Urteil
Anspruch auf Hörgeräteversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung

Gericht:

LSG Baden-Württemberg 5. Senat


Aktenzeichen:

L 5 KR 241/18


Urteil vom:

22.01.2020


Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 14.11.2017 aufgehoben und die Klagen abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Versorgung mit zwei Hörgeräten über den Festbetrag hinaus.

Die 1955 geborene, bei der Beklagten aufgrund einer Beschäftigung als Lehrerin an einer Schule für geistig und körperbehinderte Kinder krankenversicherte und bei der Beigeladenen rentenversicherte Klägerin leidet an heriditärer pancochleärer hochgradiger Innenohrschwerhörigkeit beidseits. Deshalb ist sie seit Ende der Neunziger Jahre mit Hörgeräten versorgt, wobei die Versorgung mit dem zweiten Hörgerät im Jahr 2004 durch die Beigeladene erfolgte. Seit dem Jahr 2011 erprobt die Klägerin verschiedene neue Hörgeräte. Aufgrund einer ohrenärztlichen Verordnung des HNO-Arztes Dr. H. vom 05.03.2015 über eine beidseits notwendige Hörhilfe erprobte sie über die Firma Hörakustik D. V. zwei Hörsysteme, darunter das eigenanteilsfrei angebotene digitale Hörgerät AS P 4 G2 (im Folgenden: AS; Anpassungsbericht vom 29.02.2016). Dieses verfügt über vier Kanäle (ermöglichen eine individuelle und feine Anpassung des Hörsystems an den Hörverlust), vier Hörprogramme (zur manuellen Einstellung auf unterschiedliche Situationen, wovon eines als TV- oder als Telefonprogramm eingestellt werden kann), Rückkopplungsunterdrückung, Störgeräuschunterdrückung und ein omnidirektionales sowie ein direktional-statisches Richtmikrofon. Mit dem AS erzielte die Klägerin nach dem Freiburger Sprachtest ein Sprachverstehen von 100 % (Nutzschall 65 dB ohne Störschall) sowie von 85 % (Nutzschall 65 dB mit Störschall 60 dB).

Die Klägerin beantragte (spätestens am 29.02.2016) unter Vorlage eines Kostenvoranschlags der Firma Hörakustik D. V. vom 24.10.2015 (Eingang bei der Beklagten nicht mehr nachvollziehbar) die Versorgung mit zwei Hörgeräten des Systems widex HdO DREAM 440 D4-FS (im Folgenden: widex; zzgl. Fernbedienung, Ohrpassstück, Reparaturpauschale, NanoCare Cerumensiebe, Phone-DEX, TV-DEX sowie Drybox Avantgarde (Gesamtpreis: 5.621,45 EUR; Eigenanteil: 1.514,00 EUR). In Abweichung zum obigen Festbetragsgerät erzielte die Klägerin ausweislich des Anpassungsberichts vom 29.02.2016 nach dem Freiburger Sprachtest ein Sprachverstehen von 100 % (Nutzschall 65 dB ohne Störschall) sowie von 90 % (Nutzschall 65 dB mit Störschall 60 dB).

Unter dem 09.03.2016 teilte die Hörgeräteakustikmeisterin Sch. nach Beauftragung durch die Beklagte mit, eine Kostenübernahme könne in Höhe des Vertragspreises von 1.614,00 EUR erfolgen. Eine höherwertige Versorgung mit dem Wunschgerät der Klägerin sei nicht anzuerkennen. Beim zuzahlungspflichtigen Gerät werde lediglich ein 5 % besseres Hörverständnis bei Störschall gemessen. Dieser Unterschied sei zu akzeptieren und werde als Messtoleranz gewertet. Die Klägerin sei eigenanteilsfrei versorgbar.

Mit nicht mit Rechtsbehelfsbelehrungen versehenen Bescheiden vom 23.03.2016 lehnte die Beklagte (sinngemäß) jeweils ab, die im Kostenvoranschlag geltend gemachten Aufwendungen in voller Höhe zu übernehmen. Sie führte aus, für das Hörgerät widex rechts werde ein Betrag i.H.v. 843,50 EUR abzüglich der gesetzlichen Zuzahlung von 10,00 EUR, sowie für das Hörsystem des linken Ohrs ein Betrag i.H.v. 690,50 EUR abzüglich der gesetzlichen Zuzahlung von 10,00 EUR gewährt.

Auf das nicht in der Verwaltungsakte befindliche "Amtshilfeersuchen" der Beklagten vom 23.03.2016 an den beigeladenen Rentenversicherungsträger, teilte Letzterer mit Schreiben vom 15.04.2016 mit, die Voraussetzungen für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben seien nicht erfüllt. Die Höranforderungen in der Berufsausübung als Lehrerin für behinderte Kinder beinhalte keine spezifisch berufsbedingte Notwendigkeit der Hörgeräteversorgung. Die beantragten Hörhilfen sollten dem unmittelbaren Behinderungsausgleich mit dem Ziel der Angleichung an das Hörvermögen hörgesunder Menschen dienen. Die Höranforderung des Sprachverstehens im Störlärm sei nach den Urteilen des Bundessozialgerichts (BSG) als Teil der Krankenkassenversorgung explizit benannt.

