Urteil
Kostenerstattung in Höhe von 5.941,86 Euro für die Anschaffung von Hörgeräten (Phonak Naida IX UP) nebst Zubehör

Gericht:

LSG Niedersachsen-Bremen


Aktenzeichen:

L 4 KR 374/14


Urteil vom:

13.11.2017


Tenor:

1. Die Berufung wird zurückgewiesen.

2. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Rechtsweg:

SG Oldenburg, Urteil vom 10. Juli 2014 - S 6 KR 25/11

Quelle:

Sozialgerichtsbarkeit BRD

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Kostenerstattung in Höhe von 5.941,86 Euro für die Anschaffung von Hörgeräten (Phonak Naida IX UP) nebst Zubehör.

Die am 28. Mai 1958 geborene Klägerin ist bei der Beklagten über ihren Ehemann familienversichert. Bei ihr besteht eine hochgradige Innenohrschwerhörigkeit beidseits. Am 8. April 2010 begann - ausweislich der vorliegenden Versorgungsanzeige - die Anpassphase für die von der Klägerin gewählten Hörgeräte. Die Fachärztin für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde J. verordnete der Klägerin am 16. April 2010 (neue) Hörgeräte für beide Ohren.

Am 27. Juli 2010 ging bei der Beklagten der Bericht zur Hörgeräteversorgung des Hörgeräteakustikers - Hörgeräte K. - vom selben Tage ein. Ausgefüllt war dabei Teil 1 (Versorgungsanzeige). Danach sollte die Versorgung einen Gesamtbetrag in Höhe von 1.035,00 Euro ausmachen (Bl. 1 der Verwaltungsakte der Beklagten). Der Versorgungsanzeige beigefügt war die ohrenärztliche Verordnung einer Hörhilfe vom 16. April 2010.

Die Klägerin stellte bei der Beklagten mit Schreiben vom 26. Oktober 2010 - welches bei der Beklagten am 28. Oktober 2010 einging - den Antrag, "die Kosten für das Hörgerät in voller Höhe zu übernehmen". Dem Antrag beigefügt war die Rechnung vom 16. Oktober 2010 (Bl. 4 der Verwaltungsakte der Beklagten), wonach die Klägerin noch einen Betrag von 5.941,86 Euro zu zahlen habe (neben den Hörgeräten an sich, den Reparaturpauschalen sowie des erforderlichen Zubehörs wies die Rechnung auch Beträge für weiteres Zubehör, zum Beispiel eine "TV Link Basisstation" aus). In Abzug gebracht war hierbei bereits der "Kassenanteil" in Höhe von 1.035,00 Euro. Weiter war der Servicevertrag vom 16. Oktober 2010 beigefügt (Bl. 5 der Verwaltungsakte der Beklagten). Außerdem legte die Klägerin die von ihr am 27. Juli 2010 erhaltene Versicherteninformation vor (Bl. 6 der Verwaltungsakte der Beklagten) vor. Danach sei sie über das moderne und qualitativ hochwertige Angebot einer eigenanteilsfreien Versorgung informiert worden, sie sei mit einer von ihr zu leistenden höheren Vergütung für die von ihr ausgewählten Hörsysteme einverstanden. Sie sei darüber informiert worden, dass die aus der Mehrleistung resultierenden Reparaturmehrkosten damit zu ihren Lasten gingen und sie sich bereit erkläre, diese zu übernehmen. Beigefügt war auch der Bericht zur Hörgeräteanpassung (Bl. 7 der Verwaltungsakte der Beklagten), hier war nunmehr auch der Teil 2 (Abschlussbericht) ausgefüllt. Danach sei die Anpassphase am 23. September 2010 beendet worden und der Versicherten hierbei ein geeigneter eigenanteilsfreier Versorgungsvorschlag unterbreitet worden. Es sei dann die - in Rechnung gestellte - Versorgung vorgenommen worden. Die Klägerin bestätigte, die Hörgeräte am 23. September 2010 empfangen zu haben. Die Ärztin J. bescheinigte, dass durch die vorgeschlagene Hörhilfe eine ausreichende Hörverbesserung erzielt werde und das vorgeschlagene Gerät zweckmäßig sei. Auch war die Dokumentation zu Hörgeräteanpassung dem Antrag beigefügt (Bl. 9 bis 11 der Verwaltungsakte der Beklagten). Nach dem Bericht sei mit den (zuzahlungsfreien, Anmerkung des Senats) Hörgeräten Phonak Milo UP ein gleiches Sprachverstehen erreicht worden wie mit den Geräten Phonak Naida IX UP.

