Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere trotz Nichterreichens der Berufungssumme von
EUR 750,00 (
vgl. § 144
Abs. 1
S. 1
Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) statthaft. Da der Kläger auch für unbestimmte künftige Anträge auf Versorgung mit orthopädischen Schuhen eine Beschränkung des Eigenanteils begehrt, sind wiederkehrende Leistungen für mehr als ein Jahr im Sinne von § 144
Abs. 1
S. 2
SGG betroffen (zur Hilfsmittelversorgung als wiederkehrende Leistung Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 14. Aufl. 2014, § 144 Rn. 23
m.w.N. aus der Rechtsprechung).
Die Berufung ist jedoch unbegründet.
Streitgegenstand ist der Bescheid vom 14.01.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.06.2015. Der Bescheid über das (weitere) Paar Schuhe vom 02.08.2016 ist dagegen nicht über § 96
SGG Verfahrensgegenstand geworden, da er die streitigen Bescheide über das erste Paar Straßenschuhe nicht im Gesetzessinne ersetzt oder abändert. Im Übrigen haben die Beteiligten den Streitgegenstand im Termin zur mündlichen Verhandlung übereinstimmend dahingehend beschränkt, dass die Bewilligung des zweiten Paares orthopädischer Straßenschuhe rechtlich entsprechend dem Ausgang des hiesigen Verfahrens behandelt werden soll.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 14.01.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.06.2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten nach § 54
Abs. 2
SGG. Er hat weder Anspruch auf die völlige Freistellung noch auf (teilweise) Rückerstattung des unter Vorbehalt gezahlten Eigenanteils, noch auf die Feststellung, dass dieser Eigenanteil bei orthopädischen Straßenschuhen generell auf
EUR 40,00 zu beschränken ist.
Auf die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung, die ausführlich und zutreffend sind, nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen nach eigener Prüfung umfassend Bezug (§ 153
Abs. 2
SGG). Das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren beinhaltet keine neuen sachlichen Gesichtspunkte und bietet deshalb keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung.
Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass er bei der Festsetzung der Eigenbeteiligung in Höhe von
EUR 76,00 eine Überschreitung des dem Gesetzgeber zuzubilligenden Gestaltungsspielraums bezüglich der Ausgestaltung der Eigenverantwortung der Versicherten im Rahmen der Versorgung mit orthopädischen Schuhen nicht zu erkennen vermag.
Bereits nach dem Wortlaut des
§ 33 Abs. 1 S. 1 SGB V ist von dem Anspruch des Klägers auf die medizinisch unstreitig erforderliche Versorgung mit dem Hilfsmittel "orthopädische Schuhe" (
vgl. Produktgruppe 31 des Hilfsmittelverzeichnisses des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenversicherung (
GKV)) der Wert ausgenommen, der sich auf einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens bezieht. Hintergrund hierfür ist, dass die Leistungspflicht der
GKV im Rahmen des Sachleistungsanspruchs auf den Ausgleich von natürlichen Funktionen eines nicht oder nicht voll funktionsfähigen Körperteils beschränkt ist. Soweit ein orthopädischer Schuh jedoch auch als (nicht behinderungsspezifisch) erforderliche Bekleidung dient, fungiert er nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung zugleich als ein solcher Alltagsgegenstand (zur sog. Doppelfunktion orthopädischer Schuhe grundlegend und ausdrücklich:
BSG, Urteil vom 28.09.1976,
3 RK 9/76, juris, Rn. 18).
Auch die konkrete Festsetzung dieser im Rahmen der Bekleidung ersparten Aufwendungen mit
EUR 76,00 begegnet (aktuell) keinen Bedenken. Die Empfehlungen der Spitzenverbände folgen insoweit
bzw. stimmen überein mit den auf entsprechenden statistischen Erhebungen basierenden § 5
Abs. 2
iVm § 10
Abs. 2
Nr. 1 der OrthV, die ausgehend von einem paarweisen Ausstattungsanspruch den Eigenanteil pro Maßstraßenschuh (ab dem ersten bewilligten Paar der Grundausstattung) auf
EUR 38,00 festlegen. Dass die Verordnung als Rechtsgrundlage nicht ausdrücklich benannt wird, ändert nichts an ihrer Maßgeblichkeit auch für die Festsetzung des Eigenanteils im Krankenversicherungsrecht. Ebenso wie das Kriegsopferversorgungsrecht ist auch das Recht der Krankenversicherung vom Grundsatz der Eigenbeteiligung geprägt (s.a. SG Meiningen, Urteil vom 16.03.2005,
S 4 KR 1087/02 unter www.sozialgerichtsbarkeit.de) und zudem gemeinsamer Ausgangspunkt für den (Mindest)Leistungsrahmen im Hilfsmittelrecht (
vgl. BSG, Urteil vom 09.04.1997,
9 RV 15/95, juris). Dies bedeutet, dass der Eigenbeteiligungsrahmen als Kehrseite des Leistungsrechts im Recht der allgemeinen Krankenversicherung den entschädigungsrechtlichen Rahmen sogar überschreiten dürfte, so dass es bereits eine Begünstigung der Versicherten darstellt, wenn die Verordnungswerte uneingeschränkt in Bezug genommen werden. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte für eine Rechtswidrigkeit der OrthV. Nach § 24a Bundesversorgungsgesetz (BVG) ist die Bundesregierung ausdrücklich ermächtigt, unter anderem Art, Umfang und besondere Voraussetzungen der Versorgung mit Hilfsmitteln [ ] durch
Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates näher zu bestimmen.
