Mit Einverständnis der Beteiligten konnte das Gericht gemäß § 101
Abs. 2
VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 6. Juli 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. August 2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113
Abs. 1 Satz 1
VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Beihilfe zu den geltend gemachten Aufwendungen für die zwei Paar Aktivschuhe mit Abrollfunktion und Fußbettung (§ 113
Abs. 5 Satz 1
VwGO).
1. Die Verordnung über die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen in Krankheits-, Geburts-, Pflege- und sonstigen Fällen - Bayer. Beihilfeverordnung (BayBhV) vom 2. Januar 2007 (GVBl
S. 15 vom 15.01.2007, zuletzt geändert mit Verordnung vom 16.04.2009 GVBl
S. 117) - trat am 1. Januar 2007 in Kraft und ist somit auf alle ab 1. Januar 2007 entstandenen Aufwendungen und daher auch im vorliegenden Fall anwendbar (§§ 50 und 51
Abs. 2 BayBhV).
2. Nach § 7
Abs. 1 Satz 1 BayBhV sind nach den folgenden Vorschriften Aufwendungen beihilfefähig, "wenn sie (1.) dem Grunde nach medizinisch notwendig, (2.) sie der Höhe nach angemessen sind und (3.) die Beihilfefähigkeit nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist."
3. In den "folgenden Vorschriften", nämlich - hier - § 21
Abs. 1 Satz 1 BayBhV ist festgelegt, dass beihilfefähig u.a. die Aufwendungen für die Anschaffung der in der Anlage 3 genannten oder vergleichbarer Geräte zur Selbstbehandlung und zur Selbstkontrolle, Körperersatzstücke sowie die Unterweisung im Gebrauch dieser Gegenstände sind, wenn sie vom Arzt schriftlich verordnet wurden. Dies gilt nach Halbsatz 2 des § 21
Abs. 1 Satz 1 BayBhV nicht für Gegenstände von geringem oder umstrittenem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis oder Gegenstände, die der allgemeinen Lebensführung unterliegen. Dies zugrunde gelegt sind die Aufwendungen für die vom Kläger beschafften Aktivschuhe mit Abrollfunktion und Fußbettung nicht beihilfefähig.
a) Die Anlage 3 enthält eine Liste beihilfefähiger Hilfsmittel. Aktivschuhe mit Abrollfunktion und Fußbettung sind dort weder vorzufinden noch mit anderen dort genannten Hilfsmitteln vergleichbar. Sie stellen ausgehend von der telefonischen Auskunft des Verkäufers vom 5. August 2010 (ein dem MBT-Schuh ähnlicher Schuh, kein Maßschuh) und den Recherchen des Gerichts im Internet weder beihilfefähige Anti-Varus-Schuhe noch beihilfefähige therapeutische Schaumstoffschuhe dar. Es handelt sich vielmehr von einigen Herstellern (
z.B. RYN, Ganter, MBT,
vgl. zu letzterem
VG München, Urteil vom 22.11.2005, Az. M 5 K 05.1133 - Juris) vertriebene Schuhe mit einer speziellen, rundlichen Sohlenkonstruktion, die nach Herstellerangaben für eine aufrechtere Haltung, Entlastung der Wirbelsäule und Gelenke, Aktivierung der Körpermuskulatur sowie zu einer Verbesserung des Gangbildes sorgen sollen (
z.B. www.ryndeutschland.de/faq/index.html; www.gerdes-schuhe.de/8.html; http://gms-verbund.de/fileadmin/Schuhe_und_Wellness/SW_Magazin_1-2009.
pdf; http://www.mbtschuh.net/). Ebensowenig sind sie als beihilfefähige orthopädische Maßschuhe anzusehen, die nicht serienmäßig hergestellt werden; denn die genannten Aktivschuhe sind kein auf die einzelnen, individuellen körperlichen Besonderheiten speziell angepasstes "maßgeschneidertes" Schuhwerk, sondern vielmehr Produkte, die "jedermann" am Markt angeboten werden - und zwar in verschiedenen Modellen, in verschiedenen Farben und in den für Schuhe handelsüblichen Größen (
vgl. die Produktinformationen a.a.O.)
