Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 10. Juli 2006 aufgehoben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die gemäß §§ 172
Abs. 1, 173 des Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 10. Juli 2006 ist begründet. Das Sozialgericht Berlin hat die Antragsgegnerin zu Unrecht im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Antragstellerin mit orthopädischen Maßschuhen zu versorgen. Der Antrag der Antragstellerin vom 24. Januar 2006 auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes war abzulehnen, weil die für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlichen Voraussetzungen nicht vorliegen.
Nach § 86 b
Abs. 2 Satz 2
SGG sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig ist. Der Erlass einer solchen einstweiligen Anordnung setzt gemäß § 86 b
Abs. 2 Satz 4
SGG in Verbindung mit §§ 920
Abs. 2, 294 der Zivilprozessordnung (
ZPO) die Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruches und eines Anordnungsgrundes voraus. Ein Anordnungsanspruch ist glaubhaft gemacht, wenn sein Bestehen überwiegend wahrscheinlich ist (Thomas/Putzo,
ZPO, 26. Auflage 2004, § 294 RdNr. 2). Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Die Antragstellerin hat bereits einen Anordnungsanspruch nicht mit der für die Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht (§ 86 b
Abs. 2
SGG).
Nach
§ 33 Abs. 1 Satz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) haben Versicherte einen Anspruch auf Versorgung mit
u. a. orthopädischen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen sind. Nach
§ 12 Abs. 1 Satz 1 SGB V müssen diese Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen (§ 12
Abs. 1 Satz 2
SGB V). Der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen (jetzt: Gemeinsamer Bundesausschuss) hat in den gemäß
§ 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V erlassenen Richtlinien über die Verordnung von Hilfsmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung in der Fassung vom 17. Juni 1992 (
BAnz. Beilage
Nr. 183 b), zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 19. Oktober 2004 (
BAnz. 2005
Nr. 2 Seite 89) für die jeweiligen Hilfsmittel diese Voraussetzungen konkretisiert. Danach sind orthopädische Maßschuhe nur indiziert bei so veränderter Form, Funktion und/ oder Belastungsfähigkeit des Fußes, dass für die Aufrechterhaltung oder Ermöglichung einer dem Krankheitsbild oder der Behinderung angemessenen Gehfunktion folgende Maßnahmen nicht ausreichen: Fuß-
bzw. Krankengymnastik, fußgerechte Konfektionsschuhe, Einlagen, Therapieschuhe, orthopädische Schuhzurichtungen, sonstige orthopädietechnische Versorgungen in Verbindung mit Konfektionsschuhen. Indikationen für eine Versorgung mit orthopädischen Schuhen sind: kontrakt-statische Fehlform, schwere Fußdeformierung, Lähmungszustand, Fußversteifung, Fuß-/ Fußteilverlust, Fuß- oder Beinlängendifferenz über 3
cm, erhebliche Störungen der Durchblutung und der nervalen Versorgung.
An diesen Kriterien gemessen ist ein Anspruch der Antragstellerin auf Versorgung mit den begehrten orthopädischen Maßschuhen nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung Berlin-Brandenburg e. V. (MDK) hat in seinem Gutachten vom 27. Juni 2006, welches aufgrund einer körperlichen Untersuchung der Antragstellerin erstellt worden ist, bei ihr die folgenden Diagnosen erstellt:
Mäßiggradige Senk-Spreizfußdeformität beidseits,
Hallux valgus beidseits, rechts mehr als links, links Zustand nach Keller-Brandes- Operation,
Hammerzehe dig II beidseits, links Zustand nach Hohmann-OP,
Zustand nach Hüft-TEP links von 1997,
Zustand nach Schenkelhalsfraktur rechts mit Verkürzung um 1,5
cm,
Unterschenkelödem links,
Diabetes mellitus,
Zustand nach Katarakt-OP beidseits,
Rezidivierende Vertigo.
Der MDK hat hierzu ausgeführt, dass die mäßiggradige Senk-Spreizfußdeformität beidseits mit Hallux valgus beidseits, eine Hammerzehe dig II beidseits als auch die dargelegte Beinverkürzung rechts nicht die Notwendigkeit einer Versorgung mit orthopädischem Maßschuhwerk begründet. Bei einer Fußlänge von 25
cm und einem notierten Ballenmaß rechts von 25
cm nach der Weitentabelle ist eine Beschaffung von passgerechten Konfektionsschuhen (als konfektionierte Spezialschuhe) in passgerechter Weitengröße möglich. Zweckmäßig und ausreichend sind danach die Beschaffung von konfektionierten Bequemschuhen, gefertigt über industrielle Leisten, mit entsprechender Fußweite und ausreichendem Zehenraum. In seinem Gutachten vom 27. Juni 2006 benennt der MDK verschiedene Firmen, die derartige konfektionierte Spezialschuhe anbieten. Diese Schuhe sind geeignet, sämtliche Einlagen aufzunehmen. Diese Schuhe können auch beispielsweise mit dem notwendigen Längenausgleich zugerichtet werden. Die von dem Schuhmacher geplanten vorgezogenen Absätze oder Sohlenrollen sowie die Schuhinnenranderhöhungen können ebenso eingearbeitet werden. Die Antragsgegnerin hat bereits mit Schriftsatz vom 10. März 2006 ihre Bereitschaft erklärt, die Kosten für entsprechende orthopädische Schuhzurichtungen zu übernehmen.
Soweit die die Antragstellerin behandelnde Orthopädin
Dipl. med. T S in ihrem Befundbericht vom 28. März 2006 hierzu mitgeteilt hat, dass es der Antragstellerin nicht zumutbar sei, "alle Konfektionsschuhe umarbeiten zu lassen", begründet dieses Vorbringen keine medizinische Notwendigkeit ihrer Versorgung mit orthopädischen Maßschuhen. Wenn die Ärztin damit ausdrücken wollte, dass es der Antragstellerin nicht zumutbar sei, entsprechend umgearbeitete Konfektionsschuhe zu tragen, fehlt es insoweit jedenfalls an einer nachvollziehbaren Begründung. Sofern die Ärztin die Notwendigkeit einer Versorgung der Antragstellerin mit orthopädischen Maßschuhen damit begründet, dass dadurch "Druckstellen durch Diabetes verhindert" werden, hat der MDK in seinem Gutachten zutreffend darauf hingewiesen, dass seitens der Ärztin zu keinem Zeitpunkt eine Störung der Durchblutung oder eine Gefühlsstörung mitgeteilt worden ist. Es werden weder Komplikationen wie Mikro- oder Makroangiopathie oder eine Polyneuropathie im Rahmen des vorliegenden Diabetes mellitus dargestellt. Ausweislich des Kostenvoranschlages der Firma Orthopädie-Schuhtechnik UH vom 18. August 2005 sind auch keine adaptierten Bettungen als Spezialbettungen für Diabetiker mit Polyneuropathie in der Ausstattung der orthopädischen Schuhe vorgesehen.
Vor diesem Hintergrund kann offen bleiben, ob die Antragstellerin darüber hinaus einen Anordnungsgrund hinreichend glaubhaft gemacht hat. Die mit Richterbrief des Sozialgerichts Berlin vom 8. April 2006 an die Klägerin gerichtete Frage, ob sie aufgrund ihrer Vermögenssituation in der Lage sei, die Kosten für die begehrten orthopädischen Schuhe zunächst auszulegen, hat ihre Tochter, die Bevollmächtigte, jedenfalls unklar beantwortet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193
SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens selbst.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177
SGG).