Urteil
Krankenversicherung - Hilfsmittel - Toilettenrollstuhl - Heimbewohner - Bereitstellung durch Pflegeheim

Gericht:

LSG Stuttgart 4. Senat


Aktenzeichen:

L 4 KR 2910/01


Urteil vom:

08.11.2001


Orientierungssatz:

Ein Versicherter in vollstationärer Pflege hat keinen Anspruch auf Gestellung eines Toilettenrollstuhles (hier Modell SOPUR Delphin); die Bereitstellung fällt in den Verantwortungsbereich des Pflegeheimes.

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

JURIS-GmbH

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte dem Kläger entweder einen Dusch-Toiletten- Transportrollstuhl mit verstellbarer Sitzhöhe oder einen Toilettenstuhl mit Rollen zu stellen hat.

Der ... 1933 geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Er leidet u.a. unter einem Diabetes mellitus. Er ist beidseitig unterschenkelamputiert. Er ist aufgrund dieser Erkrankungen erheblich pflegebedürftig und deshalb in Pflegestufe I eingestuft und erhält Leistungen nach dem Elften Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB XI) bei vollstationärer Unterbringung in dem Pflegeheim Pro Seniore in L.

Unter Vorlage der vertragsärztlichen Verordnung der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. L vom 17. Januar 2000 für einen "Nachtstuhl, fahrbar, mit Sitzerhöhung und Bremsen am Griff" beantragte der Kläger durch das Sanitätshaus F (Fax-Anfrage zur Prüfung des Leistungsanspruchs) bei der Beklagten am 21. Januar 2000 die Versorgung mit einem "Toilettenstuhl/ Duschstuhl fahrbar, höhenverstellbar, Bremsen, 24 Zoll-Räder, z.B. SOPUR Delphin". Die Beklagte lehnte eine entsprechende Leistung mit Bescheid vom 27. Januar 2000 ab, da der Kläger Heimbewohner sei und ihr gegenüber insoweit kein Leistungsanspruch bestehe.

Unter Vorlage der weiteren vertragsärztlichen Verordnung der Dr. L vom 28. September 2000 für einen fahrbaren Nachtstuhl beantragte der Kläger am 02. Oktober 2000 per Fernkopie über das Sanitätshaus F in S die Gestellung eines Toilettenstuhls mit Rollen, was die Beklagte am 04. Oktober 2000 ablehnte, da der Kläger Heimbewohner sei und die entsprechende Versorgung in den Zuständigkeitsbereich des Heimes falle. Hiergegen erhob der Kläger am 11. Oktober 2000 Widerspruch, verwies auf die beidseitige Beinamputation sowie den Zuwachs an Lebensqualität, wenn er sich mit dem Toilettenrollstuhl selbständig zur Toilette bewegen könne. Die damalige Betreuerin des Klägers -- die Betreuung endete aufgrund Beschlusses des Notariats- Vormundschaftsgerichts L vom 04. April 2001 (1 GRN 653/00) -- schloss sich dem Widerspruch an. Der bei der Beklagten gebildete örtliche Widerspruchsausschuss wies den Widerspruch mit Bescheid vom 18. Dezember 2000 im wesentlichen mit der Begründung zurück, dass die Versorgung mit dem begehrten Toilettenstuhl bei vollstationärer Unterbringung des Klägers in den Zuständigkeitsbereich des Pflegeheimes falle.

Hiergegen wandte sich der Kläger mit seiner Klage beim Sozialgericht (SG) Stuttgart unter weitgehender Wiederholung seines bisherigen Vorbringens, einem Verweis auf die ärztlichen Verordnungen, die Amputation beider Beine und den Gewinn an selbständiger Lebensführung bei Bewilligung des gewünschten Toilettenstuhls.

Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage ihrer Verwaltungsakten entgegen. Sie verwies darauf, dass ein einfacherer Toilettenrollstuhl Marke SOPUR Suntec 3004 zweckmäßig und ausreichend sei. Dieser sei vom Pflegeheim zu stellen. Der Wunsch nach einem Toilettenstuhl mit höherem Komfort sei durchaus verständlich, der Toilettenstuhl solle jedoch nicht außerhalb des Heimes benutzt werden.
Das SG holte die Auskünfte der Dr. L vom 08. und 24. Februar 2001 ein, wonach sich die Verordnung auf den Toilettenrollstuhl SOPUR Delphin beziehe, da hier die Bremse von Hand bedienbar sei, während beim Typ Suntec 3004, die in Altenheimen vorrätig gehalten würden, eine vom Kläger nicht zu betätigende Fußbremse vorhanden sei. Das SG hat weiter eine Äußerung des Pflegeheimes vom 31. Januar 2001 eingeholt, wonach der Kläger zur Nutzung der zur Verfügung stehenden Toilettenrollstühle die Hilfe des Pflegepersonals benötige, das überwiegend weiblich sei. Dies bereite dem Kläger ebenso Probleme wie die Nutzung eines Toilettenrollstuhles, der auch von anderen Heimbewohnern benutzt werden.
Das SG hat mit Urteil vom 21. Juni 2001, das dem Kläger mit am 28. Juni 2001 zur Post gegebenen Übergabe-Einschreibebrief zugestellt wurde, die Klage abgewiesen und zur Begründung auf die Verpflichtung des Heimträgers zur Versorgung der Heimbewohner mit Hilfsmitteln verwiesen. Auch handle es sich bei dem gewünschten Toilettenrollstuhl nicht um ein individuell anzupassendes Hilfsmittel, auch wenn es auf bestimmte körperliche Gegebenheiten einstellbar sei. Es werde nicht als Einzelstück gefertigt.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit der am 16. Juli 2001 schriftlich beim Landessozialgericht ( LSG) eingegangenen Berufung unter Wiederholung seines bisherigen Vorbringens. Bei dem Verhalten der Beklagten handle es sich um Betrug. Das Urteil des SG sowie die Entscheidungen des Vormundschaftsgerichts seien ein Justizskandal.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 12. Juni 2001 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 04. Oktober 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Dezember 2000 zu verurteilen,
ihm einen Toilettenrollstuhl SOPUR Delphin (Überfahrtshöhe über 50 cm,
große Räder, Handbremse) zu stellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des SG für richtig.

Der Berichterstatter hat die beim Notariat L, Vormundschaftsgericht, angefallenen Betreuungsakten beigezogen und die Beteiligten darauf hingewiesen, dass der Senat erwäge, gemäß § 153 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zu entscheiden. Gegen diese Vorgehensweise hat der Kläger Einwände erhoben. Es handle sich wiederum um einen Justizskandal.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss entschieden hat, ist statthaft und zulässig, sie ist jedoch nicht begründet. Die Einwendungen des Klägers gegen das Beschlussverfahren gemäß § 153 Abs. 4 SGG rechtfertigen keine andere Verfahrensweise.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 04. Oktober 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Dezember 2000 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Gestellung des Toilettenrollstuhles SOPUR Delphin. Sofern dieses Hilfsmittel erforderlich ist, fällt die Bereitstellung in den Verantwortungsbereich des Pflegeheimes, in dem der Kläger stationär untergebracht ist.

Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des SG (§ 153 Abs. 2 SGG). Das Urteil des SG entspricht dem vom Bundessozialgericht (BSG) in seinem Urteil vom 10. Februar 2000 (B 3 KR 26/99 R) vorgegebenen Rahmen, wonach ein Versorgungsanspruch nach § 33 SGB V bei stationärer Pflege in einem Pflegeheim, dann gegeben ist, wenn das Hilfsmittel regelmäßig auch außerhalb des Pflegeheimes und des Heimgeländes benötigt wird. Dies ist bei dem vom Kläger begehrten Toilettenrollstuhl nicht der Fall, so dass die Versagung mit dem begehrten Hilfsmittel nicht in den Zuständigkeitsbereich der Beklagten, sondern in den Verantwortungsbereich des Heimträgers fällt.
Ergänzend ist im Hinblick auf das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren auszuführen, dass es bei der gesetzlich vorgegebenen Zuständigkeitsverteilung hinsichtlich der Gestellung von Hilfsmitteln bei häuslicher Pflege und stationärer Pflege auch dann verbleiben muss, wenn der vom Kläger begehrte Toilettenrollstuhl einen Gewinn an Lebensqualität für ihn bedeutet. Sofern das Pflegeheim nur zur Gestellung eines einfachen Toilettenrollstuhles bereit ist und auch wirtschaftlich den höheren Personaleinsatz bei der Pflege des Klägers in Kauf nimmt, kann der Kläger nur gegenüber dem Pflegeheim eine eventuell bessere Versorgung mit Hilfsmitteln erreichen. Sofern dies vom Pflegeheim abgelehnt wird, kann er -- was er entsprechend seinem Vortrag schon überlegt -- in ein Pflegeheim wechseln, das eine entsprechende Hilfsmittelversorgung bietet.
Jedenfalls ist es nicht Aufgabe der Beklagten, den Kläger bei vollstationärer Unterbringung mit dem begehrten Toilettenrollstuhl zu versorgen.

Die Berufung des Klägers konnte somit keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für die Zulassung der Revision bestand kein Anlass.

Referenznummer:

KSRE072640317


Informationsstand: 10.03.2003