Die Klägerin erhob gegen die Bescheide der Beklagten vom 23.03.2016 Widerspruch. Zur Begründung führte sie aus, die Weiterleitung an die Beigeladene sei unzulässig. Die Beklagte sei alleiniger Entscheidungsträger für die Entscheidung über die Hörgeräteversorgung. Dies habe das Sozialgericht Ulm (SG) im Urteil vom 18.06.2014 (S 6 R 1403/12) in einem früheren Verfahren entschieden.

Nach Einholung einer weiteren Stellungnahme der Hörgeräteakustikmeisterin Sch. vom 26.04.2016, in der diese bestätigte, dass aufgrund der vorliegenden Messungen mit Hörgeräten Telefonieren und Fernsehen ohne Hilfsmittel möglich sei, und ausführte, dass Leistungen mit Bluetooth keine Kassenleistung seien, hob die Beklagte mit Bescheiden vom 28.04.2016 die Bescheide vom 22.03.2016 auf. Auch unter Einschaltung der Beigeladenen ließen sich keine Gründe für eine höherwertigere Versorgung erkennen. Von den Kosten für das widex links werde ein Betrag i.H.v. 680,51 EUR übernommen, der Eigenanteil der Klägerin belaufe sich auf 1.744,49 EUR inklusive Zuzahlung i.H.v. 10,00 EUR. Von den Kosten für das widex rechts übernehme sie, die Beklagte, 833,51 EUR, der Eigenanteil der Klägerin belaufe sich auf 2.362,93 EUR inklusive Zuzahlung i.H.v. 10,00 EUR. Hiergegen erhob die Klägerin am 25.05.2016 erneut Widerspruch.

Mit Bescheiden vom 06.07.2016 hob die Beklagte die Bescheide vom 23.03.2016 und 28.04.2016 auf, lehnte den Antrag auf Mehrkostenübernahme der Hörgeräteversorgung ab und bewilligte erneut für das widex links einen Betrag i.H.v. 680,51 EUR und für das widex rechts einen Betrag i.H.v. 833,51 EUR inklusive Reparaturpauschale bei beidohriger Versorgung.

Hiergegen erhob die Klägerin unter dem 19.07.2016 Widerspruch. Die zuzahlungsfreien Hörgeräte könnten keine ausreichende Versorgung gewährleisten. Unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und des BSG bestehe Anspruch auf bestmöglichen Behinderungsausgleich auch in Alltagssituationen. Der Anspruch auf Versorgung richte sich nach der Medizintechnik bei höchstmöglicher Angleichung an das Hörvermögen Gesunder, soweit dies im Alltagsleben erheblichen Gebrauchsvorteil biete. Aufgrund ihrer originären Zuständigkeit sei die Beklagte verpflichtet, die vollen Kosten der Hörgeräteversorgung zu übernehmen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19.10.2016 wies die Beklagte die Widersprüche der Klägerin gegen die Bescheide vom 06.07.2016 zurück. Sie führte aus, eine Leistungspflicht ihrerseits bestehe nicht. Der Klägerin seien mit den Geräten AS Hörgeräte zum Vertragspreis angeboten worden. Von den vorliegenden Messdaten ausgehend könne durch das gewählte Hörsystem widex lediglich ein Hörgewinn von zusätzlich 5 % bei Störlärm erreicht werden. Dieser Unterschied liege im Toleranzbereich, welcher durch naturgemäße Tagesschwankungen bedingt sei. Eine signifikante Verbesserung liege damit nicht vor. Auch die Hörgeräteakustikmeisterin Sch. habe bestätigt, dass eine ausreichende und zweckmäßige Versorgung zum Vertragspreis sichergestellt werden könne. Damit bestehe kein Anspruch auf Übernahme der Mehrkosten.

Die Klägerin hat am 23.11.2016 zwei Klagen beim Sozialgericht Ulm (SG) unter den Aktenzeichen S 15 KR 3728/16 und S 15 KR 3727/16 erhoben. Im Verfahren S 15 KR 3728/16 hat sie die Versorgung mit dem widex für das rechte Ohr und im Verfahren S 15 KR 3727/16 die Versorgung mit dem gleichen Hörsystem für das linke Ohr begehrt.

Mit Beschluss vom 05.05.2017 hat das SG die beiden Verfahren unter dem Aktenzeichen S 15 KR 3727/16 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Die Klägerin hat unter Bezugnahme auf ihr bisheriges Vorbringen ergänzend ausgeführt, allein aufgrund der eingetretenen Genehmigungsfiktion sei die Beklagte zur Versorgung mit den beantragten Hörsystemen verpflichtet.

Die Beklagte ist der Klage unter Verweis auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid entgegengetreten. Darüber hinaus greife die Genehmigungsfiktion hier nicht ein, da es um eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation gehe, welche bewusst aus dem Anwendungsbereich des § 13 Abs. 3a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) ausgeklammert sei. Daher werde die fiktive Genehmigung nach § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zurückgenommen (Bescheid vom 30.08.2017).