b) Soweit das
OVG Lüneburg (Urteil vom 13.08.2009, Az. 5 LA 398/08 - Juris) auf der Grundlage der früheren Beihilfevorschriften des Bundes eine Beihilfefähigkeit von serienmäßig gefertigten Stabilschuhen angenommen hat, folgt dem das Gericht unter Zugrundelegung der hier anzuwendenden BayBhV nicht. In der genannten Entscheidung des
OVG Lüneburg wurde im Hinblick auf die
Nr. 10 der Anlage 3 zu § 6
Abs. 1
Nr. 4 BhV (a.F.) angenommen, dass auch andere Gegenstände, die nicht in
Nr. 1 und 9 dieser Anlage 3 aufgeführt sind, als Hilfsmittel im Sinne des § 6
Abs. 1
Nr. 4 BhV (a.F.) in Betracht kommen können. Nach der
Nr. 10 der Anlage 3 zu § 6
Abs. 1
Nr. 4 BhV (a.F.) hatte die oberste Dienstbehörde im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern über die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für Hilfsmittel und Geräte zur Selbstbehandlung und Selbstkontrolle, die weder in der Anlage 3 aufgeführt noch den aufgeführten Gegenständen vergleichbar waren, zu entscheiden. Daraus wurde abgeleitet, dass die in den Nrn. 1 und 9 der betreffenden Anlage 3 enthaltenen Auflistungen (sog. Positiv- und Negativliste) nicht abschließend waren und darüber hinaus eine Beihilfefähigkeit im Einzelfall bejaht werden konnte.
c) Zwar enthält auch § 21
Abs. 7 BayBhV eine ähnliche Regelung und zwar dahingehend, dass die oberste Dienstbehörde über die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für Hilfsmittel und Geräte zur Selbstbehandlung und Selbstkontrolle, die weder in der Anlage 3 aufgeführt noch den dort aufgeführten Gegenständen vergleichbar sind entscheidet. Dies gilt nach der genannten Vorschrift jedoch nur für solche Gegenstände, deren Anschaffungswert einen Betrag von 600
EUR übersteigt. Mit letzterer Einschränkung hat der Verordnungsgeber klar zum Ausdruck gebracht, dass zwar grundsätzlich eine Ausweitung der in der Anlage 3 genannten Gegenstände möglich ist, eine hierüber hinausgehende Beihilfefähigkeit im Einzelfall jedoch nur dann vorgesehen ist, wenn die getätigten Aufwendungen eine gewisse Größenordnung übersteigen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass der Verordnungsgeber bei den nicht in der Liste enthaltenen Gegenständen unterhalb dieses Wertes die Möglichkeit einer Beihilfeerstattung auch nicht im Wege der Einzelfallentscheidung eröffnen wollte. Dieser Wert wird im vorliegenden Fall unterschritten.
4. Ein Anspruch auf ergänzende Beihilfeleistungen ergibt sich auch nicht aus der in
Art. 33
Abs. 5 Grundgesetz -
GG - verankerten Fürsorgepflicht des Dienstherrn (
BVerfG, Beschluss vom 13.11.1990 DÖD 1991, 26, 28), die als höherrangiges Recht einer Berufung auf die in der BayBhV enthaltenen Beschränkung der Beihilfefähigkeit hier nicht entgegenstehen würde.
