Der Kläger begehrt die Übernahme der Kosten für ein Hörgerät.
Bei dem Kläger wurde mit Bescheid vom 08. Oktober 1958 eine Lärmschwerhörigkeit als Berufskrankheit anerkannt. Ab dem 01. März 1970 bezieht der Kläger wegen dieser Berufskrankheit eine Verletztenrente nach einer
MdE von 20 v.H. Im September 1991 übernahm die Berufsgenossenschaft der Feinmechanik und Elektrotechnik die Kosten für ein Hörgerät bis zu einem Betrag in Höhe von 1.300,- DM. Im Oktober 1991 gab die Berufsgenossenschaft der Feinmechanik- und Elektrotechnik die Unterlagen des Klägers zuständigkeitshalber an die Beklagte ab. In der Folgezeit übernahm die Beklagte auch die Kosten für Wartung und Reparatur des Hörgerätes.
Im November 1998 beantragte der Kläger die Kostenübernahme für ein neues Hörgerät. Dem Antrag war unter anderem ein Schreiben des den Kläger betreuenden Hörgerätezentrums vom 20. November 1998 beigefügt, dem zufolge bei einem Test mit sieben Hörgeräten allein ein Mehrkanalgerät (Senso C 19) zu einem Gesamtpreis von rund 3.200,- DM einen zufriedenstellenden Hörerfolg erzielt habe. Auch die den Kläger behandelnde HNO-Ärztin
Dr. V., D., befürwortete die Versorgung des Klägers mit einem Hochleistungshörgerät. Zur Vorbereitung der Entscheidung über die Kostenübernahme legte die Beklagte die Unterlagen ihrem beratenden HNO-Arzt B.
S., vor. Dieser führt in seiner Stellungnahme vom 14. Dezember 1998 aus, dass beim Kläger eine pancochleäre (= Schädigung des Innenohres über alle Frequenzen) sensorische Schwerhörigkeit mit überlagernder Schallleitungsschwerhörigkeit vorliege. Eine solche Erkrankung sei nicht typisch für eine Lärmschwerhörigkeit, so dass die Lärmschwerhörigkeit keine wesentliche Ursache für die Hörgeräteversorgung darstelle. Darüber hinaus finde sich beim Kläger keine wesentliche Diskrepanz der Einschränkung der Dynamikbreite pancochleär, so dass in der Regel die Versorgung mit einem Festbetragshörgerät der Klasse II ausreichend sei.
Mit Bescheid vom 11. Januar 1999 lehnte die Beklagte sowohl die Übernahme der Kosten für das vom Kläger beantragte Hörgerät als auch die Übernahme der Kosten für die Hörgeräteversorgung des Klägers im Allgemeinen sowie die Übernahme der Kosten für Hörgerätebatterien
usw. ab. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21. April 1999 zurückwies. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass die Schwerhörigkeit des Klägers sowohl auf beruflichen Lärm als auch auf außerberufliche Faktoren, insbesondere eine Altersschwerhörigkeit, zurückzuführen sei, wobei die lärmtypischen Hörverluste im hohen Frequenzbereich nur einen unwesentlichen Teil der gesamten Schwerhörigkeit ausmachen würden. Die Beklagte habe Kosten für die Versorgung mit Hörgeräten aber nur dann zu übernehmen, wenn die Schwerhörigkeit wenigstens im Sinne einer rechtlich wesentlichen Teilursache durch beruflichen Lärm bedingt sei.
Mit seiner am 12. Mai 1999 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Zur weiteren Aufklärung des medizinischen Sachverhaltes hat das Gericht zunächst das den Kläger betreuende Hörgerätezentrum um Mitteilung der Testergebnisse für die verschiedenen getesteten Hörgeräte gebeten. Mit Schreiben vom 21. August 1999 teilt eine Mitarbeiterin des Hörgerätezentrums mit, dass der Kläger mit einem Festbetragshörgerät Verständigungsschwierigkeiten
insbesondere in geräuschvoller Umgebung gehabt habe.