Mit Urteil vom 14.11.2017 hat das SG den Bescheid vom 30.8.2017 aufgehoben. Zudem hat es die Bescheide vom 23.03.2016, 28.04.2016 und 06.07.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.10.2016 abgeändert und die Beklagte verurteilt, der Klägerin zwei Hörgeräte der Marke widex zu gewähren. Die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3a SGB V seien erfüllt - die Beklagte habe die maßgebliche Dreiwochenfrist nicht eingehalten -, weswegen die Klägerin mit den beantragten Hörgeräten zu versorgen sei. Dahinstehen könne, ob darüber hinaus auch ein materiell-rechtlicher Anspruch nach § 33 SGB V gegeben sei. Die mit Bescheid der Beklagten vom 30.08.2017 vorgenommene Rücknahme der fingierten Genehmigung sei rechtswidrig und führe nicht zum Erlöschen des Leistungsanspruchs, denn es mangele bereits am Vorliegen eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes.

Gegen das ihr am 19.12.2017 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 17.01.2018 Berufung eingelegt. Zur Begründung führt sie aus, das Urteil des SG könne nach der BSG-Rechtsprechung vom 15.03.2018 (B 3 KR 4/16 R, B 3 KR 18/17 R und B 3 KR 12/17 R) keinen Bestand haben. Danach sei der sachliche Anwendungsbereich des § 13 Abs. 3a SGB V bei wie hier begehrten, dem Behinderungsausgleich dienenden Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nicht eröffnet. Bescheide, mit denen die beklagten Krankenkassen in diesen Verfahren die Genehmigungsfiktion zurückgenommen hätten, gingen in Ermangelung einer Fiktion ins Leere. Die materiell-rechtliche Prüfung des Hilfsmittelanspruchs sei nunmehr im Berufungsverfahren durchzuführen. Insoweit werde auf die Stellungnahmen der Hörgeräteakustikmeisterin Sch. verwiesen. In der mündlichen Verhandlung vom 22.01.2020 hat die Klägerin mitgeteilt, dass ihr die streitgegenständlichen Hörgeräte von ihrem Hörgeräteakustiker überlassen worden seien und sie die Hörgeräte aktuell nutze. Außer den Kosten für Batterien müsse sie hierfür keine Kosten/Gebühren an den Akustiker zahlen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 14.11.2017 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das Urteil des SG sei im Ergebnis nicht zu beanstanden. Auch aus materiell-rechtlicher Sicht stünden ihr die begehrten Hörgeräte zu. Sie habe sich die Hörgeräte bislang nicht beschafft. Im Rahmen der Testung des zuzahlungsfreien Hörsystems und der Wunschgeräte hätten die Vorteile des Letztgenannten deutlich überwogen. Mit dem zuzahlungsfreien Gerät habe sie nicht telefonieren können. Dies sei in ihrem Beruf gerade deshalb von besonderer Bedeutung, weil mit den Schülern eine Kommunikation nicht uneingeschränkt möglich sei.

Die mit Beschluss vom 02.12.2019 Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und sich zur Sache nicht geäußert.

Der vorherige Berichterstatter hat die Rechtssache mit den Beteiligten am 10.10.2018 erörtert.

Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge, die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 22.01.2020 Bezug genommen.

Rechtsweg:

SG Ulm, Urteil vom 14.11.2017 - S 15 KR 3727/16

Quelle:

Sozialgerichtsbarkeit BRD

Entscheidungsgründe:

1. Die nach § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG, da sich die begehrte weitergehende Versorgung ausweislich des vorgelegten Kostenvoranschlags auf 4.087,45 EUR beläuft.

2. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist das Begehren der Klägerin auf Versorgung mit zwei Hörgeräten der Marke widex über den bereits bewilligten Festbetrag hinaus. Mit diesen Hörgeräten ist die Klägerin bis aktuell nicht (endgültig) versorgt, für die derzeitige Nutzung hat sie keine Kosten zu tragen; eine Kostenerstattung wird daher nicht begehrt. Streitbefangen sind die (beiden) Bescheide vom 06.07.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.10.2016, soweit darin eine Versorgung über den Festbetrag hinaus abgelehnt wird. Die ursprünglich angefochtenen Bescheide vom 23.03.2016 und 28.04.2016 haben sich demgegenüber erledigt. Die Beklagte hat sie mit Bescheiden vom 06.07.2016 aufgehoben. Sie sind nicht mehr Gegenstand des Verfahrens.

Der Bescheid der Beklagten vom 30.08.2017, der auf die Rücknahme einer vermeintlich eingetretenen fiktiven Genehmigung gerichtet ist und nach § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist, steht demgegenüber nicht zur Überprüfung durch den Senat, da insoweit keine Berufung eingelegt wurde. Das Urteil des SG ist insoweit in Rechtskraft erwachsen.

