Urteil
Anspruch auf Kostenerstattung für die Anfertigung orthopädischer Straßenschuhe durch einen Schuhmacher, der kein Vertragspartner der KK ist

Gericht:

LSG Hamburg


Aktenzeichen:

L 1 KR 83/13


Urteil vom:

18.06.2014


Tenor:

Die Berufung wird zurückgewiesen. Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens trägt der Kläger. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Erstattung der Kosten für die Anfertigung von einem Paar orthopädischen Straßenschuhen des Klägers.

Der 1944 geborene Kläger hat als Jugendlicher einen Skiunfall erlitten. Folge dieser Verletzung war eine ausgeprägte Fußfehlstellung im rechten Fuß, die im höheren Alter nach einer Vorfussphlegmone kombiniert mit einem diabetischen Fußsyndrom zur Notwendigkeit der Versorgung mit orthopädischem Schuhwerk geführt hat. Aufgrund der Verordnung vom 23.11.2011 der Ärztin für Chirurgie Dorothea Hory D.H. vom berufsgenossenschaftlichen Reha-Zentrum City C. Hamburg H. ließ der Kläger der Beklagten am 5.12.2011 einen Kostenvoranschlag der Firma Orthopädie-Schuhtechnik Egon Kramer E.K. für ein Paar orthopädische Stiefel für den Preis von 1765,76 EUR übermitteln. Die Beklagte teilte dem Kläger daraufhin mit Bescheid vom 22. Dezember 2011 mit, dass die fragliche Firma keinen Vertrag mit den gesetzlichen Krankenkassen über die Lieferung von Hilfsmitteln geschlossen habe. Es sei der Beklagten seit dem Jahr 2011 nicht mehr gestattet, eine Bewilligung auf Kostenvoranschläge von Nichtvertragspartnern vorzunehmen. Es sei überdies eine ausreichende medizinische Versorgung durch eine Vielzahl von Vertragspartnern sichergestellt. Hiergegen hat der Kläger am 18. Januar 2012 Widerspruch erhoben. Er habe der Beklagten bereits am 4. Februar und März 2010 - damals bezogen auf die Vorgängerschuhe - ausführlich dargelegt, warum er nur bei dem fraglichen Schuhmacher seine Schuhe herstellen lassen könne. Er sei dabei dem Rat der Ärzte des Berufsgenossenschaftlichen Unfallkrankenhauses Boberg B. gefolgt, nachdem sich durch die von einem Vertragspartner der Beklagten hergestellten Schuhe eine Phlegmone entwickelt habe, die beinahe zu einer operativen Resektion eines seiner Mittelfußknochen geführt hätte. Die Schuhe des Schuhmachers Kramer K. hätten die Wundheilung bewirkt und vor allem eine neue Wundbildung am Fuß verhindert. Die Vertragspartner der Beklagten seien nicht in der Lage, die für ihn notwendigen Schuhe herzustellen. Experimente könne er sich in seiner Situation nicht erlauben, ganz zu schweigen davon, dass diese auch zu höheren Kosten für die Beklagte führen würden.

