Urteil
Begleitende Hilfe im Arbeitsleben - Weites (Verteilungs-)Ermessen des Integrationsamtes - Schmuckarmprothese - Technische Arbeitshilfe

Gericht:

VG Ansbach 14. Kammer


Aktenzeichen:

AN 14 K 08.00613 | 14 K 08.00613


Urteil vom:

16.07.2009


Grundlage:

Tenor:

1. Der Bescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales Region ... - Integrationsamt - vom 16. November 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Widerspruchsausschusses vom 18. März 2008 wird aufgehoben, soweit der Beklagte hiermit die Übernahme der Kosten für die Ersatzbeschaffung einer Schmuckarmprothese abgelehnt hat.

2. Die Beklagte wird verpflichtet, über den Antrag des Klägers vom 20. September 2007 erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt mit seiner Klage vom 17. April 2008 die Verpflichtung des Beklagten, antragsgemäß die Anschaffungskosten für eine Schmuckarmprothese zu übernehmen.

Der Kläger (geboren am ...) ist beruflich als selbständiger Versicherungsmakler tätig. Er ist infolge eines privaten Sportunfalls unterarmamputiert und benötigt seitdem u. a. zum Autofahren eine entsprechende Armprothese.

Laut Aktenvermerk vom 7. November 2007 (Bl. 6 der Behördenakte, im Folgenden ohne Zusatz) hatte der Kläger von der damals zuständigen Regierung von ... - Hauptfürsorgestelle - in der Vergangenheit folgende Leistungen erhalten: mit Bescheid vom 20. November 1993 eine volle Kostenübernahme für die Anschaffung einer Unterarmprothese in Höhe von 1.599,62 DM, mit Bescheid vom 4. November 1996 die Kostenübernahme für eine Erneuerung des verschlissenen Kosmetikhandschuhs in Höhe von 599,10 DM, mit Bescheid vom 25. September 2001 volle Kostenübernahme für eine neue Unterarmprothese in Höhe von 2.032,71 DM und zuletzt mit Bescheid vom 8. September 2007 Kostenübernahme für einen neuen Kosmetikhandschuh in Höhe von 194,20 EUR.

Der Kläger beantragte mit an die Regierung von ... gerichteten Formblatt vom 20. September 2007 (Bl. 1 ff.), dort eingegangen am 2. Oktober 2007, die Übernahme der Kosten für eine Prothese mit Kosmetikhandschuh sowie für eine so genannte Arbeitshand für Haus und Garten. Der Kläger trug zur Begründung vor, dass seine derzeitige Prothese sehr stark verschlissen sei und ersetzt werden müsste. Dem Antrag war u. a. ein Kostenvoranschlag für eine Neuanfertigung einer Schmuckarmprothese und eines Arbeitsarmes über insgesamt 3.166,44 EUR (Bl. 4 f.) beigefügt.

Mit Bescheid des Zentrums Bayern und Soziales Region ... - Integrationsamt - vom 16. November 2007 (Bl. 11 f.) wurde der Antrag abgelehnt. Zur Begründung wurde im Wesentlichen angeführt, dass die Voraussetzungen für eine Förderung gemäß § 19 SchwbAV nicht vorliegen würden, da es sich bei der beantragten Prothese um keine technische Arbeitshilfe, sondern eine Leistung der medizinischen Rehabilitation handele ("Körperersatzstück", § 26 Abs. 2 Nr. 6, § 31 SGB IX), die somit in den Zuständigkeitsbereich der gesetzlichen Krankenkasse falle (§ 6 Abs. 1 Nr. 1, § 5 Nr. 1 SGB IX). Damit handele es sich bei den beiden Prothesen nicht um Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und somit um keinen Leistungsbereich des Integrationsamtes. Nachdem der Kläger Leistungen einer privaten Krankenkasse beziehe, dort jedoch auf Grund des mit der privaten Krankenkasse geschlossenen Versicherungsvertrages Leistungen für die prothetische Versorgung nicht übernommen würden, könne diese Vereinbarung nicht zu Lasten Dritter, hier des Integrationsamtes, gehen, zumal es sich auch um keine technische Arbeitshilfe im Sinne des § 19 SchwbAV handele. Auch der Kläger sei von keinem unmittelbaren Bezug zwischen der beantragten Leistung und seiner Arbeit ausgegangen, nachdem er den Antrag mit Anwendungsbereich im Haus und Garten begründet habe. Es lasse sich auch kein rechtlicher Anspruch daraus ableiten, dass in der Vergangenheit Kosten für die Unterarmprothese übernommen worden seien.

Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 30. November 2007 (Bl. 13 ff.) Widerspruch ein mit dem Antrag, auf Antrag vom 20. September 2007 werden die Kosten einer Schmuckarmprothese im Rahmen der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben - hier Erhaltung einer selbständigen beruflichen Existenz - übernommen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Kläger zur Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit als selbständiger Versicherungsmakler dringend auf die Versorgung mit einer intakten Schmuckarmprothese angewiesen sei. Die Ausübung seines Berufes bringe es u. a. mit sich, Kunden mit dem Auto zu besuchen. Das Fahren mit dem Auto sei ihm aber nur mit (intakter) Prothese gestattet. Die derzeitige Prothese sei stark verschlissen und müsse nach Überprüfung durch das Service-Sanitätshaus ... ersetzt werden. Ohne Versorgung mit einer intakten Prothese könne er seinen Beruf nicht mehr ordentlich ausüben. Im konkreten Fall trage die Versorgung mit einer neuen Prothese erheblich zur Sicherung der Arbeitstätigkeit bei und sei auch speziell auf die Belange der vorliegenden Behinderung abgestimmt. Ein unmittelbarer Bezug zwischen der beantragten Leistung und der ausgeübten Tätigkeit des Klägers müsse daher - wie auch in der Vergangenheit seit vielen Jahren durch das Integrationsamt anerkannt - bejaht werden. Deshalb möge die Entscheidung hinsichtlich der Kostenübernahme für die beantragte Schmuckarmprothese erneut im Rahmen der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben gemäß § 102 Abs. 3 Nr. 1 a) SGB IX i. V. m. §§ 17 Abs. 1 Nr. 1 c) und 19 SchwbAV überprüft werden.

Der technische Berater des Integrationsamtes bewertete auf Grund eines Ortstermins vom 8. Februar 2008 in seiner Stellungnahme vom 14. Februar 2008 (Bl. 24) die beantragte Maßnahme über 1.076,20 EUR als "notwendig, zweckmäßig und kostenangemessen", wobei dort ausdrücklich vermerkt war "nur Schmuckarm & Lederhand".

Der Widerspruch des Klägers vom 30. November 2007 wurde mit Widerspruchsbescheid des Widerspruchsausschusses des Zentrums Bayern Familie und Soziales - Integrationsamt - vom 18. März 2008 (Bl. 27 ff.) als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich als Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers hinsichtlich des Schmuckarmes weder § 19 SchwbAV noch § 21 SchwbAV heranziehen ließe. Zum einen regle § 102 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 a) SGB IX i.V.m. §§ 17 Abs. 1 Nr. 1 a), 19 Satz 1 SchwbAV die Zuschüsse für technische Arbeitshilfen im Rahmen der zur Verfügung stehenden Mittel. Danach könnten für die Beschaffung technischer Arbeitshilfen, ihre Wartung, Instandsetzung und die Ausbildung des schwerbehinderten Menschen im Gebrauch die Kosten bis zur vollen Höhe übernommen werden. Bei einer Schmuckarmprothese handele es sich jedoch nicht um eine technische Arbeitshilfe, die sich dadurch auszeichne, dass sie typischerweise arbeitsplatz- und tätigkeitsgebunden ist und der schwerbehinderte Mensch sie dergestalt benötige, dass er sich ihrer ständig und nicht nur gelegentlich bedienen müsse. Es sei schon zweifelhaft, ob eine Schmuckarmprothese "typischerweise" arbeitsplatz- und tätigkeitsgebunden sei. Keinesfalls müsse sich der Kläger aber der Schmuckarmprothese im konkreten Fall ständig bedienen. Zur Erfüllung der beruflichen Kerntätigkeit (Vermittlungsgespräche bei den Kunden) sei sie nicht erforderlich. Bei Prothesen handele es sich zudem unzweifelhaft um Hilfsmittel, die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation darstellten. §§ 26 Abs. 2 Nr. 6, 31 Abs. 1 SGB IX, § 17 Abs. 2 Satz 2 SchwbAV bestimmten jedoch, dass insbesondere medizinische Maßnahmen nicht gefördert werden könnten. Bei der beantragten Prothese handele es sich um eine solche medizinische Maßnahme. Auf Grund des eindeutigen Wortlauts von § 17 Abs. 2 Satz 2 SchwbAV könne es auch nicht darauf ankommen, inwieweit Krankenversicherungsschutz bestehe oder nicht. Soweit das Integrationsamt früher ähnliche Leistungen unter Berufung auf § 19 SchwbAV bewilligt habe, könne dieser Praxis nicht mehr gefolgt werden. In den früheren Entscheidungen seien die hier dargelegten Erwägungen noch nicht berücksichtigt worden. Zum anderen könnten schwerbehinderte Menschen nach §§ 102 Abs. 3 Satz Nr. 1 c) SGB IX i.V.m. 17 Abs. 1 Nr. 1 c), 21 Abs. 1 SchwbAV Darlehen und Zinszuschüsse zur Gründung und zur Erhaltung einer selbständigen beruflichen Existenz erhalten. Die Formulierung des Widerspruchsschreibens im Antragspunkt Nr. 2 sowie in seinem letzten Satz (Hinweis auf § 17 Abs. 1 Nr. 1 c) SchwbAV) legten es nahe, dass der Kläger sein Begehren auch unter dem Aspekt des § 21 SchwbAV geprüft sehen wolle. Eine Kostenübernahme der Prothese sei jedoch auch unter dem Blickwinkel des § 21 SchwbAV ausgeschlossen, da diese Vorschrift nur Darlehen oder Zinszuschüsse ermögliche, jedoch keine nicht rückzahlbaren Zuschüsse. Ein Zuschuss zu den Kosten der Anschaffung eines Schmuckarmes komme somit nicht in Betracht.