Mit Bescheid vom 18. November 2010 lehnte die Beklagte die Übernahme der Mehrkosten für die Hörgeräteversorgung ab. Der Hörgeräteakustiker sei verpflichtet, ausschließlich moderne, hochwertige voll digitale Hörsysteme eigenanteilsfrei anzubieten. Für diese Leistung erhalte dieser einen vereinbarten Abrechnungspreis. Davon sei jedoch auch eine Ausnahme möglich. Hierbei informiere der Hörgeräteakustiker den Versicherten entsprechend. Wünsche der Versicherte keine eigenanteilsfreie Versorgung, sei dies zu dokumentieren. Der Hörgeräteakustiker sei dann nicht verpflichtet, eigenanteilsfreie Hörsysteme in die Anpassung mit einzubeziehen. Aus den vorliegenden Unterlagen könne ersehen werden, dass die Klägerin entsprechend informiert worden sei. Sie habe sich ausdrücklich für eine Zahlung von Mehrkosten entschieden und eine entsprechende Erklärung unterschrieben. Sie, die Beklagte, habe mit der Zahlung des vereinbarten Betrages ihre Leistungspflicht erfüllt.

Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 14. Dezember 2010, welches am selben Tage bei der Beklagten einging, Widerspruch. Zur Begründung führte sie aus, dass sie hochgradig schwerhörig sei. Die bestehende Hörbehinderung könne mit einem eigenanteilsfreien Gerät nicht ausgeglichen werden. Bei Vorliegen der medizinischen Notwendigkeit müssten - so das Bundessozialgericht - Krankenkassen digitale Hörgeräte in vollem Umfang bezahlen. Der Versorgungsanspruch des Versicherten gehe einer unzureichenden Festbetragsregelung vor. Dem Widerspruch beigefügt war eine Stellungnahme der Ärztin J., nach der die höherwertigen Hörgeräte unbedingt notwendig seien, weil die bei der Klägerin bestehende Hörbehinderung mit einem Hörgerät zum Festbetrag in keiner Weise ausgeglichen werden könne.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18. Januar 2011 zurück. Das von der Klägerin angeführte Urteil des Bundessozialgerichts finde hier keine Anwendung, weil die Beklagte ihren Leistungsumfang bei der Versorgung mit Hörgeräten nicht durch einen Festbetrag beschränke. Nach dem bestehenden Liefervertrag sei der Hörgeräteakustiker verpflichtet, zu dem vertraglich vereinbarten Abgabepreis hochwertige voll digitale Hörsysteme eigenanteilsfrei anzubieten. Das eigenanteilsfreie Hörsystem müsse zum Ausgleich des individuellen Hörverlustes bei allen Schwerhörigkeitsgraden geeignet sein und einen angemessenen Ausgleich der Hörbehinderung im Rahmen der Grundbedürfnisse des täglichen Lebens sicherstellen. Der vertragliche Abgabepreis sei nicht identisch mit dem sogenannten Festbetrag. Es liege nach den geltenden vertraglichen Bestimmungen allein in der Verantwortung des Hörgeräteakustikers, ein geeignetes zuzahlungsfreies Hörgerät zur Versorgung anzubieten. In dem Liefervertrag sei festgelegt, dass der Versicherte vom Hörgeräteakustiker über die Möglichkeit einer geeigneten eigenanteilsfreien Versorgung ausdrücklich und angemessen informiert werden müsse. Falls der Versicherte keine eigenanteilsfreie Versorgung wünsche, sei dies mit einer vom Versicherten unterschriebenen Erklärung zu dokumentieren. Die Klägerin habe sich am 27. Juli 2010 ausdrücklich für die Zahlung von Mehrkosten entschieden.

