Urteil
Beschwerde gegen Nichtzulassung der Berufung - Übernahme der Kosten von maßgefertigten Einlagen für einen Jugendlichen durch die Krankenkasse - Wiederkehrende Leistungen i.S.d. § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG

Gericht:

LSG Mainz


Aktenzeichen:

L 5 KR 100/09 NZB


Urteil vom:

13.07.2009


Tenor:

1. Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem Urteil des Sozialgerichts Trier vom 17.3.2009 wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beklagte begehrt die Zulassung der Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil, mit dem das Sozialgericht sie verurteilt hat, dem Kläger die Kosten propriozeptiver Einlagen zu erstatten.

Der 2003 geborene, bei der Beklagten familienversicherte Kläger leidet beidseits unter einem Knickfuß (pes valgum), Senk-Spreizfuß, Außenrotationsfehlstellung beider Füße von 40°, Genu recurvatum (abnorme Überstreckbarkeit des Unterschenkels im Kniegelenk) beidseits mit 15° Überstreckbarkeit bei Hypermobilität und hypotoner Beinmuskulatur sowie Genu valgum (sog. X-Bein) beidseits. Der behandelnde Arzt verordnete dem Kläger am 14.9.2006 und erneut am 13.12.2007 sensomotorisch, physiodynamisch, propriozeptiv wirkende Fußbettungen nach Maß. Die hierauf gestützten Leistungsanträge des Klägers lehnte die Beklagte unter Berufung auf entsprechende sozialmedizinische Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) ab (Bescheid vom 2.10.2006 und Widerspruchsbescheid vom 5.12.2006 sowie Bescheid vom 18.2.2008 und Widerspruchsbescheid vom 28.2.2008). Auf die hiergegen gerichteten Klagen hat das Sozialgericht Trier durch Urteil vom 17.3.2009 unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide die Beklagte verurteilt, an den Kläger 300 EUR für propriozeptive Einlagen zu zahlen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe einen Anspruch auf Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 in Verbindung mit § 33 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), da die verordneten Einlagen nach dem überzeugenden Gutachten des von Amts wegen gehörten Sachverständigen zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung notwendig seien. Die einschlägigen Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und orthopädische Chirurgie und des Bundesverbandes der Ärzte für Orthopädie "Kindlicher Knick-Senkfuß" sähen eine korrigierende Einlagenversorgung vor. Dem Wortlaut könne nicht entnommen werden, dass hiermit ausschließlich Standardeinlagen nach Maßgabe der Kassenpreislisten gemeint seien. Der Sachverständige habe für den streitgegenständlichen Einzelfall auch den therapeutischen Nutzen von propriozeptiven Einlagen bejaht. Die Berufung sei nicht zuzulassen, da es sich um eine Einzelfallentscheidung handle, der keine grundsätzliche Bedeutung zukomme.

Nach Zustellung des Urteils am 16.4.2009 hat die Beklagte am 13.5.2009 Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung eingelegt. Sie trägt vor, da in Anbetracht des Alters des Klägers damit zu rechnen sei, dass eine Versorgung in halbjährlichem Abstand auch künftig erforderlich werde, handle es sich nicht um eine einmalige Versorgung, sondern um eine wiederkehrende Leistung. Das Urteil weiche auch von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vom 31.8.2000 - B 3 KR 21/99 - ab. Hiernach müsse sich die Bewertung von Hilfsmitteln an den Aufgaben und Zielen der gesetzlichen Krankenversicherung orientieren, d.h. sie müsse der Krankenbehandlung der Versicherten nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots dienen; die in § 135 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V für die Bewertung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden genannten Kriterien seien auch für die Bewertung von Hilfsmitteln maßgeblich. Das Sozialgericht habe außer Acht gelassen, dass der therapeutische Nutzen und die Wirksamkeit der speziellen Einlageform nicht belegt und eine Versorgung mit Standardeinlagen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sei. Es handle sich auch nicht um eine Einzelfallentscheidung. Vielmehr komme der Entscheidung grundsätzliche Bedeutung zu, da es um die Frage gehe, ob der Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung sich an Erfahrungswerten einzelner Ärzte orientieren solle. Der MDK Hessen habe in einem Gutachten vom 17.2.2009 u.a. ausgeführt, dass in der aktuellen Literatur die Versorgung mit sensomotorischen, koordinationsfördernden Einlagen äußerst kontrovers diskutiert werde; die Produkte hielten einer ärztlichen Kritik mit wissenschaftlicher Beurteilung nicht stand. Zudem würden propriozeptive Einlagen häufig verordnet und auf Grund der sozialmedizinischen Beurteilung regelmäßig abgelehnt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 17.3.2009 zuzulassen.

Der Kläger beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, Gründe für die Zulassung der Berufung seien nicht gegeben.