Diese Delegation der Rechtssetzung ist auch mit höherrangigem Recht vereinbar. Die gesetzliche Krankenkasse ist bereits nach
§ 2 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 12 SGB V lediglich verpflichtet, ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Leistungen zu erbringen, die das Maß des Notwendigen nicht überschreiten und nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zuzurechnen sind. Dieses sog. Wirtschaftlichkeitsgebot gilt uneingeschränkt für das gesamte Leistungs- und Leistungserbringerrecht (
vgl. BSG, Urteil vom 25.11.2015, B 3 KR 16/15 R, juris) und ist in seiner leistungsbeschränkenden Funktion nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts (
BVerfG) nicht zu beanstanden (
vgl. etwa Beschluss vom 28.02.2008, 1 BvR 1778/05, juris
m.w.N.), da es mit Blick auf die begrenzte Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft die Stabilität der
GKV sichert. Die gesetzlichen Krankenkassen sind daher nicht von Verfassungs wegen gehalten, alles zu leisten, was an Mitteln zur Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit verfügbar ist (
vgl. BVerfGE 115, 25, (45 f.), insbesondere besteht kein Anspruch auf Optimalversorgung (
vgl. BSG, Urteil vom 25.02.2015,
B 3 KR 13/13 R, juris) und damit auch nicht auf individuelle Kostenoptimierung.
In Relation dazu, dass die Privatanschaffung orthopädischer Schuhe Kosten zwischen
EUR 750,00 und
EUR 1.400,00 aufwirft (Quelle: www-orthopaedie-Magazin.de), erscheint die Eigenbeteiligung von
EUR 76,00 für den überschießenden Alltagsgebrauchsvorteil eines durchschnittlichen
GKV-Versicherten unter Beachtung aktueller durchschnittlicher Marktpreise für Herrenschuhe auch nicht unverhältnismäßig.
Der Kläger irrt schließlich, wenn er meint, die Beklagte
bzw. der Gesetzgeber schulde ihm eine detaillierte Berechnung entsprechend den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zu den Regelsätzen des Sozialgesetzbuch Zweites Buch (
vgl. Urteil vom 09.02.2010, 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09 und 1 BvL 4/09, juris), denen auf Basis einer Einkommens- und Verbrauchsstichprobe durch die Regelsatzverordnung (mittlerweile Regelbedarfsermittlungsgesetz) genügt wurde. Für den Senat ist bereits nicht erkennbar, wie die hier streitige Eigenbeteiligung bei der Hilfsmittelversorgung den verfassungsrechtlichen Anspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums tangieren soll. Im Gegenteil: Das allgemeine Versorgungsniveau der
GKV liegt erheblich über dem unmittelbaren verfassungsrechtlichen Anspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen soziokulturellen Existenzminimums (
vgl. hierzu: Scholz in: Becker/Kingreen, 5. Aufl. 2017, § 12 Rn. 2). Dies rechtfertigt es auch, die zumutbare Eigenbeteiligung des durchschnittlichen
GKV-Versicherten über diesen Maßstäben anzusetzen.
Soziale Härten können hierdurch nicht entstehen, da Berechtigte der Grundsicherung unter den Voraussetzungen des § 24
Abs. 3
S. 1
Nr. 3
SGB II bzw. des § 31
Abs. 1
Nr. 3 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (
SGB XII) eine Erstattung der Eigenbeteiligung geltend machen können. Da der Kläger solche Leistungen unstreitig nicht bezieht
bzw. zu beziehen berechtigt ist, war eine Kostenübernahme insoweit jedoch nicht zu prüfen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 193, 183
SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach Maßgabe des § 160
Abs. 2
SGG sind nicht ersichtlich.