Urteil
Richtlinie 2004/18/EG - Öffentliche Liefer- und Dienstleistungsaufträge - Gesetzliche Krankenkassen - Ausschreibung - individuell angepasste orthopädische Schuhe

Gericht:

EuGH 4. Kammer


Aktenzeichen:

C-300/07


Urteil vom:

10.06.2009


Tenor:

Der Gerichtshof (Vierte Kammer) hat für Recht erkannt:

1. Art. 1 Abs. 9 Unterabs. 2 Buchst. c erster Fall der Richtlinie 2004/18 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge ist dahin auszulegen, dass eine überwiegende Finanzierung durch den Staat vorliegt, wenn die Tätigkeiten der gesetzlichen Krankenkassen hauptsächlich durch Mitgliedsbeiträge finanziert werden, die nach öffentlich-rechtlichen Regeln, wie sie im Ausgangsverfahren in Rede stehen, auferlegt, berechnet und erhoben werden. Derartige Krankenkassen sind für die Anwendung der Vorschriften dieser Richtlinie als Einrichtungen des öffentlichen Rechts und damit als öffentliche Auftraggeber anzusehen.

2. Hat ein gemischter öffentlicher Auftrag sowohl Waren als auch Dienstleistungen zum Gegenstand, besteht das für die Bestimmung, ob der fragliche Auftrag als Lieferauftrag oder als Dienstleistungsauftrag anzusehen ist, anzuwendende Kriterium im jeweiligen Wert der in diesen Auftrag einbezogenen Waren und Dienstleistungen. Bei der Zurverfügungstellung von Waren, die individuell nach den Bedürfnissen des jeweiligen Kunden hergestellt und angepasst werden und über deren Nutzung die jeweiligen Kunden individuell zu beraten sind, ist die Anfertigung der genannten Waren dem Auftragsteil der "Lieferung" für die Berechnung des Wertes des jeweiligen Bestandteils zuzuordnen.

3. Sollte sich die Erbringung von Dienstleistungen bei dem fraglichen Auftrag als im Verhältnis zur Warenlieferung überwiegend herausstellen, ist eine zwischen einer gesetzlichen Krankenkasse und einem Wirtschaftsteilnehmer geschlossene Vereinbarung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, in der die Vergütung für die verschiedenen, von diesem Wirtschaftsteilnehmer erwarteten Versorgungsformen sowie die Laufzeit der Vereinbarung festgelegt werden, wobei der genannte Wirtschaftsteilnehmer die Verpflichtung übernimmt, Leistungen gegenüber den Versicherten zu erbringen, die diese bei ihm nachfragen, und die genannte Kasse ihrerseits die alleinige Schuldnerin der Vergütung für das Tätigwerden dieses Wirtschaftsteilnehmers ist, als eine "Rahmenvereinbarung" im Sinne von Art. 1 Abs. 5 der Richtlinie 2004/18 anzusehen.

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

EUR-Lex Der Zugang zum EU-Recht
Curia - Gerichtshof der Europäischen Union

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer):

11. Juni 2009

"Richtlinie 2004/18/EG - Öffentliche Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge - Gesetzliche Krankenkassen - Einrichtungen des öffentlichen Rechts - Öffentliche Auftraggeber - Ausschreibung - Anfertigung und Lieferung von individuell an die Bedürfnisse der Patienten angepassten orthopädischen Schuhen - Ausführliche Beratung der Patienten"

In der Rechtssache C-300/07

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Oberlandesgericht Düsseldorf (Deutschland) mit Entscheidung vom 23. Mai 2007, beim Gerichtshof eingegangen am 27. Juni 2007, in dem Verfahren

Hans & Christophorus Oymanns GbR, Orthopädie Schuhtechnik,

gegen

AOK Rheinland/Hamburg

erlässt DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts, der Richter T. von Danwitz, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter E. Juhász (Berichterstatter) und G. Arestis,
Generalanwalt: J. Mazák, Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 19. Juni 2008,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

- der Hans & Christophorus Oymanns GbR, Orthopädie Schuhtechnik, vertreten durch die Rechtsanwälte H. Glahs und U. Karpenstein,

- der AOK Rheinland/Hamburg, vertreten durch Rechtsanwalt A. Neun,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch G. Wilms und D. Kukovec als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 16. Dezember 2008 folgendes Urteil:

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 Abs. 2 Buchst. c und d, 4, 5 und 9 Unterabs. 2 Buchst. c erster und zweiter Fall der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABl. L 134, S. 114).

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Hans & Christophorus Oymanns GbR, Orthopädie Schuhtechnik, und der AOK Rheinland/Hamburg, in dem es darum geht, ob, erstens, die deutschen gesetzlichen Krankenkassen als öffentliche Auftraggeber für die Anwendung der Vorschriften der Richtlinie 2004/18 anzusehen sind, ob, zweitens, die aufgrund einer Vereinbarung mit der gesetzlichen Krankenkassen erfolgende Zurverfügungstellung individuell nach den Bedürfnissen der Patienten hergestellter und angepasster orthopädischer Schuhe durch spezialisierte Schuhtechniker in Verbindung mit einer ausführlichen Beratung der Patienten vor und nach dieser Zurverfügungstellung als Lieferauftrag oder als Dienstleistungsauftrag anzusehen ist und ob, drittens, für den Fall, dass diese Zurverfügungstellung orthopädischer Schuhe als Dienstleistung anzusehen sein sollte, sie dann als "Dienstleistungskonzession" oder als "Rahmenvereinbarung" im Sinne der Vorschriften der Richtlinie 2004/18 einzuordnen ist.

Rechtlicher Rahmen:


Gemeinschaftsrecht:

Art. 1 der Richtlinie 2004/18 trägt die Überschrift "Definitionen" und sieht vor:

"...

(2) a) 'Öffentliche Aufträge' sind zwischen einem oder mehreren Wirtschaftsteilnehmern und einem oder mehreren öffentlichen Auftraggebern geschlossene schriftliche entgeltliche Verträge über die Ausführung von Bauleistungen, die Lieferung von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen im Sinne dieser Richtlinie.

...

c) 'Öffentliche Lieferaufträge' sind andere öffentliche Aufträge als die unter Buchstabe b genannten; sie betreffen den Kauf, das Leasing, die Miete, die Pacht oder den Ratenkauf, mit oder ohne Kaufoption, von Waren.

...

d) 'Öffentliche Dienstleistungsaufträge' sind öffentliche Aufträge über die Erbringung von Dienstleistungen im Sinne von Anhang II, die keine öffentlichen Bau- oder Lieferaufträge sind.

Ein öffentlicher Auftrag, der sowohl Waren als auch Dienstleistungen im Sinne von Anhang II umfasst, gilt als 'öffentlicher Dienstleistungsauftrag', wenn der Wert der betreffenden Dienstleistungen den Wert der in den Auftrag einbezogenen Waren übersteigt.

Ein öffentlicher Auftrag über die Erbringung von Dienstleistungen im Sinne von Anhang II, der Tätigkeiten im Sinne von Anhang I lediglich als Nebenarbeiten im Verhältnis zum Hauptauftragsgegenstand umfasst, gilt als öffentlicher Dienstleistungsauftrag.

(4)'Dienstleistungskonzessionen' sind Verträge, die von öffentlichen Dienstleistungsaufträgen nur insoweit abweichen, als die Gegenleistung für die Erbringung der Dienstleistungen ausschließlich in dem Recht zur Nutzung der Dienstleistung oder in diesem Recht zuzüglich der Zahlung eines Preises besteht.

