II.
Der Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung hat Erfolg.
1. Er ist zulässig. Die Zulässigkeit des Rechtswegs folgt aus § 51
Abs. 1
Nr. 2
SGG, die Klagebefugnis aus § 54
Abs. 3
SGG analog. Die Zuständigkeit des
LSG ergibt sich aus § 29
Abs. 2
Nr. 2 und § 57
Abs. 1
SGG.
Der Antrag ist auch statthaft, denn der aufsichtsrechtliche Bescheid der Antragsgegnerin vom 20. März 2018 ist durch Anfechtungsklage vom 22. März 2018 (§ 54
Abs. 1
S. 1 Alt. 1
SGG) zum Aktenzeichen L 1 KR 35/18 KL angegriffen worden. Eines Vorverfahrens bedarf es nicht (§ 78
Abs. 1
S. 2
Nr. 3
SGG).
Der Antrag der Antragstellerin wird als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ausgelegt obwohl er - trotz anwaltlicher Vertretung - auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gerichtet ist. § 86b
Abs. 1
S. 1
Nr. 2
SGG gebietet in Fällen der vorliegenden Art, in denen die Behörde den Suspensiveffekt des Rechtsmittels durch Anordnung der sofortigen Vollziehung verhindert hat, die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsmittels. Zwar richtet sich der Antrag im öffentlichen Recht in Fällen, in denen der Suspensiveffekt an sich gegeben ist und die Behörde die sofortige Vollziehung angeordnet hat, im Grundsatz auf die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung,
vgl. § 80
Abs. 5
S. 1
VwGO. Diese Differenzierung hat § 86b
Abs. 1
S. 1
Nr. 2
SGG jedoch nicht übernommen, denn danach kann das Gericht auch in diesen Fällen die aufschiebende Wirkung anordnen und nicht wiederherstellen. Dieser rein semantische Unterschied wirkt sich jedoch in der Sache nicht aus. Der Senat folgt daher dem Wortlaut im Gesetz und hat demgemäß "wird angeordnet" tenoriert.
2. Der Antrag ist auch begründet. Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag in den Fällen, in den Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen
2.1. Das Gericht entscheidet aufgrund einer Interessenabwägung, dies gebietet der Wortlaut von § 86b
Abs. 1
S. 1
SGG mit der dort verwandten Formulierung "kann auf Antrag die aufschiebende Wirkung anordnen". Die Prüfung des Gerichts erfolgt dabei nicht aufgrund eines starren Prüfungsschemas, grundsätzlich gilt aber je größer die Erfolgsaussichten sind, umso geringere Anforderungen sind an das Aussetzungsinteresse zu stellen (
vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 12. Aufl., § 86b, Rn. 12e). Die Interessen-abwägung geht vorliegend zugunsten der Antragstellerin aus. Dabei hat das Gericht sich davon leiten lassen, dass bereits die Gesetzessystematik von § 86a
SGG Anhaltspunkte dafür liefert, dass hier im Zweifel das Interesse des Betroffenen an der aufschiebenden Wirkung den Vorrang hat. Anders als in den Fällen von § 86a
Abs. 2
Nr. 1 bis 4
SGG, in denen der Gesetzgeber ein Regel-Ausnahmeverhältnis zugunsten der sofortigen Vollziehbarkeit des angefochtenen Bescheides der Verwaltung vorgesehen hat, kehrt sich in den Fällen von § 86a
Abs. 2
Nr. 5
SGG, in denen die Verwaltung entgegen der gesetzgeberischen Entscheidung zugunsten der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs die sofortige Vollziehung gesondert angeordnet hat, dass Regel-Ausnahme-Verhältnis um. In diesen Fällen spricht die Grundregel von § 86a
Abs. 1
SGG dafür, dass im Zweifel das öffentliche Vollzugsinteresse zurückzustehen hat (
vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 12. Aufl., § 86b Rn. 12a ff).
Bei der hier gebotenen summarischen Prüfung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes dürfte mehr für die Rechtswidrigkeit als für die Rechtmäßigkeit desselben sprechen. Ist dem aber so, besteht für die sofortige Vollziehung in der Regel kein öffentliches Interesse mehr. Im einstweiligen Rechtschutzverfahren ist dann die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs anzuordnen. Die Eilbedürftigkeit des vorliegend an das Gericht gestellten Anordnungsantrages spielt in dieser Fallkonstellation keine Rolle.
Nach § 89
Abs. 1
S. 1
SGB IV steht der Aufsichtsbehörde ein Recht zum Eingreifen dann zu, wenn das Handeln oder Unterlassen eines ihrem Aufsichtsrecht unterliegenden Versicherungsträgers das Recht verletzt. Sie hat zunächst beratend darauf hinzuwirken, dass der Versicherungsträger die Rechtsverletzung behebt (§ 89
Abs. 1
S. 1
SGB IV) und kann ihn sodann, falls dieser der Aufforderung nicht in angemessener Frist nachkommt, dazu verpflichten, die Rechtsverletzung abzustellen. Stets ist Voraussetzung für die Aufsichtsmaßnahme demnach, dass durch das Handeln oder Unterlassen eines Versicherungsträgers das Recht verletzt wird (
vgl. BSG, Urteil vom 1. November 2007, Az.
B 3 A 1/07 R, Juris). Eine Rechtsverletzung im Sinne der Tatbestandsvoraussetzungen ist dann gegeben, wenn die Voraussetzung von § 87
Abs. 1
S. 2
SGB IV erfüllt ist. Danach erstreckt sich die staatliche Aufsicht auf die Beachtung von Gesetz und sonstigem Recht, das für die Versicherungsträger maßgebend ist. Entscheidend ist also demnach das für den Versicherungsträger maßgebliche Recht (
BSG, Urteil vom 12. November 2003, Az. B 8 KN 1/02 U R, Juris), wobei dieses in einem weiten, materiellen Sinne zu verstehen ist (
BSG, Urteil vom 24. April 2002, Az. B 7 A 1/01 R, Juris). Eine Rechtsverletzung ist dann nicht zu erkennen, wenn die Aufsichtsbehörde "nur" eine andere Rechtsauffassung vertritt als der Versicherungsträger, dessen Rechtsauffassung aber jedenfalls vertretbar ist (Engelhard in jurisPK-SGB
IV, 3. Aufl. 2016, § 89 Rn. 21;
BSG, Urteil vom 22. März 2005, Az. B 1 A 1/03 R;
LSG Hamburg, Urteil vom 29. November 2012, Az. L 1 KR 47/11 KL, Juris). Denn mit Blick auf die gesetzlich verankerte Selbstverwaltung der Versicherungsträger ist es der Aufsichtsbehörde verwehrt, ihre Rechtsauffassung an die Stelle derjenigen der beaufsichtigten Körperschaft zu setzen, sofern Rechtsfragen zum Anlass einer Beanstandung genommen werden, die bislang weder das Gesetz noch die Rechtsprechung in eindeutiger Weise beantwortet hat. Voraussetzung für das aufsichtsrechtliche Einschreiten ist daher, dass die Aufsichtsbehörde zu Recht davon ausgehen durfte, dass der Versicherungsträger mit seinem Handeln Rechtsverstöße begangen hat. Die Behörde hat hierbei keinen Einschätzungsspielraum.