3. Die Berufung der Beklagten ist begründet. Das SG hat den Klagen zu Unrecht stattgegeben. Die Bescheide der Beklagten vom 06.07.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.10.2016 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren subjektiven Rechten. Ein Anspruch auf die begehrte Versorgung mit Hörgeräten über den Festbetrag hinaus ergibt sich weder aus einer Genehmigungsfiktion (dazu a) noch dem krankenversicherungsrechtlichen Leistungsrecht (dazu b) noch aus sonstigem Rehabilitationsrecht (dazu c).

a) Ein Anspruch aus einer Genehmigungsfiktion scheidet für das hier begehrte Hilfsmittel aus.

Ein Anspruch ergibt sich nicht nach § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V. Denn § 13 Abs. 3a Satz 9 SGB V (in der seit 26.02.2013 geltenden Fassung von Art. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten - PatRVerbG - vom 20.02.2013, BGBl. I S. 277, gültig bis 31.12.2017) verweist für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation auf das Rehabilitations- und Teilhaberecht, das in §§ 14 und 15 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX; in der seit 01.07.2001 geltenden Fassung durch Art. 1 und 68 SGB IX vom 19.06.2001, BGBl. I S. 1046, gültig bis 31.12.2017 [im Folgenden a.F.], sowie in §§ 14 bis 24 SGB IX i.d.F. von Art. 1 des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen [Bundesteilhabegesetz - BTHG] vom 23.12.2016, BGBl. I S. 3234, m.W.v. 01.01.2018) ein eigenständiges, in sich geschlossenes System bei Überschreitung von Entscheidungsfristen mit entsprechenden Sanktionen vorhält. Die Regelungssysteme von § 13 Abs. 3a SGB V einerseits und von §§ 14, 15 SGB IX a.F. (nunmehr §§ 14 bis 24 SGB IX) schließen sich gegenseitig aus. Daher findet § 13 Abs. 3a SGB V insgesamt auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zur Vermeidung sonst nicht auflösbarer Normkonflikte keine Anwendung (ausführlich hierzu BSG, Urteile vom 08.03.2016 - B 1 KR 25/15 R -, in juris, Rn. 12 ff. und vom 15.03.2018 - B 3 KR 18/17 R -, in juris Rn. 15 ff.). Maßstab für die Systemabgrenzung ist bei alledem allein das objektive Recht. Der Ausschluss des Anwendungsbereichs von § 13 Abs. 3a SGB V für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation durch § 13 Abs. 3a Satz 9 SGB V schließt eine Leistungsgewährung über § 13 Abs. 3a SGB V aus, unabhängig davon, ob sie der Versicherte für eine nichtrehabilitative Leistung halten durfte und sie i.S.d. § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V als erforderlich ansehen durfte. Zwar wird die Versorgung mit Hilfsmitteln in § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V systematisch der Krankenbehandlung zugeordnet. Für eine systemgerechte Zuordnung des jeweils zu beurteilenden Hilfsmittels bedarf es aber einer Differenzierung nach dessen Funktionalität und Zwecksetzung. Nach dieser Abgrenzung finden die Regelungen des § 13 Abs. 3a SGB V allein auf Hilfsmittel zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung (§ 33 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 SGB V) Anwendung, denn als Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sind alle anderen Hilfsmittel vom Anwendungsbereich des § 13 Abs. 3a SGB V ausgenommen (BSG, Urteil vom 15.03.2018 - B 3 KR 18/17 R -, in juris Rn. 22 f., Urteil des erkennenden Senats vom 26.06.2019 - L 5 R 1195/18 -, n.v.).

Die vorliegend begehrten Hörgeräte dienen nicht der Krankenbehandlung, da sie das Funktionsdefizit (Schwerhörigkeit) nicht kurativ behandeln. Der vom Regelfall abweichende Körperzustand bleibt als solcher im Wesentlichen unverändert. Vielmehr wird die Funktionsbeeinträchtigung ausgeglichen bzw. die beeinträchtigte Körperfunktion ersetzt. Es handelt sich mithin um Hilfsmittel zum Behinderungsausgleich und damit um Leistungen der medizinischen Rehabilitation i.S.d. § 13 Abs. 3a Satz 9 SGB V.

Die fiktive Genehmigung des nicht rechtzeitig verbeschiedenen Leistungsantrages erforderte nach der damit maßgeblichen bis zum 31.12.2017 geltenden Regelung des § 15 Abs. 1 Sätze 1 - 4 SGB IX a.F. u.a. eine Fristsetzung des Antragstellers an den Rehabilitationsträger. Da eine Fristsetzung durch die Klägerin i.S.d. § 15 SGB IX a.F. nicht erfolgt ist, sind auch die Voraussetzungen eines Leistungsanspruchs aufgrund einer rehabilitationsrechtlichen Fiktion nicht erfüllt.

b) Aus dem krankenversicherungsrechtlichen Leistungsrecht ergibt sich der geltend gemachte Anspruch ebenfalls nicht.

Nach §§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln wie u.a. Hörhilfen, die im Einzelfall erforderlich sind, um u.a. eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind, sowie im Rahmen des Notwendigen und Wirtschaftlichen (§ 12 Abs. 1 SGB V) für den von der Krankenkasse geschuldeten Behinderungsausgleich erforderlich sind. Die Leistungspflicht der Krankenkasse ist mit dem Festbetrag erfüllt, wenn für die Leistung ein Festbetrag festgesetzt ist (§ 12 Abs. 2 SGB V).

