II.
Die statthafte Beschwerde ist form- und fristgerecht gemäß §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) eingelegt und auch im Übrigen zulässig.
Sie ist aber unbegründet, denn der Antragsteller hat keinen Anspruch auf vorläufige Versorgung mit orthopädischen Straßenschuhen. Deshalb konnte offen bleiben, ob der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz mangels Klageerhebung gegen den Widerspruchsbescheid bereits unzulässig ist. Zwar enthält der Widerspruchsbescheid eine Rechtsmittelbelehrung, der Senat musste aber bei der gegebenen Sachlage nicht nachprüfen, ob der Antragsteller tatsächlich in der Hauptsache eine Klage erhoben hat.
Nach § 86b
Abs. 2 Satz 1
SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind nach
Abs. 2 Satz 2 der Norm auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Da der Antragsteller geltend macht, ohne die einstweilige Anordnung drohten ihm wesentliche Nachteile, begehrt er den Erlass einer Regelungsanordnung im Sinne von § 86b
Abs. 2 Satz 2
SGG. Die Regelungsanordnung kann vom Gericht erlassen werden, wenn der Antragsteller glaubhaft macht (§ 86b
Abs. 2 Satz 4
SGG i. V. m. § 920 Zivilprozessordnung [ZPO]), dass ein geltend gemachtes Recht gegenüber der Antragsgegnerin besteht (Anordnungsanspruch) und er ohne den Erlass der begehrten Anordnung, insbesondere bei Abwarten einer Entscheidung in der Hauptsache, wesentliche Nachteile im Sinne von § 86b
Abs. 2 Satz 2
SGG erleiden würde (Anordnungsgrund).
Der Anordnungsanspruch bezieht sich auf das materielle Recht des Antragstellers. Eine einstweilige Anordnung kann nicht ergehen, wenn die Klage offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist, weil dann ein im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens schützenswertes Recht des Antragstellers nicht vorhanden ist. Der Anordnungsgrund setzt voraus, dass dem Antragsteller bei Abwägung seiner Interessen gegen die Interessen des Antragsgegners nicht zugemutet werden kann, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten (
vgl. zum Ganzen: Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 10. Auflage, § 86b
Rdnr. 29
ff. mit weiteren Nachweisen).
Die in tatsächlicher (Glaubhaftmachung) wie in rechtlicher Hinsicht (summarische Prüfung) herabgesetzten Anforderungen für die Annahme eines Anordnungsanspruchs korrespondieren dabei mit dem Gewicht der glaubhaft zu machenden wesentlichen Nachteile. Drohen im Einzelfall ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, dürfen sich die Gerichte nur an den Erfolgsaussichten orientieren, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist. Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Dabei sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen (st. Rspr.,
vgl. BVerfG, Beschl. v. 12. Mai 2005 - 1 BVR 569/05 - BVerfGK 5, 237).
In Anwendung dieser Grundsätze erweist sich das Begehren des Antragstellers als unbegründet. Der Antragsteller hat weder einen Anordnungsanspruch (hierzu 1.) noch einen Anordnungsgrund (hierzu 2.) hinreichend glaubhaft gemacht.
1. Nach dem gegenwärtigen Stand der Ermittlungen ist die Versorgung des Antragstellers mit orthopädischen Straßenschuhen derzeit medizinisch nicht erforderlich.
Nach
§ 33 Abs. 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) in der gegenwärtig geltenden Fassung des
Art. 1
Nr. 17a Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung -
GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (
GKV-WSG) vom 26.03.2007 (BGBl. I
S. 378) haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach
§ 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind. Dabei besteht ein Anspruch auf Versorgung im Hinblick auf die "Erforderlichkeit im Einzelfall" nur, soweit das begehrte Hilfsmittel geeignet, ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ist und das Maß des notwendigen nicht überschreitet; darüber hinausgehende Leistungen darf die Krankenkasse gemäß
§ 12 Abs. 1 SGB V nicht bewilligen.
Der Leistungsumfang, den die Gesetzliche Krankenversicherung als Rehabilitationsträger nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (
SGB IX) in Bezug auf Hilfsmittel schuldet, geht nicht darüber hinaus.
Nach
§ 31 Abs. 1 SGB IX umfassen Hilfsmittel (Körperersatzstücke sowie orthopädische und andere Hilfsmittel) nach
§ 26 Abs. 2 Nr. 6 die Hilfen, die von den Leistungsempfängern getragen oder mitgeführt oder bei einem Wohnungswechsel mitgenommen werden können und unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls erforderlich sind, um
1. einer drohenden Behinderung vorzubeugen,
2. den Erfolg einer Heilbehandlung zu sichern oder
3. eine Behinderung bei der Befriedigung von Grundbedürfnissen des täglichen Lebens auszugleichen, soweit sie nicht allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens sind.
