Die gemäß § 151
SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, über die der Senat nach § 124
Abs. 2
SGG mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist gemäß §§ 143, 144
SGG zulässig.
Die Berufung ist aber nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht mit dem angefochtenen Urteil der Klage stattgegeben. Die streitgegenständlichen Bescheide der Beklagten sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten.
Der als Ausführungsbescheid bezeichnete Ausgangsbescheid der Beklagten vom 18.08.2010 belastet den Kläger nicht bereits deswegen rechtswidrig, weil entgegen der im Vergleich übernommenen Verpflichtung auf Feststellung im Entscheidungssatz des die übrigen Voraussetzungen eines Verwaltungsakts erfüllenden Bescheides Leistungen (Kostenfreistellung und Kostenerstattung) abgelehnt werden.
Aus dem Empfängerhorizont des Adressaten lehnt der Bescheid vom 18.08.2010 die Feststellung einer über den Juli 2000 hinaus bestehenden Rechtspflicht zur Kostenerstattung und Kostenfreistellung für Kontaktlinsen-Pflegemittel anlässlich des Arbeitsunfalls vom 06.11.1978 ab. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus der Bezugnahme auf den Prozessvergleich vom 15.06.2010 im Entscheidungssatz und der Begründung des Verwaltungsaktes. In den Entscheidungsgründen finden sich lediglich Ausführungen zu einem aus Sicht der Beklagten fehlenden Anspruch dem Grunde nach auf Leistung von Pflegemittel
bzw. Kostenersatz hierzu. Ausführungen zu einzelnen Kostenpunkten wegen Kostenersatz für in der Vergangenheit getätigte Aufwendungen des Klägers fehlen, solche hat der Kläger konsequenterweise auch nicht geltend gemacht, da im Vergleich vor dem
BSG ausdrücklich die Verpflichtung zu einem feststellenden Verwaltungsakt übernommen worden war. Der Bescheid vom 18.08.2010 und der Widerspruchsbescheid vom 10.12.2010 behandeln letztlich nur die grundsätzliche Frage, ob überhaupt ein Anspruch auf Sachleistung
bzw. Kostenersatz für Pflegemittel besteht, was auch allein Gegenstand der im Vergleich übernommenen Verpflichtung zur feststellenden Entscheidung über Kostenerstattung
bzw. Kostenfreistellung ist. Auch unter Berücksichtigung des Gangs der mündlichen Verhandlung am 15.06.2010 vor dem Bundessozialgericht (
vgl. Sitzungsbericht des Beklagtenvertreters vom 16.06.2010, Bl. 466 der Beklagten-Akte), wonach die bisher verfolgten Leistungsanträger nicht hinreichend bestimmt
bzw. nicht zielführend gewesen seien, wird erkennbar, dass auch aus objektiver Sicht der Beteiligten ein feststellender Verwaltungsakt erlassen worden ist. Zur Auslegung eines Verwaltungsakts können auch Umstände des Verwaltungsverfahrens herangezogen werden, wenn hierfür im Verwaltungsakt hinreichende Anknüpfungspunkte gegeben sind, was vorliegend mit der Bezugnahme auf den Prozessvergleich der Fall ist.
Hiervon ausgehend ist der Prozessantrag des Klägers in 1. Instanz als Verpflichtungsantrag auf Erlass eines feststellenden Verwaltungsakts über das Bestehen der streitigen Rechtspflicht zur Kostenerstattung entsprechend sinngemäß auszulegen. Soweit das Sozialgericht von einer grundsätzlich zulässigen kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54
Abs. 4
SGG (unechte Leistungsklage) ausgegangen ist, wäre diese zwar insoweit zulässig, auch wenn die Leistung als solche noch nicht fällig ist (§ 202
SGG i.V.m. § 259 Zivilprozessordnung -
ZPO -) und die künftige Leistung hinreichend bestimmt ist. Der Sachleistungsanspruch für künftig notwendiges Pflegemittel ist in seinem Bestand als Leistungsbegehren für die Dauer der Heilbehandlung mit Kontaktlinse auch hinreichend gewiss (zu dieser Voraussetzung
vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 10. Auflage, § 54, Rn. 40a m.w. H. auf
BSG). Die Klage auf Kostenerstattung für bereits erbrachte Aufwendungen in der Vergangenheit ist aber nicht zulässigerweise beschränkbar auf den Erlass eines Grundurteils i.