Am 3. Februar 2011 hat die Klägerin vor dem Sozialgericht Oldenburg Klage erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, dass sie einen Anspruch auf bestmögliche Angleichung an das Hörvermögen Gesunder habe. Von daher sei eine Versorgung mit den Hörgeräten Phonak Naida IX UP vorliegend erforderlich gewesen. Die Beklagte habe die Kosten in Höhe von 5.941,86 Euro hierfür zu erstatten. Die Hörgeräte seien mit einer Bluetooth-Kommunikations-Schnittstelle ausgestattet, auf diese Weise könne sie über das Hörgerät telefonieren. Das Telefon klingele im Hörgerät. Sie führe zusammen mit ihrem Ehemann einen landwirtschaftlichen Betrieb und ein Lohnunternehmen, sie mache das Büro. Ohne die Versorgung mit Bluetooth wäre dies nicht möglich. Sie höre ansonsten nicht, wenn das Telefon klingele und auch nicht, was auf der anderen Seite gesprochen werde. Die Zusatzausstattung ermögliche ihr zudem auch das Fernsehen. Außerdem habe sie eine Fernbedienung für das Hörgerät, mit dem sie dieses in Gesellschaft oder im Theater unauffällig einstellen könne, ohne für alle sichtbar an den Geräten an den Ohren herum zu hantieren. Soweit die Beklagte darauf hinweise, dass der Beschaffungsweg nicht eingehalten worden sein soll, sei festzuhalten, dass die Beklagte Kenntnis von der schließlich vorgenommenen Versorgung gehabt habe. Mit der Bewilligung des Festbetrages sei zugleich eine Erstattung der darüber hinaus gehenden Kosten konkludent abgelehnt worden. Schließlich sei die Versorgung auch unaufschiebbar gewesen.

Das Sozialgericht hat zunächst einen Befundbericht der die Klägerin behandelnden Ärztin J. eingeholt. Diese hat unter dem 15. März 2011 mitgeteilt, dass bei der Klägerin eine hochgradige Innenohrschwerhörigkeit beidseits bestehe. Das entsprechende Tonaudiogramm hat dem Bericht angelegen. Weiter hat sie ausgeführt, dass bei der Freifeldmessung ohne Störgeräusch und ohne Hörgeräte bei 65 dB 0 % Verständlichkeit gemessen worden sei, mit Hörgeräten beidseits eine Verständlichkeit von 80 %.

Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) Niedersachsen hat im Anschluss nach Beauftragung durch die Beklagte Stellung genommen. Der Arzt des MDK Dr. L. hat in seinem Gutachten vom 26. April 2011 ausgeführt, mit den alternativ getesteten Hörgeräten Phonak Milo UP werde laut der Dokumentation des Hörgeräteakustikers die gleiche Sprachverständlichkeit erzielt wie mit den beantragten Geräten. Anhand der Ausführungen des versorgenden Akustikers lasse sich für das beantragte Hörsystem ein Gebrauchsvorteil nur im subjektiven Gebrauch erkennen, da auch mit dem alternativen Gerät eine 80-prozentige Mehrsilbenverständlichkeit erzielt worden sei. Es sei möglich, dass die Klägerin von der im Naida IX UP enthaltenen Sound-Recover-Technik profitiere. Auffallend sei aber, dass aus den zur Auswahl stehenden Hörsystemen, die über eine solche Technik verfügten, günstigere Hörgeräte nicht zu Erprobung ausgewählt und angeboten worden seien. Die medizinischen Voraussetzungen für eine Leistungsgewährung seien nicht erfüllt.