Hiergegen erhob der Kläger mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 17. April 2008 Klage beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach, dort eingegangen am 21. April 2008.

Zur Begründung der Klage wurde mit Schriftsatz der Klägerbevollmächtigten vom 29. Juli 2008 ausgeführt, dass der Beklagte zu Unrecht mit dem angefochtenen Bescheid die Gewährung eines Zuschusses für eine Schmuckarmprothese mit Lederhand mit der Begründung ablehne, dass eine derartige technische Arbeitshilfe nicht ausschließlich für die Arbeit als solches verwendet werde, sondern auch für Freizeitaktivitäten und ähnliche Dinge. Mit dem Widerspruch vom 30. November 2007 habe der Kläger jedoch dargelegt, dass es sich hierbei um eine medizinische Hilfsmaßnahme handele, die für die Tätigkeit des Klägers als selbständiger Versicherungsmakler dringend notwendig sei. Eine intakte Schmuckarmprothese sei auch für das äußere Auftreten in dem Beruf des Klägers absolut wichtig und erforderlich. Die bisherige Prothese sei verschlissen und müsste nunmehr ersetzt werden. Keineswegs sei es so, dass die Prothese dazu diene, Freizeitgestaltungen entsprechend zu verrichten. Auch in der Vergangenheit sei stets eine entsprechende Versorgung mit einer Schmuckarmprothese erfolgt. Laut Widerspruchsbescheid handle es sich bei dieser Schmuckarmprothese nicht um eine technische Arbeitshilfe im Sinne des § 102 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 a SGB IX in Verbindung mit §§ 17 Abs. 1 a und 19 Satz 1 SchwbAV; die so genannte Schmuckarmprothese erfülle nicht die Voraussetzungen für eine typischerweise arbeitsplatz- und tätigkeitsgebundene Zweckorientierung. Hiergegen richte sich die Klage, der Kläger könne sich mit den getroffenen Entscheidungen nicht einverstanden erklären. Zum einen handele es sich bei der Schmuckarmprothese um eine tatsächliche für die Tätigkeit des Klägers dringend notwendige Versorgung. Zum anderen bestehe ein gewisser Vertrauensschutz, nachdem der Kläger bisher stets eine Versorgung mit einer Schmuckarmprothese erhalten habe, wobei Anspruchsgegnerin damals die Regierung von ... gewesen sei. Die Zuständigkeit für derartige Leistungen habe sich nunmehr dahingehend geändert, dass das Integrationsamt zuständig sei, weshalb es erst zur besagten Rechtsstreitigkeit gekommen sei. Hier müsse der Vertrauensschutzgedanke beim Kläger angewandt werden, da ihm stets zumindest ein Zuschuss zur Hilfsmittelversorgung gewährt worden sei. Ferner werde ausdrücklich bestritten, dass diese Schmuckarmprothese auch für anderweitige Tätigkeiten im Freizeitbereich gebraucht werde.