(5) Eine 'Rahmenvereinbarung' ist eine Vereinbarung zwischen einem oder mehreren öffentlichen Auftraggebern und einem oder mehreren Wirtschaftsteilnehmern, die zum Ziel hat, die Bedingungen für die Aufträge, die im Laufe eines bestimmten Zeitraums vergeben werden sollen, festzulegen, insbesondere in Bezug auf den Preis und gegebenenfalls die in Aussicht genommene Menge.

..."

Art. 1 Abs. 9 der Richtlinie 2004/18 bestimmt:

"'Öffentliche Auftraggeber' sind der Staat, die Gebietskörperschaften, die Einrichtungen des öffentlichen Rechts und die Verbände, die aus einer oder mehreren dieser Körperschaften oder Einrichtungen des öffentlichen Rechts bestehen.

Als 'Einrichtung des öffentlichen Rechts' gilt jede Einrichtung, die

a) zu dem besonderen Zweck gegründet wurde, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art zu erfüllen,

b) Rechtspersönlichkeit besitzt und

c) überwiegend vom Staat, von Gebietskörperschaften oder von anderen Einrichtungen des öffentlichen Rechts finanziert wird, hinsichtlich ihrer Leitung der Aufsicht durch Letztere unterliegt oder deren Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgan mehrheitlich aus Mitgliedern besteht, die vom Staat, von den Gebietskörperschaften oder von anderen Einrichtungen des öffentlichen Rechts ernannt worden sind.

Die nicht erschöpfenden Verzeichnisse der Einrichtungen und Kategorien von Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die die in Unterabsatz 2 Buchstaben a, b und c genannten Kriterien erfüllen, sind in Anhang III enthalten. Die Mitgliedstaaten geben der Kommission regelmäßig die Änderungen ihrer Verzeichnisse bekannt."

In Anhang III Kapitel III ("Deutschland") Abschnitt 1 ("Kategorien") Punkt 1.1. ("Körperschaften") vierter Gedankenstrich der Richtlinie sind die "Sozialversicherungen ( Krankenkassen, Unfall- und Rentenversicherungsträger)" genannt.

Art. 21 der Richtlinie sieht vor: "Aufträge über Dienstleistungen gemäß Anhang II Teil B unterliegen nur Artikel 23 und Artikel 35 Absatz 4."

In Anhang II Teil B Kategorie 25 der Richtlinie sind das "Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen" genannt.

Art. 22 der Richtlinie lautet:

"Aufträge sowohl über Dienstleistungen gemäß Anhang II Teil A als auch über Dienstleistungen gemäß Anhang II Teil B werden nach den Artikeln 23 bis 55 vergeben, wenn der Wert der Dienstleistungen gemäß Anhang II Teil A höher ist als derjenige der Dienstleistungen gemäß Anhang II Teil B. In allen anderen Fällen wird der Auftrag nach Artikel 23 und Artikel 35 Absatz 4 vergeben."

Art. 32 Abs. 2 der Richtlinie 2004/18 lautet:

"Für den Abschluss einer Rahmenvereinbarung befolgen die öffentlichen Auftraggeber die Verfahrensvorschriften dieser Richtlinie ..."

Art. 79 der genannten Richtlinie trägt die Überschrift "Änderungen" und bestimmt:

"Die Kommission kann nach dem in Artikel 77 Absatz 2 genannten Verfahren Folgendes ändern:


d) die in Anhang III genannten Verzeichnisse der Einrichtungen und Kategorien von Einrichtungen des öffentlichen Rechts, sofern aufgrund von Mitteilungen der Mitgliedstaaten die betreffenden Änderungen sich als notwendig erweisen; ..."

Schließlich sieht Art. 1 Abs. 4 der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter (ABl. L 171, S. 12) vor:

"Als Kaufverträge im Sinne dieser Richtlinie gelten auch Verträge über die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender Verbrauchsgüter."

Nationales Recht:

Die folgende gedrängte Darstellung der einschlägigen nationalen Regelung ergibt sich aus den Angaben in der dem Gerichtshof vorliegenden Akte und insbesondere aus der Vorlageentscheidung.

Das gesetzliche Gesundheitssystem in Deutschland sowie die Organisation und Finanzierung der gesetzlichen Krankenkassen sind im Vierten und im Fünften Buch des Sozialgesetzbuchs ( im Folgenden: SGB IV und SGB V) geregelt. Die Aufgabe, die der Gesetzgeber den gesetzlichen Krankenkassen zugewiesen hat, wird in § 1 Abs. 1 SGB V wie folgt definiert: "Die Krankenversicherung als Solidargemeinschaft hat die Aufgabe, die Gesundheit der Versicherten zu erhalten, wiederherzustellen oder ihren Gesundheitszustand zu bessern."

Die gesetzlichen Krankenkassen sind nach § 4 Abs. 1 SGB V rechtsfähige Körperschaften des öffentlichen Rechts mit der Befugnis zur Selbstverwaltung. Sie wurden aufgrund der §§ 1 und 3 SGB V eingerichtet. Dem Vorlagebeschluss zufolge ist der weit überwiegende Teil der Bevölkerung in Deutschland (etwa 90 %) kraft Gesetzes bei einer gesetzlichen Krankenkasse pflichtversichert. Die Pflichtversicherten können wählen, bei welcher Krankenkasse sie sich versichern möchten, haben aber nicht die Wahl zwischen einer gesetzlichen und einer privaten Krankenkasse.

Die Regelungen über die Finanzierung der gesetzlichen Krankenkassen sind in den §§ 20 bis 28 SGB IV sowie den §§ 3 und 220 ff. SGB V enthalten. Diese Finanzierung wird sichergestellt durch die Beiträge der Pflichtmitglieder, unmittelbare bundesstaatliche Zahlungen sowie Ausgleichszahlungen, die aufgrund der Verpflichtung zum finanziellen Ausgleich der gesetzlichen Krankenkassen untereinander und aufgrund des Risikostrukturausgleichs zwischen ihnen erfolgen.

Nach den Angaben im Vorlagebeschluss werden die gesetzlichen Krankenkassen weit überwiegend durch die Beiträge der Pflichtversicherten und den Anteil ihrer Arbeitgeber an diesen Beiträgen finanziert. Die Höhe der Beiträge richtet sich allein nach dem Einkommen, d. h. der Leistungsfähigkeit, des Versicherten. Andere Gesichtspunkte, wie etwa das Alter des Versicherten, sein Gesundheitszustand oder die Zahl der Mitversicherten, spielen hierbei keine Rolle. In der Praxis behält der Arbeitgeber den Beitragsanteil des Versicherten von dessen Gehalt ein und zahlt ihn zusammen mit seinem Anteil an die gesetzliche Krankenkasse. Hierbei handelt es sich um öffentlich-rechtliche Verpflichtungen, und die Beiträge werden aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zwangsweise eingezogen.

Der Beitragssatz wird nicht durch den Staat, sondern durch die gesetzlichen Krankenkassen festgelegt. Diese müssen die Beiträge nach der maßgebenden Regelung in der Weise berechnen, dass sie zusammen mit den anderen Einnahmen die gesetzlich vorgeschriebenen Ausgaben decken und sicherstellen, dass die gesetzlich vorgeschriebenen Betriebsmittel und Rücklagen bereitgehalten werden können. Die Festsetzung des Beitragssatzes bedarf der Genehmigung durch die staatliche Aufsichtsbehörde der jeweiligen Krankenkasse. Die Höhe der Beiträge ist dem Vorlegebeschluss zufolge in gewissem Umfang rechtlich vorgegeben, da sie so festzusetzen ist, dass die sich daraus ergebenden Einnahmen die Ausgaben nicht unterschreiten oder übersteigen. Da die zu erbringenden Leistungen nach dem deutschen Gesundheitssystem zum weit überwiegenden Teil gesetzlich festgelegt sind, lässt sich die Ausgabenhöhe von der jeweiligen gesetzlichen Krankenkasse praktisch nicht unmittelbar beeinflussen.