2.2. Zwar teilt der Senat die in dem angefochtenen Bescheid der Antragsgegnerin zum Ausdruck gekommene Rechtsauffassung, dass der Zweckmäßigkeitsprämisse in
§ 127 Abs. 1 SGB V eine eigenständige sozialrechtliche Bedeutung zukommt und distanziert sich damit von anderen Entscheidungen der Landessozialgerichte und Sozialgerichte. Dort wird - zumeist aber in der Fallkonstellation, dass ein potentieller Leistungserbringer sich unter Berufung auf das Zweckmäßigkeitserfordernis gegen die öffentliche Ausschreibung wendet - vertreten, dass bei Ausschreibungen der vorliegenden Art, in denen der Schwellenwert nach § 106
Abs. 2
Nr. 1 GWB in Höhe von 221.000
EUR (dieser Betrag gilt seit dem 1. Januar 2018 zuvor betrug er 209.000,-
EUR) überschritten wird, Zweckmäßigkeitserwägungen im Sinne von § 127
Abs. 1
S. 1 und
S. 6
SGB V nicht zur Anwendung kommen
bzw., dass für Streitigkeiten im Kontext dieser Rechtsfrage die Sozialgerichtsbarkeit nicht zuständig ist (
LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 29. Mai 2018, Az. L 4 KR 173/18 ER und vom 25. Januar 2018, Az. L 4 KR 16/18 B ER; SG Reutlingen, Beschluss vom 28. Dezember 2017, Az. S 1 KR 2858/17 ER; SG Speyer, Beschluss vom 7. Dezember 2017, Az. S 17 KR 648/17 ER; SG Frankfurt, Beschluss vom 29. Januar 2018, Az. S 34 KR 1089/17 ER, Juris). Vielmehr neigt der Senat der in der jüngst geänderten Rechtsprechung des für Vergaberechtsstreitigkeiten der Vergabekammer des Bundes zuständigen Senats des
OLG Düsseldorf mit Beschluss vom 27. Juni 2018 zum Az. VII-Verg 59/17 zum Ausdruck gekommenen Rechtsauffassung zu, wonach die von § 127
Abs. 1
S. 6
SGB V vorgesehene Zweckmäßigkeitserwägung bei der Frage nach der Ausschreibung und Vergabe von Leistungen im Vorfeld der Beschaffungsentscheidung in einem internen Beschaffungsbeschluss bei dem Versicherungsträger stattzufinden hat und spricht dem Mitbewerber für die hierauf gestützte Rüge des Ausschreibungsverfahrens die Zulässigkeit mangels Antragsbefugnis ab. Der Senat des
OLG Düsseldorf formuliert in seinem Beschluss an der entscheidenden Stelle wie folgt: " bb) Soweit die Antragstellerin die Unzweckmäßigkeit der Ausschreibung der Antragsgegnerin nach § 127
Abs. 1 Satz 1 und 6
SGB V geltend macht, ist ihr Nachprüfungsantrag unzulässig. Der Antragstellerin fehlt im Umfang dieser Rüge die Antragsbefugnis nach § 160
Abs. 2 GWB. An seiner abweichenden bisherigen Rechtsprechung (
vgl. Senatsbeschluss vom 24.09.2014 - VII-Verg 17/14, zitiert nach juris, Tz. 19
ff.; Senatsbeschluss vom 21.12.2016 - VII-Verg 26/16, zitiert nach juris, Tz. 44
ff.) hält der zwischenzeitlich personell neu besetzte Senat nicht mehr fest.
Gemäß § 160
Abs. 2 Satz 1 GWB ist im Vergabenachprüfungsverfahren jedes Unternehmen antragsbefugt, das ein Interesse am öffentlichen Auftrag hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97
Abs. 6 GWB durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht. Dabei ist gemäß § 160
Abs. 2 Satz 2 GWB von dem Unternehmen darzulegen, dass ihm durch die behauptete Verletzung von Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht. Diese Voraussetzungen der Antragsbefugnis sind für jeden einzelnen geltend gemachten Vergaberechtsverstoß getrennt zu prüfen und festzustellen (
OLG Naumburg, Beschluss vom 15.03.2001 - 1 Verg 11/00, zitiert nach juris, Tz. 45; Möllenkamp, in: Kulartz/Kus/Portz/Prieß, Kommentar zum GWB-Vergaberecht, 4. Aufl., § 60 Rn. 28). (1) Zweifelhaft ist bereits, ob die Antragstellerin, soweit sie ihren Nachprüfungsantrag auf die Rüge der Unzweckmäßigkeit der Ausschreibung stützt, überhaupt in der von § 160
Abs. 2 Satz 1 GWB geforderten Weise ein Interesse am Auftrag hat. Üblicherweise dokumentiert ein Unternehmen sein Interesse am Auftrag durch Abgabe eines Angebots (
BGH, Beschluss vom 10.11.2009 - X
ZB 8/09, zitiert nach juris, Tz. 25). Ein Angebot der Antragstellerin liegt zwar vor. Hier liegt die Besonderheit aber darin, dass die Antragstellerin ihr Angebot letztlich nur hilfsweise abgegeben hat. Ihr vorrangiges Rechtsschutzziel geht, gestützt auf die Rüge der Unzweckmäßigkeit der Ausschreibung, dahin, die Ausschreibung insgesamt zu verhindern (
vgl. ihren Antrag zu 2. vor der Vergabekammer sowie ihren Antrag zu 2. im Beschwerdeverfahren). Sie möchte Leistungen an die Antragsgegnerin nur im Rahmen von Verträgen nach § 127
Abs. 2, 2a
SGB V erbringen. Hieran hat sie - ein mit dem Nachprüfungsantrag verfolgtes - Interesse. Nach dem § 127
Abs. 2, 2a
SGB V zugrunde liegenden Beschaffungsmodell schließt der öffentliche Auftraggeber mit jedem Unternehmen, das sich verpflichtet, die betreffende Ware zu im Vorhinein festgelegten Bedingungen zu liefern, einen Vertrag (
vgl. Portner/Rechten, NZBau 2017, 587). Solche Verträge, denen keine vergaberechtliche Auswahlentscheidung für ein Angebot und einen Auftragnehmer vorausgeht, stellen jedoch keine öffentlichen Aufträge im Sinne von § 160
Abs. 2 Satz 1 GWB dar. Der Begriff des öffentlichen Auftrags findet im Kartellvergaberecht an verschiedenen Stellen Verwendung. Eine gewisse Konturierung erfährt der Begriff durch § 103
Abs. 1 GWB, wo er näher, aber nicht abschließend definiert wird. Weitergehende Begriffsinhalte sind dem Richtlinienrecht zu entnehmen, das infolge der gebotenen europarechtskonformen Auslegung des § 103
Abs. 1 GWB zu berücksichtigen ist. In der Richtlinie 2014/24/
EU definiert
Art. 2
Abs. 1
Nr. 5 den Begriff des öffentlichen Auftrags wie in § 103
Abs. 1 GWB. Dieser Definition voraus geht jedoch die Regelung des
Art. 1
Abs. 2 der Richtlinie, wo als Auftragsvergabe im Sinne der Richtlinie der im Wege des öffentlichen Auftrags erfolgende Erwerb von Leistungen von Wirtschaftsteilnehmern bezeichnet wird, die von öffentlichen Auftraggebern ausgewählt worden sind. Auch auf diese Vorschrift gestützt hat der Gerichtshof der Europäischen Union noch zur Vergabekoordinierungsrichtlinie entschieden, dass mit dem Begriff "öffentlicher Auftrag" gemäß
Art. 1
Abs. 2 lit. a) der Richtlinie 2004/18/
EG die Auswahl eines Angebots und damit eines Auftragnehmers untrennbar verbunden ist (EuGH, Urteil vom 02.06.2016 - C-410/14, zitiert nach juris, Tz. 38
ff.). Für
Art. 2
Abs. 1
Nr. 5 der Richtlinie 2014/24/
EU und § 103
Abs. 1 GWB kann dann nichts anders gelten (siehe auch Ziekow, in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 3. Aufl., § 103 GWB Rn. 10; Koop, NZS 2017, 103, 104 f.).
Dafür, dass der Begriff des öffentlichen Auftrags in § 160
Abs. 2 Satz 1 GWB anders zu verstehen sein könnte als in § 103
Abs. 1 GWB gibt es keine Anhaltspunkte. Nach der gesetzlichen Systematik gilt § 103
Abs. 1 GWB vielmehr für den gesamten Vierten Teil des GWB.