Mit Schriftsatz vom 12. August 2008 beantragte der Beklagte,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Ansicht, dass der Kläger die beantragten Leistungen nicht beanspruchen könne. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass bereits im Widerspruchsbescheid vom 18. März 2008 ausführlich dargelegt worden sei, warum der Schmuckarm nicht als technische Arbeitshilfe, sondern als Hilfsmittel der medizinischen Rehabilitation zu qualifizieren sei und daher § 19 SchwbAV keine Anwendung finden könne. Auch für Vertrauensschutz sei im vorliegenden Fall kein Raum. Da schon der Tatbestand des § 19 SchwbAV nicht eröffnet sei, bestehe erst gar kein Ansatzpunkt für die Anwendung eines Vertrauensschutzes auf der Ermessensseite der Norm. Im Übrigen komme Vertrauensschutz auch noch unter einem weiteren Aspekt nicht in Betracht. Der Sache nach handele es sich bei den Leistungen nach § 19 SchwbAV um Zuwendungen. Einen Anspruch auf ungeschmälerten Fortbestand einer bisher gewährten Förderhilfe könne es nur in Ausnahmefällen geben. Im Subventionsrecht werde ein Anspruch auf Weitergewährung dann für denkbar gehalten, wenn durch das Subventionsverhältnis ein in die Zukunft rechender Vertrauenstatbestand, z. B. in Form einer Zusage geschaffen worden sei, der in finanzielle Dispositionen mündete. Allein der bloße Umstand, dass für frühere Zeiträume Subventionen gezahlt worden seien, begründe keinen einklagbaren Anspruch auf eine Weiterförderung. Denn wegen der Begrenztheit der staatlichen Mittel und wegen des Wechsels politischer Zielsetzungen würden Subventionen von vornherein nur begrenzt gewährt werden. Der Subventionsempfänger müsse stets mit dem künftigen teilweisen oder gar völligen Wegfall der Subvention rechnen (VG Köln, Beschluss vom 22.7.2003 - 26 L 794/03, m.w.N.). Die Erwägungen griffen auch im vorliegenden Fall. Dem Kläger sei zu keinem Zeitpunkt zugesichert worden, dass die Kosten für eine Schmuckarmprothese auf Dauer übernommen werden würden.

Daraufhin reichte der Kläger mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 2. September 2008 eine ergänzende Stellungnahme des Klägers nach, wonach der Ausdruck "Schmuckarm" durch das Orthopädiegeschäft etwas missverständlich gewählt worden sei und der richtige Ausdruck "Technische Arbeitshilfe" sei. Für die Arbeitstätigkeit des Klägers sei ein Arbeitsarm (im Folgenden als Prothese bezeichnet) als technische Arbeitshilfe unerlässlich. Dies fange beim Autofahren zu seinen Kunden an, da er laut Eintragung im Führerschein nur mit Prothese fahren dürfe (z. B. Betätigung des Blinkers nur mit Prothese). Dies sei auch am 6. Februar 2008 durch das Integrationsamt ... von Herrn ... begutachtet, wobei Herr ... unter Zeugen mündlich bestätigt habe, dass eine Berufsausübung ohne Prothese nicht möglich sei. Weiterhin sei eine Prothese zum Schreiben (Festhalten des Arbeitsblattes), Benutzung von Aktenordnern usw. unerlässlich. Die Prothese erfülle somit zu 100 % ihren Dienst als Arbeitshilfe, zumal der Kläger privat keine Prothese trage. Wenn dem Kläger eine Anschaffung der Prothese finanziell möglich wäre, hätte er keinen Antrag gestellt.

Der Kläger ließ mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 15. September 2008 fünf Fotos in Kopie einer Schmuckarmprothese, die der Kläger täglich für die Verrichtung seiner Tätigkeit als Versicherungsmakler aktuell benötige, vorlegen, Prospektabbildungen habe er leider nicht zur Verfügung. Die Kosten für eine neue Schmuckarmprothese beliefen sich auf schätzungsweise 1.400,00 EUR, ein entsprechender Kostenvoranschlag sei jedoch mit Kosten verbunden und werde deshalb erst vorgelegt, wenn das Gericht dies für dringend notwendig erachte.

In der mündlichen Verhandlung vom 16. Juli 2009 trug der Kläger vor, dass er die gegenwärtige Prothese nur zur Berufsausübung trage, diese jedoch nicht mehr ausreichend funktionstüchtig sei, sie sei außen und innen total verschlissen und wackelig. Für das Autofahren funktioniere sie gerade noch, bei seinen Geschäftsbesuchen könne er jedoch seinen notwendigen zweiten Koffer bereits nicht mehr wie bisher tragen, indem er diesen zwischen den Arm mit der Armprothese und seinen Körper einklemme. Die gegenwärtige Prothese könne diesen bereits nicht mehr halten, sie sei kaputt und verschlissen. Auch nach Aussage seines Orthopäden funktioniere die Prothese nicht mehr zu den benötigten Zwecken, was jederzeit auch schriftlich bestätigt werden könne.

Der Klägerbevollmächtigte beantragte,

den Beklagten unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide zu verpflichten, auf Antrag des Klägers vom 20. September 2007 die Kosten für eine Schmuckarmprothese im Rahmen der begleitenden Arbeitshilfe im Arbeitsleben zu übernehmen.