Insgesamt seien sieben Hörgeräte, darunter zwei Festbetragsgeräte getestet worden. Mit dem von ihr vorgeschlagenen Hörgerät sei ein Verständnis von 85 % mit den anderen sechs Hörgeräten jedoch nur ein Verständnis zwischen 45 und 70 % erzielt worden.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 11. Januar 1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. April 1999 zu verpflichten, ihm die für die Anschaffung seines Hörgerätes Senso C 19 entstandenen Kosten zu erstatten und die Folgekosten für Betrieb und Wartung des Hörgerätes zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig und verweist zur Begründung auf die von ihr vorgelegte beratungsärztliche Stellungnahme. Zudem liege beim Kläger ein nicht entschädigungspflichtiger Nachschaden vor. Das Gericht hat
Prof. Dr. F. von der HNO-Klinik des Krankenhauses D. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 20. Oktober 2000 diagnostiziert der Sachverständige beim Kläger eine hochgradige kombinierte Schwerhörigkeit bei einem beidseitigen Hörverlust von 70 %. Aufgrund der Bildung von Narben im Bereich des Mittelohres sei die Schallübertragung behindert, so dass das durch den beidseitigen Innenohrschaden bereits erheblich beeinträchtigte Hörvermögen noch stärker gemindert werde und insgesamt eine hochgradige Schwerhörigkeit resultiere. Die Schwerhörigkeit des Klägers beruhe auf den folgenden Ursachen:
- Berufliche Lärmexposition,
- Narbenprozesse in beiden Mittelohren (Adhäsivprozess),
- zusätzlicher degenerativer Hörverlust insbesondere am linken Innenohr,
- Altersschwerhörigkeit.
Aufgrund einer groben Schätzung sei der Anteil des lärmbedingten Schadens mit über 60 % zu veranschlagen, so dass der beruflich bedingte Teil der Schwerhörigkeit die wesentliche Ursache für die Versorgung mit einem Hochleistungshörgerät sei. Ohne die lärmbedingte Schwerhörigkeit würde wahrscheinlich ein einfaches Gerät ausreichen. Ein Festbetragsgerät sei aufgrund der Messung des Hörgerätezentrums zur Versorgung des Klägers nicht ausreichend, da mit dem vorgeschlagenen Gerät ein wesentlich besseres Verständnis als mit den anderen getesteten Geräten erzielt worden sei. Die Differenz (85 % Verständnis mit dem vom Hörgerätezentrum vorgeschlagenen Gerät, 70 % Verständnis mit dem besten Festbetragsgerät) rechtfertige unter dem Gesichtspunkt der optimalen Hörgeräteversorgung die Versorgung mit einem teureren Gerät. Bei der Begutachtung habe er (= der Sachverständige) sich zudem selbst davon überzeugen können, dass mit diesem Gerät ein gutes Sprachverständnis erzielt werde. Daraufhin hat die Beklagte eine erneute Stellungnahme ihres beratenden HNO-Arztes B. (16. Januar 2001) vorgelegt.
Dieser hält den Lärmschaden weiterhin nicht für eine wesentliche Teilursache des Gesamthörschadens. Der Lärmschaden bedinge eine
MdE von 20 v.H., die gesamte Schwerhörigkeit jedoch eine
MdE von 50 v.H., so dass der Anteil der Lärmschwerhörigkeit unterhälftig sei.
Irrelevant sei auch, ob der Kläger ohne den Lärmschaden besser hören würde. Ein Lärmschaden schreite nämlich nach Beendigung der Exposition nicht fort, so dass die zwischenzeitlich hinzugetretene degenerative Komponente eindeutig überwiege. Schließlich sei auch nicht nachvollziehbar, warum der Kläger nicht mit einem Festbetragsgerät ausreichend versorgt werden könne. Im Tonaudiogramm habe sich erneut keine Unbehaglichkeit gezeigt, zudem bestehe im Hauptsprachbereich ein plateauförmiger Hörverlust von 50 bis 60
dB. Eine derartige Schwerhörigkeit sei unter Zugrundelegung des Kriteriums der Wirtschaftlichkeit in der Regel mit Festbetragshörgeräten versorgbar.
In einer weiteren Stellungnahme vom 09. Februar 2001 führt
Prof. Dr. F. aus, die aus der Gegenüberstellung von Gesamt-
MdE ( 50 v.H.) und lärmbedingter
MdE (20 v.H.) gezogene Folgerung, der Anteil der Lärmschwerhörigkeit an der Gesamtschwerhörigkeit sei unterhälftig, simplifiziere ein komplexes Geschehen in unzulässiger Weise. Sowohl für den Lärmschaden allein als auch für die später entstandenen zusätzlichen Schäden würde jeweils ein Festbetragsgerät ausreichen.