(2) Selbst wenn ein Interesse am Auftrag im Sinne von § 160
Abs. 2 Satz 1 GWB ungeachtet der hieran begründeten Zweifel zu bejahen sein sollte, so macht die Antragstellerin mit ihrer Rüge der Unzweckmäßigkeit der Ausschreibung jedenfalls keine Verletzung in ihren Rechten nach § 97
Abs. 6 GWB durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend. Für die Geltendmachung einer Rechtsverletzung ist erforderlich, dass sich der Antragsteller auf eine Verletzung bieterschützender Vergabevorschriften berufen kann (Senatsbeschluss vom 11.05.2016 - VII-Verg 2/16, zitiert nach juris, Tz. 28; Dicks, in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 3. Aufl., § 103 GWB Rn. 17). Bieterschützend sind solche Normen des Vergaberechts, die zumindest auch und im Hinblick auf die konkrete Rüge dem Bieterschutz zu dienen bestimmt sind (
OLG Naumburg, Beschluss vom 02.08.2012 - 2 Verg 3/12, zitiert nach juris, Tz. 39; siehe auch Möllenkamp, in: Kulartz/Kus/Portz/Prieß, Kommentar zum GWB-Vergaberecht, 4. Aufl., § 160 Rn. 78). Verletzungen außervergaberechtlicher Vorschriften können nur bei Vorliegen einer vergaberechtlichen Anknüpfungsnorm relevant werden (Dicks, in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 3. Aufl., § 103 GWB Rn. 21). Von diesen Voraussetzungen ist hier keine erfüllt. (a) Die Regelung des § 127
Abs. 1 Satz 1 und 6
SGB V ist, soweit es um die der Ausschreibung vorgelagerten Zweckmäßigkeitserwägungen geht, keine vergaberechtliche Vorschrift. Vergabevorschriften sind im Kern die Vorschriften des Teils 4 des GWB, der VgV, der VSVgV, der KonzVgV, der VOB/A, der SektVO sowie dasjenige europäische Recht, auf dem diese nationalen Regelungen beruhen (
OLG Brandenburg, Beschluss vom 07.10.2010 - Verg W 12/10, zitiert nach juris, Tz. 73; Möllenkamp, in: Kulartz/Kus/Portz/Prieß, Kommentar zum GWB-Vergaberecht, 4. Aufl., § 160 Rn. 75). Als verbindendes Element gemeinsam ist diesen Vorschriften, dass sie das Verfahren betreffen, in dem eine Zuschlagsentscheidung zustande kommt (Overbuschmann, VergabeR 2018, 347, 348). § 127
Abs. 1 Satz 1 und 6
SGB V steht als sozialrechtliche Vorschrift außerhalb dieser Regelungen. Die Zweckmäßigkeitserwägungen, die nach § 127
Abs. 1 Satz 1 und 6
SGB V anzustellen sind, gehen einem Vergabeverfahren voraus. Das Vergabeverfahren, das zu einem Zuschlag führen soll und in dem bieterschützende Vorschriften nicht verletzt werden dürfen, beginnt erst, wenn nach Zweckmäßigkeitsüberlegungen der interne Beschaffungsbeschluss getroffen ist und nach außen Maßnahmen zu seiner Umsetzung getroffen werden. (Fettdruck wurde eingefügt)
Abweichend von den Überlegungen im Senatsbeschluss vom 24.09.2014 - VII-Verg 17/14 - handelt es sich bei § 127
Abs. 1 Satz 1 und 6
SGB V nicht deshalb um eine vergaberechtliche Vorschrift, weil sie der Bestimmungsfreiheit des öffentlichen Auftraggebers bei der Wahl des Beschaffungsgegenstands Grenzen setzt. Grenzen der Bestimmungsfreiheit des öffentlichen Auftraggebers bei der Wahl des Beschaffungsgegenstands bestehen aus der Perspektive des Vergaberechts nur im Interesse einer Öffnung des Beschaffungsmarkts für den Wettbewerb (
vgl. Senatsbeschluss vom 01.08.2012 - VII-Verg 10/12, zitiert nach juris, Tz. 42)."
Diese Auflösung des Zielkonflikts zwischen vergaberechtlichen Vorgaben zum Schutz des Beschaffungsmarkts vor wettbewerbsfeindlichen Beschaffungsvorgängen und der nationalstaatlichen Hoheit über die Gesundheitspolitik sowie die jeweilige Organisation des Gesundheitswesens und die medizinische Versorgung der Bevölkerung (
Art. 168
Abs. 7 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union -AEUV-) hält der Senat für sachgerecht (einschränkend Schneider in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 127
SGB V 1. Überarbeitung, Rn. 31, wonach § 127
Abs. 1
SGB V das neuere und speziellere Gesetz gegenüber § 103 GWB sei, so dass der sozialrechtlichen Regelung der Anwendungsvorrang gegenüber den einschlägigen Regelungen des Wettbewerbsrecht gebühre, solange die vergabefreie Beschaffung nicht in der Form der Erteilung eines öffentlichen Auftrags erfolge). Denn die in § 127
Abs. 1
SGB V vorgesehene Zweckmäßigkeitsprüfung ist, wie schon dem Gesetzestext in § 127
Abs. 1
S. 1
SGB V eindeutig zu entnehmen ist, sozialrechtlicher Natur. Nach § 127
Abs. 1
S. 1 können die Krankenkassen ... "im Wege der Ausschreibung Verträge über die Lieferung einer bestimmten Menge von Hilfsmitteln mit Leistungserbringern schließen , soweit dies zur Gewährleistung einer wirtschaftlichen und in der Qualität gesicherten Versorgung zweckmäßig ist." Zweck der Ausschreibung von Hilfsmittellieferungen ist damit kein wettbewerblicher, sondern ein gesundheitspolitischer mit den in einem Spannungsverhältnis sich befindenden Aspekten einer sparsamen und zugleich wirtschaftlichen Haushaltsführung der Krankenkassen und der medizinischen Versorgung ihrer Versicherten in dem zur Krankenbehandlung notwendigen Umfang. Auch steht das wirtschaftliche Interesse der möglichen Bieter an einem gesicherten Absatzmarkt nicht im Fokus der Norm. Zweck und Ziel des Krankenversicherungsrechts, wie es in dem Fünften Buch des Sozialgesetzbuchs vielerorts zum Ausdruck kommt, ist eine gesicherte, wirtschaftliche und solidarische medizinische Versorgung der Bevölkerung (
§ 1 SGB V). Insoweit steht dem nationalen Gesetzgeber auch die Kompetenz zu, dies in einer ersten Stufe in eigener Zuständigkeit unabhängig von wettbewerblichen Interessen zu regeln. Folgerichtig knüpft § 127
Abs. 1
S. 1
SGB V die Zweckmäßigkeitsprüfung an die Voraussetzung, dass diese zur Gewährleistung einer wirtschaftlichen und in der Qualität gesicherten (medizinischen) Versorgung der bundesdeutschen Bevölkerung erfolgt. Dies war erkennbar auch das Motiv des Gesetzgebers bei der Einführung der Zweckmäßigkeitsprüfung und deren in der Folgezeit wiederholt veränderten Anwendungs- und Durchführungsformen. Bis zu dem am 1. April 2007 in Kraft getretenen
GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz -
GKV-WSG - war es den Krankenkassen weitgehend freigestellt, welcher Vertragsform sie sich bei der Beschaffung der Hilfsmittel bedienen. In der Vorgängerfassung der Norm (in der Fassung vom 14.11.2003 gültig vom 1.1.2004 bis 31.3.2007 (BGBl. I,
S. 378)) war lediglich geregelt, dass die Krankenkassen Verträge über die Einzelheiten der Versorgung mit Hilfsmitteln mit Verbänden der Leistungserbringer schließen, soweit noch keine Festbeträge festgelegt worden sind (§ 127
Abs. 2 SGVB V in der Fassung von 2004). In
Abs. 2 der Norm wurde den Krankenkassen im Ermessenswege ("können") freigestellt, Verträge zu niedrigeren Preisen im Wege der öffentlichen Ausschreibung abzuschließen, soweit die Qualität gewahrt werde. Weitere Prämissen wurden an die öffentliche Ausschreibung nicht geknüpft. Mit dem
GKV-WSG verfolgte der Gesetzgeber nunmehr das Ziel, eine "effizientere Mittelverwendung bei der Gesundheitsversorgung" zu erreichen. Teilweise, so formulierte der Gesetzentwurf der Regierungsparteien, sei es zu Über- und Unterversorgung gekommen, die Qualität der Versorgung variiere erheblich und Ressourcen würden nicht nur an Schnittstellen nicht optimal eingesetzt werden. Eine älter werdende Gesellschaft erhöhe den Finanzaufwand im Gesundheitswesen, weshalb eine Reform der Ausgabenseite sicherstellen solle, dass die Mittel effizient und effektiv eingesetzt würden. Hierfür seien "Qualitäts- und Effizienzsteigerung durch Intensivierung des Wettbewerbs auf Kassenseite insbesondere durch mehr Vertragsfreiheit der Kassen mit Leistungserbringern und Reformen der Organisation" vorgesehen (BT-Drs. 16/3100 vom 24. Oktober 2006, Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD). In Verfolgung dieser Motive novellierte der Gesetzgeber die Vorschrift von § 127