Die Beklagte teilte dem Kläger daraufhin mit, dass eine Kostenübernahme dieses Mal auch nicht teilweise infrage käme. Bei der letzten Kostenübernahme habe die Beklagte noch im Wege einer Übergangsregelung ausnahmsweise einen Großteil der Kosten des fraglichen Schuhmachers tragen können. Dies sei durch die neue Rechtslage nun nicht mehr möglich. Die Mutmaßung, dass eine Versorgung bei einem Vertragspartner der Beklagten nicht das gesetzte medizinische Ziel erreichen werde, könne bei der Entscheidung der Beklagten keine Berücksichtigung finden. Im weiteren Verlauf stellte die Beklagte dem Kläger eine Liste ihrer Vertragspartner zur Verfügung. Nachdem der Kläger seinen Widerspruch aufrechterhielt, wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 26. September 2012 ab. Zur Begründung führte sie aus, Versicherte hätten nach § 33 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB V - Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich seien, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen seien. Hierzu gehöre auch die Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln. Wählten Versicherte Hilfsmittel aus, die über das Maß des Notwendigen hinausgingen, hätten sie die Mehrkosten und höhere Folgekosten selbst zu tragen. § 33 Abs. 6 Satz 2 SGB V sehe die Versorgung durch einen Vertragspartner, der von der Beklagten zu benennen sei, vor, wenn Verträge nach § 127 Abs. 1 SGB V geschlossen worden seien. Die Beklagte habe einen entsprechenden Vertrag mit diversen Leistungserbringern über bestimmte Hilfsmittel geschlossen. Eine wohnortnahe Versorgung, unter anderem auch mit orthopädischen Straßenschuhen nach Maß sei durch eine ausreichende Zahl von Leistungserbringern sichergestellt. Für eine Selbstbeschaffung bei einem Leistungserbringer, der nicht Vertragspartner sei, bleibe daher kein Raum. Auch die Ausnahmevorschrift von § 33 Abs. 6 Satz 3 SGB V sei nicht einschlägig. Ein insoweit vorausgesetztes berechtigtes Interesse setze wegen des Ausnahmecharakters der Regelung sehr hohe Anforderungen voraus. Es sei daher zu fordern, dass die Inanspruchnahme des Vertragspartners aus triftigen Gründen nicht zugemutet werden könne. Derartige triftige Gründe seien hier nicht ersichtlich, denn eine Unzufriedenheit mit einem in der Vergangenheit in Anspruch genommen Vertragspartner der Beklagten oder der Wunsch nach Versorgung mit einem bestimmten Hilfsmittel stelle keine triftigen Gründe im dargelegten Sinne dar.

Hiergegen hat der Kläger am 26. Oktober 2012 Klage erhoben. Zur Begründung wiederholte er seine Ausführungen im Verwaltungsverfahren. Seitdem er die Schuhe des von ihm favorisierten Schuhmachers trage, hätten sich keine weiteren Befunde eingestellt, insbesondere hätten sich auch weitere Operationen, die zuvor noch nötig gewesen sein, erübrigt. Er habe einen langen Leidensweg hinter sich; es sei nicht einfach gewesen und habe lange gedauert, bis er die richtige Schuhversorgung erhalten habe. Alleine sein Schuhmacher habe die speziellen Schuhzurichtungen, die anscheinend nicht zu den Routinearbeiten gehörten, so dass die ersehnte Heilung habe erreicht werden können. Da er unter dem fraglichen Fuß nichts fühlen könne, würde er Verletzungen erst zu spät bemerken. Dann sei es nicht mehr leicht, zu einer Heilung zu kommen. Daher müsse er von vornherein das richtige Schuhwerk tragen. Bereits im Jahr 2005 habe er eine Druckstelle nicht rechtzeitig bemerkt, dies habe zu einem Krankenhausaufenthalt und zu gesundheitlichen Gefahren geführt.