Der Beklagte beantragte

Klageabweisung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Behördenakte Bezug genommen. Wegen des weiteren Verlaufs der mündlichen Verhandlung im Einzelnen wird auf die Niederschrift verwiesen.

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

BAYERN.RECHT

Entscheidungsgründe:

Die Klage gemäß dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag ist zulässig, aber nur zum Teil begründet.

Soweit der Beklagte mit den angefochtenen Bescheiden die Übernahme der Kosten für eine Ersatzbeschaffung eines Schmuckarmes abgelehnt hat, erweist sich der Bescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales Region ... - Integrationsamt - vom 16. November 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Widerspruchsausschusses vom 18. März 2008 als ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig, der Kläger wird hierdurch in seinen Rechten verletzt.

Der Kläger kann nicht die Verpflichtung des Beklagten beanspruchen, die Kosten für eine entsprechende Ersatzbeschaffung zu übernehmen (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO), insoweit war die Klage abzuweisen. Der Kläger hat jedoch einen Anspruch auf Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).

Nach § 102 Abs. 3 SGB IX kann das Integrationsamt im Rahmen seiner Zuständigkeit für die begleitende Hilfe im Arbeitsleben aus den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln u. a. auch Geldleistungen für technische Arbeitshilfen erbringen. Gemäß § 19 SchwbAV können die Kosten für die Beschaffung bzw. Ersatzbeschaffung technischer Arbeitshilfen bis zur vollen Höhe übernommen werden. Da die Hilfegewährung im Ermessen des Beklagten steht ("kann"; vgl. § 39 SGB I) und ihm dabei vor dem Hintergrund der ihm aus der Ausgleichsabgabe nur begrenzt zur Verfügung stehenden Mittel ein relativ weites (Verteilungs-) Ermessen zusteht, kann die Ermessensausübung vom Gericht nur auf Rechtsfehler überprüft werden (§ 114 Satz 1 VwGO i. V. m. § 39 SGB I).

Die angefochtenen Bescheide entsprechen nicht den Anforderungen des § 35 Abs. 1 S. 3 SGB X. Der Beklagte hat das ihm insoweit zustehende Ermessen nicht fehlerfrei ausgeübt. Die Versagung der beantragten Leistung mit den angefochtenen Bescheiden erweist sich auf Grund folgender Überlegungen als ermessensfehlerhaft, das Integrationsamt hat im besonderen Fall des Klägers folgende Gesichtspunkte entweder nicht hinreichend oder überhaupt nicht gewürdigt:

1. Soweit der angefochtene Ausgangsbescheid vom 16. November 2007 darauf abstellt, dass es sich bei der beantragten Maßnahme um eine (ausschließliche) Leistung der medizinischen Rehabilitation handele ("Körperersatzstück", § 26 Abs. 2 Nr. 6, § 31 SGB IX), die damit in den (ausschließlichen) Zuständigkeitsbereich der gesetzlichen Krankenkasse falle (§ 6 Abs. 1 Nr. 1, § 5 Nr. 1 SGB IX), kann dem so nicht gefolgt werden.

Nach § 17 Abs. 2 Satz 1 SchwbAV können andere als die in § 17 Abs. 1 bis 1 b SchwbAV genannten Leistungen, die der Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben nicht oder nur mittelbar dienen, nicht erbracht werden, insbesondere können nach § 17 Abs. 2 Satz 2 SchwbAV medizinische Maßnahmen sowie Urlaubs- und Freizeitmaßnahmen grundsätzlich nicht gefördert werden. Nach § 18 Abs. 1 Satz 1 SchwbAV dürfen Leistungen nach § 17 Abs. 1 bis 1 b SchwbAV nur erbracht werden, soweit Leistungen für denselben Zweck nicht von einem Rehabilitationsträger, vom Arbeitgeber oder von anderer Seite zu erbringen sind oder, auch wenn auf sie ein Rechtsanspruch nicht besteht, erbracht werden. Der Nachrang der Träger der Sozialhilfe gemäß § 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und das Verbot der Aufstockung von Leistungen der Rehabilitationsträger durch Leistungen der Integrationsämter (§ 102 Abs. 5 Satz 2 letzter Halbsatz SGB IX) und die Möglichkeit der Integrationsämter, Leistungen der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben vorläufig zu erbringen (§ 102 Abs. 6 Satz 3 SGB IX), bleiben unberührt (§ 18 Abs. 1 Satz 2 SchwbAV).