(1) Hörgeräte sind solche Hilfsmittel zum Behinderungsausgleich, da sie die Funktionsbeeinträchtigung (Schwerhörigkeit) ausgleichen bzw. die beeinträchtigte Körperfunktion (Hören) ersetzen. Als solche stellen sie keinen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens dar und sind auch nicht nach § 34 Abs. 4 SGB V aus der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen. Die Klägerin ist aufgrund der bei ihr bestehenden hereditären pancochleären hochgradigen Innenohrschwerhörigkeit beidseits auf eine Versorgung mit Hörgeräten angewiesen. Der sprachaudiometrisch ermittelte Hörverlust beträgt beidseits 60 % (Sprachverstehen ohne Hörsysteme 40 %). Dies entnimmt der Senat der entsprechenden ohrenärztlichen Verordnung des Dr. H. vom 05.03.2015 über eine beidseits notwendige Hörhilfe und dem Anpassungsbericht der Firma Hörakustik D. V. vom 29.02.2016. Dies wird auch von der Beklagten und der Beigeladenen nicht in Abrede gestellt.

(2) Der von den Krankenkassen geschuldete Behinderungsausgleich bemisst sich entscheidend danach, ob eine Leistung des unmittelbaren oder des mittelbaren Behinderungsausgleichs beansprucht wird (BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 3 KR 20/08 R -, in juris Rn. 14). Insoweit hat der in § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V als 3. Variante genannte Zweck für die im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung gebotene Hilfsmittelversorgung zwei Ebenen (zum Folgenden BSG, Urteil vom 24.01.2013 - B 3 KR 5/12 R -, in juris Rn. 31 ff.).

(a) Im Bereich des unmittelbaren Behinderungsausgleichs ist die Hilfsmittelversorgung grundsätzlich von dem Ziel eines vollständigen funktionellen Ausgleichs geleitet. Im Vordergrund steht dabei der unmittelbare Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion. Davon ist auszugehen, wenn das Hilfsmittel die Ausübung der beeinträchtigten Körperfunktion - hier das Hören - selbst ermöglicht, ersetzt oder erleichtert. Für diesen unmittelbaren Behinderungsausgleich gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits, und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts (§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V). Dies dient in aller Regel ohne gesonderte weitere Prüfung der Befriedigung eines Grundbedürfnisses des täglichen Lebens im Sinne von § 31 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX a.F., weil die Erhaltung bzw. Wiederherstellung einer Körperfunktion als solche schon ein Grundbedürfnis in diesem Sinne ist. Deshalb kann auch die Versorgung mit einem fortschrittlichen, technisch weiterentwickelten Hilfsmittel nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der bisher erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend, solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig im Sinne des Gleichziehens mit einem gesunden Menschen erreicht ist (BSG, Urteil vom 24.01.2013 - B 3 KR 5/12 R -, in juris, Rn. 31; BSG, Urteil vom 16.09.2004 - B 3 KR 20/04 R -, in juris Rn. 12). Das Maß der notwendigen Versorgung mit Hörhilfen erschöpft sich daher nicht in der Verständigung beim Einzelgespräch unter direkter Ansprache, sondern umfasst im Rahmen des Möglichen auch das Hören und Verstehen in größeren Räumen und bei störenden Umgebungsgeräuschen (vgl. auch § 19 Abs. 1 HilfsM-Richtlinie). Die gesetzliche Krankenversicherung hat ihren Versicherten daher die dazu nach dem Stand der Hörgerätetechnik (§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V) jeweils erforderlichen Geräte zur Verfügung zu stellen. Das schließt auch die Versorgung mit digitalen Hörgeräten ein (BSG, Urteile vom 24.01.2013 - B 3 KR 5/12 R -, in juris Rn. 31 und vom 30.10.2014 - B 5 R 8/14 R -, in juris, Rn. 47).

Auch in Fällen des mittelbaren Behinderungsausgleichs, wenn also die Erhaltung bzw. Wiederherstellung der beeinträchtigten Körperfunktion nicht oder nicht ausreichend möglich ist und deshalb Hilfsmittel zum Ausgleich von direkten und indirekten Folgen der Behinderung benötigt werden, ist von der gesetzlichen Krankenversicherung ein Hilfsmittel zu gewähren, wenn damit die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder gemildert werden könnten und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens - wie das Hören - betroffen ist. Dann sind die Krankenkassen allerdings nur für einen Basisausgleich von Behinderungsfolgen eintrittspflichtig (BSG, Urteil vom 24.01.2013 - B 3 KR 5/12 R -, in juris, Rn. 32). Es geht insoweit nicht um einen Ausgleich im Sinne des vollständigen Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten Möglichkeiten eines gesunden Menschen. Über die der gesetzlichen Krankenversicherung zugewiesene medizinische Rehabilitation hinausgehende Zwecke sind anderen Sozialleistungssystemen zugewiesen (BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 3 KR 20/08 R -, in juris Rn. 16; BSG, Urteil vom 24.01.2013 - B 3 KR 5/12 R -, in juris Rn. 31). Ausschließlich berufliche und arbeitsplatzspezifische Gebrauchsvorteile sind - entgegen des als überholt anzusehenden Urteils des 13. Senats des BSG vom 21.08.2008 (B 13 R 33/07 R -, in juris; digitales Hörgerät für Lagerarbeiter) - für die Hilfsmittelversorgung nach dem SGB V grundsätzlich unbeachtlich (BSG, Urteile vom 17.12.2009 - B 3 KR 20/08 R -, in juris Rn. 14, vom 24.01.2013 - B 3 KR 5/12 R -, in juris Rn. 33 sowie vom 30.10.2014 - B 5 R 8/14 R -, in juris Rn. 47).