Abs. 1
SGB V bzgl. der Beschaffung von Hilfsmitteln der gesetzlichen Krankenkassen über Vertragsschlüsse im Wege der öffentlichen Ausschreibung, indem er ein dreigliedriges System zur Hilfsmittelbeschaffung
bzw. Durchführung von Versorgungen konzipierte: Die öffentliche Ausschreibung eines Liefervertrages (
Abs. 1 der Norm), den Vertragsschluss im Wege des sogenannten open-house-Modells (
Abs. 2 der Norm) und die Versorgung des Versicherten im Einzelfall (
Abs. 3 der Norm). Die Krankenkassen hatten dabei nunmehr stets zu prüfen, ob der Vertragsschluss im Wege der Ausschreibung zur Gewährleistung einer wirtschaftlichen und in der Qualität gesicherten Versorgung zweckmäßig sei. War dies der Fall, sollte der Vertrag per Ausschreibung geschlossen werden. Nachdem sich in der Folgezeit Beschwerden der Versicherten und Hilfsmittel-lieferanten häuften, die Hinweise dafür ergaben, dass durch die veränderte Form der Hilfsmittelbeschaffung die Versorgungsqualität leiden könnte und kleinere Sanitätshäuser durch Verlust von Absatzmärkten in wirtschaftliche Schieflage gerieten, steuerte der Gesetzgeber mit dem GKVOrgWG (BGBl. I,
S. 2426) mit Wirkung zum 1. Januar 2009 nach. Zunächst wurde aus dem gebundenen Ermessen, welches die Krankenkassen verpflichtete im Regelfall den Vertragspartner über eine öffentliche Ausschreibung zur wählen, eine Kann-Regelung. Jetzt wurde den Krankenkassen unter der Voraussetzung einer Ermessensausübung eingeräumt, ihre Hilfsmittel über Ausschreibungen zu beschaffen, wenn dies zweckmäßig war (§ 127
Abs. 1
SGB V in der Fassung vom 15. Dezember 2008;
vgl. auch Schneider in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 127
SGB V 1. Überarbeitung, Rn. 24). In beiden Gesetzesfassungen exemplifizierte der Gesetzgeber im damaligen
S. 4 von
Abs. 1 der Vorschrift Fälle, in denen eine Ausschreibung regelmäßig für unzweckmäßig gehalten wurde und zwar dann, wenn Hilfsmittel für einen bestimmten Versicherten individuell angefertigt würden oder Versorgungen mit hohem Dienstleistungsanteil betroffen waren. Allerdings räumte der Gesetzgeber auch hier den Kassen noch einen Entscheidungsspielraum ein, da die Beispielsfälle nur "in der Regel" eine Ausschreibung unzweckmäßig machten. In der Fassung der Vorschrift vom 11. April 2017 fasste der Gesetzgeber mit dem Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz vom 4. April 2017 (BGBl. I
S. 778) - HHVG - schließlich die Beispielsfälle für die Unzweckmäßigkeit von Ausschreibungen in
S. 6 von
Abs. 1 noch enger. Nun fiel der Zusatz "in der Regel" der Novellierung zum Opfer. Die beiden Ausnahmefälle für eine Eignung zur Ausschreibung wandelten sich von der Regelanwendung zur gebundenen Anwendung; individuell angefertigte Hilfsmittel durften fortan ebenso wie Hilfsmittel mit einem hohen Dienstleistungsanteil nicht über Ausschreibungen beschafft werden. Grund hierfür waren wiederum vermehrt Beschwerden der Versicherten, die ihre gewohnte und oft wohnortnähere Hilfsmittelversorgung gefährdet, sowie Aktivitäten der kleineren Sanitätshäuser auch auf politischer Ebene, die ihre wirtschaftliche Existenz durch die Auftragsvergabe an große und überörtlich operierende Sanitätshäuser bedroht sahen (beispielhaft hierfür: Beitrag des Deutschlandfunk vom 28. Mai 2015, "Wie Patienten Opfer von Sparbemühungen werden", Internetrecherche).
Die Zweckmäßigkeitsprüfung ist damit, wie der Gesetzgeber durch ihre Einführung und mehrfache Anpassung der Vorschrift eindrücklich belegt hat, primär sozialrechtlicher
bzw. gesundheitspolitischer Natur. Eine wettbewerbliche Komponente i.
S. des GWB ist ihr gesetzessystematisch nicht immanent, auch wenn Änderungen bei der Beschaffungspraxis der Krankenkassen durch die Konzentration bei wenigen Anbietern zu einem "Kollateralschaden" bei anderen Anbietern auf dem Markt der Hilfsmittellieferanten führen können. Zwar ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien zum
GKV-WSG (Bericht des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss) 1. zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD - Drucksache 16/3100 BT-Drs.16/4247, zu
Nr. 93 (§ 127), Seite 46), dass neben den Interessen der Versicherten auch die Interessen kleiner und mittlerer Unternehmen berücksichtigt werden sollten. Eine primär an letzterem Ziel orientierte Tatbestandsinterpretation entspräche aber nicht der Zielsetzung des
SGB V als gesundheitspolitischem Regelwerk der gesetzlichen Krankenversicherung und geriete überdies in Kollision zum GWB. Denn die wirtschaftspolitische Förderung kleiner und mittlerer im Unterschied zu großen Unternehmen dürfte gegen die eindeutigen Vorgaben des Vergaberechts verstoßen, wenn es - wie zumeist bei Hilfsmittellieferverträgen mit Krankenkassen - um Ausschreibungen mit einem wirtschaftlichen Wert über dem Schwellenwert von § 106
Abs. 2
Nr. 1 GWB geht.
2.3. Ob eine Rechtsverletzung vorliegt, die der Antragsgegnerin im Wege der Ermessensausübung dazu Veranlassung geben durfte, im streitbefangenen Sinne einzuschreiten, begegnet hier jedoch Zweifeln.
Wie der Senat in früherer Besetzung bereits in seinen Entscheidungen aus dem Jahr 2012 zur maßvollen Anwendung von § 89
SGB IV durch die Aufsichtsbehörde im Sinne aufsichtsrechtlicher Zurückhaltung entschieden hat (unter anderem
LSG Hamburg, Urteil vom 29. November 2012, L 1 KR 47/11 KL, Rn. 47, ebenso
BSG, Urteil vom 22. März 2005, B 1 A 1/03 R; zuletzt Urteil vom 31. Mai 2016, B 1 A 2/15 R, Juris) und dem sich der Senat in aktueller Besetzung anschließt, hat die Aufsichtsbehörde bei der Wahrnehmung ihrer Befugnisse den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten. Dieser gebietet unter anderem die aufsichtsrechtliche Zurückhaltung bei der Anwendung von ungeklärten Rechtsfragen oder der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe, die mehrere Auslegungen zulassen und deren Auslegung noch ungeklärt ist. Hierzu gehört auch der zwischen den Beteiligten im Streit befindliche unbestimmte Rechtsbegriff der "Zweckmäßigkeit" (
vgl. Engelhard in jurisPK-SGB
IV, 3. Aufl. 2016, § 87 Rn. 83, juris).
Bei diesen gebührt dem Versicherungsträger eine Einschätzungsprärogative, die das Aufsichtsamt im Rahmen seines Entschließungsermessens berücksichtigen muss (
vgl. Engelhard in jurisPK -SGB
IV, 3. Aufl. 2016, § 89, Rn. 23-25,
LSG Hamburg, L 1 KR 47/11 KL, Rn. 46, juris) und über die die Aufsichtsbehörde sich in der Begründung zum Aufsichtsbescheid erkennbar bewusst gewesen sein muss (Fattler in: Hauck/Noftz,
SGB IV,
Std. 10/09, § 89, Rn. 4b). Dies ist Ausdruck der in § 29
SGB IV geregelten Selbstverwaltung der Körperschaften des öffentlichen Rechts als Träger der Sozialversicherung. Nicht zuletzt hieraus ergibt sich der Grundsatz der maßvollen Ausübung der Rechtsaufsicht gegenüber Selbstverwaltungskörperschaften, der es gebietet, der beaufsichtigten Behörde einen gewissen Bewertungsspielraum zu belassen, sofern sich ihr Handeln oder Unterlassen im Bereich des rechtlich noch Vertretbaren bewegt (ständige Rspr. u.a.