§ 18 Abs. 1 Satz 1 SchwbAV schränkt somit § 17 Abs. 2 Satz 1 und 2 SchwbAV dahingehend ein, dass auch ein (medizinisches) Hilfsmittel ausnahmsweise förderfähig nach §§ 17 ff. SchwbAV sein kann, wenn auf die Leistung gegenüber Rehabilitationsträgern etc. kein Anspruch besteht und auch keine freiwillige Leistung erfolgt; ferner muss das (medizinische) Hilfsmittel unmittelbar der Arbeits- und Berufsförderung des schwerbehinderten Menschen dienen (§ 17 Abs. 1 Satz 1 SchwbAV). § 17 Abs. 2 Satz 2 SchwbAV stellt also lediglich klar, dass andere Leistungen auch dann nicht aus den Mitteln der Ausgleichsabgabe erbracht werden dürfen, wenn sie mittelbar der Arbeits- und Berufsförderung des schwerbehinderten Menschen dienen, wie es z. B. beim Behindertensport der Fall ist, für dessen Förderung andere Mittel in Anspruch genommen werden müssen (Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, Kommentar 10. Aufl., Rdnr. 2 zu § 17 SchwbAV).

Die beantragte Leistung dient - wie unter Ziffer 2. noch näher auszuführen sein wird - aber nicht nur mittelbar der Arbeits- und Berufsförderung, vielmehr ist der Kläger zur Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit auf eine entsprechende Armprothese ständig angewiesen. Im vorliegenden Fall hat der Kläger ferner weder einen Anspruch für eine Ersatzversorgung gegenüber seiner privaten Krankenversicherung (was der Beklagte selbst einräumt), noch kann er mit einer entsprechend freiwilligen Leistung seitens der privaten Krankenversicherung rechnen, weshalb nach alledem eine Förderfähigkeit nach § 102 Abs. 3 SGB IX hier wohl nicht von vorneherein generell ausgeschlossen werden kann.

Dementsprechend kann die Ersatzbeschaffung mit medizinischen Hilfsmitteln im Einzelfall auch als begleitende Hilfe im Arbeitsleben nach § 102 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 Nr. 1 a SGB IX i. V. m. § 19 SchwbAV bezuschusst werden (VG Freiburg vom 15.9.2005 Beamtenrecht 2006, 27 f., wonach im Einzelfall für die Ersatzbeschaffung eines Hörgerätes - unzweifelhaft ein medizinisches Hilfsmittel - ein Zuschuss nach § 102 Abs. 3 Satz 1 a) SGB IX i. V. m. § 19 SchwbAV gewährt werden kann).

Auch der Kläger als selbständiger Versicherungsmakler gehört trotz fehlender Arbeitnehmereigenschaft zu dem berechtigten Personenkreis für eine technische Arbeitshilfe nach § 19 SchwbAV, da § 21 Abs. 4 SchwbAV vorschreibt, dass § 19 SchwbAV für schwerbehinderte Menschen, die - wie hier der Kläger - eine selbständige Tätigkeit ausüben, entsprechend anzuwenden ist.


2. Die angefochtenen Bescheide leiden unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Kläger zur Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit auf eine entsprechende Armprothese ständig angewiesen ist und seine bisherige Schmuckarmprothese nicht mehr hinreichend funktionsfähig ist, unter einem Ermessensfehler im Hinblick auf § 102 Abs. 3 Nr. 1 a SGB IX in Verbindung mit §§ 17 Abs. 1 Nr. 1 a), 19 SchwbAV als denkbare Rechtsgrundlage:

Die Förderung nach dieser Vorschrift setzt voraus, dass es sich um eine technische Arbeitshilfe handelt. Solche Hilfen müssen typischerweise arbeitsplatz- und arbeitsgebunden sein, dürfen nicht regelmäßig zu einem anderen Zweck eingesetzt werden und der schwerbehinderte Mensch muss sie dergestalt benötigen, dass er sich ihrer ständig (und nicht nur gelegentlich) bedienen muss. Schließlich setzt die begehrte Leistung voraus, dass ein Schwerbehinderter wegen der Eigenart seiner Arbeit eine bestimmte technische Hilfe benötigt; es reicht nicht aus, dass eine solche Hilfe nur zweckmäßig ist (OVG Niedersachsen vom 14.10.1992 - 4 L 520/92 - diese Entscheidung betraf die inhaltsgleiche, bis 30.6.2001 gültige Vorschrift des § 31 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 a) SchwbG).

Dem Beklagten ist zwar insoweit zuzustimmen, dass eine Schmuckarmprothese diese Voraussetzungen grundsätzlich eher nicht erfüllen kann, da sie an sich über keine "technischen" Funktionen (wie z. B. Greifen und Halten mit der künstlichen Hand, Drehen der künstlichen Hand etc. wie bei einem Arbeitsarm) verfügt und gewöhnlicherweise rein "kosmetischen" Zwecken dient.