a) Grundsätzlich sind die Dienst- und Versorgungsbezüge dazu bestimmt, den Lebensbedarf des Beamten oder Versorgungsempfängers und seiner Familie zu sichern. Auch die Aufwendungen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen werden mit einem Durchschnittssatz abgedeckt. Nur soweit die Aufwendungen den mit der generell geregelten Besoldung abgegoltenen Durchschnittssatz übersteigen, hat dies der Dienstherr durch die Gewährung von Beihilfen auszugleichen. Die Beihilfe ist daher eine Hilfeleistung, die neben der zumutbaren Eigenbelastung des Beamten ergänzend und in angemessenem Umfang einzugreifen hat, um in einem durch die Fürsorgepflicht gebotenen Maß die wirtschaftliche Lage des Beamten durch Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln zu erleichtern. Wegen des nur ergänzenden und in starkem Maße Angemessenheitserwägungen unterliegenden ergänzenden Charakters der Beihilfe muss der Beamte und Versorgungsempfänger auch gewisse Härten und Nachteile hinnehmen, die sich aus der am Alimentationsgrundsatz nur orientierten pauschalierenden und typisierenden Konkretisierung der Fürsorgepflicht ergeben und keine unzumutbare Belastung darstellen (
vgl. zu allem
BVerwG Urteil vom 16.12.1976 ZBR 1977, 194, 195). Entscheidet sich der Dienstherr für ein Mischsystem aus Eigenleistungen des Beamten und Beihilfen, muss nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts jedoch gewährleistet sein, dass der Beamte nicht mit erheblichen Aufwendungen belastet bleibt, die er auch über eine ihm zumutbare Eigenvorsorge nicht abzusichern vermag (
vgl. BVerfG vom 13.11.1990 a.a.O.; vom 7.11.2002 NVwZ 2003, 720 und vom 2.10.2007 DVBl 2007, 1493;
BVerwG Urteile vom 3.7.2003 NJW 2004, 308 und vom 26.8.2009 NVwZ-RR 2010, 366).
b) Eine lückenlose Erstattung jeglicher Aufwendungen verlangt die Fürsorgepflicht jedoch nicht (
vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 7.11.2002, 13.11.1990, 2.10.2007 jeweils a.a.O und
BVerwG vom 3.7.2003 und 26.8.2009 jeweils a.a.O.). Grundsätzlich lässt sich ein Beihilfeanspruch nicht unmittelbar auf die Fürsorgepflicht stützen, wenn die die Fürsorgepflicht bereits konkretisierenden Beihilfevorschriften eine Beschränkung, wie im vorliegenden Fall für Hilfsmittel, vorsehen. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn sonst die Fürsorgepflicht in ihrem Wesenskern verletzt wäre (
BVerwG Urteil vom 10.6.1999 NVwZ-RR 2000, 99 und vom 24.8.1995 ZBR 1996, 46, 48).
c) Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (
vgl. Urteil vom 15.11.1990, Az. 2 C 13/88 - Juris) kann der Dienstherr Aufwendungen in Krankheitsfällen, derentwegen der Beamte einer ergänzenden Hilfeleistung des Dienstherrn durch Beihilfe bedarf, von den Kosten abgrenzen, die auch sonst bei einer der Gesundheit förderlichen Lebensweise im Rahmen des Üblichen anfallen können. Solche Kosten, die der allgemeinen Lebensführung zuzuordnen sind, kann der Dienstherr ohne Verletzung der Fürsorgeverpflichtung von der Beihilfe ausnehmen und den Beamten darauf verweisen, diese aus seinen Bezügen zu bestreiten. Denn die Fürsorgepflicht gebietet es nicht, neben der amtsangemessenen Besoldung oder Versorgung dem Beamten umfassend für jede durch Krankheit bedingte Verteuerung der allgemeinen Lebenshaltung Beihilfe zu gewähren (
vgl. auch
BVerwG, Urteil vom 14.03.1991, Az. 2 C 23/89 - Juris). Ob und wann ein Hilfsmittel der allgemeinen Lebensführung zuzurechnen ist, bestimmt sich nach der objektiven Eigenart und der objektiven Beschaffenheit des betreffenden Gegenstandes - unabhängig davon, ob im Einzelfall der Gegenstand auch ohne Erkrankung überhaupt und in gleich teurer Ausführung beschafft worden wäre (
vgl. BVerwG, Urteil vom 14.03.1991, a.a.O; BayVGH, Urteil vom 26.11.1992, Az. 3 B 91.2339).
d) Gemessen an diesen Grundsätzen unterfallen die Aufwendungen für die streitgegenständlichen Aktivschuhe den Kosten der allgemeinen Lebensführung. Aktivschuhe mit Abrollfunktion sollen - wie den Produktinformationen zu entnehmen ist (s.o.
