Die Klage ist begründet. Der angegriffene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Er hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Versorgung mit der Orthese, weil es sich um ein erforderliches Hilfsmittel zum unmittelbaren Behinderungsausgleich handelt (
§ 33 SGB V). Es handelt sich weder um einen alltäglichen Gebrauchsgegenstand, noch um ein ausgeschlossenes Hilfsmittel.
Vorliegend ist der unmittelbare Behinderungsausgleich einschlägig.
Ausgangspunkt der Abgrenzung zwischen mittelbarem und unmittelbarem Behinderungsausgleich ist, ob die Restfunktionalität ersetzt
bzw. verstärkt wird (unmittelbarer Behinderungsausgleich) oder ob bei fehlender Restfunktionalität lediglich die Folgen einer Behinderung ohne Beteiligung des betroffenen Funktionssystems ausgeglichen werden (mittelbarer Behinderungsausgleich). Nach diesem Maßstab liegt
z. B. mittelbarer Behinderungsausgleich vor, wenn einem gehörlosen Informationen, die ansonsten über Töne oder Geräusche transportiert werden (Türklingel), durch visuelle Reize übermittelt werden. Ähnlich ist es bei einem Rollstuhl, weil der Betroffene nicht mehr selbst geht und die Beine für die Fortbewegung auch nicht mehr aktiv eingesetzt werden. Vielmehr erfolgt die Fortbewegung durch Benutzung der Hände wie bei einem Aktivrollstuhl oder über eine elektrische Steuerung.
In diesem Sinne ist die beantragte Orthese dem unmittelbaren Behinderungsausgleich zuzuordnen. Sie ermöglicht nämlich dem Kläger das Greifen mit seiner eigenen Hand, indem die beim Kläger vorhandene Restfunktionalität verstärkt wird. Der Kläger ergreift Gegenstände mit seiner eigenen Hand, so wie ein Prothesennutzer mit seinen eigenen Beinen (
bzw. dem vorhandenen Rest) selbständig geht. Die Orthese bildet mit dem Arm des Klägers ein zusammenhängendes Funktionssystem. Die Bedienung ist nur mit der verbleibenden Armkraft des Klägers möglich und durch Dritte (wie bei einem Rollstuhl oder wie bei Roboterarmen,
vgl. S 34 KR 691/16, Urteil vom 25. April 2018). Sie setzt eine verbleibende Restfunktionalität voraus und verstärkt diese. Angesichts dessen ist die Versorgung gerade nicht mit einem Rollstuhl, sondern (um bei Gehbehinderungen zu bleiben) mit einem Rollator vergleichbar.
Völlig unerheblich ist, in welchem Ausmaß der unmittelbare Behinderungsausgleich erfolgt. Jedoch erlaubt sich die Kammer den Hinweis, dass der Gebrauchsvorteil jedenfalls im Sinne des unmittelbaren Behinderungsausgleichs wesentlich ist. Gerade das selbständige Essen ist für ein Leben in Würde und für ein selbstbestimmtes Leben von besonderer Bedeutung. Dass eine Aufsicht erforderlich ist, um bei Verschlucken reagieren zu können, steht dem nicht entgegen. Eine Aufsicht löst weniger pflegerischen Aufwand aus als füttern. Außerdem behält der Betroffene bei einer bloßen Aufsicht zur Verhinderung von Verschlucken ein größeres Maß an Autonomie als würde er gefüttert werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193
SGG.