Die angefochtenen Bescheide begnügen sich jedoch mit dieser pauschalen Feststellung und verkennen damit die besondere Ausnahmesituation des Klägers. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung zur Überzeugung des Gerichts nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass und zu welchem Zwecke er diese Schmuckarmprothese als technische Arbeitshilfe im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit als selbständiger Versicherungsmakler benötigt und dass diese hierfür in seinem speziellen Fall (ausnahmsweise) als technische Arbeitshilfe vollkommen ausreicht.

Zum einen benötigt er sie für Fahrten zu seinen Kunden, was nachvollziehbar den überwiegenden Teil seiner beruflichen Tätigkeit als Versicherungsmakler ausmacht (laut Kläger ca. 70 %).

Zum anderen benötigt er sie, um beim Kundenbesuch einen der beiden für ihn erforderlichen Koffer mit den benötigten Unterlagen tragen zu können - indem er den zweiten, leichteren Koffer zwischen den Arm mit der Armprothese und seinen Körper einklemmt, was mit der aktuellen Prothese bereits nicht mehr möglich sei, und den schwereren Koffer mit dem anderen Arm trage.

Ohne entsprechende voll funktionstüchtige Armprothese kann er somit seiner beruflichen Tätigkeit bereits dem Grunde nach nicht mehr nachgehen. Ohne funktionsfähige Armprothese kann bzw. darf er auf Grund der Auflagen seiner Fahrerlaubnis insbesondere kein Fahrzeug führen, um seine (potentiellen) Kunden bei diesen vor Ort aufzusuchen, was nach den allgemeinen Lebenserfahrungen von (potentiellen) Kunden eines Versicherungsmaklers in aller Regel vorausgesetzt wird. Damit ist der Kläger ständig auf eine funktionsfähige Armprothese als technische Arbeitshilfe im vorgenannten Sinne angewiesen. Zu demselben Ergebnis kommt auch der technische Berater des Integrationsamtes in seiner Stellungnahme vom 14. Februar 2008 (Bl. 24).

In diesem Zusammenhang ist insbesondere unter dem Aspekt der nur begrenzt zur Verfügung stehenden Verteilungsmittel gerade auch zu berücksichtigen, dass die Schmuckarmprothese als Arbeitshilfe geringere Kosten verursacht, als dies bei einer entsprechenden Arbeitsarmprothese der Fall wäre. Von daher darf es dem Kläger nicht zum Nachteil gereichen, wenn in seinem speziellen Fall die kostengünstigere Variante einer Schmuckarmprothese ausnahmsweise als technische Arbeitshilfe vollkommen ausreicht.

Unabhängig davon hatte auch der technische Berater des Integrationsamtes in seiner Stellungnahme vom 14. Februar 2008 (Bl. 24) die beantragte Maßnahme über 1.076,20 EUR als "notwendig, zweckmäßig und kostenangemessen" bewertet, wobei auch dort ausdrücklich vermerkt war "nur Schmuckarm & Lederhand". Mit dieser Einschätzung setzt sich der Widerspruchsausschuss im Widerspruchsbescheid in keinster Weise auseinander.

Die Nichtberücksichtigung dieser befürwortenden Einschätzung des technischen Beraters sowie der vorgenannten Gesichtspunkte im Widerspruchsbescheid führt zu einem Ermessensausfall. Im Rahmen einer fehlerfreie Ermessensentscheidung wäre insbesondere zu würdigen gewesen, dass aus genannten Gründen im speziellen Fall des Klägers eine Schmuckarmprothese ausnahmsweise als technische Arbeitshilfe im vorgenannten Sinne vollkommen ausreicht und auch der technische Berater des Integrationsamtes in seiner Stellungnahme vom 14. Februar 2008 die beantragte Kostenübernahme für eine Schmuckarmprothese als "notwendig, zweckmäßig und kostenangemessen" bewertet hatte.


3. Dass der Beklagte die genannten Gesichtspunkte nicht in seine Ermessenserwägungen mit einbezogen hat, kann im gerichtlichen Verfahren auch nicht mit heilender Wirkung nachgeholt werden:

Nach § 114 Satz 2 VwGO können bei einem Ermessensverwaltungsakt nur unvollständige Ermessenserwägungen "ergänzt" werden. § 114 Satz 2 VwGO lässt es hingegen nicht zu, im laufenden Rechtsstreit grundlegend andere als die bisher angestellten Ermessenserwägungen nachzuschieben (vgl. BVerwG vom 14.1.1999 NJW 1999, 2912; BayVGH vom 23.3.1999 BayVBl 1999, 627; Eyermann, VwGO, 11. Aufl., Rdnr. 89 zu § 114). Ebenso wenig ist es nach § 114 Satz 2 VwGO möglich, bisher fehlende Ermessenserwägungen bzw. nicht ausgeübtes Ermessen nachzuholen (vgl. Kopp/Schenke, 14. Aufl. § 114 RdNr. 50).