Nr. 4 a) - eine positive Wirkung auf den gesamten Körper haben und können von "jedermann", der sich gesundheitsbewusst verhalten möchte, getragen werden ("Darüber hinaus haben ... einen straffenden Effekt auf Bauch-, Bein-und Gesäßmuskulatur." "Die Haltemuskulatur wird trainiert und gestärkt und trägt somit wesentlich dazu bei, Gelenke und Wirbelsäule besser zu stützen". "Durch die erhöhte Muskelaktivität kommt es zu einer Erhöhung des Kalorienverbrauches um bis zu 22 % und in sehr vielen Fällen zur Straffung des Bindegewebes und Vorbeugung gegen Cellulitis." "Der ... unterstützt und verstärkt damit die natürliche Selbstregulierungsfähigkeit unseres Körpers. Das Laufen im ... muss nicht trainiert oder gelernt werden. Der ... führt sanft zum natürlichen Gehen zurück. Durch die Anpassung unseres Körpers an den ... wird die natürliche Balance des komplexen Systems Mensch wiederhergestellt. Die Muskulatur wird gestärkt. Der Kreislauf und der Stoffwechsel werden angeregt. Bauch, Beine und Po werden gestrafft. Cellulite und Krampfadern werden vorgebeugt. Die Körperhaltung wird verbessert. Damit werden Verspannungen aufgelöst und Körper und Geist können sich entspannen. Rückenschmerzen können verschwinden. Die positive Aufladung des Energiehaushaltes stärkt das Immunsystem. Die kontinuierliche Anwendung führt zur Konditionssteigerung. Der Schuh für alle Gelegenheiten".....). Für die Zuordnung eines Hilfsmittels zur allgemeinen Lebenshaltung ist allein die objektive Beschaffenheit und die objektive Eigenart, wie sie nach der Produktinformation zum Ausdruck kommt, entscheidend. Aus diesem Grund spielt es auch keine Rolle, dass die Schuhe dem Kläger wegen seiner körperlichen Beschwerden mehr nützen als dem gesunden Menschen oder dass die Aktivschuhe im Vergleich zu orthopädischen Maßschuhen, auf die der Kläger u.U. einen Beihilfeanspruch hat, preiswerter sind.
e) Dass dennoch aus Fürsorgegesichtspunkten eine Beihilfegewährung erfolgen müsste, ist in Anbetracht der Höhe der Anschaffungskosten zu verneinen. Insoweit kann auf das Urteil des
BVerwG vom 15.11.1990 (Az. 2 C 13/88, a.a.O.) verwiesen werden, wonach bei Anschaffungskosten für Sportstiefel "Adimed-Stabil" von 229 DM von einer möglichen Beeinträchtigung des amtsangemessenen Lebensunterhalts des Beamten und seiner Familie bei derartigen Beträgen keine Rede sein könne. Im Übrigen ist auf Folgendes hinzuweisen: Die Anschaffungskosten für die Aktivschuhe beliefen sich vorliegend auf 260
EUR. Mit Blick darauf, dass diese Schuhe dem Bereich der allgemeinen Lebenshaltung unterliegen und die Anschaffung dieser Schuhe die Anschaffung konventioneller Schuhe ersetzt hat, müsste sich der Kläger in jedem Fall einen Eigenanteil anrechnen lassen. Dabei hielte das Gericht es unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung (
Art. 3
Abs. 1
GG) für sachgerecht, sich bei der Bemessung der Höhe des Eigenanteils an dem für orthopädische Maßschuhe zu entrichtenden Eigenanteils in Höhe von 64
EUR (pro Paar) zu orientieren (
vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 21.11.2008, Az. 5 LA 98/08). Wegen des Bemessungssatzes des Klägers in Höhe von 50 %, der der zumutbaren Eigenvorsorge des Beamten Rechnung trägt, käme von vornherein somit nur eine ergänzende Leistung in Höhe von 61
EUR in Betracht (260
EUR abzüglich 2 x 64
EUR Eigenanteil = 132
EUR; 50 % aus 132
EUR). Von einer Verletzung des Fürsorgegrundsatzes in seinem Wesenskern kann angesichts dieses geringen Betrages keine Rede sein.
Die Klage war nach alledem mit der Kostenfolge des § 154
Abs. 1
VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167
VwGO, §§ 708
Nr. 11
ZPO.