S. von § 130
Abs. 1
SGG, denn hinreichend bestimmt ist der Kostenerstattungsanspruch nur durch den bezifferten Leistungsantrag (
vgl. BSG Urteile vom 28.01.1999 - B 3 KR 4/98 R, BSGE 83, 254, Juris Rn.27, vom 17.03.2005 - B 3 KR 35/04 R, BSGE 94, 205, Juris Rn. 13, vom 20.04.2010 - B 1/3 KR 22/08 R, BSGE 106, 81, Juris Rn. 28). Die Auslegung dieses prozessualen Begehrens des Klägers ist zur Überzeugung des Senats auch sachgerecht, denn Einzelrechnungen für beschaffte Kontaktlinsenpflegemittel ab 2000 sind in das Verfahren nicht eingeführt und die Höhe einzelner Rechnungen
bzw. die (Unfall-)Kausalität von Einzelrechnungen wurden nicht streitig gestellt. Auch aus Sicht des Klägers geht es daher allein um die durch Verwaltungsakt festzustellende Rechtspflicht zum Kostenersatz/zur Kostenfreistellung wegen des grundsätzlich bestehenden Rechtsverhältnisses zur Beklagten auf Bereitstellung der Sachleistung "Kontaktlinsenpflegemittel". Wie die Beklagte den festgestellten Freistellungsanspruch erfüllt, durch Gewährung der Sachleistung oder durch Kostenübernahme nach direkter Rechnungslegung durch den Optiker, steht in ihrem Ermessen und ist nicht Gegenstand des streitigen Verpflichtungsbegehrens.
Der Kläger hat auch materiell-rechtlich einen Anspruch auf Kostenerstattung und Freistellung für Kosten von notwendigen Kontaktlinsenpflegemitteln.
Das Sozialgericht hat im angefochtenen Urteil die Rechtsgrundlagen und Rechtsgrundsätze zur Heilbehandlung und Kostenerstattung für selbst beschaffte Heilbehandlungsmaßnahmen im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung umfassend und rechtlich zutreffend dargelegt sowie rechtsfehlerfrei angewendet. Der Senat gelangt nach eigener Überprüfung zum selben Ergebnis, weshalb er insoweit auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil verweist (§ 153
Abs. 2
SGG).
Aus Sicht des Senats ist noch vertiefend darzulegen, dass die Kontaktlinsenpflegemittel, die Reinigungsmittel und Aufbewahrungsflüssigkeit umfassen, unverzichtbar für den bestimmungsgemäßen Gebrauch des gewährten Hilfsmittels "Kontaktlinse" sind. Dies ist zwischen den Beteiligten letztlich nicht streitig und ergibt sich für den Senat nachvollziehbar aus dem - aktuellen - Hilfsmittelverzeichnis des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenversicherung (
GKV-Spitzenverband), wo unter der Produktgruppe 25 (Sehhilfen) ausgeführt ist, dass Pflegemittel der Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Kontaktlinse dienen. Insbesondere weiche Kontaktlinsen - wie die des Klägers - müssen immer feucht gehalten werden. Daher sind sie bei einer Unterbrechung des Tragens in einer desinfizierenden Aufbewahrungslösung zu verwahren. Mit Hilfe von Reinigungsmitteln müssen Kontaktlinsen regelmäßig von auftretenden Ablagerungen aus Bestandteilen der Tränenflüssigkeit und von Umweltschmutzablagerungen befreit werden (
Nr. 6.3 - Pflege- und Reinigungsmittel - Hilfsmittelverzeichnis
GKV- Spitzenverband). Es ist deshalb auch unerheblich, dass das Hilfsmittel "Kontaktlinse" seine Funktion zunächst auch ohne Verwendung von Pflegemitteln zu erfüllen geeignet ist, anders als etwa im bereits entschiedenen Fall zur Erstattung der Kosten des Ladestroms für das Hilfsmittel Elektrorollstuhl (
BSG Urteil vom 22.06.2004 -
B 2 U 11/03 R -, SozR 4-2700 § 31
Nr. 1), der ohne Akkustrom überhaupt nicht nutzbar ist. Denn ohne Reinigung und sachgemäße Aufbewahrung wird die Funktion durch Verschmutzung der Kontaktlinsen beeinträchtigt und es entsteht eine Gesundheitsgefährdung durch die Gefahr von Augenentzündungen.
Darüber hinaus ergibt sich bereits aus einer systematischen Auslegung der Regelungen im gesetzlichen Unfallversicherungsrecht, dass die in der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossene Kostenübernahme im Rahmen der nach § 27
SGB VII zu gewährenden Heilbehandlung nicht gilt.
Gemäß § 27
Abs. 1
Nr. 4
SGB VII umfasst die Heilbehandlung Versorgung mit Arznei, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln. Die Begriffsbestimmung für Hilfsmittel in der gesetzlichen Unfallversicherung ergibt sich aus § 31
Abs. 1
SGB VII. Danach sind Hilfsmittel alle ärztlich verordneten Sachen, die den Erfolg der Heilbehandlung sichern oder die Folgen von Gesundheitsschäden mildern oder ausgleichen. Dazu gehören - u.a. - andere Hilfsmittel einschließlich der notwendigen Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung sowie die Ausbildung im Gebrauch der Hilfsmittel (
S. 2 der Vorschrift). Im Zusammenhang mit dem danach umschriebenen Sachleistungsprinzip der Heilbehandlung und der den Unfallversicherungsträgern aufgegebenen Verpflichtung, mit allen geeigneten Mitteln möglichst frühzeitig den durch den Versicherungsfall verursachten Gesundheitsschaden zu beseitigen oder zu bessern, seine Verschlimmerung zu verhüten und seine Folgen zu mildern (§ 26
Abs. 2
Nr. 1
SGB VII), folgt der Grundsatz, dass der Unfallversicherungsträger auch alle notwendigen Betriebskosten für den bestimmungsgemäßen Gebrauch eines Hilfsmittels zu übernehmen hat (
BSG Urteil vom 22.06.2004 a.a.O., m.w.Nachw.; Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung,
SGB VII § 31 Rn. 7.4).