Das Vorliegen mehrerer komplexer Ursachen erfordere jedoch die Versorgung mit einem leistungsfähigeren Gerät, so dass die Versorgung mit einem solchen Hörgerät rechtlich wesentlich durch den Lärmschaden mitverursacht worden sei. Bezüglich der übrigen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- sowie die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Die zulässige, insbesondere fristgerecht erhobene Klage ist begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig, da dem Kläger gegen die Beklagte ein Anspruch auf Kostenerstattung für das von ihm selbst beschaffte Hörgerät zusteht, soweit diese Kosten nicht bereits durch andere Versicherungsträger (
z.B. Krankenkasse) übernommen wurden. Darüber hinaus ist die Beklagte auch verpflichtet, die Folgekosten für Betrieb und Wartung des Hörgerätes zu übernehmen.
A. Die Beklagte ist gemäß § 13
Abs. 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (
SGB V), der auch im Unfallversicherungsrecht analog anzuwenden ist (Urt. d. Bundessozialgerichts (
BSG) v. 05. Oktober 1995 - Az.: 2 RU 47/94; Benz, Die
BG 1999, 42 ff,
S. 46), zur Kostenerstattung verpflichtet, da sie die Hörgeräteversorgung des Klägers mit den angefochtenen Bescheiden zu Unrecht abgelehnt hat und dem Kläger dadurch Kosten für die Anschaffung des Hörgeräts entstanden sind.
1. Die angefochtenen Bescheide, mit denen die Hörgeräteversorgung des Klägers abgelehnt wurde, sind rechtswidrig, da die Beklagte gemäß § 31
Abs. 1
i.V.m. § 26
Abs. 1 und 5 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (
SGB VII) verpflichtet war, den Kläger mit dem Hörgerät Senso C 19 zu versorgen. Gemäß § 214
Abs. 1
SGB VII gelten die Vorschriften des ersten Abschnitts des dritten Kapitels des
SGB VII und damit auch § 31
SGB VII auch für Versicherungsfälle, die vor In-Kraft-Treten des
SGB VII am 01. Januar 1997 eingetreten sind.
a) Hörgeräte sind nach allgemeiner Auffassung Hilfsmittel im Sinne des § 31
Abs. 1
SGB VII (Kater/Leube,
SGB VII, 31, Rz. 6; Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 31, Rz. 7.2).
b) Vom Ansatz her zutreffend ist die Beklagte davon ausgegangen, dass die Unfallversicherungsträger Hilfsmittel nur zu gewähren haben, wenn die Hilfsmittelversorgung rechtlich wesentlich durch die gesundheitlichen Folgen eines Versicherungsfalles (mit-) bedingt ist (Kater/Leube, a.a.O., § 31, Rz. 8; Benz, a.a.O.,
S. 43). Jedoch ist entgegen der Ansicht der Beklagten die Hörgeräteversorgung des Klägers rechtlich wesentlich durch die anerkannte Lärmschwerhörigkeit mitbedingt.
Nach dem Sinn und Zweck des Rechts der Gesetzlichen Unfallversicherung sind nicht alle Hilfsmittel, für deren Verordnung neben unfall- oder berufskrankheitsbedingten Gesundheitsschädigungen auch noch andere Gesundheitsschädigungen ursächlich sind, von den Unfallversicherungsträgern zu übernehmen.
