Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg. Der Bescheid der Beklagten vom 31. Mai 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. August 2010 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger, bei dem die Beklagte mit Bescheid vom 14. April 2000 zu Recht eine Berufskrankheit nach
Nr. 2301 (Lärmschwerhörigkeit) der Anlage 1 zur BKV anerkannt hat, hat gegen die Beklagte Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine Hörgeräteneuversorgung aufgrund der fachärztlichen Verordnung vom 11. März 2010 in gesetzlicher Höhe. Der grundsätzliche Anspruch des Klägers auf Hörgeräteneuversorgung richtet sich nach den §§ 26, 27
Abs. 1 Ziffer 4
SGB VII, wonach die vom Unfallversicherungsträger zu leistende Heilbehandlung auch die Versorgung mit Hilfsmitteln umfasst, wozu auch Hörgeräte gehören. Durch sie werden die Folgen der durch den Versicherungsfall verursachten Hörstörung ausgeglichen, zumindest aber gemildert (§ 31
Abs. 1 Satz 1
SGB VII). Nach § 26
Abs. 2
Nr. 1
SGB VII hat der Unfallversicherungsträger mit allen geeigneten Mitteln möglichst frühzeitig den durch den Versicherungsfall verursachten Gesundheitsschaden zu beseitigen oder zu bessern, seine Verschlimmerung zu verhüten und seine Folgen zu mindern.
Freilich werden nur - insofern ist der Beklagten zuzustimmen - die Folgen der durch den Versicherungsfall verursachten Hörstörung ausgeglichen. D. h. es gelten auch die allgemeinen unfallversicherungsrechtlichen Grundsätze, wonach für die haftungsbegründende Kausalität zwischen Einwirkung und Erkrankung ein Ursachenzusammenhang zwischen den durch den Versicherungsfall erlittenen Körperschaden und den für die Erforderlichkeit einer Hörgeräteversorgung maßgeblichen Gesundheitsstörung erforderlich ist. Es gilt auch insoweit die Theorie der wesentlichen Bedingung (
vgl. nur Bundessozialgericht, Urteil vom 2. April 2009,
B 2 U 9/08 R, JURIS, Rn. 26 m. w. N. und aktuell Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 21. März 2012,
L 2 U 4996/10, JURIS, Rn. 50).
An diesem Prüfungsmaßstab orientiert, ist das erkennende Gericht aufgrund der Ausführungen im Gutachten von
Prof. Dr. St. vom 12. Januar 2012 und dessen Ergänzung vom 20. März 2012 der Überzeugung, dass der berufsbedingte Anteil der Hochtonschwerhörigkeit des Klägers zwar mit einer
MdE von unter 10 vom Hundert zu bewerten ist, aber gleichzeitig dennoch bereits ein Anspruch auf Hörgeräteversorgung durch die beklagte Berufsgenossenschaft begründet.
Prof. Dr. St. weist in diesem Zusammenhang zu Recht auf Punkt 4.4.3 des Königsteiner Merkblatts für die Begutachtung der beruflichen Lärmschwerhörigkeit (4. Auflage 1996) - nunmehr inhaltsgleich Punkt 4.5.3 der neuen Königsteiner Empfehlung für die Begutachtung der Lärmschwerhörigkeit vom März 2012 - zur wesentlichen Teilursache hin. Danach ist die Versorgung eines Lärmschwerhörigen mit Hörgeräten aus HNO-ärztlicher Sicht auf Kosten der Berufsgenossenschaft im Allgemeinen bereits indiziert, wenn mindestens eine geringgradige berufsbedingte Lärmschwerhörigkeit besteht. Das Königsteiner Merkblatt sieht also die Indikation zur Hörgeräteversorgung bereits dann als gegeben an, wenn eine beiderseitige geringgradige Schwerhörigkeit entsprechend einem Hörverlust von mindestens 30 vom Hundert besteht, was tatsächlich mit einer
MdE von 15 vom Hundert zu bewerten wäre. Darüber hinaus verweist das Königsteiner Merkblatt aber ausdrücklich auf die Heil- und Hilfsmittelrichtlinien der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, anhand derer die Indikation zur Hörgeräteversorgung gestellt werden kann. Diese führen in der Fassung vom 17. Juni 1992, geändert zum 1. April 2012, aus:
Der tonaudiometrische Hörverlust muss auf dem besseren Ohr 30
dB oder mehr in mindestens einer der Prüffrequenzen zwischen 500 und 4.000
Hz betragen und die Verstehensquote für einsilbige Worte darf auf dem besseren Ohr bei 65
dB nicht größer als 80 vom Hundert (bei sprachaudiometrischer Überprüfung mit Kopfhörern) sein.