Im weiteren Verfahren hat das Sozialgericht vom Hörgeräteakustiker - Hörgeräte K. - die Unterlagen bezüglich der Hörgeräteanpassung der Klägerin angefordert. Auf weitere Nachfrage des Gerichts hat der Hörgeräteakustiker mit Schreiben vom 16. Mai 2013 mitgeteilt, dass bei der Klägerin auf ihren Wunsch hin Hörgeräte mit drahtloser Kommunikationstechnik angepasst worden seien. Sie habe eine Handhabung der Geräte mit einer Fernbedienung gewünscht. Eine solche Ausstattung sei in Geräten der Festbetragsregelung nicht vorhanden. Die Klägerin sei auf die Mehrkosten der Gerätetechnik hingewiesen worden. Es sei von ihr ausdrücklich eine hochwertige Hörversorgung mit Sondertechnik gewünscht worden. Dies sei von der Klägerin durch Unterschriften auf der Versicherteninformation sowie auf dem Bericht zu Hörgeräteversorgung bestätigt worden. Während der Probezeit sei eine vergleichbar gute akustische Hörleistung mit den Festbetragsgeräten Phonak Milo UP erreicht worden.

Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 10. Juli 2014 abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Übernahme der durch Selbstbeschaffung von Hörgeräten entstandenen Mehrkosten in Höhe von 5.941,86 Euro. Rechtsgrundlage des hier geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs sei § 13 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V): Habe die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und seien dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, seien diese von der Krankenkasse in der entsprechenden Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig gewesen sei. Der Erstattungsanspruch reiche nicht weiter als ein entsprechender - primärer - Sachleistungsanspruch. Er setze daher voraus, dass die selbstbeschaffte Leistung zu den Leistungen gehöre, die die Krankenkassen allgemeiner Natur nach als Sach- oder Dienstleistungen zu erbringen hätten (ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. Bundessozialgericht, Urteil vom 17. Dezember 2009 - B 3 KR 20/08 R). Der Anspruch sei daher gegeben, wenn die Krankenkasse die Erfüllung eines Naturalanspruchs rechtswidrig abgelehnt und der Versicherte sich die Leistung selbst beschafft habe, wenn die selbstbeschaffte Leistung notwendig sei und die Selbstbeschaffung eine rechtlich wirksame Kostenbelastung des Versicherten ausgelöst habe. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts müsse zudem zwischen dem die Haftung der Krankenkasse begründenden Umstand und dem Nachteil des Versicherten ein Kausalzusammenhang bestehen, ohne den die Bedingung für eine Ausnahme vom Sachleistungsgrundsatz nicht erfüllt sei. Dies bedeute einmal, dass die Krankenkasse nur für solche Leistungen aufzukommen habe, die sie auch bei rechtzeitiger bzw. ordnungsgemäßer Bereitstellung der geschuldeten Behandlung hätte gewähren müssen. Des Weiteren bedeute es, dass Kosten für eine selbstbeschaffte Leistung, soweit diese nicht unaufschiebbar gewesen sei, nur zu ersetzen seien, wenn die Krankenkasse die Leistungsgewährung vorher abgelehnt habe; ein Kausalzusammenhang und damit eine Kostenerstattung schieden aus, wenn der Versicherte sich die streitige Behandlung bzw. das Hilfsmittel außerhalb des vorgeschriebenen Beschaffungsweges selbst besorge, ohne sich vorher mit seiner Krankenkasse ins Benehmen zu setzen und deren Entscheidung abzuwarten (Bundessozialgericht, Urteil vom 15. April 1997 - 1 BK 31/96). Diese Voraussetzungen seien vorliegend nicht erfüllt.