Insbesondere sind Hilfsmittel, deren Notwendigkeit nur zu einem ganz geringen Teil auf den gesundheitlichen Folgen eines Versicherungsfalles beruht, nicht von den Unfallversicherungsträgern, sondern von anderen Versicherungsträgern (
z.B. Krankenkassen) zu gewähren. Aus diesem Grund muss in Fällen, in denen sowohl gesundheitliche Folgen eines Versicherungsfalles als auch andere Gesundheitsstörungen die Verordnung eines Hilfsmittels erforderlich machen, eine wertende Entscheidung getroffen werden, die den Verursachungsbeitrag der einzelnen Mitursachen angemessen berücksichtigt. Diese Funktion erfüllt auf dem Gebiet der Gesetzlichen Unfallversicherung die Kausalitätslehre von der rechtlich wesentlichen Bedingung. Nach dieser in ständiger Rechtsprechung des
BSG bestätigten Lehre sind auf dem Gebiet der Gesetzlichen Unfallversicherung nur die Bedingungen ursächlich, die unter Abwägung ihres verschiedenen Wertes wegen ihrer besonderen Beziehung zu dem Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (Urt. v. 14. Oktober 1955 = BSGE 1, 254, 256 sowie v. § 20. Januar 1987 = BSGE 61, 125, 129; s.a. Kater/Leube, a.a.O., vor §§ 7 bis 13, Rz. 30 ff). Dabei stellt das
BSG ausdrücklich klar, dass es sich bei der Beurteilung, welche Bedingung rechtlich als wesentlich anzusehen ist, um eine Wertentscheidung handelt, bei der die einzelnen Bedingungen unter Berücksichtigung insbesondere auch des Schutzzweckes der Gesetzlichen Unfallversicherung qualitativ zu werten und gegeneinander abzuwägen sind (Urt. v. 27. November 1985 = BSGE 59, 193, 195).
Grundsätzlich handelt es sich bei dieser Abwägung nicht um eine Entweder-oder-Entscheidung, da auch mehrere Mitursachen im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne als rechtlich wesentlich für den Eintritt eines Gesundheitsschadens angesehen werden können (Kater/Leube, a. a.O., vor §§ 7 bis 13, Rz. 47). Denn nach der Rechtsprechung des
BSG sind mehrere Umstände, die annähernd gleichwertig zu einem Erfolg beigetragen haben, als rechtlich wesentliche Mitursachen einzustufen. Nur wenn einem der Umstände gegenüber den anderen eine überragende Bedeutung zukommt, ist dieser Umstand allein rechtlich wesentliche Ursache (Urt. v. 14. Juli 1955 = BSGE 1, 150, 157 sowie v. 01. Dezember 1960 = BSGE 13, 175, 176). Daher ist auch eine - rein naturwissenschaftlich betrachtet - nicht gleichwertige (prozentual also verhältnismäßig niedriger zu bewertende) Ursache als rechtlich wesentlich anzusehen, weil und insoweit gerade durch ihr Hinzutreten zu der anderen wesentlichen Ursache der Erfolg (hier: Erforderlichkeit der Hörgeräteversorgung) eintrat; in diesem Fall kommt keiner der beiden Mitursachen überragende Bedeutung zu (Urt. d.
BSG v. 11. Dezember 1963 = NJW 1964,
S. 2222 sowie v. 12. Juni 1990 - Az.: 2 RU 14/90; Urt. d. Sächs.
LSG v. 29. Juni 2000 - Az.: L 2 U 94/97).
Im vorliegenden Fall hat
Prof. Dr. F. nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass sowohl die berufskrankheitsbedingte Lärmschwerhörigkeit als auch der auf anderen Ursachen beruhende Teil der Schwerhörigkeit für sich allein genommen jeweils nur die Versorgung mit einem Festbetragshörgerät erfordern würde. Dieser Einschätzung hat auch
Dr. B. nicht widersprochen. Demzufolge ergibt sich im vorliegenden Fall aufgrund des Zusammentreffens von berufskrankheitsbedingter und berufskrankheitsunabhängiger Schwerhörigkeit eine neue Qualität, die die Versorgung mit dem Höchstleistungshörgerät Senso C 19 erforderlich macht.