Mit Gerichtsbescheid vom 15. Mai 2013 hat das Sozialgericht die Klage zurückgewiesen. Zur Begründung hat es auf die zwingende Vorschrift von § 33 Abs. 6 Satz 1 SGB V verwiesen. Die Versorgung mit Hilfsmitteln sei danach dahingehend begrenzt, dass die Versicherten alle Leistungserbringer in Anspruch nehmen können, die Vertragspartner ihrer Krankenkasse seien. Die in Satz 3 derselben Vorschrift vorgesehene Möglichkeit, ausnahmsweise einen anderen Leistungserbringer zu wählen, wenn ein berechtigtes Interesse bestehe, beziehe sich nicht auf den Fall des § 33 Abs. 6 Satz 1 SGB V, sondern nur auf die Sonderkonstellation in Satz 2 der Vorschrift und sei daher in der Konstellation des Klägers nicht einschlägig. Das Gericht habe keine Anhaltspunkte dafür, dass nur die Firma Kramer K. in der Lage sein solle, Schuhe so anzufertigen, wie es beim Kläger medizinisch indiziert sei. Nach dem Vortrag des Klägers sei er im Jahre 2005 darüber aufgeklärt worden, dass seine Schuhe auf eine bestimmte Weise angefertigt werden müssten. Es sei nicht nachvollziehbar, warum nicht auch ein anderer Schuhmachermeister in der Lage sein solle, die orthopädischen Schuhe auf gleiche Art anzufertigen. Auch dem Kläger komme das, der gesetzlichen Krankenversicherung zu Grunde liegende, Sachleistungsprinzip zugute. Die Krankenkasse habe ihre Verpflichtung zur Krankenbehandlung erst dann erfüllt, wenn sie den Kläger unter Einschaltung eines Leistungserbringers mit solchem Schuhwerk versorgt habe, wie es im Einzelfall erforderlich sei, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern beziehungsweise einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen. Entspreche das von einem Leistungserbringer angefertigte Schuhwerk diesen Anforderungen des Klägers nicht - was zum Beispiel durch einen Arzt überprüft werden könne -, so bestehe der Anspruch des Klägers fort. Der Gerichtsbescheid ist dem Kläger am 17. Mai 2013 zugestellt worden.

Am 17. Juni 2013 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers Berufung erhoben. Zur Begründung wiederholt er im Wesentlichen die Argumente des Klägers und ergänzt, dass die Rechtsansicht des Sozialgerichts, wonach die Ausnahmevorschrift von § 33 Abs. 6 Satz 3 SGB V im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung käme, fehlerhaft sei. Durch die Ausnahmeregelung solle der Tatsache Rechnung getragen werden, dass im Einzelfall ein berechtigtes Interesse bestehen könne, einen anderen Leistungserbringer zu wählen. Dieses bestände zum Beispiel bei einer aufwändigeren Versorgung gegen Aufzahlung, bei Ersatzbeschaffung eines baugleichen Hilfsmittels oder bei langjähriger Betreuung durch einen bestimmten Leistungserbringer. Der Versicherte sei dann nicht auf die vertragsgebundenen Leistungserbringer beschränkt, wenn er dort das Hilfsmittel nicht zu gleichen Bedingungen, wie sie ein nicht vertragsgebundener Leistungserbringer bietet, beziehen könne. Der Kläger habe hier ein berechtigtes Interesse, einen anderen Leistungserbringer zu wählen, wie er bereits selber unter Darlegung seiner Krankengeschichte seit dem Jahr 2003 hinreichend ausführlich dargelegt habe.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Hamburg vom 15. Mai 2013 und des Bescheides der Beklagten vom 22. Dezember 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. September 2012 die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1679,76 EUR zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung beruft sie sich auf die Entscheidungsgründe im angefochtenen Gerichtsbescheid und im angefochtenen Widerspruchsbescheid sowie auf den Inhalt ihrer Verwaltungsakte.

Diesem Rechtsstreit war bereits zwei Jahre zuvor ein inhaltlich vergleichbarer Rechtsstreit vorausgegangen. Auch dort hatte der Kläger in erster Instanz den Rechtsstreit verloren. Da die Berufungssumme unter dem zulässigen Wert lag, war dort eine Nichtzulassungsbeschwerde erhoben worden, die das Landessozialgericht jedoch mit Beschluss vom 10. Juni 2013 mangels Vorliegens der von § 144 Abs. 2 SGG vorausgesetzten Zulassungsgründe zurückgewiesen hat (Az.: L 1 KR 17/13 NZB).