BSG, Urteil vom 14.2.2007, B 1 A 3/06 R; Urteil v. 3.3.2009, B 1 A 1/08 R; und Urteil vom 19.03.2015, B 1 A 2/14 B, Rn. 10 m.w.N, juris). Bei unterschiedlichen Auffassungen zwischen Versicherungsträger und Aufsichtsbehörde ist im Zweifel zugunsten des Versicherungsträgers zu entscheiden (Engelhardt in jurisPK-SGB
IV, 3. Aufl., 2016, § 87 Rn. 41). Gemessen hieran spricht mehr dafür, dass der Verpflichtungsbescheid unverhältnismäßig und damit ermessensfehlerhaft ist, weil er das Gebot aufsichtsrechtlicher Zurückhaltung verletzt.
Die Antragsgegnerin hat sich für ihren Aufsichtsbescheid auf eine Normverletzung von § 127
Abs. 1
S. 1
i.V.m. S. 6
SGB V berufen. Sie ist der Meinung, wegen des in dieser Vorschrift normierten Postulats der Zweckmäßigkeit unter der die Entscheidung für eine öffentliche Ausschreibung stehe, sei die Entscheidung der Antragstellerin für eine öffentliche Ausschreibung der fraglichen Hilfsmittel rechtswidrig, da sie aufgrund ihres hohen Dienstleistungsanteils nicht zweckmäßig sei. Dies ist unter zwei Aspekten rechtlich zweifelhaft: 1. mit Blick auf die Vorgaben des GWB bezüglich der Ausschreibungsverpflichtung bei Überschreiten des Schwellenwertes nach § 106 GWB und 2. dürften selbst bei Zugrundelegung der vom Senat zuvor dargelegten und priorisierten Rechtsauffassung, dass die Verpflichtung zur Ausschreibung nicht alleine nach den Vorgaben des GWB zu erfolgen hat, sondern einer Zweckmäßigkeitsprüfung im sozialrechtlichen Sinne nachgelagert ist, die Tatbestandsvoraussetzungen dafür, der Antragstellerin zu verbieten, die fragliche Hilfsmittelversorgung durch eine öffentliche Ausschreibung sicher zu stellen, nicht mit der für eine Aufsichtsmaßnahme erforderlichen Klarheit vorliegen.
Zu 1.: Ob die Zweckmäßigkeitsprüfung von § 127
Abs. 1
S. 1
SGB V bei vergaberechtsrelevanten Beschaffungsentscheidungen von der Krankenkasse durchzuführen ist oder ob diese vom Vergaberecht überlagert wird und damit im überschwelligen Bereich leerläuft, ist rechtlich umstritten; die Rechtsprechung befindet sich hier im Fluss. Eine Rechtslage zum Verständnis und zur Anwendbarkeit der Norm, die so eindeutig ist, dass die Antragsgegnerin sich mit einem aufsichtsrechtlichen Bescheid hierauf stützen könnte, besteht daher nicht. Nach der Entscheidung des EuGH vom 11. Juni 2009 (Rs C-300/07 zur Ausschreibungspflicht bei der Hilfsmittelbeschaffung orthopädischen Schuhwerks) bestehen zwar keine Zweifel mehr daran, dass gesetzliche Krankenkassen als Körperschaften des öffentlichen Rechts öffentliche Auftraggeber im Sinne der
EU-Richtlinie 2004/18/
EG sind und ihre Beschaffungen damit grundsätzlich nach den Vorschriften des
EU-Vergaberechts zu erfolgen haben, somit also bei der Beschaffung von Sach- und Dienstleistungen den insoweit einschlägigen Vorschriften des Teil 4 des GWB unterliegen. Auf der gleichen Linie lag die Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Düsseldorf, welches für die Vergabekammer des Bundes zuständige Beschwerdeinstanz ist. Danach bestand eine über Jahre gefestigte Rechtsprechung dergestalt, dass die Grundsätze des GWB, Teil 4 - Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen - uneingeschränkt Geltung beanspruchen. In der vorliegenden Konstellation gingen danach die vergaberechtlichen Vorschriften denen des Sozialrechts vor; eine Zweckmäßigkeitsprüfung wie sie § 127
Abs. 1
SGB V vom Sozialversicherungsträger fordert, hatte danach dann zurückzustehen, wenn die Beschaffungsentscheidung den vergaberechtlichen Schwellenwert überstieg, weil andernfalls bei der Beschaffung von Hilfsmitteln und damit verbundenen Dienstleistungen eine Bereichsausnahme errichtet werden würde, innerhalb derer die gesetzlichen Krankenkassen die Durchführung eines geregelten Vergabeverfahrens von Zweckmäßigkeitsüberlegungen, mithin von Ermessenserwägungen abhängig machen dürften und dies den höherrangigen Normen der hier anzuwendenden Richtlinie 2014/18/
EG, den Vergabevorschriften des GWB sowie § 69
Abs. 2
S. 4
SGB V alter Fassung (§ 69
Abs. 3
SGB V neuer Fassung), wonach auf öffentliche Aufträge der gesetzlichen Krankenkassen die Vorschriften des Vierten Teils des GWB anzuwenden seien, widerspräche (u.a.
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21. Dezember 2016, VII Verg 26/16, Rn. 24,
m.w.N., juris). Dieser Auffassung folgend haben Sozialgerichte und Landessozialgerichte daraufhin in Konstellationen, in denen ein möglicher Bieter gegen den Sozialversicherungsträger unter Berufung auf einen Verstoß gegen das Zweckmäßigkeitsgebot von § 127
Abs. 1
SGB V den Sozialrechtsweg beschritten hat, diesen für unzulässig erklärt (Bayerisches
LSG, Beschluss vom 21. März 2018, L 5 KR 81/18 B ER; Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 17.8.2018, L 6 KR 708/18 B ER, beide in juris). Auch das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen hat in seiner Entscheidung vom 29. Mai 2018 (L 4 KR 173/18 ER) in einem diesem vergleichbaren aufsichtsrechtlichen Eilverfahren den Antrag zwar einerseits für zulässig gehalten, andererseits aber die aufschiebende Wirkung der Klage der Krankenkasse gegen den Bescheid der Antragsgegnerin angeordnet. Zur Begründung hat es auf die soeben zitierte Rechtsprechung des
OLG Düsseldorf und einiger Sozialgerichte Bezug genommen und sich diesen angeschlossen, in dem es Zweckmäßigkeitsüberlegungen bei der Frage einer Ausschreibung von Hilfsmittelbeschaffungen durch gesetzliche Krankenkassen für unzulässig erklärt hat, soweit es um Ausschreibungen im überschwelligen Bereich gehe. In der Konsequenz hat es unter Berufung auf die Rechtssicherheit, den Beschleunigungsgrundsatz im Vergabeverfahren und die Einheitlichkeit der Rechtsordnung eine Befassung mit § 127
Abs. 1
SGB V und dem dort postulierten Zweckmäßigkeitsgebot abgelehnt. Er solle nicht zu divergierenden Entscheidungen der Fachgerichte einerseits und der Vergabekammern andererseits kommen; auf die Einwände der Antragsgegnerin bezüglich der fehlenden Zweckmäßigkeit der streitbefangenen Ausschreibung komme es daher vorliegend nicht an. In jüngster Zeit nun - bezeichnender Weise erst nach der hier angefochtenen Aufsichtsverfügung der Antragsgegnerin vom 20. März 2018 - hat das
OLG Düsseldorf in geänderter Besetzung seine Rechtsprechung zum Spannungsfeld zwischen Sozialrecht und Wettbewerbsrecht modifiziert. Nunmehr ordnet es der Tatbestandsvoraussetzung der Zweckmäßigkeit in § 127
Abs. 1
SGB V eine der Ausschreibung vorgelagerte Prüfung (durch die Krankenkassen) zu und nähert sich damit erstmals der von der Antragsgegnerin vertretenen Rechtsauffassung zu § 127
Abs. 1
S. 1
SGB V (
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27. Juni 2018, VII-Verg 59/17, juris). Diese Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung hat in einschlägigen Kreisen für Aufsehen gesorgt. Von einer klaren und für die Antragstellerin unmissverständlichen Rechtslage zum Verfahren bei der Beschaffung von Hilfsmitteln im überschwelligen Bereich kann damit - zumal im hier bei einer Anfechtungslage wohl maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Aufsichtsverfügung vor dieser Rechtsprechungsänderung - jedoch keine Rede sein.