Um die Beitragssätze der Versicherten weitgehend gleich hoch zu halten, sehen die §§ 266 bis 268 SGB V einen kassenübergreifenden jährlichen Risikostrukturausgleich vor. Nach den Angaben des vorlegenden Gerichts besteht in dieser Hinsicht eine Solidaritätsverpflichtung der Krankenkassen untereinander, da jede Krankenkasse einen Ausgleichsanspruch oder eine Ausgleichsverpflichtung in Höhe eines bestimmten Geldbetrags hat.

Die Krankenkassen, die nach § 4 Abs. 1 SGB V ein Selbstverwaltungsrecht haben, unterliegen einer staatlichen Aufsicht. Dem Vorlagebeschluss zufolge beschränkt sich diese Aufsicht nicht auf eine bloß nachprüfende Kontrolle der Rechtmäßigkeit.

Bestimmte Maßnahmen der gesetzlichen Krankenkassen wie Satzungsänderungen, Bestimmung des Beitragssatzes, Bau- und Grundstücksgeschäfte sowie Beschaffung von Datenverarbeitungsunterlagen bedürfen, wie sich aus § 195 Abs. 1, § 220 Abs. 2 und § 241 SGB V ergibt, der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörden. Die Aufsichtsbehörden haben mindestens alle fünf Jahre die Geschäfts-, Rechnungs- und Betriebsführung der ihrer Aufsicht unterstehenden gesetzlichen Krankenkassen zu prüfen. Diese Prüfung, die sich insbesondere auf die Wirtschaftlichkeit der Tätigkeit der betreffenden Kasse erstreckt, kann auch häufiger vorgenommen werden (§ 69 Abs. 2 und § 88 Abs. 1 SGB IV sowie § 274 Abs. 1 SGB V). Im Rahmen dieser Prüfung haben die Kassen der Aufsichtsbehörde alle Unterlagen vorzulegen und alle Auskünfte zu erteilen, die erforderlich sind (§ 88 Abs. 2 SGB IV). Weigern sich die Selbstverwaltungsorgane der Krankenkassen, die Wahrnehmung der Aufgaben, die sie durchzuführen haben, sicherzustellen, werden diese durch die Aufsichtsbehörde selbst übernommen (§ 37 und § 89 Abs. 3 SGB IV).

Schließlich ist der Haushaltsplan jeder gesetzlichen Krankenkasse rechtzeitig der zuständigen Aufsichtsbehörde vorzulegen (§ 70 Abs. 5 SGB IV), und diese kann nicht lebensfähige Krankenkassen mit anderen Krankenkassen verschmelzen oder sie schließen (§ 146a, § 153 S. 1 Nr. 3, § 156, § 163 S. 1 Nr. 3, § 167 und § 170 SGB V).

Da der Versicherte im Rahmen des fraglichen Systems gegen die gesetzliche Krankenkasse keinen Anspruch auf Tragung von Kosten, sondern auf kostenlose Bereitstellung der entsprechenden Leistungen hat (§ 2 Abs. 2 SGB V) - sogenanntes "Sachleistungsprinzip" -, sind die gesetzlichen Krankenkassen dazu angehalten, mit verschiedenen Leistungserbringern Verträge über eine verschiedene Leistungssektoren übergreifende Versorgung oder eine interdisziplinär-fachübergreifende Versorgung der Versicherten abzuschließen. Diese "Verträge über die integrierte Versorgung" (§§ 140a bis 140e SGB V) werden zwischen den gesetzlichen Krankenkassen und den zur Versorgung der Versicherten berechtigten Leistungserbringern geschlossen. Sie legen die Vergütung für die verschiedenen integrierten Versorgungsformen fest, aus der sämtliche Leistungen, die von den Versicherten im Rahmen des Versorgungsauftrags in Anspruch genommen werden, zu vergüten sind. Die gesetzliche Krankenkasse ist Vertragspartnerin des Vertrags zur integrierten Versorgung und Schuldnerin des Vergütungsanspruchs des Leistungserbringers. Für die Versicherten ist die Teilnahme an den verschiedenen integrierten Versorgungsformen freiwillig; wählt aber ein Versicherter eine solche Versorgungsform, so muss er die Leistungserbringer, mit denen die zuständige gesetzliche Krankenkasse einen Vertrag zur integrierten Versorgung geschlossen hat, in Anspruch nehmen.

Im Verfahren vor dem Gerichtshof wurden auch zwei Urteile des Bundesverfassungsgerichts im Zusammenhang mit der Aufgabe der Krankenkassen in Deutschland erwähnt.

In seinem Beschluss vom 9. Juni 2004 (2 BvR 1248/03 und 2 BvR 1249/03) stellte das Bundesverfassungsgericht Folgendes fest:

"Das Sozialrecht ist eines der wichtigsten Instrumente staatlicher Sozialpolitik. Der Schutz in Fällen von Krankheit ist in der sozialstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes eine der Grundaufgaben des Staats. Ihr ist der Gesetzgeber nachgekommen, indem er durch Einführung der gesetzlichen Krankenversicherung als öffentlich-rechtlicher Pflichtversicherung für den Krankenschutz eines Großteils der Bevölkerung Sorge getragen und die Art und Weise der Durchführung dieses Schutzes geregelt hat .. Die Hauptaufgabe der gesetzlichen Krankenkassen besteht im Vollzug einer zwecks Erfüllung dieser staatlichen Grundaufgabe geschaffenen detaillierten Sozialgesetzgebung ..."

Schließlich hat das Bundesverfassungsgericht mit seinem Beschluss vom 31. Januar 2008 (1 BvR 2156/02) entschieden, dass Krankenkassen eingegliederte Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, die der Sache nach Aufgaben in mittelbarer Staatsverwaltung wahrnehmen.

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen:

Durch eine im Juni 2006 in einer Fachzeitschrift veröffentlichte Anzeige forderte die AOK Rheinland/Hamburg, eine gesetzliche Krankenkasse, Orthopädie-Schuhtechniker zur Abgabe von Angeboten über die Anfertigung und Lieferung von Schuhwerk zur integrierten Versorgung im Sinne der §§ 140a ff. SGB V für den Zeitraum vom 1. September 2006 bis zum 31. Dezember 2006 auf. Die zu erbringenden Leistungen waren je nach Aufwand in unterschiedliche Pauschalgruppen eingeteilt, für die der Bieter seine Preise einzutragen hatte.

Die Anzahl der zu liefernden Schuhe war nicht festgelegt. Die Patienten, die unter dem sogenannten "diabetischen Fußsyndrom" litten, sollten sich mit einer Krankenversicherungskarte und einer ärztlichen Verordnung unmittelbar bei dem entsprechenden Orthopädie-Schuhtechnikermeister melden. Dessen Aufgabe bestand in der Anfertigung und Kontrolle eines individuell angepassten orthopädischen Schuhs, wobei vor und nach Auslieferung jeweils ausführliche Beratungen stattzufinden hatten. Die Zahlungen sollten - abgesehen von Zuzahlungen der Patienten - durch die gesetzliche Krankenkasse erfolgen.

