Urteil
Berufliche Rehabilitation - Erwerbsfähigkeit der letzten ausgeübten Tätigkeit - Verweisung auf eine frühere ausgeübte Tätigkeit als Bürokraft

Gericht:

LSG Celle-Bremen 1. Senat


Aktenzeichen:

L 1 RA 196/04


Urteil vom:

17.03.2005


Orientierungssatz:

Im Bereich der Teilhabeleistungen finden die Grundsätze, die zu der Ermittlung zumutbarer Verweisungstätigkeiten bei der Frage nach der Berufsunfähigkeit iS des § 240 SGB 6 entwickelt worden sind (Mehrstufenschema des BSG) keine Anwendung. Teilhabeleistungen können somit nicht mit der Begründung verweigert werden, die Erwerbsfähigkeit sei zwar im bisherigen Beruf gefährdet oder gemindert, reiche aber aus, um Verweisungstätigkeiten iS des § 240 Abs 2 SGB 6 noch auszuüben (vgl BSG vom 29.2.1968 - 4 RJ 423/66 = BSGE 28,18 = SozR Nr 4 zu § 1236 RVO). Nach dem ab dem 1.1.2001 für ab dem 2.1.1961 geborene Versicherte geltenden Recht der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, §§ 33, 240 SGB 6, würden Teilhabeleistungen weitestgehend obsolet werden, wenn man die Verweisungsgrundsätze zur Berufsunfähigkeit heranzöge.

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

JURIS-GmbH

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben.

Die 1955 geborene Klägerin erlernte nach dem Besuch der Hauptschule von 1971 bis 1973 den Beruf der Teilezeichnerin und arbeitete ab 1973 bei der AEG O W, später O Vertriebsgesellschaft mbH, in diesem Beruf. Von 1974 bis 1975 besuchte sie neben ihrer Berufstätigkeit die Abendschule und bildete sich zur Detailkonstrukteurin fort. Sie arbeitete als technische Zeichnerin bis 1978, von 1979 bis 1984 arbeitete sie als Sachbearbeiterin und Zeichnerin, von 1984 bis 1989 als Sachbearbeiterin Systemdefinition, von 1990 bis 1992 als Sachbearbeiterin Marketing und von 1993 bis zur betriebsbedingten Kündigung im März 1997 als Sachbearbeiterin technische Dienste. Von Juni 1999 bis Dezember 1999 absolvierte sie eine Ausbildung zur Pflegeassistentin und begann im März 2000 eine Umschulung zur examinierten Altenpflegerin, die sie wegen der Aufnahme eines Arbeitsplatzes als Pflegehelferin in einem Pflegedienst abbrach. Seit dem 28. Februar 2002 ist die Klägerin arbeitsunfähig krank. Ihr Beschäftigungsverhältnis endete durch Kündigung seitens des Arbeitgebers am 28. Februar 2003.

Im Anschluss an die vom 26. Dezember 2002 bis zum 22. Januar 2003 in der Reha-Klinik L durchgeführte medizinische Heilmaßnahme zur Rehabilitation, aus der die Klägerin arbeitsunfähig entlassen wurde und in der eine Prüfung berufsfördernder Maßnahmen angeregt wurde, leitete die Beklagte die Prüfung von Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben ein und zog den Entlassungsbericht der Reha-Klinik L vom 31. Januar 2003 bei. Darin wurden als Diagnosen ein Bandscheibenvorfall L5/S1 mit chronisch lumbalgieformen Schmerzen, eine Bandscheibenprotrusion L3/4 und L4/5, ein Hohlrundrücken, eine myostatische Dysbalance der Rumpfmuskulatur und eine Gonarthrose rechts festgestellt. Zum Leistungsvermögen führten die behandelnden Ärzte aus, dass die Klägerin in der Lage sei, als Altenpflegehelferin täglich drei bis unter sechs Stunden zu arbeiten. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne sie leichte bis mittelschwere Tätigkeiten zeitweise im Stehen, im Gehen und im Sitzen vollschichtig verrichten. Vermieden werden müssten Tätigkeiten über Kopf, Haltearbeiten in Anteversionsstellung der Arme, Hebe- und Trageleistungen von mehr als acht Kilogramm, Tätigkeiten nur im Stehen und Gehen sowie im Hocken, Knien, auf Leitern oder Gerüsten, bei überwiegend sitzenden Tätigkeiten solle die Möglichkeit zum Haltungswechsel bestehen. Angeregt wurden berufsfördernde Maßnahmen.