Die Berichterstatterin hat am 7. Mai 2014 einen Erörterungstermin mit den Beteiligten durchgeführt, in dessen Verlauf in die mündliche Verhandlung eingetreten wurde. Der in diesem Zusammenhang zwischen den Beteiligten unter Widerrufsvorbehalt geschlossene Vergleich wurde von beiden Seiten fristgemäß widerrufen. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin (§ 155 Abs. 3, 4 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) im schriftlichen Verfahren (§ 124 Abs. 2 SGG) einverstanden erklärt.

Dem Gericht haben bei seiner Entscheidung die Prozessakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten vorgelegen.

Rechtsweg:

SG Hamburg Urteil vom 15.05.2013 - S 6 KR 1287/12

Quelle:

Sozialgerichtsbarkeit BRD

Entscheidungsgründe:

Nachdem die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 7. Mai 2014 ihr Einverständnis für eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren durch die Berichterstatterin erklärt haben, konnte die Berichterstatterin über den Rechtsstreit nach mündlicher Verhandlung im schriftlichen Verfahren gemäß § 155 Abs. 3, 4 SGG sowie §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG entscheiden.

I.

Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben worden.

II.

Die Berufung bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. Das Sozialgericht hat die als Anfechtungs- und Leistungsklage zulässige Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen. Der angegriffene Bescheid vom 24. Juli 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Oktober 2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht gemäß § 154 Abs. 2 Satz 1 SGG in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Kostenerstattung.

1. Als Rechtsgrundlage des geltend gemachten Anspruchs kommt allein § 13 Abs. 3 S. 1 SGB V in Betracht. Nach dieser Vorschrift besteht ein Kostenerstattungsanspruch, sofern die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch einem Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden sind. Da der Kostenerstattungsanspruch nicht weiter reicht als ein entsprechender Sachleistungsanspruch, setzt er voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (vgl. grundlegend BSG 24.9.1996 - 1 RK 33/95 - Juris; aus jüngerer Zeit etwa BSG 12.9.2012 - B 3 KR 20/11 R - Juris, m.w.N.; st. Rspr.).

2. Die vom Kläger beim Orthopädieschuhmacher Kramer K. in Auftrag gegebenen und selbst beschafften orthopädischen Straßenschuhe erfüllen diese Voraussetzung nicht. Wie das Sozialgericht mit zutreffender Begründung, auf die gemäß § 153 Abs. 2 SGG vollen Umfangs Bezug genommen wird, entschieden hat, hat der Kläger keinen Anspruch auf die Erstattung der Kosten, die durch die Herstellung der orthopädischen Straßenschuhe bei dem nicht zu den Vertragspartnern der Beklagten gehörenden orthopädischen Schuhmacher Kramer K. entstanden sind.

Nach § 33 Abs. 1 S. 1 SGB V in der seit dem 1. April 2007 geltenden Fassung (Art. I Nr. 17 des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung GKVWSG vom 26. März 2007, BGBl. I S. 378) haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind. Die Frage der Notwendigkeit der Versorgung des Antragstellers mit orthopädischem Schuhwerk ist zwischen den Beteiligten dem Grunde nach nicht streitig. Der vorliegende Rechtsstreit betrifft nur die Frage, ob die Beklagte auch verpflichtet ist, dem Kläger die Kosten für orthopädische Schuhe zu erstatten, die bei einem Schuhmacher angefertigt worden sind, der nicht zu ihren Vertragspartnern nach § 127 SGB V gehört. Dies ist i.E. zu verneinen. Nach § 33 Abs. 6 Satz 1 SGB V können die Versicherten alle Leistungserbringer in Anspruch nehmen, die Vertragspartner ihrer Krankenkassen oder nach § 126 Abs. 2 SGB V versorgungsberechtigt sind. Hat die Krankenkasse als Ergebnis eines Ausschreibungsverfahrens Verträge nach § 127 Abs. 1 SGB V über die Versorgung mit bestimmten Hilfsmitteln geschlossen, erfolgt die Versorgung durch den Ausschreibungsgewinner, der den Versicherten von der Krankenkasse zu benennen ist (§ 33 Abs. 6 S. 2 SGB V). Abweichend von § 33 Abs. 6 S. 2 SGB V kann der Versicherte nur ausnahmsweise und bei berechtigtem Interesse einen anderen Anbieter wählen (§ 33 Abs. 6 S. 3). Während also §§ 126, 127 SGB V die Rechtsbeziehungen zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern regeln, räumt § 33 Abs. 6 dem Versicherten das Recht ein, unter den Vertragspartnern und versorgungsberechtigten Leistungserbringern zu wählen (Gerlach in: Hauck/Noftz, Kommentar SGB V, § 33 Rn. 118, juris). Allerdings besteht auch die Pflicht sich ausschließlich eines der Vertragspartner zu bedienen.

