der Nummern 1 bis 6 nur in Höhe der für den häuslichen Lebensunterhalt ersparten Aufwendungen anzusetzen; dies gilt nicht für den Zeitraum, in dem gleichzeitig mit den Leistungen nach Satz 1 in der Einrichtung durchgeführte andere Leistungen überwiegen. Die Aufbringung der Mittel nach Satz 1
Nr. 7 und 8 ist aus dem Einkommen nicht zumutbar, wenn das Einkommen des behinderten Menschen insgesamt einen Betrag in Höhe des Zweifachen der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 nicht übersteigt.
Hiervon ausgehend hat der Kläger einen Anspruch auf Übernahme der Restkosten der oben genannten Schulung unter dem Aspekt der medizinischen Rehabilitation. Der Blindenstock ist ein Hilfsmittel im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung. Nach § 33
Abs. 1
S. 4
SGB V umfasst der Anspruch auf Hilfsmittel unter anderem auch die Ausbildung in ihrem Gebrauch. Nach § 26
Abs. 2
Nr. 6
SGB IX umfassen die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation die Hilfsmittel. Hinsichtlich der Leistungen der Eingliederungshilfe nimmt § 54
SGB XII ausdrücklich Bezug auf § 26
SGB IX. Daher kann die Schulung im Umgang mit einem Blindenstock grundsätzlich bereits eine Leistung der Eingliederungshilfe im Sinne des § 54
SGB XII sein. Diese Maßnahme wird im Fall des Klägers auch nicht unter dem Aspekt der Subsidiarität ausgeschlossen, indem dieser auf die Inanspruchnahme der Krankenversicherung verwiesen werden könnte
bzw. es dann in seinen Verantwortungsbereich fiele, wenn seine Krankenversicherung diese Leistung nicht erbringt. Natürlich ist die gesetzliche Krankenversicherung, wenn dort tatsächlicher Versicherungsschutz besteht, dann unter dem Aspekt der Subsidiarität der Sozialhilfe vorrangig leistungspflichtig vor der Sozialhilfe. Wenn jedoch konkret kein Versicherungsschutz für die begehrte Leistung besteht, wie es hier der Fall ist, greift der Hinweis auf die Subsidiarität nicht. Dass viele andere Menschen in dieser Situation einen Anspruch aus § 33
SGB V hätten, genügt für einen Leistungsausschluss nicht, denn das würde die Verweisung des § 54
SGB XII auf § 26
SGB IX und dort die Nennung der Hilfsmittel in § 26
Abs. 2
Nr. 6
SGB IX ad absurdum führen.
Wie sich aus der Entscheidung des Bundessozialgerichts zur Petö-Therapie vom 29.09.2009 zum Aktenzeichen
B 8 SO 19/08 R ergibt, kommt eine Abgrenzung ohnehin nicht anhand von Leistungsgegenständen in Betracht, sondern allenfalls anhand des Leistungszwecks. Dabei ist zur Überzeugung der Kammer zu beachten, dass die einzelnen Säulen des gesetzlichen Sozialversicherungssystems und des subsidiären Sozialhilfesystems ohnehin nicht völlig isoliert und mit strengem analytischen Aufbau getrennt nebeneinander bestehen. Die Systeme sind vielmehr historisch gewachsen, weshalb es Überlagerungen und Brüche und Verwachsungen gibt, die jedenfalls bisher teils nur im Wege der Auslegung und mit gesetzlichen Sekundärlösungen aufgefangen werden, wie besonders deutlich die Regelungen zum erstangegangenen Reha-Träger in
§ 14 SGB IX zeigen, weil selbst für sachkundige Personen nicht immer auf den ersten Blick erkennbar ist, wer im Bereich der Rehabilitation zuständige Behörde ist. Schon unter Beachtung der Überlegung des historischen Gewachsenseins lässt sich aus der Tatsache, dass bei gesetzlich Krankenversicherten die gesetzliche Krankenversicherung den Blindenstock bezahlt, nicht herleiten, dass dieser nebst der Schulung in seinem Umgang immer nur von der Institution Krankenversicherung oder eben gar nicht bezahlt würde. Vielmehr zeigt sich an dieser Stelle, dass es ein verbreiteter Irrglaube ist, dass Beamte stets besser abgesichert seien, als Mitglieder des gesetzlichen Solidarsystems, da Beamte stets das anteilige Risiko, sich und ihre Kinder privat krankenversichern zu müssen, tragen, da die beamtenrechtliche Beihilfe als vermeintliches Äquivalent zur gesetzlichen Krankenversicherung ganz regelmäßig für keinen Beamten oder Familienangehörigen eine 100%-Deckung wie eine gesetzliche Krankenversicherung bietet und eingebrachte Leiden in der privaten Krankenversicherung grundsätzlich höchstens noch mit erheblichen Aufschlägen zu versichern sind und auch der Versicherungsschutz inhaltlich nicht automatisch alle Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung insbesondere im Bereich der Teilhabeleistungen umfasst, wie der vorliegende Fall deutlich zeigt. Der vom Beklagten letztlich formulierte Hinweis, die Eltern des Klägers hätten nach seiner Geburt die bereits bei der Geburt eingetretene, an Blindheit grenzende, erhebliche Sehschwäche hinsichtlich von Teilhabeleistungen noch versichern sollen, geht so ins Leere. Gleichzeitig ist die Sozialhilfe vom Grundtyp her eher als Auffangsystem zum gesetzlichen Solidarsystem konstruiert und ihre Reichweite muss gerade bei nicht gesetzlich Versicherten oftmals im Wege der Auslegung ermittelt werden. Dies gilt hier umso mehr, da die Versorgung der Schwerstbehinderten mit der eigentlichen Sozialhilfe im engeren Sinne ohnehin nichts zu tun hat und das
SGB IX, das den Titel "Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen" trägt, trotz seines erheblichen Umfangs nicht als Leistungsrecht mit finanziellen Ansprüchen der behinderten Menschen ausgestaltet ist. Im Hinblick auf die Rechtsprechung des
BSG (a.a.O). zur Abgrenzung anhand des Leistungszwecks kann es hier dahin stehen, ob es sich innerhalb der Sozialhilfe um eine medizinische Rehabilitation handelt, wofür die umfassende Bedeutung der Orientierungs- und Mobilitätsschulung für den gesamten Alltag spricht, worauf das hiesige Gericht nun abgestellt hat, oder ob es sich um eine Maßnahme zur Schulbildung handeln würde, weil jedenfalls die anstehende Aufnahme ins Gymnasium Anlass für die Schulung war, damit der Kläger seinen Schulweg bewältigen und sich auf dem Schulgelände besser zurecht finden könnte. Denn beide Varianten führen hier anders als allgemeine Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu einem einkommens- und vermögensunabhängigen Anspruch, die Hilfe zur angemessenen Schulausbildung nämlich nach § 92
Abs. 2
Nr. 1 und die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach § 92
Abs. 2
Nr. 5
SGB XII.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193
SGG.