Mit Bescheid vom 29. April 2003 lehnte die Beklagte Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben ab, da Tätigkeiten als Bürokraft weiterhin ausgeübt werden könnten, ohne dass es zu einer Gefährdung der Erwerbsfähigkeit komme.

Auf den Widerspruch der Klägerin zog die Beklagte das Arbeitszeugnis der O Vertriebsgesellschaft mbH vom 31. März 1997 bei, wonach die Klägerin als Sachbearbeiterin in der "technischen Produktdokumentation" folgende Aufgaben verrichtet hatte: Erledigung der anfallenden Korrespondenz, Bearbeiten der Ein- und Ausgangspost, Terminplanung und -überwachung, Reisevorbereitung und Erstellung von Reisekostenabrechnungen, Führen von Anwesenheits- und Urlaubslisten, Bearbeiten von Bestellungen und Rechnungen, Erstellen und Führen von Statistiken und Erstellen und Verwaltung der umfangreichen Produktdokumentation. Mit Widerspruchsbescheid vom 2. Dezember 2003 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Unter Berücksichtigung des festgestellten medizinischen Sachverhalts seien Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben zulasten des Rentenversicherungsträgers nicht erforderlich, da die Klägerin die Tätigkeit als Bürokraft ohne erhebliche Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit ausüben könne. Für die Vermittlung eines geeigneten Arbeitsplatzes sei die Zuständigkeit der Arbeitsverwaltung gegeben.

Dagegen hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht (SG) Oldenburg erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, dass sie aufgrund ihrer Erkrankungen nicht mehr in der Lage sei, als Altenpflegehelferin, technische Zeichnerin oder als Bürokraft tätig zu werden. Auch habe die Reha-Klinik am P berufsfördernde Maßnahmen seitens der Beklagten empfohlen. Das SG hat den Entlassungsbericht der Reha-Klinik am P vom 1. Dezember 2003 beigezogen, in dem die bereits festgestellten Diagnosen mitgeteilt worden sind und zusätzlich eine arterielle Hypertonie festgestellt worden ist. Zum Leistungsvermögen haben die behandelnden Ärzte festgestellt, dass die Klägerin als Altenpflegerin nur noch unter drei Stunden arbeiten könne. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne sie leichte bis mittelschwere Arbeiten im Wechsel der drei Haltungsarten ohne schweres Heben und Tragen von Gewichten über 25 kg vollschichtig verrichten. Zudem hat das SG ein arbeitsamtsärztliches Gutachten (nach Aktenlage) vom 2. Februar 2004 beigezogen. Darin hat der Arzt für Arbeitsmedizin M zum Leistungsvermögen festgestellt, dass die Klägerin in der Lage sei, leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten überwiegend im Sitzen und zeitweise im Stehen und Gehen ohne schweres Heben und Tragen, nicht in Körperzwangshaltungen und ohne Haltungsmonotonie vollschichtig auszuführen.