Eine Einschränkung dieser Verpflichtung enthält als Ausnahmeregelung § 31
Abs. 1
S. 3
SGB VII. Danach gilt § 29
Abs. 1
S. 2 und 3
SGB VII entsprechend, soweit für Hilfsmittel Festbeträge im Sinne des
§ 36 SGB V festgesetzt sind. Der Verweis des § 31
SGB VII über § 29
Abs. 1
S. 2 und 3
SGB VII auf die Regelung der
§§ 35,
35a und 36
SGB V beinhaltet daher entgegen der Auffassung der Beklagten nicht den Ausschluss von Kontaktlinsenpflegemittel in der gesetzlichen Krankenversicherung. Der Ausschluss der Übernahme der Kosten von Pflegemitteln aus der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen ist in
§ 33 Abs. 3 S. 4 SGB V (bereits in der Fassung vom 23.06.1997 durch Gesetz vom 01.11.1996, BGBl I
Nr. 55,
S. 1631
ff.) geregelt. Der Verweis auf eine entsprechende Anwendung der Festbetragsregelung nach den §§ 35, 35a und 36
SGB V erfasst daher gerade nicht die Regelung in § 33
Abs. 3
S. 4
SGB V. Weshalb die gesetzliche Definition von Hilfsmitteln im Krankenversicherungsrecht nach § 33
SGB V anstelle oder neben die in der gesetzlichen Unfallversicherung geltende spezialgesetzliche Regelung zum Begriff des Hilfsmittels in § 31
SGB VII treten soll, ist nach Rechtsauffassung des Senats im Wege der Gesetzesauslegung nicht begründbar.
Festbeträge in der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 36
SGB V sind nur für das Hilfsmittel "Kontaktlinsen" festgesetzt, wie sich aus dem Hilfsmittelverzeichnis des
GKV-Spitzenverbandes
bzw. den Festbeträgen für Sehhilfen der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 03.12.2007 und Vorgängerregelungen ergibt. Sie enthalten nur klarstellend den Hinweis auf § 33
Abs. 3
S. 4
SGB V, wonach Kosten für Pflegemittel nicht übernommen werden können. Der sinngemäße Einwand der Beklagten, dass der Verweis auf die Festbetragsregelungen im
SGB V auch diesen Kostenausschluss erfasse, weil die Landesverbände der Krankenkassen für Baden-Württemberg mit der ab 01.11.1997 in Kraft getretenen Festbetragsregelung mit dem Festbetrag für Kontaktlinsen auch Reinigungs- und Aufbewahrungsflüssigkeiten für Kontaktlinsen abgegolten hätten (Regelung II-Kontaktlinsen-
Nr. 5), ist auch für diese Vorgängerregelung in diesem Sinne nicht zutreffend. Diese Formulierung, die sich in der Festbetragsregelung vom 03.12.2007 bei ansonsten gleichem Wortlaut nicht (mehr) findet, stellt ebenso lediglich die Gesetzeslage in der gesetzlichen Krankenversicherung klar, dass Pflegemittel bereits von Gesetzes wegen vom Leistungsumfang ausgeschlossen sind. Die Festsetzung eines Festbetrags "Null" für ein Hilfsmittel, das von Gesetzes wegen den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung nicht unterfällt, wäre von vornherein unnötig.
Vor diesem Hintergrund war auch nicht zu entscheiden, ob Gegenstand des Rechtsstreits auch die so genannte Intensivreinigung, die vom Hersteller
bzw. Anpasser zur Erhaltung der Gebrauchsfähigkeit in regelmäßigen Abständen durchzuführen ist, Streitgegenstand war. Mit der so genannten Intensivreinigung können besonders widerstandsfähige Ablagerungen entfernt werden, deren Kosten deshalb auch im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen werden können (aktuelles Hilfsmittelverzeichnis des
GKV-Spitzenverbandes, Produktgruppe 25
Nr. 6.5).
Die Berufung der Beklagten war daher im Hinblick auf das zweckentsprechend auszulegende Prozessziel des Klägers mit der Maßgabe der Klarstellung des Tenors des angefochtenen Urteils des SG zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193
SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich. Der Senat hält eine grundsätzliche Bedeutung - anders als der 9. Senat - im Hinblick auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 22.06.2004 - B 2 U 11/03R - (a.a.O.) für nicht gegeben, da die dort dargestellten Rechtsgrundsätze auch im vorliegenden Fall Anwendung finden und die Abklärung bisher ungeklärter Rechtsfragen daher auch nicht zu erwarten ist. Die Auslegung des gesetzlichen Verweises auf die Festbetragsregelungen im Krankenversicherungsrecht ist Anwendung einfachen Rechts.