Das heißt, eine Hörgeräteversorgung ist bereits dann vom Unfallversicherungsträger zu leisten, wenn die
MdE 10 v.H. oder unter 10 v.H. beträgt, solange die beruflich bedingte Lärmschwerhörigkeit des Versicherten nur eine wesentliche Teilursache darstellt. Damit ist die Schwelle für die Verordnung eines Hörgeräts durch den Unfallversicherungsträger deutlich herabgesetzt. Eine Hörgeräteversorgung zu Lasten der Beklagten erfolgt auch in leichteren Fällen, wenn der Versicherte - wie hier der Kläger - schon mit einem von der Unfallversicherung finanziertem Hörgerät versorgt war, die Voraussetzungen der Hilfsmittelrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses erfüllt sind und im laufenden Verfahren die Neuversorgung angestrebt wird (
vgl. nur Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., 2010,
S. 352 m. N. der Rspr.; siehe zuletzt auch instruktiv Sozialgericht Mannheim, Urteil vom 19. Oktober 2011, S 14 U 2090/11, JURIS Rn. 28, 39 mit der dort beklagten Berufsgenossenschaft in einem dem vorliegenden Sachverhalt vergleichbaren Fall sogar Missbrauchskosten nach § 192
Abs. 1
S. 1
Nr. 2
SGG auferlegt worden sind). Bei dem Vorliegen einer berufslärmbedingten geringgradigen Hochtoninnenohrschwerhörigkeit - wie sie beim Kläger vorliegt - kommt es mithin - entgegen den Ausführungen von Beratungsarzt B. (zuletzt vom 26. Mai 2012) - nicht auf den Nachweis eines bestimmten prozentualen Hörverlusts an (
vgl. so auch Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 29. September 2010,
L 6 U 140/06, JURIS Rn. 38).
Dass diese vorgenannten Kriterien bei der gutachtlichen audiometrischen Untersuchung des Klägers durch
Prof. Dr. St. am 10. Dezember 2011 erfüllt gewesen sind, ist offensichtlich und wird auch von der Beklagten nicht bestritten. Die Bewertung der Situation im Jahre 1988 ist schwieriger, weil damals kein Sprachaudiogramm gefertigt worden ist, so dass das Einsilbenverständnis bei 65
dB nicht zur Entscheidung herangezogen werden kann. Im Tonschwellenaudiogramm von 1988 hat die Hörschwelle rechts bei 1,5 kH bei 30
dB, bei 2 kHz bei 30
dB und bei 3kHz bei 40
dB und am linken Ohr bei 1,5 kHz bei 30
dB, bei 2 kHz bei 40
dB und bei 3 kHz bei 60
dB gelegen. Bei der tonschwellenaudiometrischen Untersuchung sind somit an beiden Ohren die Anforderungen der Heil- und Hilfsmittelrichtlinienverordnung erfüllt. Dass damals - abweichend von den Empfehlungen im Königsteiner Merkblatt - keine sprachaudiometrische Untersuchung durchgeführt worden ist, kann aber nunmehr - auch entgegen der dezidierten Auffassung der Beklagten - nicht zu Lasten des Klägers gehen. Aufgrund der tonaudiometrischen Befunde vom 29. April 1988 besteht weiter eine Indikation zur beidseitigen Hörgeräteversorgung auf Kosten der Beklagten. Anderenfalls ließe sich auch die entsprechende beratungsärztliche Stellungnahme des HNO-Arztes
Dr. B. vom 20. März 2003 nicht schlüssig erklären. Darin hat
Dr. B. ausdrücklich die Indikation zur beidseitigen Hörgeräteversorgung des Klägers durch die Beklagte gestellt. Dem ist die Beklagte damals auch nachgekommen.