Der Anspruch umfasst nach seinem Absatz 2 Satz 1 auch die notwendige Änderung, Instandhaltung, Ersatzbeschaffung sowie die Ausbildung im Gebrauch der Hilfsmittel.
Damit hat der Gesetzgeber ersichtlich an den Wortlaut der Vorschrift des § 33
SGB V und die dazu ergangene Rechtsprechung angeknüpft. Nach
§ 7 Satz 2 SGB IX richten sich die Zuständigkeit und die Voraussetzungen für die Leistungen zur Teilhabe nach den für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen. Daher regeln die Vorschriften des
SGB IX insbesondere Umgang und Ausführung von Leistungsansprüchen, ohne neue Ansprüche zu begründen (
vgl. Welti in HK-SGB IX, 3. Aufl. 2010, § 7 Rn. 13). Aus dem Wortlaut der Regelung des § 31
Abs. 1
SGB IX wird deutlich, dass auch der Anspruchsumfang nicht über das hinausgeht, was die Gesetzliche Krankenversicherung ihren Versicherten nach § 33
Abs. 1
SGB V schuldet.
Die verschiedenen Krankheitsbilder des Antragstellers rechtfertigen nach den bisher vorliegenden medizinischen Unterlagen seine Versorgung mit orthopädischen Straßenschuhen weder zur Sicherung des Erfolgs einer Krankenbehandlung noch zur Vorbeugung einer drohenden Behinderung oder zum Ausgleich einer Behinderung.
Die Fachärztin für Allgemeinmedizin
Dr. H. hat auf der Verordnung für ein Paar orthopädische Schuhe als Diagnose die Sprunggelenkfraktur angegeben. Nach der Sozialmedizinischen Stellungnahme des SMD vom 24. Juli 2012 finden sich am rechten Sprunggelenk nach der Operation reizlose Narbenverhältnisse ohne Entzündungszeichen oder Schwellung und nur endgradige Bewegungseinschränkungen. Nach Auffassung der begutachtenden Ärzte des SMD ist dadurch die Verordnung von orthopädischen Maßschuhen nicht indiziert. Das stimmt damit überein, dass nach dem Hilfsmittelverzeichnis des
GKV-Spitzenverbandes orthopädische Maßschuhe nach dem derzeitigen medizinisch/wissenschaftlichen Kenntnisstand nur in Verbindung von Form- oder Funktionsveränderungen mit folgenden Krankheitsbildern indiziert sind:
1. Hochgradige dekompensierte Valgusstellung der Ferse und Verlust des Längsgewölbes bei Klick-/Plattfüßen, die nicht mehr oder nur teilweise korrekturfähig sind, Plattfüße Schaukelfuß/Tintenlöscherfuß) in Wiegeform.
2. Überlastung der Außenkante des Fußes bei Klumpfüßen.
3. Schmerzhafte Wackelsteife (noch keine komplette Versteifung, hochgradige Bewegungseinschränkung) des oberen Sprunggelenkes (arthrotisch/pseudarthrotisch).
4. Schmerzhafte Funktionsstörungen der Fußwurzelgelenke, auch als Verletzungsfolgen, besonders in Verbindung mit gleichzeitiger Vorfußverformung und bei wesentlicher Störung der Fußabwicklung mit der Notwendigkeit der Stabilisierung des Rückfußes.
5. Beinverkürzungen von mindestens 3,5
cm.
6. Nicht korrigierbare Fußfehlform bei ausgeprägten Lähmungsfüßen.
7. Hochgradige Sprengung des Fußlängsgewölbes bei Ballenhohlfüßen.
8. Fußteilverlust, der eine Stabilisierung im Rückfuß erforderlich macht (in der Regel proximal der transmetatarsalen Amputationslinie).
9. Ausgeprägte angeborene oder erworbene Veränderungen des Fußes (auch der Zehen), bei denen aufgrund der Breite oder der Höhe des Fußes eine anderweitige Versorgung nicht mehr möglich ist.
10. Schmerzhafte Fehlstellung der Zehengelenke bei chronischen Gelenkentzündungen mit wesentlicher Beeinträchtigung der Belastungsfähigkeit
(z. B. Rheuma).
11. Über Beinprothesen, wenn die Verwendung von Konfektionsschuhen oder konfektionierten Schulen nicht möglich ist.
12. Andauernde ausgeprägte Schwellungszustände der Füße und der Unterschenkel
(z. B. Elephantiasis
u. a. vergleichbare Zustände). Im Tagesverlauf auftretende Schwellungen stellen keine Indikation für orthopädische Maßschuhe dar.