Bei dem zwischen der Beklagten und den Leistungserbringern geschlossenen Vertrag vom 12. Juni 2008 handelt es sich um einen nach § 127 Abs. 2 SGB V.

§ 127 Abs. 1 Satz 4 SGB V bestimmt, dass Ausschreibungen (im Wege des § 127 Abs. 1 SGB V) für Hilfsmittel, die für einen bestimmten Versicherten individuell angefertigt werden - wie z.B. die hier streitbefangenen maßangefertigten orthopädischen Schuhe - oder Versorgungen mit hohem Dienstleistungsanteil in der Regel nicht zweckmäßig sind. § 127 Abs. 2 S. 1 SGB V regelt den Fall, dass keine Ausschreibungen nach Absatz 1 erfolgt sind. In diesem Fall, so heißt es dort weiter, schließen die Krankenkassen, ihre Landesverbände oder Arbeitsgemeinschaften Verträge mit Leistungserbringern oder Verbänden oder sonstigen Zusammenschlüssen der Leistungserbringer über die Einzelheiten der Versorgung mit Hilfsmitteln, deren Wiedereinsatz, die Qualität der Hilfsmittel und zusätzlich zu erbringender Leistungen, die Anforderungen an die Fortbildung der Leistungserbringer, die Preise und die Abrechnung. § 127 Abs. 2 S. 2 SGB V stellt dabei durch die Bezugnahme auf § 127 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB V einen Qualitäts- und Beratungsstandard der Hilfsmittel und der Versorgung der Versicherten sicher. Dass die Leistungserbringer nach dem Vertragssystem die Voraussetzungen für eine ausreichende, zweckmäßige und funktionsgerechte Herstellung, Abgabe und Anpassung der Hilfsmittel erfüllen, soll § 126 Abs. 1 S. 2, 3 sicherstellen.

Um einen derartigen Versorgungs-Rahmenvertrag mit dem Zentralverband Orthopädieschuhtechnik handelt es sich bei dem hier zugrunde liegenden Rahmenvertrag zwischen dem Zentralverband Orthopädieschuhtechnik und der Beklagten vom 12. Juni 2008 - im Folgenden: Rahmenvertrag -. Die vom Gesetz aufgestellten Anforderungen an die Hilfsmittelversorgung durch die leistungserbringenden Vertragspartner werden dort in den §§ 2 bis 8 sowohl in qualitativer Hinsicht als auch mit Blick auf die Verfahrensgestaltung im Interesse einer hochwertigen Versorgung der Versicherten ausführlich geregelt.

Unter anderem ist dort auch vorausgesetzt, dass Vertragspartner der Krankenkassen nur Leistungserbringer sein können, die die Voraussetzungen für eine ausreichende, zweckmäßige und funktionsgerechte Herstellung, Abgabe und Anpassung der Hilfsmittel erfüllen (§ 3 Nr. 1 des Rahmenvertrags). Weiter werden hohe qualitative Anforderungen an die Leistungserbringer in Form eines zertifizierten Qualitätsmanagement-Systems für die Versorgung mit Hilfsmitteln gestellt (§ 5 des Vertrags). Dass die Leistungserbringer auch nach dem neuen Vertragssystem die Voraussetzungen für eine ausreichende, zweckmäßige und funktionsgerechte Herstellung, Abgabe und Anpassung der Hilfsmittel erfüllen, wird auch direkt durch Gesetz (126 Abs. 1 S. 2, 3 SGB V) sichergestellt.