Zu den weiteren Einzelheiten des Sachverhalts verweist der Senat auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der Beratung war.

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

Landesrecht Rheinland-Pfalz

Tenor:

1. Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem Urteil des Sozialgerichts Trier vom 17.3.2009 wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.


Gründe:

I.

Die Beklagte begehrt die Zulassung der Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil, mit dem das Sozialgericht sie verurteilt hat, dem Kläger die Kosten propriozeptiver Einlagen zu erstatten.

Der 2003 geborene, bei der Beklagten familienversicherte Kläger leidet beidseits unter einem Knickfuß (pes valgum), Senk-Spreizfuß, Außenrotationsfehlstellung beider Füße von 40°, Genu recurvatum (abnorme Überstreckbarkeit des Unterschenkels im Kniegelenk) beidseits mit 15° Überstreckbarkeit bei Hypermobilität und hypotoner Beinmuskulatur sowie Genu valgum (sog. X-Bein) beidseits. Der behandelnde Arzt verordnete dem Kläger am 14.9.2006 und erneut am 13.12.2007 sensomotorisch, physiodynamisch, propriozeptiv wirkende Fußbettungen nach Maß. Die hierauf gestützten Leistungsanträge des Klägers lehnte die Beklagte unter Berufung auf entsprechende sozialmedizinische Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) ab (Bescheid vom 2.10.2006 und Widerspruchsbescheid vom 5.12.2006 sowie Bescheid vom 18.2.2008 und Widerspruchsbescheid vom 28.2.2008). Auf die hiergegen gerichteten Klagen hat das Sozialgericht Trier durch Urteil vom 17.3.2009 unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide die Beklagte verurteilt, an den Kläger 300 EUR für propriozeptive Einlagen zu zahlen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe einen Anspruch auf Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 in Verbindung mit § 33 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), da die verordneten Einlagen nach dem überzeugenden Gutachten des von Amts wegen gehörten Sachverständigen zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung notwendig seien. Die einschlägigen Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und orthopädische Chirurgie und des Bundesverbandes der Ärzte für Orthopädie "Kindlicher Knick-Senkfuß" sähen eine korrigierende Einlagenversorgung vor. Dem Wortlaut könne nicht entnommen werden, dass hiermit ausschließlich Standardeinlagen nach Maßgabe der Kassenpreislisten gemeint seien. Der Sachverständige habe für den streitgegenständlichen Einzelfall auch den therapeutischen Nutzen von propriozeptiven Einlagen bejaht. Die Berufung sei nicht zuzulassen, da es sich um eine Einzelfallentscheidung handle, der keine grundsätzliche Bedeutung zukomme.

Nach Zustellung des Urteils am 16.4.2009 hat die Beklagte am 13.5.2009 Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung eingelegt. Sie trägt vor, da in Anbetracht des Alters des Klägers damit zu rechnen sei, dass eine Versorgung in halbjährlichem Abstand auch künftig erforderlich werde, handle es sich nicht um eine einmalige Versorgung, sondern um eine wiederkehrende Leistung. Das Urteil weiche auch von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vom 31.8.2000 - B 3 KR 21/99 - ab. Hiernach müsse sich die Bewertung von Hilfsmitteln an den Aufgaben und Zielen der gesetzlichen Krankenversicherung orientieren, d.h. sie müsse der Krankenbehandlung der Versicherten nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots dienen; die in § 135 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V für die Bewertung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden genannten Kriterien seien auch für die Bewertung von Hilfsmitteln maßgeblich. Das Sozialgericht habe außer Acht gelassen, dass der therapeutische Nutzen und die Wirksamkeit der speziellen Einlageform nicht belegt und eine Versorgung mit Standardeinlagen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sei. Es handle sich auch nicht um eine Einzelfallentscheidung. Vielmehr komme der Entscheidung grundsätzliche Bedeutung zu, da es um die Frage gehe, ob der Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung sich an Erfahrungswerten einzelner Ärzte orientieren solle. Der MDK Hessen habe in einem Gutachten vom 17.2.2009 u.a. ausgeführt, dass in der aktuellen Literatur die Versorgung mit sensomotorischen, koordinationsfördernden Einlagen äußerst kontrovers diskutiert werde; die Produkte hielten einer ärztlichen Kritik mit wissenschaftlicher Beurteilung nicht stand. Zudem würden propriozeptive Einlagen häufig verordnet und auf Grund der sozialmedizinischen Beurteilung regelmäßig abgelehnt.


Die Beklagte beantragt,

die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 17.3.2009 zuzulassen.


Der Kläger beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, Gründe für die Zulassung der Berufung seien nicht gegeben.

Zu den weiteren Einzelheiten des Sachverhalts verweist der Senat auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der Beratung war.

Referenznummer:

R/R3709


Informationsstand: 18.11.2011