Angesichts dieser Sachlage kommt weder dem berufskrankheitsbedingten noch dem berufskrankheitsunabhängigen Teil der Schwerhörigkeit in Bezug auf die Versorgung mit einem Höchstleistungshörgerät überragende Bedeutung zu, so dass beide Ursachen als rechtlich wesentliche Mitursachen für die Versorgung mit einem Höchstleistungshörgerät anzusehen sind. Entgegen der von
Dr. B. und der Beklagten vertretenen Ansicht hält es das Gericht nicht für entscheidend, wie hoch der prozentuale Anteil der berufskrankheitsbedingten Lärmschwerhörigkeit an der gesamten beim Kläger vorliegenden Schwerhörigkeit einzuschätzen ist. Denn eine rein prozentuale Betrachtungsweise würde der Kausalitätslehre von der rechtlich wesentlichen Bedingung nicht gerecht werden, da sich eine nach dieser Lehre vorzunehmende Abwägung nicht auf eine rein prozentuale Betrachtungsweise reduzieren lässt. Zudem verkennen
Dr. B. (
vgl. Bl. 52 d. Ger.akte) und die Beklagte, dass auch prozentual "unterhälftige" Bedingungen nach der Rechtsprechung des
BSG als rechtlich wesentliche Ursache anerkannt werden können. Aber auch wenn man die Entscheidung darüber, ob die berufskrankheitsbedingte Lärmschwerhörigkeit als rechtlich wesentliche Ursache der Versorgung mit dem beim Kläger erforderlichen Hörgerät anzusehen ist, entgegen der ständigen Rechtsprechung des
BSG auf eine rein prozentuale Betrachtungsweise reduzieren wollte, hält die Argumentation
Dr. B.s einer näheren Überprüfung nicht stand:
Dr. B. geht davon aus, dass die berufskrankheitsbedingte Lärmschwerhörigkeit des Klägers eine
MdE von 20 v.H. bedingt. Nach der dem Königsteiner Merkblatt entnommenen
MdE-Tabelle von Feldmann (abgedruckt
z.B. bei Mehrtens/Perlebach, Die Berufskrankheitenverordnung, M 2301,
S. 23) setzt eine
MdE von 20 v.H. einen beidseitigen Hörverlust von etwa 40 % voraus. Da der gesamte von
Prof. Dr. F. festgestellte Hörverlust beidseits 70 % beträgt (Bl. 38 d. Ger.akte) - von diesem Wert geht auch
Dr. B. aus (Bl. 52 d. Ger. akte) -, beträgt der berufskrankheitsbedingte Anteil am gesamten beim Kläger vorliegenden Hörverlust über 50 %. Bezogen auf den Hörverlust stimmt die Einschätzung
Dr. B.s somit in etwa mit der Einschätzung
Prof. Dr. F.s überein, der den Anteil des berufskrankheitsbedingten Lärmschadens mit etwa 60 % geschätzt hat. Die Argumentation
Dr. B.s verkennt, dass die
MdE bei zunehmendem Hörverlust nicht linear, sondern exponentiell ansteigt. Denn bei Verdopplung des prozentualen Hörverlustes steigt die
MdE um mehr als den Faktor 2, wie die nachfolgende Tabelle beweist:
Hörverlust in %
MdE Hörverlust in %
MdE 30
15 60 40 40 20 80 60 50 30 100 80
Die von der Beklagten erstmals in der mündlichen Verhandlung angesprochenen Grundsätze zur Berücksichtigung von Nachschäden (zur Nichtberücksichtigung von Nachschäden bei der Gewährung von Verletztenrente
vgl. Kater/Leube, a.a. O., § 8, Rz. 144 ff) finden bei der Entscheidung über die Gewährung von Hilfsmitteln keine Anwendung. Insofern gleicht die Rechtslage bei der Gewährung von Hilfsmitteln der Rechtslage bei der Gewährung von Pflegegeld. Bei der Gewährung von Pflegegeld ist es nach der Rechtsprechung des
BSG (Urt. v. 26. Mai 1966 = BSGE 25, 49, 50) ebenfalls unbeachtlich, in welcher zeitlichen Reihenfolge Gesundheitsschäden, die insgesamt gesehen Hilflosigkeit bedingen, eingetreten sind. Dies gilt entsprechend für die Gewährung von Hilfsmitteln, da die Grundsätze zur Nichtberücksichtigung von Nachschäden auf die Gewährung von Verletztengeld und Verletztenrente beschränkt ist (
vgl. Kater/Leube, a.a.O., § 8, Rz. 146).