Eine Heilung der fehlerhaften Ermessensbegründung im gerichtlichen Verfahren mit Wirkung ex nunc nach § 41 Abs. 2 SGB X kommt hier ebenfalls nicht in Betracht. Nach § 41 Abs. 2 SGB X kann die erforderliche Begründung bis zur letzten Tatsacheninstanz nachgeholt werden. Auch wenn diese Vorschrift insoweit weitergehender als die Regelung des § 114 Satz 2 VwGO ist (vgl. Kopp/Schenke, 14. Aufl. § 114 Rdnr. 51 für die inhaltsgleiche Vorschrift des § 45 VwVfG) und von § 41 Abs. 2 SGB X nicht nur Ergänzungen eines Verwaltungsaktes wie bei § 114 Satz 2 VwGO, sondern auch das Nachholen einer bisher völlig fehlenden Begründung erfasst werden, so bleibt auch hierfür Voraussetzung, dass die Behörde ihr Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat und ihre Ermessenserwägungen nur bei der Begründung des Verwaltungsaktes keinen Ausdruck fanden (vgl. Kopp/Schenke, 14. Aufl. § 113 Rdnr. 60 für die inhaltsgleiche Vorschrift des § 45 VwVfG). An diesen Voraussetzungen fehlt es hier jedoch, da der Beklagte das ihm zustehende Ermessen aus den genannten Gründen in den angefochtenen Bescheiden nicht fehlerfrei ausgeübt hat. Somit scheidet eine Heilung der fehlerhaften Ermessensausübung i. S. d. § 35 Abs. 1 S. 3 SGB X im laufenden Verfahren aus.

Die Ablehnung der Kostenübernahme für eine Schmuckarmprothese gemäß Ausgangsbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids erweist sich somit aus genannten Gründen als ermessensfehlerhaft, insoweit sind die Bescheide rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Die Bescheide waren deshalb aufzuheben und der Beklagte war zur Neubescheidung zu verpflichten.


4. Im Übrigen war die Klage abzuweisen, da eine Verpflichtung zur Kostenübernahme im vorliegenden Fall nicht möglich ist. Insbesondere ist eine Ermessensreduktion auf Null insoweit nicht feststellbar und weitere Rechtsgrundlagen, auf die die beantragte Kostenübernahme gestützt werden könnte, sind nicht ersichtlich.

Der Kläger kann auch aus dem Umstand der früheren Zuschussbewilligungen keinen entsprechenden Anspruch herleiten. Aus der früheren Verwaltungspraxis einer anderen Behörde (Hauptfürsorgestelle der Regierung von ...) kann der Kläger keinen Anspruch auf Bewilligung des verfahrensgegenständlichen Zuschusses für eine Neuanschaffung einer Schmuckarmprothese herleiten. Allein der bloße Umstand, dass für frühere Zeiträume Subventionen gezahlt worden sind, begründet keinen einklagbaren Anspruch auf eine Weiterförderung (vgl. VG Köln vom 22.7.2003 - 26 L 794/03; OVG Münster vom 5.12.1995 NWVBl 1996, 309 f.). Nichts anders kann für eine - von einer ehemals zuständigen Behörde früher gewährte - Förderung nach § 102 Abs. 3 Nr. 1 a SGB IX in Verbindung mit §§ 17 Abs. 1 Nr. 1 a), 19 SchwbAV gelten. Da dem Integrationsamt aus der Ausgleichsabgabe nur begrenzt Mittel zur Verfügung stehen, können diese Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen auch nur begrenzt gewährt werden, weshalb ein Leistungsempfänger nicht zwingend damit rechnen kann bzw. darf, diese Leistungen nach erneutem Antrag auch zukünftig unverändert zu erhalten. Vielmehr muss er bei jedem neuen Antrag, der wieder gesondert überprüft werden muss, damit rechnen, dass eine erneut beantragte Leistung im Einzelfall auch nicht mehr gewährt werden kann. Der vom Kläger erwähnte Vertrauensschutz konnte somit gar nicht erst entstehen.

Nach alledem waren die rechtswidrigen Bescheide aufzuheben und der Beklagte zu verpflichten, über den Antrag vom 20. September 2007 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Im Übrigen war die Klage abzuweisen.

Kosten: §§ 155 Abs. 1 Satz 1 1. Alt., Satz 2, 161 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO.

Gründe, die Berufung nach § 124 a Abs. 1 VwGO zuzulassen, liegen nicht vor.

Referenznummer:

R/R5480


Informationsstand: 29.01.2013