Eine solche oder auch nur damit vergleichbare Indikation liegt beim Antragsteller nach allen bisher vorliegenden medizinischen Unterlagen nicht vor. Aufgrund der Sprunggelenkfraktur rechts ist lediglich eine endgradige Bewegungseinschränkung, also eine Bewegungseinschränkung leichteren Grades verblieben. Die Veränderungen an der Lendenwirbelsäule und an den Kniegelenken wirken sich nach dem Befundbericht von
Dr. S. vom 21. April 2008 nur leicht auf die Gehfähigkeit des Antragstellers aus. Auch die Diagnosen der Operation eines thorakalen Bandscheibenvorfalls BWK 8/9 sowie des Insults im Gyrus precentralis (Schlaganfall mit inkompletter Hemiparese rechts) indizieren nicht die Verordnung orthopädischer Straßenschuhe, denn damit sind weder weitere Fußdeformitäten noch weitere Bewegungseinschränkungen im Bereich der Füße verbunden. Der Antragsteller kann die Füße nach den Feststellungen des SMD heben und senken, sein Gangbild ist unauffällig. Er kann die Füße flüssig abrollen und ungehindert den Zehenspitzen-, Fersen- und Einbeinstand einnehmen. Das Einholen weiterer medizinischer Unterlagen war dem Senat verwehrt, da der Antragsteller die hierfür erforderliche Erklärung über die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht nicht unterzeichnet hat.
Unerheblich ist, ob dem Antragsteller früher bereits orthopädische Maßschuhe verordnet und von der Krankenkasse gewährt worden sind. Möglicherweise war die Sprunggelenkfraktur oder die Hemiparese rechts zum Verordnungszeitpunkt noch mit weitergehenden Funktionseinschränkungen verbunden, als dies zum gegenwärtigen Zeitpunkt festzustellen ist. Eine vorhergehende Verordnung oder Bewilligung von orthopädischen Maßschuhen hat keine Auswirkungen auf eine erneute Verordnung und die Entscheidung über deren Bewilligung. Vielmehr ist die Krankenkasse auch bei bereits vorliegenden vorhergehenden Bewilligungen gehalten, nicht nur die Dauerhaftigkeit der zu Grunde liegenden Erkrankung, sondern auch der damit verbundenen Funktionseinschränkungen regelmäßig zu überprüfen. Davon wird nur abgewichen, wenn die Dauerhaftigkeit auch der Funktionseinschränkungen nach ärztlicher Einschätzung feststeht.
Schließlich ist es auch Aufgabe der Krankenkasse und nicht des Antragstellers, darüber zu entscheiden, ob Instandsetzungsarbeiten an einem orthopädischen Maßschuh technisch möglich und wirtschaftlicher sind als eine Ersatzbeschaffung. Schon aus diesem Grund war der Antragsteller gehalten, seine alten orthopädischen Straßenschuhe beim SMD vorzuzeigen und diese nicht ohne Rücksprache eigenmächtig zu entsorgen.
2. Auch die Voraussetzungen für einen Anordnungsgrund sind nicht gegeben, denn der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass ihm bei Abwägung seiner Interessen gegen die Interessen der Antragsgegnerin nicht zugemutet werden kann, ein Hauptsacheverfahren zu führen und die Entscheidung darüber abzuwarten. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen drohen, die durch ein Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. Für solche Beeinträchtigungen liegen keine Anhaltspunkte vor. Der Antragsteller hat selbst angegeben, die vorher verordneten orthopädischen Schuhe bis Ende des Jahres 2011 getragen zu haben. Eine neue Verordnung über orthopädische Schuhe hat er sich jedoch erst am 4. Juni 2012 und damit fast ein halbes Jahr später ausstellen lassen. Es ist nicht ersichtlich und vom Antragsteller auch nicht vorgetragen, dass es in der Zwischenzeit zu Beeinträchtigungen gekommen sein könnte. Die Annahme des Antragstellers, seine erneuten erheblichen Probleme im Bereich der Lendenwirbelsäule seien auf das Fehlen von orthopädischen Straßenschuhen zurückzuführen, ist weder ärztlich belegt noch nachvollziehbar. Deshalb ist ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache für den Antragsteller zumutbar. Schließlich war auch zu berücksichtigen, dass die vorläufige Versorgung des Antragstellers mit orthopädischen Straßenschuhen eine Hauptsacheentscheidung bereits vorweg nehmen würde, was angesichts der fehlenden Erfolgsaussichten für die Hauptsache nicht gerechtfertigt wäre.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193
SGG.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177
SGG).