Das SG hat mit Urteil vom 8. Juni 2004 die Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, den Antrag der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Bei der Prüfung, ob die Erwerbsfähigkeit der Klägerin erheblich gefährdet oder gemindert sei, sei die zuletzt ausgeübte Tätigkeit der Klägerin als Altenpflegehelferin zugrunde zu legen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei allein auf den bisherigen Beruf der Versicherten abzustellen. Es spiele keine Rolle, ob eine Versicherte aufgrund ihrer bisherigen beruflichen Ausbildung und ihres bisherigen beruflichen Werdegangs auf eine andere Tätigkeit verwiesen werden könne, wenn ihr die zuletzt ausgeübte Berufstätigkeit nicht mehr zugemutet werden könne. Da die Klägerin sich schon lange Jahre von ihrer früheren Tätigkeit in Büroberufen abgewandt habe, könne diese bei der Beurteilung der persönlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht berücksichtigt werden. Nach der Rechtsprechung des BSG sei erst bei der Prüfung, was der Versicherungsträger bei der Auswahl der zu gewährenden Rehabilitationsmaßnahme in seinem Ermessen zu berücksichtigen habe, auf die beruflichen Tätigkeiten der letzten Jahre abzustellen.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 16. Juni 2004 zugestellte Urteil am 14. Juli 2004 Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen, zwar könne im Rahmen des § 10 Sechstes Buch des Sozialgerichtsbuchs (SGB VI) keine Verweisungstätigkeiten im Sinne des § 240 Abs. 2 SGB VI in die Prüfung einbezogen werden, jedoch müssten auch nahe liegende, aus langjähriger Berufstätigkeit erlangte Kenntnisse bei der Prüfung, ob eine Minderung oder eine Gefährdung der Erwerbstätigkeit vorliege, berücksichtigt werden. Die Klägerin habe mehr als zwanzig Jahre in sachbearbeitenden Büroberufen verbracht. Aus diesem Beruf habe sie sich nicht aus gesundheitlichen Gründen gelöst. Sie wäre mit großer Wahrscheinlichkeit in diesem Berufsbild geblieben, wenn sie nicht arbeitslos geworden wäre. Auch wenn die Klägerin diesen Beruf nicht erlernt habe, habe der fehlende Abschluss nicht die langjährige Tätigkeit im Büroberufsbereich verhindert. Unter diesen Umständen sei es nicht sachgerecht, nach einer relativ kurzen Zeitspanne von wenigen Jahren das berufliche Vorleben und damit berufliches Wissen und Können nicht mehr zu verwerten. Sinn und Zweck der Rehabilitation leiteten sich primär aus dem Gedanken der Schutzbedürftigkeit ab, die vorliegend nicht gegeben sei. Die Festlegung des Bezugsberufes führe in der Konsequenz dazu, dass die Beklagte das Risiko der Abwendung aus früheren Tätigkeiten, die aus nicht gesundheitlichen Gründen motiviert seien, zu tragen habe und zwar unabhängig davon, ob die Antragstellerin auf diese früheren Tätigkeiten ohne weiteres zurückgreifen könne.


Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 8. Juni 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.


Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin bezieht sich auf das Urteil des SG. Ergänzend trägt sie vor, dass nach der Rechtsprechung des BSG bei der Prüfung der Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben allein auf den zuletzt ausgeübten Beruf mit seinen konkreten Belastungen abzustellen sei. Die Klägerin habe sich schon vor Jahren von ihrem früheren Beruf abgewandt und sich, um nicht in Arbeitslosigkeit zu verfallen, einer anderen Berufstätigkeit zugewandt.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und wegen des weiteren Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Reha-Akten der Beklagten verwiesen. Diese Akten haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung und Entscheidung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten zuvor hiermit einverstanden erklärt hatten.

Die Berufung ist gemäß den §§ 143 f. SGG statthaft, form- und fristgerecht erhoben worden und damit zulässig. Sie ist jedoch unbegründet.

Das SG hat zu Recht entschieden, dass die persönlichen Voraussetzungen gemäß § 10 Abs. 1 SGB VI für die Gewährung einer von der Klägerin erstrebten Teilhabeleistung gegeben sind. Es liegt eine erhebliche Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit bei der Klägerin vor.

Der Anspruch der Klägerin richtet sich nicht mehr nach den bis zum 30. Juni 2001 geltenden Vorschriften des SGB VI, sondern nach den im Zuge des Inkrafttretens des Neunten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB IX) zum 1. Juli 2001 geänderten Normen des SGB VI (und die §§ 33 bis 38 SGB IX). Art. 67 SGB IX stellt insoweit eine Spezialvorschrift gegenüber § 301 Abs. 1 SGB VI dar, wonach ansonsten für Leistungen zur Teilhabe die zum Zeitpunkt der Antragstellung geltenden Vorschriften weiter anzuwenden sind. Inhaltlich ergibt sich keine Änderung, weil die Normen über die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Erbringung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben durch Art. 6 SGB IX vom 19. Juni 2001 ( Bundesgesetzblatt I, 2001, Seite 1046) nur redaktionell an die Regelungen des SGB IX angepasst worden sind. Nach den §§ 9, 10 SGB VI hat derjenige Versicherte Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, dessen Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung erheblich gefährdet oder gemindert ist und bei dem die geminderte Erwerbsfähigkeit durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben wesentlich gebessert oder wieder hergestellt werden kann bzw. bei dem eine wesentliche Verschlechterung der Erwerbsfähigkeit durch die Leistungen abgewendet werden kann.