Zwischen 1988 und 2011 hat sich nun das Hörvermögen des Klägers zweifellos beidseitig verschlechtert. Eine allgemein anerkannte Definition zur Quantifizierung einer solchen Verschlechterung gibt es indes nicht. Vielmehr ergeben sich sehr unterschiedliche Bilder, je nachdem welches Vergleichskriterium herangezogen wird. Betrachtet man den aus dem Tonschwellenaudiogramm ermittelten Hörverlust, so hat sich dieser am rechten Ohr von 10 vom Hundert auf 55 vom Hundert und am linken Ohr von 20 vom Hundert auf 45 vom Hundert verschlechtert. Vergleicht man die im zur Diskussion stehenden Gutachten als endgültigen Aussagen ermittelten Hörverluste (1988 aus dem Tonschwellenaudiogramm und 2011 aus dem Sprachaudiogramm), so liegt am rechten Ohr eine Verschlechterung von 10 vom Hundert auf 40 vom Hundert vor, links beträgt der Hörverlust sowohl 1988 als 2011 konstant 20 vom Hundert. Betrachtet man die Hörschwelle bei 1 kHz, so ist sie am rechten Ohr von 15
dB 1988 auf 45
dB 2011 abgefallen, während dies am linken Ohr von 20
dB auf etwa 30
dB der Fall gewesen ist. Das ist am linken Ohr in
dB-Werten nicht einmal eine Verdoppelung, bei Rückrechnung auf die Schallleistung pro Flächeninhalt bedeutet dies aber, dass am rechten Ohr eine tausendfach höhere Schallleistung pro Flächeneinheit erforderlich ist, um einen Höreindruck zu erzielen, am linken Ohr eine 32-fache. Anders stellt sich die Situation unter Zugrundelegung des subjektiven Lautheitempfindens bei 1 kHz dar. Hier nimmt die Hörverschlechterung rechts 0,2 auf 1,8 Sone zu, links von 0,3 auf 0,8 Sone. Schließlich sind die daraus resultierenden
MdE-Werte in den Blick zu nehmen: 1988 haben sie bei unter 10 vom Hundert gelegen, 2011 nunmehr bei 15 vom Hundert, wobei eine arithmetische Subtraktion der Werte zur Ermittlung der eingetretenen Verschlechterung nicht zulässig ist. Diese Überlegungen zeigen, dass beim Kläger - entgegen der redundant und nachgerade stereotyp von der Beklagten und ihrem Beratungsarzt B. vorgetragenen Behauptung - eben quantitativ nicht eindeutig nachweisbar ist, seiner berufsbedingte Lärmschädigung komme heute nicht mehr die Qualität einer rechtlich wesentlichen Teilursache zu.
Aus alledem folgt, dass die berufsbedingte Lärmbelastung des Klägers aus den Jahren zwischen 1978 und 1988 bis heute weiter als wesentliche Teilursache der Hörschädigung nachwirkt, weshalb eine Hörgeräteversorgung auch zu Lasten des beklagten Unfallversicherungsträgers geht (
vgl. Römer in Hauck/Noftz,
SGB VII, Anhang zu K § 9 BK 2301 Rn. 11).
Dem Begehren des Klägers ist nach alledem stattzugeben gewesen.
Die Kostenentscheidung zu Lasten der Beklagten beruht auf § 193
SGG.