Im Ergebnis besteht damit für den Versicherten in den Fällen des § 127 Abs. 2 SGB V anders als in den Fällen, in denen Versorgungsverträge, die aufgrund eines förmlichen Vergabeverfahrens mit einem oder wenigen Zuschlagsempfängern gem. § 127 Abs. 1 SGB V über die Versorgung mit bestimmten Hilfsmitteln als Ergebnis eines Ausschreibungsverfahrens abgeschlossen worden sind, eine weitgehend umfassende Wahlfreiheit unter den vertraglich erfassten Leistungserbringern. In den Fällen des § 127 Abs. 1 SGB V besteht für den Versicherten auch kein Wahlrecht zwischen mehreren Ausschreibungsgewinnern (z.B. zwischen Ausschreibungsgewinnern in verschiedenen Gebietslosen (Knispel in: BeckOK SozR § 33 SGB V Rn. 47a; abw. Adelt/Kraftberger in LPK-SGB V § 33 Rn. 94&8201;ff.). Denn Zweck der Ausschreibungen und der daraus folgenden Vertragsabschlüsse ist es, den bei Einhaltung der erforderlichen Qualität preisgünstigsten Anbieter zu ermitteln und (nur diesen) zur Versorgung der Versicherten heranzuziehen (vgl. FraktEntw. BT-Drucks 16/3100 S. 103). Um das Funktionieren dieses Verfahrens zu gewährleisten, musste den Krankenkassen ein Bestimmungsrecht für den Leistungserbringer im konkreten Fall eingeräumt werden. Um dem Versicherten in besonders gelagerten Einzelfällen die Möglichkeit einer abweichenden Versorgung zu ermöglichen, lässt § 33 Abs. 6 S. 3 SGB V bei Verträgen nach § 127 Abs. 1 SGB V die Wahl eines anderen Leistungserbringers ausnahmsweise zu. Voraussetzung ist dann jedoch ein berechtigtes Interesse z.B., wenn die Inanspruchnahme des von der Krankenkasse benannten Anbieters den Versicherten aus triftigen persönlichen Gründen nicht zugemutet werden kann, aber selbst dann haben sie die dadurch entstehenden Mehrkosten selbst zu tragen (§ 33 Abs. 6 Satz 3 SGB V).

Diese Ausnahmeregelung gilt nach § 33 Abs. 6 Satz 3, 2 SGB V jedoch nur für die Fälle des § 127 Abs. 1 SGB V, also den Fall des Vertragsabschlusses nach Ausschreibung, nicht aber für den Fall der Verträge nach § 127 Abs. 2 SGB V, denn hier hat der Versicherte im Unterschied zu dem Fall der Versorgung nach Ausschreibung, der nur einen (oder gebietsweise mehrere) Ausschreibungsgewinner zum Vertragspartner der Krankenkasse qualifiziert, bereits die Wahl zwischen mehreren Leistungserbringern.