Der Orthopädie-Schuhmacherbetrieb Hans & Christophorus Oymanns reichte ein Angebot ein und rügte zwei Tage später Verstöße gegen gemeinschaftliches und deutsches Vergaberecht. Diese Beanstandungen wurden von der gesetzlichen Krankenkasse mit der Begründung zurückgewiesen, die vergaberechtlichen Vorschriften seien im vorliegenden Fall nicht einschlägig. Da der Schuhmacherbetrieb mit dem Rechtsbehelf gegen diese Entscheidung in erster Instanz erfolglos blieb, wandte er sich an den Vergabesenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf.

Dieses Gericht führt zunächst aus, dass in der deutschen Literatur und Rechtsprechung umstritten sei, ob gesetzliche Krankenkassen trotz ihrer Benennung in Anhang III der Richtlinie 2004/18 als Einrichtungen des öffentlichen Rechts und damit als öffentliche Auftraggeber im Sinne der Richtlinie anzusehen seien. Aus diesem Grund legt es die Problematik hinsichtlich der verschiedenen Voraussetzungen dar, die Art. 1 Abs. 9 Unterabs. 2 der Richtlinie in diesem Zusammenhang vorsieht.

Die Voraussetzungen der Buchst. a und b dieser Vorschrift sind nach Ansicht des vorlegenden Gerichts erfüllt, da die gesetzlichen Krankenkassen juristische Personen des öffentlichen Rechts seien, die zu dem besonderen Zweck gegründet worden seien, die Gesundheit der Versicherten zu erhalten, wiederherzustellen oder ihren Gesundheitszustand zu bessern, also im Allgemeininteresse liegende Aufgaben zu erfüllen. Zudem seien diese Aufgaben nichtgewerblicher Art, da die Krankenkassen nicht gewerblich tätig seien und ihre Leistungen nicht in Gewinnerzielungsabsicht erbrächten.

Zu erörtern seien damit die in Art. 1 Abs. 9 Unterabs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2004/18 geregelten Voraussetzungen.

Hinsichtlich der ersten Voraussetzung, der überwiegenden Finanzierung durch den Staat, nimmt das vorlegende Gericht Bezug auf die Merkmale des fraglichen nationalen Systems, wie sie sich aus den Randnrn. 13 bis 18 des vorliegenden Urteils ergeben.

Hinsichtlich der Voraussetzung betreffend die Aufsicht durch die öffentliche Hand nimmt das vorlegende Gericht Bezug auf die maßgeblichen Bestandteile des Systems, wie sie sich aus den Randnrn. 19 und 20 des vorliegenden Urteils ergeben.

Gelange man zu dem Ergebnis, dass die gesetzlichen Krankenkassen öffentliche Auftraggeber seien, so stelle sich, zweitens, die Frage, ob der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Auftrag als Lieferauftrag oder als Dienstleistungsauftrag zu qualifizieren sei. Art. 1 Abs. 2 Buchst. d Unterabs. 2 der Richtlinie 2004/18 nehme diese Abgrenzung nach dem Kriterium des Werts der betreffenden Dienstleistungen und Waren vor. Dafür sei wesentlich, welche Stellung die Anfertigung der im Ausgangsverfahren fraglichen Schuhe im Rahmen der Gesamtleistung einnehme, die den Kauf der Materialien, die Anfertigung sowie Beratung und Information der Kunden umfasse.

Sollte die individuelle Anfertigung des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Schuhs als Bestandteil der Lieferung anzusehen sein, wäre nach Einschätzung des vorlegenden Gerichts der Wert der Lieferung des Schuhs höher als der Wert der Dienstleistungen. Sollte demgegenüber der Wert der Lieferung lediglich in den Rohmaterialien bestehen, überwöge der Wert der Dienstleistungen denjenigen der Lieferung. Für die erstgenannte Betrachtungsweise scheine Art. 1 Abs. 4 der Richtlinie 1999/44 zu sprechen, der "Verträge über die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender Verbrauchsgüter" Kaufverträgen gleichstelle, und zwar unabhängig davon, ob es sich dabei um standardisierte Sachen oder um individuell an den konkreten Beschaffungsvorgang angepasste, also unvertretbare Sachen handele. Der Rechtsprechung des Gerichtshofs könnte allerdings möglicherweise entnommen werden, dass auch qualitative Aspekte in diesem Zusammenhang eine Rolle spielten (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 18. Januar 2007, Auroux u. a., C-220/05, Slg. I-385, Randnr. 46). Unter diesem Gesichtspunkt sei zu beachten, dass sich die Beratung der Patienten nicht nur auf die Auswahl und die Nutzung des Produkts beschränke.

Das vorlegende Gericht unterstreicht, dass diese Abgrenzung von Bedeutung sei, da die Einordnung des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Auftrags als Lieferauftrag zur Folge hätte, dass die Vorschriften der Richtlinie 2004/18 in vollem Umfang anwendbar wären.

Für den Fall, dass der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Auftrag nicht als Lieferauftrag zu qualifizieren sein sollte, fragt sich das vorlegende Gericht drittens, ob es sich dabei um einen Dienstleistungsauftrag oder um eine Dienstleistungskonzession handelt. In letzterem Fall wäre die Richtlinie 2004/18 gemäß ihrem Art. 17 nicht anwendbar. Nach Ansicht des erstinstanzlichen Gerichts stehe dieser Annahme bereits die Tatsache entgegen, dass die gesetzliche Krankenkasse, und nicht der Patient, dem Leistungserbringer die Vergütung schulde. Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts ist allerdings auch die Frage zu prüfen, wer das geschäftliche Risiko trägt. Einerseits sei dabei zu berücksichtigen, dass dem Leistungserbringer dadurch, dass Vergütungsschuldnerin die gesetzliche Krankenkasse und nicht der Patient sei, das Beitreibungs- und Insolvenzrisiko abgenommen werde. Andererseits aber trage der Leistungserbringer das Risiko, ob seine Waren und Dienstleistungen von den Patienten überhaupt in Anspruch genommen würden. Dieser Gesichtspunkt unterscheide den vorliegenden Fall auch von der Situation eines "normalen" Rahmenvertrags. Der entscheidende Punkt für die Qualifizierung des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Auftrags als Dienstleistungskonzession sei die Tatsache, dass der Leistungserbringer nicht im Voraus kostenträchtige Leistun gen wie den Bau von Räumen oder Kosten für Personal oder Geräte auf sich genommen habe, deren Amortisation sodann durch "das Recht zur Verwertung seiner eigenen Leistung" erfolgen müsste (Urteil vom 7. Dezember 2000, Telaustria und Telefonadress, C- 324/98, Slg. 2000, I-10745, Randnr. 30).

Wenn der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Auftrag als Dienstleistungsauftrag einzuordnen sein sollte, führe dies im Hinblick auf seinen Charakter als Dienstleistung im Gesundheitswesen nach Art. 21 und Anhang II Teil B Kategorie 25 der Richtlinie 2004/18 dazu, dass nur die Art. 23 und Art. 35 Abs. 4 der Richtlinie anzuwenden seien, deren Verletzung hier von vornherein nicht in Rede stehe. Allerdings führe eine solche Qualifizierung zur Anwendung bestimmter Vorschriften des nationalen Rechts, das den gleichen Begriff des "Dienstleistungsauftrags" verwende, so dass der Antrag der Antragstellerin im Ausgangsverfahren teilweise erfolgreich wäre.

