Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid vom 12.09.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.10.2014 ist rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht im Sinne des § 54
Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Übernahme des Eigenanteils für das von der
AOK Plus als Hilfsmittel bewilligte Therapiedreirad in Höhe von 255,00
EUR gegen die Beklagte.
Die Beklagte ist für die Entscheidung über die begehrte Leistung zuständig. Die Zuständigkeit ergibt sich aus
§ 14 Abs. 2 SGB IX, da die
AOK Plus den Antrag des Klägers unverzüglich
i.S.d. § 14
Abs. 1 Satz 2
SGB IX an die Beklagte weitergeleitet hat. Denn mit der Weiterleitung nach § 14
Abs. 1 Satz 2
SGB IX wird die Zuständigkeit gesetzlich bestimmt. Der zweitangegangene Träger darf den Antrag bei unverzüglicher Weiterleitung weder zurückgeben, noch an einen anderen Rehabilitationsträger weiterleiten. Selbst wenn "eigentlich" der weiterleitende, also der erstangegangene Träger objektiv zuständig ist, steht dies der Wirksamkeit der Weiterleitung nicht entgegen. Der Rehabilitationsträger, dem der Antrag zugeleitet wird, hat vielmehr unabhängig von der tatsächlichen Zuständigkeit den Rehabilitationsbedarf festzustellen. Er hat deshalb gegenüber demjenigen, der die Leistung beantragt hat, alle denkbaren Rechtsgrundlagen auch nach den Leistungsgesetzen anderer Träger zu prüfen selbst wenn er für deren Leistungen nicht Rehabilitationsträger sein kann. Insoweit bleibt der zweitangegangene Träger zuständig und für die Erbringung der erforderlichen Leistungen verantwortlich, obwohl auch das Leistungsrecht des erstangegangenen Trägers maßgebend sein kann. Ausgehend hiervon hatte die Beklagte alle in Betracht kommenden Leistungsvorschriften, mithin auch solche des
SGB V, zu prüfen. Auch für das Gericht gilt eine umfassende Prüfungspflicht.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Übernahme der vollständigen Kosten (ohne Eigenanteil) für das Therapiedreirad nach den Vorschriften des
SGB V.
Nach
§ 33 Abs.1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach
§ 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind.
Bei dem Dreirad des Klägers handelt es sich nicht um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens im vorgenannten Sinne, weil es speziell für die Bedürfnisse behinderter Menschen konstruiert worden ist und nur von kranken und behinderten Menschen benutzt wird (zur Eigenschaft eines Gegenstandes als "Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens"
vgl. Bundessozialgericht (
BSG), Urteil vom 16.09.1999
B 3 KR 1/99, Rn. 14, zit. nach juris ). Das Dreirad ist auch nicht durch die zu § 34
Abs. 4
SGB V erlassene
Rechtsverordnung von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen.
Die Versorgung mit dem Therapiesesseldreirad durch die gesetzliche Krankenkasse kann vorliegend nur unter dem in § 33
Abs. 1 Satz 1
SGB V normierten Gesichtspunkt des Behinderungsausgleichs erfolgt sein. Denn ein Anspruch auf Versorgung "zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung" kann nicht angenommen werden. Dafür dürften nämlich ebenso wirksame, aber wirtschaftlich günstigere Alternativen zur Verfügung stehen. Maßnahmen oder Hilfen zur Bewegungsförderung fallen nur ausnahmsweise in die Leistungszuständigkeit der Krankenkassen. Zur Krankenbehandlung gehören regelmäßig nur Maßnahmen mit Behandlungs- und Therapiecharakter, die einen eindeutigen Krankheitsbezug aufweisen. Bloße allgemeine Maßnahmen der Erhaltung und Förderung der Gesundheit genügen diesen Anforderungen nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht, selbst wenn sie von qualifizierten Fachkräften unter ärztlicher Betreuung und Überwachung durchgeführt werden (
vgl. BSG, Urteil vom 07.10.2010
B 3 KR 5/10 R, Rn. 20 f.
m.w.N., juris).