Zu 2. Die Antragsgegnerin begründet ihren Bescheid im Wesentlichen mit ihrer Einschätzung, wonach der Stomaversorgung ein hoher Dienstleistungsanteil innewohne, der das Vorgehen der Antragstellerin wegen fehlender Zweckmäßigkeit nach § 127
Abs. 1
S. 1
i.V.m. S. 6
SGB V verbiete. Für diese Auffassung ergeben sich nach dem Inhalt der Akten zur Überzeugung des Senats jedoch für ein aufsichtsrechtliches Einschreiten keine hinreichenden Anhaltspunkte. Auch hier gilt, dass der Antragstellerin bei der Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs eine Einschätzungsprärogative zukommt, die das Aufsichtsamt bei der maßvollen Anwendung von § 89
SGB IV im Sinne aufsichtsrechtlicher Zurückhaltung im Rahmen seines Entschließungsermessens berücksichtigen muss. Ein Anlass zum aufsichtlichen Einschreiten besteht demnach erst, wenn das von der Antragstellerin vertretene Verständnis der einer Auslegung zugänglichen Tatbestandsvoraussetzung der Norm mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht oder jedenfalls nur schwer vertretbar wäre. Dies kann der Senat unter Zugrundelegung des im Rahmen des Eilverfahrens bekannt gewordenen Sachverhalts nicht erkennen. Der Gesetzgeber hat sich zur Frage, was er unter einem hohen Dienstleistungsanteil versteht, nicht konkret geäußert. Die fragliche Formulierung ist mit dem
GKV-WSG vom 26. März 2007 in das Gesetz eingefügt worden. In der Gesetzesbegründung zum Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD (BT.-Drs. 16/3100, Seite 85-213, 141) heißt es lediglich, dass durch die in Absatz 1 Satz 1 vorgesehenen Ausschreibungen der Preiswettbewerb im Hilfsmittelbereich gefördert werden solle und weiter: "Bei den Ausschreibungen sind die jeweils gültigen Vorschriften des Vergaberechts anzuwenden. In Verbindung mit Absatz 2 Satz 1 sieht die Regelung vor, dass dieses Instrument von den Krankenkassen vorrangig einzusetzen ist. Der Hinweis auf die Qualität der Versorgung in Satz 1 und die Regelung in Satz 2, die zur Beachtung der im Hilfsmittelverzeichnis festgelegten Anforderungen an die Qualität der Versorgung und der Produkte verpflichtet, sollen ausschließen, dass Preisvorteile zu Lasten der Versorgungsqualität gehen." Nähere Erläuterungen zu dem Verständnis des Gesetzgebers von dem hier umstrittenen Begriff in
Abs. 1
S. 4 (heutiger
S. 6) der Norm finden sich in der Gesetzesbegründung nicht. Erkennen lässt sich aber, dass die Gesetzesnovelle im Schwerpunkt auch dem Zweck dienen sollte, das Gesundheitswesen in Deutschland kosteneffizienter aufzustellen ohne aber die Versorgungsqualität der Versicherten zu beeinträchtigen.
Bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs ist zunächst fraglich, was unter einem "hohen Dienstleistungsanteil" zu verstehen ist. Die Antragsgegnerin verfolgt erkennbar eine qualitative Definition, indem sie die Dienstleistung nach ihrer Bedeutung bei der gesamten Versorgungsmaßnahme des Versicherten quasi abstrakt bewertet und dabei die postoperative Erstversorgung als ein besonders wichtiges Element im Gesamtgefüge der Versorgung versteht. Ein hoher Dienstleistungsanteil sei auch nicht gleichbedeutend mit einem überwiegenden - mehr als 50 prozentigen - Dienstleistungsanteil. Ihrer Auffassung nach komme es überdies auch im weiteren Verlauf der Versorgung immer wieder zu notwendigen Dienstleistungen, wenn der Versicherte Probleme mit seinem Stoma habe
z.B. durch Gewichtsveränderungen, Erkrankungen oder sonstige Ereignisse, die einen reibungslosen und damit dienstleistungsarmen Ablauf bei der Stomaversorgung verhindern. Auch hier komme der Versorgung durch den Dienstleister vor Ort - dem Pflegeexperten Stoma, Kontinenz und Wunde - eine besondere Bedeutung zu. Sie stützt sich für ihre Rechtsauffassung auch auf die Empfehlungen des
GKV-Spitzenverbandes, aus denen sich ergebe, dass auch dieser von der Ausschreibung von Hilfsmitteln im Bereich der Stomaversorgung abrate. Schließlich seien die Dienstleistungen nicht standardisiert zu erfassen, da es um persönliche, intime, intensive und umfangreiche Einweisungen oder Nachbetreuungen
bzw. komplexe und auch mehrfache Anleitungen von Angehörigen oder Pflegepersonal; eine kontinuierliche Beobachtung des Versorgungsverlaufs zur Kompli-kationsvermeidung und/oder die Notwendigkeit einer patientennahen Versorgung mit kurzen Reaktionszeiten und/oder aufwendig auf das persönliche Umfeld abzustimmende Individualversorgungen mit besonderem Anpassungs-, Einstellungs-
bzw. Ausstattungsbedarf des Hilfsmittels ginge. Dies sei insbesondere in den ersten sechs Monaten nach der Neuanlage des Stomas notwendig.
Die Antragstellerin hat demgegenüber ausgeführt, dass es sich auch bei diesem Tatbestandsmerkmal um einen unbestimmten Rechtsbegriff handele, zu dem noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung existiere. Ihre Auffassung, ein hoher Dienstleistungsanteil setze einen quantitativ überwiegenden voraus, sei daher vertretbar und rechtfertige keinen Eingriff in ihre Bewertung insoweit. Zur Begründung beruft sie sich zudem auf § 110
Abs. 2
Nr. 2 GWB, der bei öffentlichen Aufträgen die teilweise aus Lieferleistungen und teilweise aus Dienstleistungen bestehen, den Hauptgegenstand danach bestimmt, welcher geschätzte Wert der jeweiligen Liefer- oder Dienstleistungen am höchsten ist. Bei einer wirtschaftlichen Betrachtung sei der Dienstleistungsanteil bei der Stomaversorgung von untergeordneter Bedeutung. Konkrete Daten konnte die Antragstellerin hierfür nicht liefern, da eine Kostendokumentation der beiden Leistungsbereiche Dienstleistung und Warenlieferung bisher nicht erstellt worden sei. Sie verweist aber auf den klassischen Ablauf einer Stomaversorgung nach operativer Anlage des Stomas und leitet hieraus ihre Rechtsauffassung ab. Nach der operativen Anlage des Stomas erfolge eine Beratung/Anzeichnung der exakten Stoma-Platzierung durch den behandelnden Krankenhausarzt und idealerweise unter Einbindung des Stoma-Therapeuten des Krankenhauses. Gleiches gelte für die postoperative Stoma-Erstversorgung, die ebenfalls im Krankenhaus durch Ärzte, Pfleger und Stoma-Therapeuten des Krankenhauses stattfinde. Für die ersten Tage nach der Krankenhausentlassung verordne der behandelnde Arzt im Krankenhaus die notwendigen Produkte und Mengen und anschließend erfolge dies durch den niedergelassenen Arzt. Danach werde der Stomaträger an den Leistungserbringer übergeleitet. Dabei gehe es um die Begleitung und Anpassung der Versorgung, der Beratung über die Versorgungsmöglichkeiten und die Auswahl von individuell geeigneten Einzelprodukten. In dieser Phase werde der Versicherte auch in den sachgerechten Gebrauch der Stomaartikel eingewiesen: die Art und Weise des Zuschneidens der Basisplatten sowie das selbständige Anlegen und Nutzen der Hilfsmittel. Die Beratung solle den Versicherten ertüchtigen, das Hilfsmittel in kurzer Zeit eigenständig anzuwenden. Daneben trete im Bedarfsfall auch die Unterstützung durch häusliche Krankenpflege nach § 37
Abs. 2
SGB V. Nach einer Testphase überprüfe der niedergelassene Arzt, ob die Versorgung der Verordnung entspreche. Nach Abschluss der postoperativen Versorgungsfindung erfolge daher im Allgemeinen "nur" noch eine reine Belieferung durch den jeweiligen Leistungserbringer. Könne mit den verordneten Produkten das Versorgungsziel nicht mehr erreicht werden oder reagiere der Versicherte in vorab nicht einschätzbarer Weise auf das Hilfsmittel, werde dessen Arzt informiert, der die ärztliche Verordnung
bzw. die Versorgungsvorgaben gegebenenfalls darauf anpasse. Der Leistungserbringer passe daraufhin die Hilfsmittelversorgung an die ärztlichen Vorgaben an.