Aufgrund dieser Überlegungen hat das Oberlandesgericht Düsseldorf beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1. a) Ist das Tatbestandsmerkmal der "Finanzierung durch den Staat" des Art. 1 Abs. 9 Unterabs. 2 Buchst. c 1. Alternative der Richtlinie 2004/18/EG dahin auszulegen, dass der Staat die Mitgliedschaft in einer Krankenversicherung sowie die Pflicht zur Zahlung von Beiträgen - deren Höhe vom Einkommen abhängig ist - an die jeweilige Krankenkasse anordnet, wobei die Krankenkasse den Beitragssatz festlegt, die Krankenkassen aber durch ein in den Gründen näher geschildertes System der solidarischen Finanzierung miteinander verbunden sind und die Erfüllung der Verbindlichkeiten jeder einzelnen Krankenkasse gesichert ist?

b) Ist das Tatbestandsmerkmal in Art. 1 Abs. 9 Unterabs. 2 Buchst. c 2. Alternative der Richtlinie 2004/18, dem zufolge die Einrichtung "hinsichtlich ihrer Leitung der Aufsicht durch Letztere unterliegt", dahin auszulegen, dass eine staatliche Rechtsaufsicht, die auch noch laufende oder zukünftige Geschäfte betrifft, - gegebenenfalls zuzüglich weiterer in den Gründen geschilderter Eingriffsmöglichkeiten des Staates - für die Erfüllung des Merkmals ausreicht?

2. Falls die erste Vorlagefrage - in a oder b - mit Ja zu beantworten ist, sind die Buchst. c und d von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2004/18 dahin auszulegen, dass die Zurverfügungstellung von Waren, die in ihrer Form individuell nach den Erfordernissen des jeweiligen Kunden hergestellt und angepasst sowie über deren Nutzung die jeweiligen Kunden individuell zu beraten sind, als "Lieferaufträge" oder als "Dienstleistungsaufträge" einzustufen sind? Ist dabei nur der Wert der jeweiligen Leistungen zu berücksichtigen?

3. Falls die in Frage 2 genannte Zurverfügungstellung als "Dienstleistung" einzustufen ist oder sein könnte, ist Art. 1 Abs. 4 der Richtlinie - in Abgrenzung zu einer Rahmenvereinbarung im Sinne des Art. 1 Abs. 5 der Richtlinie - dahin auszulegen, dass unter einer "Dienstleistungskonzession" auch eine Auftragserteilung in der Form zu verstehen ist, bei der

- die Entscheidung darüber, ob und in welchen Fällen der Auftragnehmer mit Einzelaufträgen beauftragt wird, nicht vom Auftraggeber, sondern von Dritten getroffen wird,

- die Bezahlung des Auftragnehmers durch den Auftraggeber erfolgt, weil allein Letzterer kraft Gesetzes alleiniger Vergütungsschuldner und den Dritten gegenüber zur Erbringung

der Dienstleistung verpflichtet ist, und

- der Auftragnehmer vor Inanspruchnahme durch den Dritten keine Leistungen irgendwelcher Art erbringen oder vorhalten muss?

Zu den Vorlagefragen:

Zur ersten Frage:

Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob gesetzliche Krankenkassen wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden im Hinblick auf ihre in der Vorlageentscheidung dargelegten Merkmale für die Anwendung der Vorschriften der Richtlinie 2004/18 als öffentlicher Auftraggeber anzusehen sind.

Zur Beantwortung dieser Frage ist zunächst die ihr zugrunde liegende Vorfrage zu prüfen, die sich aus den Gründen des Vorabentscheidungsersuchens und der Problematik ergibt, die dort vom vorlegenden Gericht dargestellt wird, nämlich ob die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden gesetzlichen Krankenkassen schon allein deswegen, weil sie in Anhang III der Richtlinie 2004/18 erwähnt sind, als Einrichtungen des öffentlichen Rechts und somit als öffentliche Auftraggeber anzusehen sind.

Die Antragstellerin des Ausgangsverfahrens und die Kommission der Europäischen Gemeinschaften machen insoweit geltend, dass schon die Nennung einer Stelle in Anhang III der Richtlinie 2004/18 eine hinreichende Bedingung sei, um sie als Einrichtung des öffentlichen Rechts einzustufen. Eine solche Nennung beinhalte eine unwiderlegliche Vermutung für diese Einstufung, die jede weitere Prüfung der Art und der Merkmale der fraglichen Stelle überflüssig werden lasse.

Diesem Vorbringen kann nicht gefolgt werden.

Aus Art. 234 Abs. 1 Buchst. b EG geht nämlich hervor, dass ein nationales Gericht jederzeit dem Gerichtshof eine Frage nach der Gültigkeit einer Handlung der Organe der Europäischen Gemeinschaften unterbreiten kann, wenn es eine Entscheidung des Gerichtshof darüber zum Erlass seines Urteils für erforderlich hält.

Hierbei ist zu betonen, dass die fragliche Gemeinschaftsregelung, nämlich die Richtlinie 2004/18, sowohl materielle Vorschriften wie Art. 1 Abs. 9 Unterabs. 2 enthält, der die Voraussetzungen aufführt, denen eine Einrichtung entsprechen muss, um als öffentlicher Auftraggeber im Sinne der genannten Richtlinie angesehen zu werden, als auch - in ihrem Anhang III - Maßnahmen zur Durchführung dieser materiellen Vorschriften wie die Einfügung eines nicht erschöpfenden Verzeichnisse derjenigen Einrichtungen des öffentlichen Rechts, für die davon auszugehen ist, dass sie diese Voraussetzungen erfüllen. In diesem Zusammenhang ist es Sache des Gemeinschaftsrichters, sich, wenn ihm von einem nationalen Gericht ein dahin gehend begründetes Ersuchen unterbreitet wird, zu vergewissern, dass die fragliche Gemeinschaftshandlung kohärent ist, indem er prüft, ob die Nennung einer bestimmten Einrichtung in dem genannten Verzeichnis eine zutreffende Anwendung der in der genannten Bestimmung festgelegten materiellen Kriterien erkennen lässt. Dieses Vorgehen des Gerichtshofs ist im Interesse der Rechtssicherheit geboten, die ein allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts ist.

Im vorliegenden Fall wirft das vorlegende Gericht, wenn auch nicht ausdrücklich, eine Frage nach der Gültigkeit der Nennung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden öffentlichen Krankenkassen in Anhang III der Richtlinie 2004/18 auf. Es weist auf die Meinungsverschiedenheiten hin, die in Deutschland in Rechtsprechung und Schrifttum zu der Frage bestehen, ob diese Nennung eine hinreichende und ausschließliche Voraussetzung dafür darstellt, um diese Kassen als Einrichtungen des öffentlichen Rechts einzustufen, und bringt klar seine eigenen Zweifel hieran zum Ausdruck. Aus diesen Gründen formuliert es seine erste Frage unter dem Blickwinkel der in Art. 1 Abs. 9 Unterabs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2004/18 aufgeführten materiellen Tatbestandsmerkmale.

Folglich möchte das vorlegende Gericht den Gerichtshof nach der Gültigkeit der Nennung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Einrichtung in Anhang III der Richtlinie 2004/ 18 nach Maßgabe der in der genannten Vorschrift aufgeführten materiellen Voraussetzungen befragen.