Die Klägerin habe sich die Leistungen jedenfalls zum 16. Oktober 2010 und damit vor Erlass des Bescheides durch die Beklagte am 18. November 2010 selbst beschafft, da in der Regel bei Rechnungsstellung der Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts anzunehmen sei (vgl. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 9. Juni 2011 - L 5 KR 89/09, Rn. 35 nach juris). Unabhängig von der Frage, ob man in der Versorgungsanzeige des Akustikers gegenüber der Beklagten bereits einen Antrag auf Erstattung der vollständigen Kosten sehe, habe die Klägerin nach Auffassung der Kammer jedenfalls eine Entscheidung der Beklagten nicht abgewartet. Die Klägerin habe sich die Hörgeräte damit bereits beschafft, bevor die Beklagte über ihren Antrag entschieden habe (vgl. z. B. Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 24. Juni 2014 - L 4 KR 280/11; Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 20. Februar 2013 - L 1 R 801/11). Die Kammer halte auch im Falle einer Hörgeräteversorgung einen solches Abwarten der Entscheidung für erforderlich.

Die Klägerin habe vorliegend auch nicht etwa aufgrund der Genehmigung der Beklagten gegenüber dem Akustiker Kenntnis von einer ablehnenden Entscheidung gehabt. Selbst wenn man in der Mitteilung der Krankenkasse gegenüber dem Hörgeräteakustiker eine ablehnende Verwaltungsentscheidung hinsichtlich des vom Versicherten zusätzlich zu zahlenden Betrages erblickte, fehlte es vorliegend an einer Bekanntgabe dieser Entscheidung gegenüber der Klägerin.

Gegen das ihr am 27. August 2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 8. September 2014 Berufung zum Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen erhoben. Zur Begründung wiederholt die Klägerin im Wesentlichen ihren erstinstanzlichen Vortrag.


Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen,

1. das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 10. Juli 2014 und den Bescheid der Beklagten vom 18. November 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Januar 2011 aufzuheben und 2. die Beklagte zu verurteilen, ihr die Kosten für die Hörgeräteversorgung in Höhe von 5.941,86 Euro zu erstatten.


Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor, die Entscheidung des Sozialgerichts sei nicht zu beanstanden.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis zu einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung gegeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte aufgrund des durch die Beteiligten erteilten Einverständnisses durch Urteil ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet.

Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die angefochtene Entscheidung der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Erstattung der Mehrkosten für die Anschaffung der Hörgeräte Phonak Naida IX UP (nebst Zubehör) in Höhe von 5.941,86 Euro gemäß § 13 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 SGB V. Hat die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war, § 13 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 SGB V. Vorliegend ist schon nicht der von § 13 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 SGB V vorgegebene Beschaffungsweg eingehalten worden.

Haftungsbegründendes Tatbestandsmerkmal in § 13 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 SGB V ist der Kausalzusammenhang, d. h. es kommt auf den ursächlichen Zusammenhang zwischen Ablehnung und eingeschlagenem Beschaffungsweg an (Bundessozialgericht, Urteil vom 18. Januar 1996 - 1 RK 22/95). Ein Kausalzusammenhang und damit eine Kostenerstattung scheidet aus, wenn der Versicherte sich die streitige Behandlung bzw. das streitige Hilfsmittel außerhalb des vorgeschriebenen Beschaffungsweges selbst besorgt, ohne sich vorher mit seiner Krankenkasse ins Benehmen zu setzen und deren Entscheidung abzuwarten (Bundessozialgericht, Beschluss vom 15. April 1997 - 1 BK 31/96).

Dieser Kausalzusammenhang fehlt vorliegend. Die Klägerin hat die Entscheidung der Beklagten nicht abgewartet. Die Klägerin hat sich die Hörgeräte von dem Erlass der hier angefochtenen Entscheidung selbst beschafft.

Nach den vorliegenden Unterlagen begann die Anpassphase am 8. April 2010 und endete am 23. September 2010. Nach den Angaben der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 31. März 2014 erfolgte der Kauf der Hörgeräte - und damit die Selbstbeschaffung der Leistung (vgl. hierzu: Bundessozialgericht, Urteil vom 17. Dezember 2009 - B 3 KR 20/08 R, Rn. 12 nach juris) - am 30. September 2010 (Rechnung vom 16. Oktober 2010) und demzufolge vor der Antragstellung bei der Beklagten am 28. Oktober 2010. Vor dem 28. Oktober 2010 hatte die Beklagte im Übrigen keine Kenntnis von der weitergehenden Versorgung.