Das Dreirad ist dem Kläger dementsprechend offenbar unter dem Gesichtspunkt des Behinderungsausgleichs von der Krankenkasse gewährt worden. Die Ermöglichung allein des Fahrradfahrens für einen behinderten Menschen, der ein handelsübliches Fahrrad nicht benutzen kann, fällt nicht in die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung. Das Bundessozialgericht hat in ständiger Rechtsprechung deutlich gemacht, dass der gesetzlichen Krankenversicherung die medizinische Rehabilitation obliegt, also die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktion einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolges, um ein selbstständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Die Förderung der Selbstbestimmung des behinderten Menschen und seiner gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft durch Versorgung mit Hilfsmitteln fällt danach nur dann in die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung, wenn sie die Auswirkung der Behinderung nicht nur in einem bestimmten Lebensbereich (Beruf/Gesellschaft/Freizeit), sondern im gesamten täglichen Leben ("allgemein") beseitigt oder mildert und damit ein "Grundbedürfnis" des täglichen Lebens betrifft (ständige Rechtsprechung,
vgl. nur
BSG, Urteil vom 23.07.2002 -
B 3 KR 3/02 R, Rn,. 10
m.w.N., juris). Zu derartigen Grundbedürfnissen gehören die allgemeinen Verrichtungen des täglichen Lebens wie Gehen, Stehen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnahme, Ausscheidung, elementare Körperpflege, das selbstständige Wohnen sowie die Erschließung eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums, die auch die Aufnahme von Informationen, die Kommunikation mit anderen sowie das Erlernen eines Lebensnotwendigen Grundwissens (Schulwissens) umfassen. Auch die elementare "Bewegungsfreiheit" wird als Grundbedürfnis anerkannt (
vgl. BSG a.a.O., Rn. 11, juris). Es wird bei Gesunden durch die Fähigkeit des Gehens, Laufens, Stehens
etc. sichergestellt. Ist diese Fähigkeit durch eine Behinderung beeinträchtigt, so richtet sich die Notwendigkeit eines Hilfsmittels in erster Linie danach, ob dadurch der Bewegungsradius in diesem Umfang erweitert wird, dem ein Gesunder üblicherweise noch zu Fuß erreicht.(
vgl. BSG, a.a.O., Rn. 12, juris). In der Entwicklungsphase von Kindern und Jugendlichen, zumindest bis zur Vollendung des 15. Lebensjahres lassen sich die Lebensbereiche allerdings nicht in der Weise trennen, wie bei Erwachsenen, nämlich in die Bereiche Beruf, Gesellschaft und Freizeit. Das Bundessozialgericht hat deshalb stets nicht nur die Teilnahme am allgemeinen Schulunterricht als Grundbedürfnis von Kindern und Jugendlichen angesehen, sondern auch ein Grundbedürfnis in der Teilnahme an der sonstigen üblichen Lebensgestaltung Gleichaltriger als Bestandteil des sozialen Lernprozesses. Der durch die Hilfsmittelversorgung anzustrebende Behinderungsausgleich ist auf eine möglichst weitgehende Eingliederung des behinderten Kindes
bzw. Jugendlichen in den Kreis Gleichaltriger ausgerichtet. Er setzt nicht voraus, dass das begehrte Hilfsmittel nachweislich unverzichtbar ist, eine Isolation des Kindes zu verhindern. Denn der Integrationsprozess ist ein multifaktorielles Geschehen, bei dem die einzelnen Faktoren nicht isoliert betrachtet und bewertet werden können. Es reicht deshalb bei Kindern und Jugendlichen aus, wenn durch das begehrte Hilfsmittel die gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft wesentlich gefördert wird (
vgl.BSG, a.a.O., Rn. 13, juris).
Da dem Kläger aufgrund seiner Behinderung eine Teilnahme an vielen der üblichen Betätigungen Gleichaltriger nicht möglich ist, ist ihm das Dreirad von der Krankenkasse unter dem Gesichtspunkt des Behinderungsausgleichs nach § 33
Abs. 1 Satz 1
SGB V gewährt worden. Der Kläger hat jedoch keinen Anspruch gegen die
AOK Plus auf Gewährung des Hilfsmittels, d.h. des Dreirades ohne Eigenbeteiligung. Denn bei aufgrund von § 33
SGB V gewährten Hilfsmitteln, die neben ihrer Zweckbestimmung im Sinne von § 33
Abs. 1
SGB V einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens ersetzen (hier: Fahrrad) haben die Versicherten einen Eigenanteil für ersparte Aufwendungen in Höhe des wirtschaftlichen Wertes des ersetzten Gebrauchsgegenstandes selbst zu tragen (
vgl. BSG, Urteil vom 07.10.2010 B 3 KR 5/10 R, Rn. 28, juris). Wirtschaftlicher Maßstab hierfür sind die durchschnittlichen Anschaffungskosten für ein handelsübliches Markenfahrrad für Kinder
bzw. Jugendliche mit zwei Rädern (
vgl. BSG a.a.O.) Insoweit ist der von der
AOK Plus festgelegte Betrag von 255,00
EUR nach den Ermittlungen des Gerichts in einschlägigen Internetportalen nicht zu beanstanden.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Übernahme des von der Krankenkasse nicht getragenen Eigenanteils in Höhe von 255,00
EUR. Als Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Übernahme des Eigenanteils kommt insoweit nur
§ 53 Abs. 1,
54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII i. V. m.