Zur Beantwortung dieser Frage ist daran zu erinnern, dass die drei Tatbestandsmerkmale, auf die Art. 1 Abs. 9 Unterabs. 2 Buchst. a, b und c der Richtlinie 2004/18 abstellt und die erfüllt sein müssen, damit eine Stelle als Einrichtung des öffentlichen Rechts angesehen wird, kumulativen Charakter haben (Urteil vom 10. April 2008, Ing. Aigner, C-393/06, Slg. 2008, I-2339, Randnr. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Die Tatbestandsmerkmale, auf die Art. 1 Abs. 9 Unterabs. 2 Buchst. a und b der Richtlinie 2004/18 abstellt, sind, wie aus der Vorlageentscheidung hervorgeht, im vorliegenden Fall erfüllt. Denn die fraglichen gesetzlichen Krankenkassen sind juristische Personen des öffentlichen Rechts; sie wurden durch Gesetz zu dem besonderen Zweck gegründet, Aufgaben im Zusammenhang mit der Gesundheit der Bevölkerung zu erfüllen, die im Allgemeininteresse liegen, und diese Aufgaben sind nichtgewerblicher Art, da die genannten Kassen ihre Leistungen nicht in Gewinnerzielungsabsicht erbringen. Somit bleibt zu prüfen, ob zumindest eine der alternativen Voraussetzungen, die in den drei in Art. 1 Abs. 9 Unterabs. 2 Buchst. c dieser Richtlinie wiedergegebenen Fallvarianten vorgesehen sind, im vorliegenden Fall erfüllt ist, und zwar, erstens, das Tatbestandsmerkmal der überwiegenden Finanzierung durch den Staat.

In Bezug auf dieses Tatbestandsmerkmal ist zunächst daran zu erinnern, dass der Schutz der Gesundheit der Bevölkerung, wie aus dem fraglichen nationalen System sowie den in den Randnrn. 24 und 25 des vorliegenden Urteils angeführten Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts hervorgeht, eine der Grundaufgaben des Staates ist und dass die gesetzlichen Krankenkassen in den Staat eingegliedert sind und der Sache nach Aufgaben in mittelbarer Staatsverwaltung wahrnehmen.

Sodann ist darauf hinzuweisen, dass der Rechtsprechung des Gerichtshofs zufolge der Wortlaut des Art. 1 Abs. 9 Unterabs. 2 Buchst. c erster Fall der Richtlinie 2004/18 keine näheren Angaben zu der Art und Weise enthält, in der die Finanzierung, um die es in dieser Vorschrift geht, zu erfolgen hat. So verlangt diese Vorschrift insbesondere nicht, dass die Tätigkeit der fraglichen Einrichtungen direkt vom Staat oder einer anderen Stelle des öffentlichen Rechts finanziert wird, damit die betreffende Voraussetzung erfüllt ist. Eine Art der indirekten Finanzierung reicht somit hierfür aus (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Dezember 2007, Bayerischer Rundfunk u. a., C-337/06, Slg. 2007, I-11173, Randnrn. 34 und 49).

Erstens ist festzustellen, dass die Finanzierung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden gesetzlichen Krankenkassen nach der maßgeblichen nationalen Regelung durch die Beiträge der Mitglieder - einschließlich der für diese von den Arbeitgebern gezahlten Beiträge -, unmittelbare Zahlungen der Bundesbehörden sowie Ausgleichszahlungen dieser Kassen untereinander sichergestellt wird, die sich aus dem System des Risikostrukturausgleichs zwischen ihnen ergeben. Die Kassen werden weit überwiegend durch die Pflichtbeiträge der Versicherten finanziert.

Zweitens ergibt sich aus der Vorlageentscheidung, dass die Beiträge der Versicherten ohne spezifische Gegenleistung im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs gezahlt werden ( vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. Oktober 2000, University of Cambridge, C-380/98, Slg. 2000, I-8035, Randnrn. 23 bis 25). Diese Zahlungen sind nämlich nicht mit einer konkreten vertraglichen Gegenleistung verbunden, da weder die Beitragspflicht noch die Beitragshöhe das Ergebnis einer Vereinbarung zwischen den gesetzlichen Krankenkassen und ihren Mitgliedern ist; diese sind kraft Gesetzes zur Zahlung der Beiträge allein aufgrund ihrer Mitgliedschaft verpflichtet, die auch gesetzlich vorgeschrieben ist (vgl. in diesem Sinne Urteil Bayerischer Rundfunk u. a., Randnr. 45). Außerdem richtet sich die Höhe der Beiträge allein nach der Leistungsfähigkeit jedes Versicherten; andere Gesichtspunkte, wie etwa das Alter des Versicherten, sein Gesundheitszustand oder die Zahl der Mitversicherten, spielen hierbei keine Rolle.

Drittens stellt das vorlegende Gericht fest, dass der Beitragssatz - im Unterschied zu der in der Rechtssache, in der das Urteil Bayerischer Rundfunk u. a. ergangen ist, fraglichen Gebühr - im vorliegenden Fall nicht durch die Träger der öffentlichen Gewalt, sondern durch die gesetzlichen Krankenkassen selbst festgelegt wird. Das vorlegende Gericht weist allerdings zu Recht darauf hin, dass der Spielraum dieser Kassen hierbei äußerst begrenzt ist, da ihr Auftrag darin besteht, die Leistungen sicherzustellen, die die Regelung auf dem Gebiet der Sozialversicherung vorsieht. Somit ist der Beitragssatz, da die Leistungen und die mit diesen verbundenen Ausgaben gesetzlich vorgesehen sind und die genannten Kassen ihre Aufgaben nicht mit Gewinnerzielungsabsicht wahrnehmen, so festzusetzen, dass die sich daraus ergebenden Einnahmen die Ausgaben nicht unterschreiten oder übersteigen.

Viertens ist zu betonen, dass die Festsetzung des Beitragssatzes durch die gesetzlichen Krankenversicherungen in jedem Fall der Genehmigung durch die staatliche Aufsichtsbehörde der jeweiligen Krankenkasse bedarf. Der genannte Satz ist somit, wie es das vorlegende Gericht formuliert, in gewissem Umfang rechtlich vorgegeben. Was schließlich die übrigen Einnahmequellen dieser Kassen betrifft, so sind die unmittelbaren Zahlungen der Bundesbehörden, wiewohl an sich von geringerer Bedeutung, unbestreitbar eine unmittelbare Finanzierung durch den Staat.

Was schließlich die Art und Weise der Erhebung der Beiträge betrifft, ergibt sich aus der Vorlageentscheidung, dass in der Praxis der Arbeitgeber den Beitragsanteil des Versicherten von dessen Gehalt einbehält und ihn zusammen mit seinem Anteil an die zuständige gesetzliche Krankenkasse zahlt. Die Erhebung der Beiträge erfolgt somit ohne Interventionsmöglichkeit des Versicherten. Das vorlegende Gericht weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Beiträge aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zwangsweise eingezogen werden.

Es ist somit ebenso wie in den Schlussfolgerungen, zu denen der Gerichtshof in Randnr. 48 des Urteils Bayerischer Rundfunk u. a. gelangt ist, davon auszugehen, dass eine Finanzierung eines öffentlichen Krankenversicherungssystems wie die im Ausgangsverfahren fragliche, die durch einen staatlichen Akt eingeführt worden ist, in der Praxis durch die Träger der öffentlichen Gewalt garantiert wird und durch eine öffentlich-rechtlichen Vorschriften unterliegende Art der Erhebung der sich hierauf beziehenden Beiträge sichergestellt wird, die Voraussetzung der überwiegenden Finanzierung durch den Staat für die Anwendung der Gemeinschaftsvorschriften auf dem Gebiet der Vergabe öffentlicher Aufträge erfüllt.

Angesichts dieses Ergebnisses und in Anbetracht des alternativen Charakters der Tatbestandsmerkmale, die Art. 1 Abs. 9 Unterabs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2004/18 vorsieht, ist nicht zu prüfen, ob das Tatbestandsmerkmal der Beaufsichtigung der Leitung der gesetzlichen Krankenkassen durch die Träger der öffentlichen Gewalt im vorliegenden Fall erfüllt ist.

