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Urteil
Hörhilfe - Rehabilitation - Selbst beschafftes Hilfsmittel

Gericht:

LSG Berlin-Brandenburg 27. Senat


Aktenzeichen:

L 27 R 373/09


Urteil vom:

20.09.2012


Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 17. Oktober 2008 wird zurückgewiesen. Die in dem Verfahren vor dem Landessozialgericht erhobene Klage gegen die Beigeladene wird abgewiesen. Kosten sind für das gesamte Verfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Erstattung von Kosten für eine selbstbeschaffte beidseitige Versorgung mit Hörgeräten.

Der im Jahre 1963 geborene Kläger ist beidseits schwerhörig, ein Grad der Behinderung von 50 ist anerkannt. Vor dem hier streitbefangenen Zeitraum war der Kläger zuletzt in den Jahren 1987 bis 1998 als Kraftfahrer tätig und sodann arbeitslos. Ab dem 01. April 2003 nahm er eine Tätigkeit als Haus- und Hofhandwerker auf.

Im Zusammenhang mit der geplanten und tatsächlichen Aufnahme der vorgenannten Tätigkeit stand der Kläger im Laufe des Jahres 2003 wiederholt in Kontakt mit der beklagten Rentenversicherung, um Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu erhalten. Zwischen den Beteiligten ist streitig, zu welchem Zeitpunkt er bei der Beklagten die Gewährung einer Versorgung mit Hörgeräten beantragte.

Aufgrund ärztlicher Verordnung vom 28. April 2003 erhielt der Kläger im Verlaufe des Frühjahrs oder des Sommers 2003 - die genauen Zeitpunkte sind zwischen den Beteiligten wiederum streitig - zwei Hörgeräte, wobei der Hörgeräteakustiker einen Gesamtpreis von 3 747,40 Euro ausweist und als so genannten Kassenanteil den Betrag von 963,88 Euro kenntlich machte.

Nachdem die Beklagte zunächst mit Bescheid vom 02. Januar 2004 die Gewährung der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben wegen mangelnder Mitwirkung versagt hatte, bewilligte sie schließlich mit Bescheid vom 07. April 2004 den Betrag von 963,88 Euro, der direkt an den Hörgeräteakustiker ausgezahlt wurde. Dem lag zugrunde, dass sich die Beklagte als zuerst angegangener Rehabilitationsträger als zuständig erachtete, weil der Antrag zunächst nicht an die beigeladene Krankenkasse des Klägers weitergeleitet worden war.

Mit weiterem Bescheid vom 07. April 2004 lehnte die Beklagte die Kostenerstattung über den vorgenannten Betrag von 963,88 Euro hinaus ab, weil ein über die Grundversorgung hinausgehender berufsbedingter Mehraufwand nicht vorliege. Mit gleichartiger Begründung wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 28. August 2004 den Widerspruch zurück. Im anschließenden Rechtsstreit vor dem Sozialgericht Cottbus hat dieses zwei Mitarbeiterinnen der Beklagten zeugenschaftlich zur Frage der Antragstellung und des Zeitpunktes der Antragstellung gehört. Mit Urteil vom 17. Oktober 2008 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen: Es könne dahinstehen, ob die Versorgung gerade mit den begehrten Hörgeräten überhaupt eine Minderung der Erwerbsfähigkeit abwenden bzw. eine geminderte Erwerbsfähigkeit wesentlich bessern könne, denn jedenfalls habe der Kläger den Antrag bei der Beklagten zu spät gestellt. Die Beschaffung der Hörgeräte sei jedenfalls am 05. Juni 2003 spätestens erfolgt, wohingegen der Antrag frühestens am 23. Juni 2003 gestellt worden sei.

Gegen dieses ihm am 16. März 2009 zugestellte Urteil hat der Kläger am 07. April 2009 Berufung zum Landessozialgericht eingelegt. Er macht geltend, er habe tatsächlich erst nach Antragstellung die Versorgung mit dem Hörgerät erhalten. Die Hörgeräte seien ihm zunächst leihweise kostenlos ausgehändigt worden. Erst nachdem er sie erprobt hätte, habe er sie sich selbst beschafft. Hierzu bezieht sich der Kläger auf eine im Berufungsverfahren in Kopie vorgelegte Zahlungsquittung des Hörgeräteakustikers vom 01. September 2003, die eine Anzahlung für Hörgeräte 2 x in Höhe von insgesamt 2 500,00 Euro ausweist.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 17. Oktober 2008 aufzuheben sowie die Beklagte, hilfsweise die Beigeladene unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 07. April 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2004 zu verurteilen, dem Kläger den Betrag von 2 747,40 Euro zu erstatten.

Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie halten die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Die Beigeladene weist im Übrigen darauf hin, dass die Voraussetzungen des § 15 Sozialgesetzbuch/Neuntes Buch (SGB IX) nicht erfüllt seien.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Verwaltungsakten der Beklagten, welche im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.

Rechtsweg:

SG Cottbus Urteil vom 17.10.2008 - S 3 RJ 710/04

Quelle:

Rechtsprechungsdatenbank Berlin

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere statthaft gem. § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG), sie ist jedoch in der Sache nicht begründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen, denn der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung des für die Beschaffung der Hörgeräte aufgewendeten eigenen Geldbetrages.