Wenn sich die Klägerin zuvor an die Beklagte gewandt hätte, hätte diese sie darauf hinweisen können, dass ggf. auch andere für die Klägerin geeignete Geräte - ggf. bei einem anderen Hörgeräteakustiker - erhältlich seien. Hierzu hätte auch eine entsprechende Gelegenheit vor der Selbstbeschaffung der Leistung bestanden; denn allein die Auswahl der Hörgeräte stellt in der Regel noch keine Selbstbeschaffung dar, sondern erst das Eingehen des unbedingten Verpflichtungsgeschäfts (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 24. Januar 2013 - B 3 KR 5/12 R, Rn. 44 nach juris). Da sich die Klägerin nicht an die vom Gesetz vorgeschriebene Reihenfolge gehalten hat, hat sie keinen Anspruch auf Kostenerstattung für die von ihr ausgewählten Hörgeräte.

Dabei kann entgegen der Auffassung der Klägerin in der Zahlung des "Festbetrages" an den Hörgeräteakustiker keine ablehnende Entscheidung der Beklagten gesehen werden, denn im Zeitpunkt der Zahlung hatte die Beklagte gar keine Kenntnis von der von der Klägerin gewünschten weitergehenden Versorgung. Da die Klägerin eine Entscheidung der Beklagten nicht abgewartet hat, kommt es vorliegend auch nicht auf den konkreten Inhalt des Antrags an. Ob in der Übergabe der Verordnung oder der Versorgungsanzeige hier bereits ein Antrag auf die Versorgung mit diesen Hörgeräten gesehen werden kann (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 30. Oktober - 2014 B 5 R 8/14 R), kann daher offen bleiben - wobei dies bereits aus dem Grunde zweifelhaft ist, dass in der Versorgungsanzeige die später selbst beschafften Hörgeräte nicht genannt werden, sondern (nur) eine Versorgung zu dem vereinbarten Betrag in Höhe von 1.035,00 Euro angezeigt wird.

Auch ergibt sich etwas anderes nicht unter Berücksichtigung des Urteils des Bundessozialgerichts vom 23. Januar 2013 (B 3 KR 7/02 R). Denn der dortige Fall unterscheidet sich erheblich vom vorliegenden. Der Kläger begehrte dort "nur" die Versorgung mit einem Festbetragssystem, wobei er die Geräte aber direkt vom Hersteller beziehen wollte. Erst in dem Moment der Ablehnung sind die (zuzahlungsfreien) Hörgeräte zu einer selbstbeschafften Leistung geworden. Der Fall lässt sich nicht auf den vorliegenden übertragen.

Eine Erstattung nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 SGB V kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil keine unaufschiebbare Leistung vorliegt. Denn Anhaltspunkte dafür, dass die Versorgung mit den von der Klägerin gewählten Hörgeräten im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Durchführung so dringlich gewesen sein könnte, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten zeitlichen Aufschubs mehr bestand (vgl. hierzu Helbig in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Auflage 2016, § 13, Rn. 41 m. w. N.), sind nach den vorliegenden Unterlagen nicht ernsthaft ersichtlich.

Ob eine Versorgung mit den von der Klägerin gewählten Hörgeräten - insbesondere auch mit dem weiteren Zubehör - erforderlich gewesen ist, ist daher vorliegend nicht mehr zu klären. Ebenso wenig, ob die Hörgeräteversorgung aus berufsbedingten Gründen vom zuständigen Rentenversicherungsträger zu erbringen wäre.

Nach alledem ist die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.

Referenznummer:

R/R8910


Informationsstand: 22.08.2023