Der von der Beklagten für den hier streitbefangenen Zeitraum am 12. Juni 2008 abgeschlossene Vertrag nach § 127 Abs. 2 SGB V u.a. mit dem Zentralverband Orthopädieschuhtechnik stellt die Versorgung des Klägers mit orthopädischen Maßschuhen durch diverse, u.a. auch in Hamburg H. ansässige Unternehmen sicher. Dass es hierbei nicht möglich sein soll, eine der Erkrankung des Klägers angemessene Versorgung durch einen der Vertragspartner der Beklagten zu gewährleisten, ist zur Überzeugung des Gerichts nicht zu befürchten. Daran ändert auch der Vortrag des Klägers, wonach er auf diese nicht zurückgreifen möchte, weil er bereits einmal zuvor mit einem der Vertragspartner der Beklagten schlechte Erfahrungen gemacht hat, nichts. Es ist für das Gericht zwar nachvollziehbar, dass der Kläger subjektiv die Gefahr für sich sieht, mit der Beauftragung eines Leistungserbringers der Beklagten aus dem Rahmenvertrag, der mangels Zugehörigkeit zum fraglichen Vertrag nicht der aktuell ihn versorgende Schuhmacher Kramer K. sein kann, ein auch nur entferntes Risiko einzugehen, (erneut) eine unzureichende orthopädische Versorgung seines Fußes zu erleiden. Ein Rechtsanspruch des Klägers auf die begehrte Kostenerstattung ergibt sich daraus jedoch zur Überzeugung des Gerichts nicht. Denn es ist nicht erkennbar, dass es keinem der im fraglichen Rahmenvertrag ausgewiesenen Leistungserbringer möglich sein sollte, zudem auch nach der konkreten Vorlage des bereits einmal angefertigten und dem Kläger passenden orthopädischen Schuh, den Kläger angemessen zu versorgen. Dies wiederum hat zur Folge, dass Anhaltspunkte für ein erhöhtes Risiko einer unangemessenen Schuhversorgung für den Kläger derzeit nicht gegeben sind.

Da der Kläger sich das streitbefangene Hilfsmittel bereits anfertigen lassen und die Rechnung beglichen hat, bedarf es auch keiner Ausführungen mehr dazu, ob die Regelung von § 127 Abs. 3 Satz 1 1. Hs. 1 Alt. SGB V dem Kläger eine subjektive Rechtsposition dergestalt vermitteln kann, dass er auch in den Vertragsfällen des § 127 Abs. 2 SGB V einen vom Vertrag nicht erfassten Leistungserbringer wählen kann. Eine systematische Betrachtung spricht allerdings dagegen. Die Vorschrift findet sich im Sechsten Abschnitt des Vierten Kapitels des SGB V und damit in dem Regelungsbereich, der - im Gesetz selbst überschrieben - "Beziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern" lautet. § 69 SGB V, der den Anwendungsbereich dieses Kapitels definiert, regelt wie folgt: Dieses Kapitel sowie die §§ 63 und 64 regeln abschließend die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu sonstigen Leistungserbringern und ihren Verbänden, einschließlich der Beschlüsse des gemeinsamen Bundesausschusses und der Landesausschüsse nach den §§ 90 - 94.

Fraglos kann die Beklagte selbst jedoch auf Grundlage dieser Norm einen Vertrag mit einem Leistungserbringer abschließen, der nicht Vertragspartner des Rahmenvertrags ist. Hierbei handelt es sich um eine weitere Form der Hilfsmittelversorgung als dritte Variante der in § 127 SGB vorgesehenen Vertragsabschlüsse. Diese Verträge mit einzelnen Leistungserbringern sind zwar die Ausnahme gegenüber Verträgen nach § 127 Abs. 1 und 2 SGB V. Sie werden insbesondere für Einzelanfertigungen bei schwerstbehinderten Patienten, für deren Behandlung weder ein Standardprodukt noch ein individualisiert angepasstes Produkt ausreichend ist, bzw. die Erbringung durch bestehende Vertragspartner der Krankenkassen in für die Versicherten zumutbarer Weise nicht möglich ist, geschlossen (vgl. Nolte, Kasseler Kommentar, SGB V, § 127 Rn. 15). Ob diese Voraussetzungen beim Kläger vorliegen, bedarf in der Konstellation einer Kostenerstattungsforderung - wie ausgeführt - jedoch keiner Entscheidung.


III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.


IV.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil weder die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 noch Nr. 2 SGG vorliegen. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung, weil sich keine über den Einzelfall hinaus klärungsbedürftige Rechtsfrage stellt.

Referenznummer:

R/R6264


Informationsstand: 01.08.2014