Unter den genannten persönlichen Voraussetzungen des § 10 SGB VI (und den - im vorliegenden Fall unstrittig erfüllten - versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des § 11 SGB VI, insbesondere nach einer Wartezeit von 15 Jahren) kann der Rentenversicherungsträger u. a. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erbringen mit dem vorrangigen Ziel, die Versicherte möglichst dauerhaft wieder in das Erwerbsleben einzugliedern. Welche Leistungen im Einzelnen vorgesehen sind, bestimmen seit Inkrafttreten des SGB IX die in § 16 SGB VI in Bezug genommenen §§ 33 bis 38 SGB IX. Aus § 9 Abs. 2 SGB VI i. V. m. § 13 Abs. 1 SGB VI geht hervor, dass der Rentenversicherungsträger auf der Basis der Feststellung der persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen, die gerichtlich in vollem Umfange überprüfbar sind, unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit nach pflichtgemäßem Ermessen über Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung der Rehabilitationsleistung zu entscheiden hat (vgl. dazu: Niesel in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Bd. 1, § 9 SGB VI, Rdnr. 2).

Bei der Klägerin liegen die persönlichen Voraussetzungen des § 10 SGB VI vor, denn es liegt eine erheblich gefährdete Erwerbsfähigkeit vor. Für die Auslegung des Begriffs der Erwerbsfähigkeit wird nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) auf den Begriffsinhalt abgestellt, der sich zunächst auf dem Gebiet der gesetzlichen Unfallversicherung entwickelt hat. Danach ist darunter die Fähigkeit der Versicherten zu verstehen, unter Ausnutzung sämtlicher Arbeitsgelegenheiten, die sich ihr nach ihren Kenntnissen und körperlichen wie geistigen Fähigkeiten im wirtschaftlichen Leben bieten, erwerbstätig zu sein. Für den von der gesetzlichen Rentenversicherung abgedeckten Bereich der beruflichen Rehabilitation bzw. Teilhabe am Arbeitsleben ist dieser allgemeine Begriff der Erwerbsfähigkeit auf den bisherigen - letzten - Beruf bzw. die bisherige Tätigkeit der Versicherten zu beschränken. Abzustellen ist auf die im Verlaufe der letzten Jahre ausgeübten beruflichen Tätigkeiten. Bei einer zusammenfassenden wertenden Betrachtung muss diejenige Tätigkeit ermittelt werden, die dem Berufsleben zuletzt das Gepräge gegeben hat und aus der die Versicherte unter Einbeziehung aller Umstände des Einzelfalles voraussichtlich weiterhin ihren Lebensunterhalt bestreiten würde. Hintergrund dieser Betrachtungsweise ist der Zweck der Teilhabeleistungen, das vorzeitige Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu verhindern und damit Rentenleistungen einzusparen (§ 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VI: Vorrang von Leistungen zur Teilhabe vor Rentenleistungen).
Im Bereich der Teilhabeleistungen finden die Grundsätze, die zu der Ermittlung zumutbarer Verweisungstätigkeiten bei der Frage nach der Berufsunfähigkeit im Sinne des § 240 SGB VI entwickelt worden sind (Mehrstufenschema des BSG) keine Anwendung. Teilhabeleistungen können somit nicht mit der Begründung verweigert werden, die Erwerbsfähigkeit sei zwar im bisherigen Beruf gefährdet oder gemindert, reiche aber aus, um Verweisungstätigkeiten im Sinne des § 240 Abs. 2 SGB VI noch auszuüben. Einer Übertragung der Grundsätze der rentenrechtlichen Verweisbarkeit auf das Rehabilitationsrecht steht vor allem das auf die Situation am Arbeitsplatz und die Arbeitsmarktlage abgestellte Gesamtkonzept entgegen. Während es nämlich bei der Suche nach Verweisungstätigkeiten lediglich abstrakt darauf ankommt, ob überhaupt entsprechende Arbeitsplätze zur Verfügung stehen, geht es bei den Teilhabeleistungen in erster Linie um die Erhaltung oder Erlangung eines Arbeitsplatzes einschließlich Leistungen zur Beratung und Vermittlung, um Berufsvorbereitung, berufliche Anpassung und Weiterbildung, berufliche Ausbildung sowie andere Fördermaßnahmen zur Aufnahme oder zum Erhalt einer angemessenen und geeigneten Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit, § 33 Abs. 3 Nrn. 1 bis 6 SGB IX. Das BSG hat es bereits in seinem Urteil vom 29. Februar 1968, Az.: 4 RJ 423/66, zu dem damaligen § 1237 Abs. 3 Buchst. a und b Reichsversicherungsordnung (RVO) für zulässig erachtet, die vorgesehenen Rechtsfolgen (also die vielgestaltigen Leistungen der Berufsförderung mit Maßnahmen zur Wiedergewinnung oder Erhöhung der Erwerbsfähigkeit im bisherigen Beruf oder der Ausbildung für einen anderen zumutbaren Beruf; heute: Die Hilfen zur Erhaltung oder Erlangung eines Arbeitsplatzes, die Berufsvorbereitung, die berufliche Anpassung und Weiterbildung, die berufliche Ausbildung usw.; vgl. § 1237 Abs. 3 Buchst. a und b RVO einerseits und § 33 Abs. 3 SGB IX andererseits) für die Auslegung des Begriffs der Erwerbsfähigkeit nutzbar zu machen (BSGE 28, 18, 19 = SozR Nr 4 zu § 1236 RVO).
Nach dem ab dem 1. Januar 2001 für ab dem 2. Januar 1961 geborene Versicherte geltenden Recht der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, §§ 33, 240 SGB VI, würden Teilhabeleistungen weitestgehend obsolet werden, wenn man die Verweisungsgrundsätze zur Berufsunfähigkeit heranzöge. Denn stets wäre der Maßstab des allgemeinen Arbeitsmarktes heranzuziehen (vgl. dazu: Lilge in: Gesamtkommentar zur Sozialversicherung, Bd. 3 b, Gesetzliche Rentenversicherung, § 10 SGB VI Anm. 3.1); vgl. im Übrigen: Niesel a. a. O., § 10 SGB VI, Rdnr. 3 sowie BSG, Urteil vom 14. März 1979, Az.: 1 RA 43/ 78, BSGE 48, 74 = SozR 2200 § 1237 a Nr. 6; Urteil vom 31. Januar 1980, Az.: 11 RA 8/79, BSGE 49, 263 = SozR 2200 § 1237 a Nr. 10; Hauck in: Hauck-Haines, Kommentar zur Sozialversicherung, SGB VI Bd. 1, K § 10 Rdnr. 5; zuletzt mit eingehender Auseinandersetzung zur Rechtsentwicklung und unter Bezugnahme auf die Gesetzesmaterialien zum RRG 1999 "auch wenn eine Minderung der Erwerbsfähigkeit vorliegt, die einen Rentenanspruch nicht begründet, ist gleichwohl eine Rehabilitation möglich, wenn im konkreten Einzelfall eine wesentliche Besserung der Erwerbsfähigkeit sowohl bei Gefährdung als auch bei Minderung der Erwerbsfähigkeit aussichtsreich erscheint.", Landessozialgericht - LSG - Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 27. Oktober 2004, Az: L 2 RJ 48/02).