Auf die erste Vorlagefrage ist demnach zu antworten, dass Art. 1 Abs. 9 Unterabs. 2 Buchst. c erster Fall der Richtlinie 2004/18 dahin auszulegen ist, dass eine überwiegende Finanzierung durch den Staat vorliegt, wenn die Tätigkeiten der gesetzlichen Krankenkassen hauptsächlich durch Mitgliedsbeiträge finanziert werden, die nach öffentlich-rechtlichen Regeln, wie sie im Ausgangsverfahren in Rede stehen, auferlegt, berechnet und erhoben werden. Derartige Krankenkassen sind für die Anwendung der Vorschriften dieser Richtlinie als Einrichtungen des öffentlichen Rechts und damit als öffentliche Auftraggeber anzusehen.


Zur zweiten Frage:

Mit dieser Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, welches Kriterium anzuwenden ist, um zu bestimmen, ob ein gemischter öffentlicher Auftrag, der sowohl die Lieferung von Waren als auch die Erbringung von Dienstleistungen zum Gegenstand hat, als Lieferauftrag oder als Dienstleistungsauftrag anzusehen ist und ob das hierfür anzuwendende Kriterium nur im Wert der unterschiedlichen Teile besteht, aus denen sich der fragliche gemischte Auftrag zusammensetzt. Allerdings ergibt sich aus der Vorlageentscheidung, dass das nationale Gericht auch wissen möchte, ob bei der Zurverfügungstellung von Waren, die individuell nach den Bedürfnissen des jeweiligen Kunden hergestellt und angepasst werden und über deren Nutzung die jeweiligen Kunden individuell beraten werden müssen, die Anfertigung der genannten Waren dem Auftragsteil der "Lieferung" oder dem der "Dienstleistung" für die Berechnung des Werts des jeweiligen Bestandteils zuzuordnen ist.

Zur Beantwortung dieser Frage ist zunächst festzustellen, dass die Richtlinie 2004/18 für den Fall, dass ein Auftrag sowohl die Lieferung von Waren als auch die Erbringung von Dienstleistungen umfasst, in ihrem Art. 1 Abs. 2 Buchst. d Unterabs. 2 eine Sonderregel enthält, die ein Abgrenzungskriterium zur Einstufung des fraglichen Auftrags als Lieferauftrag oder als Dienstleistungsauftrag aufstellt, nämlich den jeweiligen Wert der in diesen Auftrag einbezogenen Waren und Dienstleistungen. Dieses Kriterium hat quantitativen Charakter, d. h., es stellt konkret auf den Wert der Gegenleistung ab, die als Vergütung für den Bestandteil "Waren" und den Bestandteil "Dienstleistungen" geschuldet wird, die in den fraglichen Auftrag einbezogen sind.

Bei einem öffentlichen Auftrag jedoch, der sich auf die Erbringung von Dienstleistungen und die Ausführung von Bauleistungen bezieht, verwendet Art. 1 Abs. 2 Buchst. d Unterabs. 3 der Richtlinie 2004/18 ein anderes Abgrenzungskriterium, nämlich das des Hauptgegenstands des fraglichen Auftrags. Dieses Kriterium wurde im Urteil Auroux u. a. (Randnr. 37 und 46) angewandt, in dem es gerade um einen Auftrag ging, der Bauleistungen und Dienstleistungen umfasste.

Weder aus der anwendbaren Gemeinschaftsregelung noch aus der einschlägigen Rechtsprechung des Gerichtshofs geht hervor, dass dieses Kriterium auch im Fall eines gemischten Auftrags in Betracht zu ziehen wäre, der sich auf Lieferungen und Dienstleistungen bezieht.

Sodann ist darauf hinzuweisen, dass gemäß der Bestimmung des Begriffs der "öffentlichen Lieferaufträge" in Art. 1 Abs. 2 Buchst. c Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/18 sich dieser Begriff auf Geschäfte wie beispielsweise Kauf und Miete bezieht, die weiter nicht spezifizierte "Waren" betreffen, ohne dass danach unterschieden würde, ob die fraglichen Waren standardmäßig oder für den Einzelfall, d. h., nach den konkreten Wünschen und Bedürfnissen des Kunden, hergestellt wurden. Der Warenbegriff, auf den diese Vorschrift allgemein abstellt, schließt folglich auch ein Anfertigungsverfahren ein, unabhängig davon, ob die betreffende Ware den Verbrauchern bereits in fertigem Zustand zur Verfügung gestellt oder nach deren Anforderungen hergestellt worden ist.

Diese Betrachtungsweise wird durch Art. 1 Abs. 4 der Richtlinie 1999/44 bestätigt, die als "Kaufverträge" allgemein und ohne Unterscheidung "Verträge über die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender Verbrauchsgüter" einstuft.

Somit ist auf die zweite Vorlagefrage zu antworten, dass, wenn ein gemischter öffentlicher Auftrag sowohl Waren als auch Dienstleistungen zum Gegenstand hat, das für die Bestimmung, ob der fragliche Auftrag als Lieferauftrag oder als Dienstleistungsauftrag anzusehen ist, anzuwendende Kriterium im jeweiligen Wert der in diesen Auftrag einbezogenen Waren und Dienstleistungen besteht. Bei der Zurverfügungstellung von Waren, die individuell nach den Bedürfnissen des jeweiligen Kunden hergestellt und angepasst werden und über deren Nutzung die jeweiligen Kunden individuell zu beraten sind, ist die Anfertigung der genannten Waren dem Auftragsteil der "Lieferung" für die Berechnung des Werts des jeweiligen Bestandteils zuzuordnen.

Zur dritten Frage:

Die dritte Frage ist so zu verstehen, dass sie im Wesentlichen darauf abzielt, ob dann, wenn sich die Erbringung von Dienstleistungen bei dem im Ausgangsverfahren fraglichen Auftrag als im Verhältnis zur Warenlieferung überwiegend herausstellen sollte, die Auftragsvergabe zwischen einer gesetzlichen Krankenkasse und einem Orthopädie-Schuhtechniker im Hinblick auf die in der Vorlageentscheidung dargelegten Merkmale als "Dienstleistungskonzession" im Sinne von Art. 1 Abs. 4 der Richtlinie 2004/18 oder als "Rahmenvereinbarung" im Sinne von Art. 1 Abs. 5 der genannten Richtlinie einzustufen ist.

Gemäß der in Art. 1 Abs. 4 der Richtlinie 2004/18 enthaltenen Begriffsbestimmung ist die Dienstleistungskonzession ein Vertrag, der von öffentlichen Dienstleistungsaufträgen nur insofern abweicht, als die Gegenleistung für die Erbringung der Dienstleistungen ausschließlich in dem Recht zur Nutzung der Dienstleistung oder in diesem Recht zuzüglich der Zahlung eines Preises besteht.

Die Rahmenvereinbarung wird ihrerseits in Art. 1 Abs. 5 der Richtlinie 2004/18 als eine Vereinbarung zwischen einem oder mehreren öffentlichen Auftraggebern und einem oder mehreren Wirtschaftsteilnehmern definiert, die zum Ziel hat, die Bedingungen, insbesondere in Bezug auf den Preis und gegebenenfalls die in Aussicht genommene Menge, für die Aufträge festzulegen, die im Laufe eines bestimmten Zeitraums vergeben werden sollen.

Aus diesen Definitionen geht hervor, dass die betreffenden Begriffe recht ähnliche Merkmale aufweisen, so dass eine deutliche Unterscheidung zwischen ihnen von vornherein nicht einfach ist.