Im Einzelnen würden die Beratungs- und Serviceleistungen in der Regel in den ersten sechs Monaten nach Anlage des Stomas von den Patienten in Anspruch genommen. Wesentlicher Gegenstand der Ausschreibung sei die Bereitstellung standardisierter Produkte mit geringerem individuellem Anpassungsbedarf. Bei der Stomaversorgung würden Standardartikel/Fertigprodukte verwendet, die keine patientenindividuelle Herstellung voraussetzten. Auch die bedarfsabhängigen, ergänzenden Hilfs- und Beratungsleistungen seien teils standardisiert und auf typische Therapieanforderungen und Versorgungsverläufe zugeschnitten. Diese würden gemessen am Gesamtanteil der Versorgung einen Ausnahmefall darstellen. Die Versicherten würden im Laufe der Versorgung faktisch selbst zu Experten und viele Probleme eigeninitiativ abwickeln können oder lediglich ein kurzes Telefonat mit dem Leistungserbringer benötigen. Neben der Belieferung obliege es dem Leistungserbringer in der Regel allgemeine Fragen des Versicherten zur Hilfsmittelversorgung sowie zu dem gelieferten Produkt zu klären. Die Dienstleistung erschöpfe sich folglich zumeist in der anfänglichen Einführung des Stomaträgers zu Beginn der Versorgung. Komme es im Laufe der Versorgung zu Problemen beim Stomaträger, berate der Leistungserbringer den Versicherten zwar, die medizinische Beratung oder Aufklärung bei Komplikationen und die Verordnung neue Produktarten erfolge dabei jedoch stets durch den behandelnden Arzt. Dies ergebe sich auch aus den Ziffern 2.3.1 und 2.2.4 der Leistungsbeschreibung. Schließlich ergebe sich der untergeordnete Charakter des Dienstleistungsanteils auch aus der seitens der Bieter in dem Ausschreibungsverfahren übersandten Urkalkulation. Danach machten die Kosten für die fraglichen Dienstleistungen lediglich etwa 10 % des Angebotspreises aus.
Die von der Antragstellerin verfolgte Auslegung einer eher quantitativen Betrachtung, bei der sie auf die zeitliche und kostenmäßige Bedeutung der verschiedenen Elemente der Stomaversorgung abstellt, erscheint dem Senat nach dieser Darstellung des tatsächlichen Ablauf der Stomaversorgung gut vertretbar. Schon bei wortsemantischer Betrachtung spricht viel für ein mengenmäßiges Verständnis des Begriffs, da der "Anteil" auf eine Teilmenge zum Ganzen (Internetrecherche: https://www.wortbedeutung.info) und damit im Grundsatz auf eine mathematische Betrachtung abstellt. Hinzu kommt, dass auch im Kontext der Begriffsverwendung ein quantitatives Verständnis sinnvoll ist. Denn je höher der mengenmäßige Dienstleistungsanteil an der Hilfsmittelversorgung ist, desto mehr dürfte der Gesetzgeber die Gefahr von Qualitätsverlusten gesehen haben und diese daher von der Ausschreibungspflicht ausnehmen haben wollen, um möglichen Qualitätsverlusten zu begegnen. Unter Zugrundelegung einer quantitativen Betrachtung kann jedoch bei Werten von maximal 10 Prozent nicht von einem hohen Anteil ausgegangen werden. Zwar ist nicht ohne weiteres davon auszugehen, dass ein hoher Anteil gleichzusetzen ist mit einem überwiegenden Anteil, so aber die Antragstellerin, die dafür die vergaberechtliche Regelung von § 110
Abs. 2
Nr. 2 GWB herangezogen hat (in diesem Sinne wohl auch Luthe in: Hauck/Noftz, SGB, 05/16, § 127
SGB V, Rn. 13). Danach wird der Hauptgegenstand öffentlicher Aufträge, die teilweise aus Lieferleistungen und teilweise aus Dienstleistungen bestehen, danach bestimmt, welcher geschätzte Wert der jeweiligen Liefer- oder Dienstleistungen am höchsten ist. Das wirtschaftsrechtlich geprägte GWB und das sozialrechtliche
SGB V verfolgen in diesem Kontext jedoch sicher keine identischen Ziele, so dass ein wettbewerblich geprägtes Normverständnis auf die Zielsetzungen bei der Hilfsmittelbeschaffung kaum übertragbar ist. Aber auch bei einer Normauslegung, die das in § 127
SGB V angelegte Ziel der Qualitätssicherung verfolgt, hält der Senat das von der Antragstellerin vorgetragene Normverständnis jedenfalls nicht für rechtswidrig und zwar sowohl unter Berücksichtigung des Zeitaufwandes als auch bezogen auf die wirtschaftliche Bedeutung des Dienstleistungsanteils. Die Argumentation der Antragsgegnerin überzeugt den Senat nicht von der Rechtswidrigkeit des Vorgehens der Antragstellerin. Der Senat teilt zwar die Auffassung der Antragsgegnerin, dass es sich bei der Anlage eines Stomas um einen intimen und für den Patienten jedenfalls zu Beginn um einen ungewohnten und unangenehmen Vorgang handelt; den Nachweis dafür, dass die Hilfsmittelversorgung in diesem Normzusammenhang (nur) unter einem qualitativen Blickwinkel zu sehen ist, hält der Senat jedoch nicht für erbracht. Im Schwerpunkt bezieht sich die Antragsgegnerin dabei auf die rechtlich keine Bindung entfaltenden Gemeinsamen Empfehlungen des
GKV-Spitzenverbandes vom 2. Juli 2009 (Empfehlungen sind keine Normsetzung, sondern von den Krankenkassen zu beachtendes Verwaltungsbinnenrecht, welches weder Leistungserbringer noch Krankenkassen noch Gerichte (zu letzterem
BSG, Urteil vom 29. November 1995, Az. 3 RK 25/94, juris) bindet (
vgl. Butzer in Becker/Kingreen,
SGB IV, 6. Aufl. 2018, § 127 Rn. 30 unter Verweis auf § 124 Rn. 16 und § 125 Rn. 2; Luthe in: Hauck/Noftz, SGB, 05/16, § 127
SGB V, Rn. 20,21, juris)). Zwar dürften sie im Wege der Selbstbindung der Verwaltung für die Krankenkassen relevant sein, doch soll zugleich doch hinreichend Flexibilität zur Berücksichtigung örtlicher und sachlicher Besonderheiten ermöglicht werden. Deshalb wird man davon ausgehen können, dass die Krankenkassen hiervon aus sachlichen Gründen abweichen können.
Die Empfehlungen definieren Versorgungen mit hohem Dienstleistungsanteil als solche, bei denen dieser nicht oder nur schwierig standardisiert erfasst werden kann. Dies treffe vor allem dann zu, wenn persönliche, intensive und umfangreiche Einweisung oder Nachbetreuung
bzw. komplexe und gegebenenfalls mehrfache Anleitung von Angehörigen oder Pflegepersonal und/oder kontinuierliche Beobachtung des Versorgungsverlaufs zur Komplikationsvermeidung und/oder Notwendigkeit einer patientennahen Versorgung mit kurzen Reaktionszeiten und/oder aufwendig auf das persönliche Umfeld abzustimmende Individualversorgungen mit besonderem Anpassungs-, Einstellungs-
bzw. Ausstattungsbedarf des Hilfsmittels nötig sind. Die Spitzenorganisation habe sich zudem mit Rundschreiben vom 29. November 2017 dergestalt geäußert, dass die Ausschreibung von Stomaversorgungen im Sinne von § 127
Abs. 1
SGB V nicht zweckmäßig sei, da diese Versorgungsart mit individuellen, körpernahen und damit die Intimsphäre des Versicherten betreffenden Anpassungen einhergehe.