c) Aufgrund der bei ihm vorliegenden Schwerhörigkeit war der Kläger auch mit dem vom Hörgerätezentrum empfohlenen Hochleistungshörgerät Senso C 19 zu versorgen. Zwar haben die Unfallversicherungsträger gemäß § 31
Abs. 1 Satz 3 i.V. m. § 29
Abs. 1 Satz 2
SGB VII grundsätzlich auch bei Hilfsmitteln Kosten nur in Höhe der gemäß § 35
SGB V festgesetzten Festbeträge zu übernehmen. Jedoch schränkt bereits die Vorschrift des § 29
Abs. 1 Satz 2
SGB VII diesen Grundsatz dahingehend ein, dass die Beschränkung auf Festbeträge nur gilt, soweit das Ziel der Heilbehandlung mit Festbetragshilfsmitteln zu erreichen ist. Aufgrund dieser Einschränkung sowie des Grundsatzes, dass Heilbehandlung im Unfallversicherungsrecht "mit allen geeigneten Mitteln" (§§ 1
Nr. 2 und 26
Abs. 2
SGB VII) und nach "dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse" (§ 26
Abs. 4
SGB VII) zu erbringen ist, muss im Unfallversicherungsrecht im Konfliktfall die Kostendämpfung hinter der Qualität der medizinischen Versorgung zurücktreten ( Kater/Leube, a.a.O., § 29, Rz. 9; sinngemäß auch Hauck-Benz,
SGB VII, K § 26, Rz. 13). Eine Ausnahme vom Grundsatz des Vorranges der Qualität der medizinischen Versorgung ist nur dann gerechtfertigt, wenn ein krasses Missverhältnis zwischen Aufwand und Erfolg besteht ( Keller, Die Sozialgerichtsbarkeit 2000, 459 ff,
S. 464). Im vorliegenden Fall kommt der Kläger mit dem Härgerät Senso C 19 auf ein Verständnis von 85 %, mit dem besten Festbetragsgerät dagegen nur auf ein Verständnis von 70 %. Diese Differenz im Verständnis von 15 % steht in keinem krassen Missverhältnis zu den entstandenen Mehrkosten in Höhe von etwa 2.000,- DM. Die Mehrkosten ergeben sich aus der Differenz zwischen dem Preis für das Hörgerät Senso C 19 (3.190,- DM) und dem in Sachsen geltenden Freibetrag für mehrkanalige Hörgeräte, der gemäß der Bekanntmachung über die Festsetzung der Festbeträge für Hörhilfen nach § 36
Abs. 2
SGB V vom 15. Mai 1997 auf 995,- DM festgesetzt ist. Ob bei Hörbehinderten mit einer dem Kläger vergleichbaren Schwerhörigkeit in der Regel ein Festbetragshörgerät ausreicht, (so
Dr. B., Bl. 94 d. Verw.akte sowie Bl. 53 d. Ger.akte) ist dagegen unbeachtlich, da nicht der Regelfall, sondern die Verhältnisse des Klägers entscheidend sind. Aufgrund der durchgeführten Messungen des Hörgerätezentrums ist aber nachgewiesen, dass das Hörgerät Senso C 19 beim
Kläger zu deutlich besseren Ergebnissen führt, als ein Festbetragshörgerät. Im Übrigen sei noch darauf verwiesen, dass die Vorgehensweise des Klägers
bzw. des Hörgerätezentrums exakt den Anweisungen der Beklagten im Schreiben vom 23. November 1998 (Bl. 87 d. Ger.akte) entspricht. Gemäß § 26
Abs. 5 Satz 1
SGB VII bestimmen die Unfallversicherungsträger im Einzelfall Art, Umfang und Durchführung der Heilbehandlung nach pflichtgemäßem Ermessen. Im vorliegenden Fall erwies sich jedoch allein das Hochleistungshörgerät Senso C 19 als für die Versorgung der Schwerhörigkeit des Klägers geeignet, da alle anderen getesteten Hörgeräte zu einem wesentlich schlechteren Ergebnis führten. Damit hat sich das Auswahlermessen der Beklagten im vorliegenden Fall auf Null reduziert (vergleiche Keller, a.a.O.,
S. 461).
2. Durch die rechtswidrige Versagung der Versorgung mit einem Hochleistungshörgerät Senso C 19 sind dem Kläger auch Kosten entstanden, da seine Krankenkasse nur einen Teil der Kosten übernommen hat.
B. § 31
Abs. 1
SGB VII umfasst nach allgemeiner Auffassung auch die Folgekosten für Wartung und Betrieb des Hilfsmittels, so dass die Beklagte dem Kläger auch diese Kosten zu erstatten hat.
C. Der Anspruch des Klägers richtet sich auch gegen die Beklagte. Gemäß der hier anwendbaren "Geburtstagsregelung" ist die Beklagte für den Kläger zuständig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (
SGG). Der Zulassung der Berufung gemäß § 144
SGG bedurfte es im vorliegenden Fall nicht, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 1.000,- DM übersteigt.