(b) Für den Versorgungsumfang, insbesondere die Qualität, Quantität und Diversität der Hilfsmittelausstattung kommt es aber sowohl beim unmittelbaren als auch beim mittelbaren Behinderungsausgleich allein auf den Umfang der mit dem begehrten Hilfsmittel zu erreichenden Gebrauchsvorteile an. Ohne Wertungsunterschiede besteht in beiden Bereichen Anspruch auf die im Einzelfall ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Hilfsmittelversorgung, nicht jedoch auf eine Optimalversorgung. Deshalb besteht kein Anspruch auf ein teureres Hilfsmittel, soweit die kostengünstigere Versorgung für den angestrebten Nachteilsausgleich funktionell in gleicher Weise geeignet ist (ständige Rechtsprechung des BSG, etwa Urteile vom 16.04.1998 - B 3 KR 6/97 R -, in juris, Rn. 17 und vom 24.01.2013 - B 3 KR 5/12 R -, in juris Rn. 34). Demgemäß haben die Krankenkassen nicht für solche Innovationen aufzukommen, die keine wesentlichen Gebrauchsvorteile für den Versicherten bewirken. Maßgeblich ist daher, ob das teurere Hilfsmittel im Vergleich zu kostengünstigeren anderen im Alltag - d.h. nicht nur in einzelnen, nicht zu den menschlichen Grundbedürfnissen zählenden Lebensbereichen - wesentliche Gebrauchsvorteile bietet. Dabei muss es um Verbesserungen gehen, welche die Funktionalität betreffen (BSG, Urteil vom 15.03.2018 - B 3 KR 18/17 R -, in juris Rn. 42 m.w.N.). Mehrkosten sind andernfalls selbst zu tragen (§ 33 Abs. 1 Satz 9 SGB V in der ab 11.05.2019 geltenden Fassung; früher § 33 Abs. 1 Satz 5 SGB V).

(c) Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe steht zur Überzeugung des Senats fest, dass ein entsprechender Behinderungsausgleich auch durch ein Hörgerät zum Festbetrag bei der Klägerin zu erreichen ist.

Das von der Klägerin getestete, zum Festbetrag angebotene digitale Hörgerät AS verfügt über vier Kanäle (ermöglichen eine individuelle und feine Anpassung des Hörsystems an den Hörverlust), vier Hörprogramme (zur manuellen Einstellung auf unterschiedliche Situationen, wovon eines als TV- oder als Telefonprogramm eingestellt werden kann), Rückkopplungsunterdrückung, Störgeräuschunterdrückung und ein omnidirektionales sowie ein direktional-statisches Richtmikrofon. Dies entnimmt der Senat der Darstellung im Internet zur Ausstattung des AS (wiki.leichthoerig.de/index.php?title=Techlevel) sowie der Stellungnahme der Hörgeräteakustikmeisterin Sch. vom 26.04.2016. Die technische Ausstattung, die auch von der Klägerin nicht in Abrede gestellt wird, gewährleistet mithin nicht nur eine Verständigung im Einzelgespräch unter direkter Ansprache, sondern auch das Hören und Verstehen in großen Räumen und bei störenden Nebengeräuschen (insbesondere Rückkopplungsunterdrückung, Störgeräuschunterdrückung, direktionales Richtmikrofon) sowie das Telefonieren. Die Einwände der Klägerin gegen das Festbetragsgerät vermögen den Senat nicht zu überzeugen. Insbesondere ihre Ausführungen, das Telefonieren sei ihr mit dem zuzahlungsfreien Gerät nicht möglich, sind für den Senat nicht nachvollziehbar. Insoweit hat die Hörgeräteakustikmeisterin Sch. dargelegt, dass aufgrund der vorliegenden Messungen das Telefonieren mit Hörgeräten sowie das Fernsehschauen ohne (weitere) Hilfsmittel möglich ist. Unabhängig davon ist dieser Einwand insbesondere anhand der von der Firma Hörakustik D. V. mitgeteilten Messergebnisse als objektivierbare Größe überwiegend nicht nachzuvollziehen. So erreichte die Klägerin beim Freiburger Sprachtest sowohl mit dem zuzahlungsfreien als auch mit dem begehrten streitgegenständlichen Gerät ohne Störschall ein Sprachverstehen von 100 %. Auch unter Störschall war der Hörgewinn nahezu identisch. Die Differenz zwischen den beiden Gerätetypen unter Störschall von 5 % bewertete die Hörgeräteakustikmeisterin Sch. fachkundig und für den Senat überzeugend als nicht signifikant. Insoweit führte sie nachvollziehbar aus, dass sich der Unterschied von 5 % innerhalb der Messtoleranz bewege. Der Freiburger Sprachtest ist nach § 21 Abs. 2 ff. HilfsM-Richtlinie ein normiertes Verfahren und ermöglicht einen objektiven Vergleich zwischen den getesteten Hörgeräten. Zu weiteren Ermittlungen von Amts wegen sah sich der Senat daher nicht veranlasst. Die weitergehenden Eigenschaften der begehrten Hörgeräte bedingen keinen wesentlichen Gebrauchsvorteil im oben beschriebenen Sinne gegenüber dem Festbetragsgerät, sondern bieten nur eine komfortablere Gestaltung im Alltag, was Hörgeräteakustikmeisterin Sch. ausdrücklich bestätigte.