Die einzige in Betracht kommende Anspruchsgrundlage für die Erstattung von Kosten für selbstbeschaffte Rehabilitationsleistungen ist § 15 Abs. 1 Sozialgesetzbuch / 9. Buch (SGB IX; Bundessozialgericht Urteil vom 20. Oktober 2009, B 5 R 5/07 R, zitiert nach Juris). Denn § 15 Abs. 1 SGB IX normiert trägerübergreifend Kostenerstattungsansprüche für selbstbeschaffte Teilhabe Leistungen. Nach der gesetzgeberischen Absicht sollte mit § 15 SGB IX eine einheitliche Kostenerstattungsregelung für den Bereich der Teilhabeleistungen geschaffen werden (BSG a.a.o.).

Zwar hat hiernach der Kläger den Anspruch gegen den zuständigen Rehabilitationsträger gerichtet. Denn die Beklagte ist zuständiger Rehabilitationsträger nach § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX, weil es sich bei ihr um den durch den Kläger zuerst angegangenen Rehabilitationsträger handelt und eine Abgabe des Antragsverfahrens an einen anderen Rehabilitationsträger nicht erfolgt ist. Infolge dessen waren auch Erstattungsansprüche, soweit sie sich auf das Rehabilitationsrecht stützen, vom Kläger ausschließlich gegenüber der Beklagten geltend zu machen. Indessen sind materiell-rechtlich die Voraussetzungen des § 15 SGB IX nicht erfüllt. Diese Vorschrift sieht drei mögliche Erstattungsansprüche vor. Zum Einen kann eine Erstattung dann erfolgen, wenn der Rehabilitationsberechtigte nach § 15 Satz 2 SG IX dem Rehabilitationsträger eine angemessene Frist zur Entscheidung über den Antrag gesetzt und dabei erklärt hat, dass er sich nach Ablauf der Frist die erforderliche Leistung selbst beschafft hat. Darüber hinaus kann eine Erstattung auch nach § 15 Abs. 1 Satz 4 SGB IX begehrt werden, wenn der Rehabilitationsträger entweder eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen kann oder aber wenn der Rehabilitationsträger eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Keine dieser Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Der Kläger hat der Beklagten keine Frist mit Ablehnungsandrohung gesetzt, es handelte sich auch nicht um eine unaufschiebbare Leistung. Vorliegend ist der Erstattungsanspruch auch nicht aufgrund der zu Unrecht erfolgten Ablehnung einer Leistung entstanden. Denn dies setzt voraus, dass zunächst eine Leistung abgelehnt wird und dann die Selbstbeschaffung mit entsprechenden Kosten erfolgt. So ist der Sachverhalt vorliegend jedoch nicht gelagert. Die Entscheidung des Rehabilitationsträgers erfolgte erst im Jahre 2004, während der Kläger bereits vorher, nämlich noch im Verlauf des Jahres 2003, sich die begehrte Leistung selbst beschafft hat. Dementsprechend sind auch hier die zur Erstattung begehrten Kosten nicht durch die Ablehnung der Leistung entstanden.

Auch die im Berufungsverfahren vor dem Landessozialgericht erhobene Klage gegen die Beigeladene war abzuweisen. Zwar ist die hierin liegende Klageänderung zulässig gem. § 99 SGG, sie ist insbesondere auch sachdienlich, doch die Klage ist nicht begründet.

Soweit der Kläger seinen Anspruch gegen die Beigeladene auf Rehabilitationsrecht stützen sollte, scheidet eine Erstattung aus gem. § 13 Abs. 3 Satz 2 Sozialgesetzbuch/ 5. Buch (SGB V), weil diese Vorschrift anordnet, dass Kosten für selbstbeschaffte Leistungen zu medizinischen Rehabilitation nach dem SGB IX nach § 15 SGB IX erstattet werden. Dies würde, wie bereits ausgeführt, einen Erstattungsanspruch gegen die Beklagte, nicht jedoch gegen die Beigeladene beschreiben.

Die Klage war aber auch abzuweisen, soweit der Kläger sich auf Ansprüche nach dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung aus dem 5. Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB V) stützt. Zwar sind Hörhilfen als sogenannte Hilfsmittel nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V unter bestimmten Voraussetzungen von den Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung zu leisten. Dies geschieht jedoch grundsätzlich im Wege der Sachleistung; für die Erstattung von Kosten für selbstbeschaffte Hilfsmittel gilt wiederum die Regel des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V. Auch hier ist eine Kostenerstattung nur möglich, wenn es sich entweder um eine unaufschiebbare Leistung gehandelt hat oder die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und hierdurch dem Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind. Wie bereits ausgeführt, lag keine unaufschiebbare Leistung vor. Es sind auch nicht durch die Ablehnung der Leistung Kosten entstanden, denn der Kläger hat sich die Leistung bereits vor der Ablehnung durch einen Sozialversicherungsträger selbst beschafft.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nicht gegeben sind.

Referenznummer:

R/R5713


Informationsstand: 18.02.2013