Auf jeden Fall ergibt sich aus der oben angeführten Definition der Dienstleistungskonzession, dass für diese eine Lage kennzeichnend ist, in der ein Auftraggeber ein Recht zur Nutzung einer bestimmten Dienstleistung an einen Konzessionär überträgt, wobei Letzterer im Rahmen des geschlossenen Vertrags über eine bestimmte wirtschaftliche Freiheit verfügt, um die Bedingungen zur Nutzung dieses Rechts zu bestimmen, und somit parallel dazu weitgehend den mit dieser Nutzung verbundenen Risiken ausgesetzt ist. Demgegenüber ist eine Rahmenvereinbarung dadurch gekennzeichnet, dass der Tätigkeit des Wirtschaftsteilnehmers, der Vertragspartner der Vereinbarung ist, insoweit Grenzen gesetzt sind, als sämtliche im Laufe eines bestimmten Zeitraums an ihn zu vergebenden Aufträge die in dieser Vereinbarung vorgesehenen Bedingungen einhalten müssen.

Dieses Unterscheidungsmerkmal findet in der Rechtsprechung des Gerichtshofs eine Bestätigung, der zufolge eine Dienstleistungskonzession dann vorliegt, wenn die vereinbarte Art der Vergütung im Recht des Dienstleistungserbringers zur Verwertung seiner eigenen Leistung besteht und impliziert, dass er das mit den fraglichen Dienstleistungen verbundene Betriebsrisiko übernimmt (Urteil vom 18. Juli 2007, Kommission/Italien, C-382/05, Slg. 2007, I-6657, Randnr. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Im vorliegenden Fall ist der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Auftrag ein sogenannter "Vertrag über die integrierte Versorgung", der in den §§ 140a bis 140e SGB V vorgesehen ist und zwischen einer gesetzlichen Krankenkasse und einem Wirtschaftsteilnehmer geschlossen wird. Nach diesem Vertrag übernimmt der Wirtschaftsteilnehmer die Verpflichtung zur Versorgung der Versicherten, die sich an ihn wenden. Zugleich werden in dem genannten Vertrag die Preise für die unterschiedlichen Leistungsformen und die Vertragsdauer bestimmt. Mengenmäßig werden die verschiedenen Leistungen nicht festgelegt, doch verlangt der Begriff der Dienstleistungskonzession eine derartige Klausel nicht. Die gesetzliche Krankenkasse ist die alleinige Schuldnerin des Vergütungsanspruchs des Leistungserbringers. Es zeigt sich somit, dass die Bedingungen für die Ausübung der Tätigkeit des Wirtschaftsteilnehmers in dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Vertrag definiert werden, so dass der genannte Wirtschaftsteilnehmer nicht über den Grad wirtschaftlicher Freiheit verfügt, der für die Situation einer Dienstleistungskonzession kennzeichnend ist, und auch nicht einem beträchtlichen, mit der Nutzung seiner Leistungen verbundenen Risiko ausgesetzt ist.

Zwar ließe sich sagen, dass der Wirtschaftsteilnehmer im vorliegenden Fall einem gewissen Risiko ausgesetzt ist, da seine Waren und Dienstleistungen von den Versicherten möglicherweise nicht in Anspruch genommen werden. Dieses Risiko ist jedoch gering. Denn der Wirtschaftsteilnehmer ist des mit der Beitreibung seiner Vergütung und der Insolvenz seines einzelnen Vertragspartners verbundenen Risikos enthoben, da die gesetzliche Krankenkasse von Rechts wegen die alleinige Schuldnerin seiner Vergütung ist. Außerdem muss er, obwohl er für seine Leistungen über eine hinreichende Ausstattung verfügen muss, im Vorfeld keine beträchtlichen Aufwendungen tätigen, bevor er einen Einzelvertrag mit einem Versicherten schließt. Schließlich ist im Voraus die Anzahl der Versicherten, die unter dem sogenannten "diabetischen Fußsyndrom" leiden und sich an diesen Wirtschaftsteilnehmer wenden können, bekannt, so dass dessen Inanspruchnahme angemessen vorhersehbar ist.

Folglich wird das mit der Ausübung der fraglichen Tätigkeiten verbundene Risiko - ein Aspekt, der für die Lage eines Konzessionärs im Rahmen einer Dienstleistungskonzession kennzeichnend ist - im vorliegenden Fall nicht überwiegend von dem Wirtschaftsteilnehmer getragen.

Somit ist auf die dritte Vorlagefrage zu antworten, dass dann, wenn sich die Erbringung von Dienstleistungen bei dem fraglichen Auftrag als im Verhältnis zur Warenlieferung überwiegend herausstellen sollte, eine zwischen einer gesetzlichen Krankenkasse und einem Wirtschaftsteilnehmer geschlossene Vereinbarung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, in der die Vergütung für die verschiedenen von diesem Wirtschaftsteilnehmer erwarteten Versorgungsformen sowie die Laufzeit der Vereinbarung festgelegt werden, wobei der genannte Wirtschaftsteilnehmer die Verpflichtung übernimmt, Leistungen gegenüber den Versicherten zu erbringen, die diese bei ihm nachfragen, und die genannte Kasse ihrerseits die alleinige Schuldnerin der Vergütung für das Tätigwerden dieses Wirtschaftsteilnehmers ist, als eine "Rahmenvereinbarung" im Sinne von Art. 1 Abs. 5 der Richtlinie 2004/18 anzusehen ist.

Kosten:

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:

1.Art. 1 Abs. 9 Unterabs. 2 Buchst. c erster Fall der Richtlinie 2004/18 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge ist dahin auszulegen, dass eine überwiegende Finanzierung durch den Staat vorliegt, wenn die Tätigkeiten der gesetzlichen Krankenkassen hauptsächlich durch Mitgliedsbeiträge finanziert werden, die nach öffentlich-rechtlichen Regeln, wie sie im Ausgangsverfahren in Rede stehen, auferlegt, berechnet und erhoben werden. Derartige Krankenkassen sind für die Anwendung der Vorschriften dieser Richtlinie als Einrichtungen des öffentlichen Rechts und damit als öffentliche Auftraggeber anzusehen.

2. Hat ein gemischter öffentlicher Auftrag sowohl Waren als auch Dienstleistungen zum Gegenstand, besteht das für die Bestimmung, ob der fragliche Auftrag als Lieferauftrag oder als Dienstleistungsauftrag anzusehen ist, anzuwendende Kriterium im jeweiligen Wert der in diesen Auftrag einbezogenen Waren und Dienstleistungen. Bei der Zurverfügungstellung von Waren, die individuell nach den Bedürfnissen des jeweiligen Kunden hergestellt und angepasst werden und über deren Nutzung die jeweiligen Kunden individuell zu beraten sind, ist die Anfertigung der genannten Waren dem Auftragsteil der "Lieferung" für die Berechnung des Wertes des jeweiligen Bestandteils zuzuordnen.

3. Sollte sich die Erbringung von Dienstleistungen bei dem fraglichen Auftrag als im Verhältnis zur Warenlieferung überwiegend herausstellen, ist eine zwischen einer gesetzlichen Krankenkasse und einem Wirtschaftsteilnehmer geschlossene Vereinbarung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, in der die Vergütung für die verschiedenen, von diesem Wirtschaftsteilnehmer erwarteten Versorgungsformen sowie die Laufzeit der Vereinbarung festgelegt werden, wobei der genannte Wirtschaftsteilnehmer die Verpflichtung übernimmt, Leistungen gegenüber den Versicherten zu erbringen, die diese bei ihm nachfragen, und die genannte Kasse ihrerseits die alleinige Schuldnerin der Vergütung für das Tätigwerden dieses Wirtschaftsteilnehmers ist, als eine "Rahmenvereinbarung" im Sinne von Art. 1 Abs. 5 der Richtlinie 2004/18 anzusehen.

Referenznummer:

R/R4268


Informationsstand: 25.08.2009