(d) Den auf Grundlage des § 36 SGB V durch Beschluss des Spitzenverbands Bund der Krankenkassen vom 01.11.2013 festgesetzten Festbetrag (Hörgerät für schwerhörige Versicherte, ausgenommen für an Taubheit grenzend schwerhörige Versicherte) hat die Beklagte mit Bescheiden vom 06.07.2016 bereits bewilligt. Damit hat sie ihre krankenversicherungsrechtliche Leistungspflicht erfüllt (§§ 12 Abs. 2, 33 Abs. 7 SGB V).

c) Ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung der den Festbetrag übersteigenden Kosten der Hörgeräte ergibt sich auch nicht aus anderen rehabilitationsrechtlichen Rechtsgrundlagen.

(1) Da die §§ 14 bis 24 SGB IX i.d.F. des BTHG lediglich für solche Anträge gelten, die seit dem Inkrafttreten dieser Regelungen am 01.01.2018 gestellt wurden (BSG, Urteil vom 15.03.2018 - B 3 KR 18/17 R -, in juris Rn. 45), finden auf den spätestens im Februar 2016 gestellten Antrag noch die Regelungen der §§ 14 ff. SGB IX a.F. Anwendung. Die zumindest mangels nicht fristgerechter Weiterleitung des Rehabilitationsantrags nach § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX a.F. an die Beigeladene (Antrag vom 29.02.2016; Schreiben an die Beigeladene vom 23.03.2016) begründete umfassende Prüfungs- und gegebenenfalls auch Leistungszuständigkeit der beklagten Krankenkasse als zuerst angegangene Leistungsträgerin erstreckt sich im Außenverhältnis zum Versicherten auf alle Rechtsgrundlagen, die überhaupt in dieser Bedarfssituation rehabilitationsrechtlich vorgesehen sind (BSG, Urteil vom 15.03.2018 - B 3 KR 18/17 R -, in juris Rn. 47 m.w.N.).

(2) Die gesetzliche Rentenversicherung erbringt neben Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben unter anderem Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (vgl. § 9 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VI]), wenn die persönlichen und die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (vgl. §§ 10 und 11 SGB VI) erfüllt und die Leistungen nicht nach § 12 SGB VI ausgeschlossen sind. Die gesetzliche Rentenversicherung kann unter anderem Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach § 15 SGB VI erbringen (§ 9 Abs. 1 SGB VI), für die in § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB VI auf die rehabilitationsrechtlichen Bestimmungen der §§ 42 bis 47 SGB IX (§§ 26 bis 31 SGB IX a.F.) verwiesen wird. Nach § 42 Abs. 1 Nr. 2 SGB IX werden Leistungen zur medizinischen Rehabilitation behinderter Menschen u.a. erbracht, um Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit zu vermeiden, zu überwinden oder zu mindern; zu diesen Leistungen gehören nach § 42 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX (§ 26 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 6 SGB IX a.F.) auch Hilfsmittel, deren Erbringung wiederum in § 47 SGB IX (§ 31 SGB IX a.F.) näher geregelt ist. Hierzu zählen nach § 47 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX (§ 31 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX a.F.) unter anderem Hilfsmittel, die unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles erforderlich sind, um eine Behinderung bei der Befriedigung von Grundbedürfnissen des täglichen Lebens auszugleichen, soweit sie nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen sind. Als Hilfsmittel zum hier einschlägigen unmittelbaren Behinderungsausgleich dient ein Hörgerät ohne gesonderte weitere Prüfung der Befriedigung eines Grundbedürfnisses des täglichen Lebens, weil die Erhaltung bzw. die Wiederherstellung einer Körperfunktion als solche schon ein Grundbedürfnis in diesem Sinne ist (siehe bereits oben). Ob die Ausübung der Erwerbstätigkeit ein Grundbedürfnis im Sinne von § 47 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX (§ 31 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX a.F.) ist, ist unerheblich (vgl. BSG, Urteil vom 24.01.2013 - B 3 KR 5/12 R -, juris Rn. 49 f.). Wählt ein Versicherter ein zum Behinderungsausgleich geeignetes Hilfsmittel in einer über das medizinisch Notwendige hinausgehenden aufwändigeren Ausführung, trägt die Krankenkasse nur die Kosten des Hilfsmittels in der notwendigen Ausstattung, während die Mehrkosten grundsätzlich vom Versicherten selbst zu tragen sind (§ 33 Abs. 1 Satz 9 SGB V [früher § 33 Abs. 1 Satz 5 SGB V] und § 47 Abs. 3 SGB IX [§ 31 Abs. 3 SGB IX a.F.]). Ist die höherwertige Ausstattung dagegen zwar nicht für den Alltagsgebrauch, wohl aber aus rein beruflichen Gründen erforderlich, fallen die Mehrkosten, die sonst der Versicherte selbst tragen müsste, dem Rentenversicherungsträger zur Last (BSG, Urteil vom 15.03.2018 - B 3 KR 18/17 R -, in juris Rn. 53; vgl. 3 b) (2) (a)).