Diese Aussage relativierte der Spitzenverband jedoch kurze Zeit später, indem er zunächst in einem Schreiben an die Antragstellerin vom 14. Dezember 2017 betont, dass seinen Rundschreiben keine verbindliche Vorgabe für die Krankenkassen zukomme. Bei dem Abschluss von Verträgen dieser Art sei die betroffene Intimsphäre des Versicherten und die daraus resultierenden Bedeutung der Vertrauensbeziehung zum Leistungserbringer in die Gesamtbetrachtung bei der Entscheidung der Krankenkasse über die Vertragskonzeption einzubeziehen. Es sei der Eindruck entstanden, dass die Antragstellerin mit ihrer Ausschreibung große Sorgfalt auf die Abbildung und Sicherstellung einer hochwertigen und den individuellen Gegebenheiten angemessenen Versorgung von Stoma-Patienten dadurch Wert gelegt habe, dass die angemessene patientenorientierte Versorgung handlungsleitend sei. Das Qualitätsniveau der Vergangenheit würde durch die komplexen Vorgaben in der Ausschreibung erhöht werden. Am 31. Januar 2018 erging dann ein weiteres Rundschreiben, in dem die Aussagen im vorangegangenen Rundschreiben zu diesem Thema weiter abgeschwächt wurden. Man halte zwar an den Empfehlungen vom 2. Juli 2009 fest, halte aber Qualitätskriterien in der Leistungsbeschreibung für sinnvoll, um diese für die Bieter verbindlich zu machen. Man habe sich auch mit einzelnen aktuellen Ausschreibungen im Hilfsmittelbereich befasst und sei zu dem Ergebnis gekommen, dass die Komplexität des jeweiligen Versorgungsauftrages umfassend in der Leistungsbeschreibung berücksichtigt werde. Die Krankenkassen hätten bei ihren Ausschreibungen besonderen Wert und Sorgfalt auf eine hochwertige und den individuellen Gegebenheiten angemessene Versorgung gelegt. Das Qualitätsniveau der Vergangenheit werde durch die komplexen Vorgaben in diesen Ausschreibungen erhöht.
Ob der Spitzenverband damit noch an seinem Rundschreiben vom 29. November 2017 festhält, bleibt danach offen. Vielmehr legt er die Entscheidungskompetenz vollständig in die Hände der Krankenkassen und betont, dass es auf den Einzelfall ankomme, bei dem es im Vergleich zur aktuellen Versorgungslage durch hohe und ausdifferenzierte Qualitätskriterien in der Ausschreibung zu einem höheren Qualitätsniveau bei der Hilfsmittelversorgung kommen werde.
Vor diesem Hintergrund kann der Senat eine eindeutige Position des Spitzenverbandes, wonach die hier streitbefangene Ausschreibung für unzweckmäßig erachtet werde, nicht erkennen.
Auch das von der Antragsgegnerin weiter angeführte Argument der Intimität der hier betroffenen Versorgung, welches ein besonderes Vertrauensverhältnis zum Leistungserbringer erfordere, erscheint dem Senat nicht von einem Gewicht, dass die hier fragliche Tatbestandsvoraussetzung dadurch erfüllt würde. Auch dieses Argument ist ein rein qualitatives, welches im Wesentlichen am Anfang der Versorgung dann eine Rolle spielt, wenn Pflegepersonal hinzugezogen werden soll/muss. Die Antragstellerin räumt hier ein, dass diese Versorgung vor allem in der Anfangszeit Bedeutung für den Versicherten hat. Hieraus aber einen hohen Dienstleistungsanteil für die gesamte Versorgung zu schlussfolgern, erscheint dem Senat nicht überzeugend. Das Vertrauensverhältnis zum Leistungserbringer besteht insbesondere zwischen dem Versicherten und der jeweils eingesetzten Pflegekraft des Leistungserbringers. Bei einem großen Vertragspartner dürfte es für den Leistungserbringer sogar leichter sein, ein fehlendes oder gestörtes Vertrauensverhältnis dadurch aufzufangen, dass die Pflegekraft vor Ort ausgetauscht wird. Ein solches Entgegenkommen dürfte der Leistungserbringer schon aus eigenem Interesse an der erfolgreichen Fortsetzung des Vertragsverhältnisses (welches zunächst nur für zwei Jahre abgeschlossen wird) mit der Krankenkasse zeigen.
Soweit die Antragsgegnerin überdies durch die Form der Ausschreibung Qualitätsverluste befürchtet, verweist die Antragstellerin zu Recht darauf, dass die Einhaltung von Qualitätsstandards durch die Leistungsbeschreibung in der Ausschreibung erfolgt, worauf § 127
Abs. 1
S. 3 und
S. 4
SGB V verweist, welcher die Anforderungen des Hilfsmittelverzeichnisses nach
§ 139 SGB V als Qualitätsmaßstab heranzieht. Dass die Antragstellerin mit ihrer in der Ausschreibung enthaltenen Leistungsbeschreibung hohe Qualitätsstandards verfolgt hat, begegnet keinen Zweifeln. Beispielhaft seien hierfür die Leistungsanforderungen unter den Nummern 2.2 bis 2.5 genannt, in denen die möglichen Bieter bei Abgabe des Angebotes sehr dezidiert auf ein qualitätvolles und im Versorgungsablauf detailliert vorgegebenes Gebot hingewiesen werden.
Die Position der Antragstellerin, wonach die Einführung und Unterstützung bei der anfänglichen Eingewöhnung an die Stomaversorgung bereits im Krankenhaus ihren Anfang nimmt und im Anschluss je nach Patient und dessen Fähigkeiten sowie Grad der Erkrankung sehr unterschiedlich sei, jedenfalls aber die Versorgung mit dem Hilfsmittel nicht maßgeblich präge und keinen hohen Dienstleistungsanteil aufweise, ist nach allem jedenfalls vertretbar. Eine Rechtswidrigkeit der erstrebten Ausschreibung nach dem Maßstab von § 89
Abs. 1
SGB IV ist demnach nicht mit hinreichender Sicherheit festzustellen, weil sich die Entscheidung, die fragliche Hilfsmittelversorgung durch eine Ausschreibung nach § 127
Abs. 1
SGB V sicher zu stellen, noch im Bereich des rechtlich Vertretbaren bewegt. Das der Antragsgegnerin zustehende und von ihr auszuübende Entschließungsermessen dürfte demnach fehlerhaft ausgeübt worden sein.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a
Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 3
SGG in Verbindung mit § 154
Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung. Der Streitwert wird unter Berücksichtigung der Bitte der Antragstellerin um vertrauliche Behandlung der im Zusammenhang mit der Hilfsmittelausschreibung einhergehenden Aufwendungen der Antragstellerin nach § 197a
Abs. 1
SGG i.V.m. § 52
Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) auf 2.500.000,-
EUR festgesetzt. Dabei hat der Senat sich davon leiten lassen, dass nach dem Gerichtskostengesetz in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit der Streitwert nicht über 2.500000,-
EUR angenommen werden darf. Dabei wurde davon abgesehen den in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes üblicherweise vorzunehmenden Abschlag von 50 % vorzunehmen, da die von der Antragstellerin begehrte Aufhebung der Anordnung der sofortigen Vollziehung bei deren Erfolg faktisch zur Vorwegnahme der Hauptsache führt, denn die Ausschreibung kann nunmehr (vorläufig) in der streitbefangenen Form durchgeführt werden und eine abweichende Entscheidung in der Hauptsache wird die als Ergebnis der Ausschreibung durchgeführte Hilfsmittelbeschaffung im Wege des Vergabeverfahrens nicht mehr rückgängig machen können.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177
SGG).