Im Falle der Klägerin ist der bisherige Beruf der Beruf der Altenpflegehelferin. Diesen Beruf kann die Klägerin - was zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist - aufgrund des festgestellten verminderten Leistungsvermögens nicht mehr ausüben. Nach der betriebsbedingten Kündigung durch ihren langjährigen Arbeitgeber und der anschließenden Arbeitslosigkeit hatte sich die Klägerin beruflich vollkommen neu orientiert. Sie hatte eine Ausbildung als Pflegeassistentin absolviert und eine Umschulung zur Altenpflegerin begonnen, die sie nur wegen der Erlangung eines Arbeitsplatzes als Pflegehelferin bei einem Pflegedienst abbrach. Diese zuletzt verrichtete Tätigkeit hätte sie auch weiterhin ausgeübt, wenn nicht durch Arbeitsunfähigkeit ihre 2 1/2-jährige Tätigkeit im Bereich der Altenpflege unterbrochen worden wäre. Aus dem beruflichen Werdegang der Klägerin ist ersichtlich, dass sie nach der Kündigung eine vollkommen andere Berufstätigkeit ausüben wollte und deshalb sogar eine Umschulung begonnen hat. Daher hat die Tätigkeit als Pflegehelferin ihrem Berufsleben das Gepräge gegeben. Ob die Klägerin Kenntnisse aus ihrer früheren Tätigkeit als Sachbearbeiterin verwerten kann, kann lediglich bei der Auswahl der Teilhabeleistungen berücksichtigt werden, die für sie in Betracht kommen könnten.

Nach alledem war die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Revisionszulassung folgt aus § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung.

Referenznummer:

KSRE078550415


Informationsstand: 09.09.2005