Die von der Klägerin begehrte aufwändigere Versorgung mit den streitbefangenen Hörgeräten ist nicht in diesem Sinne aus rein beruflichen Gründen erforderlich. Die Klägerin ist als Lehrerin für behinderte Kinder beschäftigt. In diesem Rahmen betreut sie z.T. auch schwerstbehinderte Kinder. Die Klägerin verwies u.a. auf Gespräche mit Umgebungslärm sowie darauf, dass ihr das Singen und Musizieren mit Schülern mit den zuzahlungsfreien Hörsystemen nicht möglich sei. Des Weiteren sei es ein Problem für sie, die Brille auf- oder abzusetzen oder die Haare zurückzustreichen. Dieses Problem stelle sich auch beim Be- und Entkleiden der Schüler, die während des Vorgangs an ihren Ohren oder Haaren "wursteln", sodass die Lautstäke der Geräte verstellt werde. Dadurch, dass die Telefone in der Schule auf dem Gang platziert seien, seien die Telefonate mit großem Störgeräusch zu führen. Dem ist entgegenzuhalten, dass die Lautstärkeeinstellung des Hörsystems vorab den Anforderungen beim Telefonieren angepasst, das Hörprogramm ausgewählt und das integrierte Richtmikrophon entsprechend ausgerichtet werden kann. Gleiches gilt für das Vorbereiten des Singens und Musizierens mit den Schülern. Auch die sich in Lehrerkonferenzen von Seiten der Klägerin geschilderten Probleme sowie die im Rahmen der Tätigkeit erforderliche Kommunikation, insbesondere Gespräche unter Störgeräusch und Telefonate, sind nicht auf den konkreten Arbeitsplatz der Klägerin beschränkt, vielmehr finden sie in gleicher oder ähnlicher Form auch im Privatleben oder in den meisten anderen beruflichen Tätigkeiten statt. Es ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin ausschließlich in ihrer konkreten beruflichen Tätigkeit auf eine besondere bzw. spezielle Hörfähigkeit - wie etwa bei akustischen Kontroll- oder Überwachungsarbeiten oder beim feinsinnigen Unterscheiden zwischen bestimmten Tönen und Klängen wie beispielsweise bei der Tätigkeit eines Klavierstimmers - angewiesen wäre. Telefonate, Mehrpersonengespräche und Verständigungen unter Störgeräuschen gehören nahezu zu jedem privaten und beruflichen Alltag. Störschall tritt auch in vielen Bereichen des täglichen Lebens, sei es im Straßenverkehr, in öffentlichen Verkehrsmitteln, in Einkaufs- und kulturellen Einrichtungen auf (Sächsisches LSG, Urteil vom 07.02.2012 - L 5 R 286/11 -, juris Rn. 23).

(3) Ein Anspruch als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 49 Abs. 8 Satz 1 Nr. 4b SGB IX (§ 33 Abs. 8 Satz 1 Nr. 4 SGB IX a.F.) kommt nicht in Betracht. Dieser bestimmt, dass Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auch Hilfsmittel umfassen, "es sei denn, dass ... solche Leistungen als medizinische Leistung erbracht werden können". Da dies gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB VI, § 42 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX (§ 26 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX a.F.) für Hörgeräte der Fall ist, scheidet eine Qualifizierung der Hörgeräte als Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben i.S.d. § 49 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 und 7, Abs. 8 Satz 1 Nr. 4 Buchst. b SGB IX (§ 33 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 und 6, Abs. 8 Satz 1 Nr. 4 SGB IX a.F.) i.V.m. §§ 9, 10, 11, 16 SGB VI von vornherein aus (BSG, Urteil vom 30.10.2014 - B 5 R 8/14 R -, in juris Rn. 48 m.w.N.).

(4) Einen Rehabilitationsbedarf zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft macht die Klägerin für die begehrte Versorgung selbst nicht geltend. Ein solcher ist unter Berücksichtigung des durch das Festbetragsgerät zu erreichenden, oben dargelegten Behinderungsausgleichs auch nicht ersichtlich.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.

5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (§ 160 Abs. 2 SGG) nicht vorlagen.

Referenznummer:

R/R9059


Informationsstand: 07.05.2020