§ 55 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 Nr. 7 SGB IX in Betracht.
Nach § 53
Abs. 1
SGB XII erhalten Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von
§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalls, insbesondere nach Art und Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Nach § 2
Abs. 1
SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Nach § 55
SGB IX werden als Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft die Leistungen erbracht, die den behinderten Menschen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ermöglichen oder sichern oder sie soweit wie möglich unabhängig von Pflege machen und nach den Kapiteln 4 6 des
SGB IX nicht erbracht werden. Nach § 55
Abs. 2
Nr. 1
SGB IX gehört zu den Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft insbesondere die Versorgung mit Hilfsmitteln, die nicht bereits durch die Versorgung mit Körperersatzstücken sowie orthopädischen und anderen Hilfsmitteln nach
§ 31 SGB IX oder durch die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33
SGB IX erfasst sind. Der Kläger ist zwar, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist und keiner näheren Erörterung bedarf, aufgrund seiner Behinderung in der Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt. Ein Leistungsanspruch gegen die Beklagten kommt wegen § 55
Abs. 1
i. V. m.
Abs. 2
Nr. 1
SGB IX gleichwohl nicht in Betracht.
Mit der Gewährung des Therapiedreirades ist von der Krankenkasse im Rahmen der Erfüllung des Grundbedürfnisses zugleich auch die Integration des behinderten Klägers in das Lebensumfeld nicht behinderter Jugendliche, mithin also auch die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft und damit der Rehabilitationszweck des § 55
Abs. 1
SGB IX erfüllt worden. Da das Therapiedreirad bereits nach dem Vierten Kapitel des
SGB IX von der Krankenkasse erbracht worden ist, kommen weitere diesbezügliche Leistungen der Beklagten nicht in Betracht. Die Beklagte ist insbesondere kein "AuffangRehabilitationsträger" für Leistungen, die nach den Vorschriften anderer Gesetze nicht gewährt werden können.
Die Abgrenzung zwischen Hilfsmitteln im Sinne der medizinischen Rehabilitation (§ 31
SGB IX) und der sozialen Rehabilitation (§ 55
Abs. 2
SGB IX) ist nicht am Begriff des Hilfsmittels selbst vorzunehmen. Maßgebend ist vielmehr, welche Bedürfnisse mit dem Hilfsmittel befriedigt werden sollen, also welchen Zwecken und Zielen das Hilfsmittel dienen soll (
vgl. BSG, Urteil vom 19.05.2009
B 8 SO 32/07 R, Rn. 17,
m.w.N., juris). Da sich die Lebensbereiche in der Entwicklungsphase von Kindern und Jugendlichen nicht in der Weise trennen lassen wie bei Erwachsenen, nämlich in die Bereiche Beruf, Gesellschaft und Freizeit (s.o.), ist der durch die Hilfsmittelversorgung mit einem Therapiedreirad anzustrebende Behinderungsausgleich im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung auf eine möglichst weitgehende Eingliederung des behinderten Kindes
bzw. Jugendlichen in den Kreis Gleichaltriger ausgerichtet (s o.). Vor diesem Hintergrund stellt das von der Krankenversicherung gewährte Hilfsmittel nicht nur ein Hilfsmittel im Sinne der medizinischen Rehabilitation, sondern zugleich ein Hilfsmittel der sozialen Rehabilitation dar, mit der Folge, dass gemäß § 55
Abs. 1
SGB IX i. V. m. § 55
Abs. 2
Nr. 1
SGB IX neben der Rehabilitationsleistung der Krankenversicherung keine weiteren Leistungen der Beklagten in Betracht kommen. Die Zuständigkeit der Krankenkasse ist insoweit abschießend, da sie durch die Gewährung des Therapiedreirades als Leistung der medizinischen Rehabilitation auch Belange der sozialen Rehabilitation erfüllt hat.
Sofern der Kläger geltend macht, dass er nicht über die notwendigen finanziellen Mittel zur Aufbringung des Eigenanteils i. H. v. 255,00
EUR verfüge und seine Eltern im Bezug von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (
SGB II) stünden, vermag dies keine andere Beurteilung zu rechtfertigen. Soweit ist darauf hinzuweisen, dass die Kosten für ein handelsübliches Fahrrad aus den Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft jeweils gewährten Regelbedarfen zu bestreiten wären. Insoweit ist dem Gesichtspunkt Rechnung zu tragen, dass das Dreirad des Klägers ein von Gesunden benutztes handelsübliches Zweirad ersetzt. Für ein solches wären weder vom Leistungsträger nach dem
SGB II noch vom Leistungsträger nach dem
SGB XII gesondert Leistungen zu erbringen.
Die Entscheidung über die Zulassung der Berufung folgt aus § 144
Abs. 2
Nr. 1
SGG.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193
SGG.