Die zulässige, insbesondere fristgerecht erhobene Beschwerde der
AG'in ist begründet.
Das SG hat zu Unrecht mit Beschluss vom 31.01.2008 festgestellt, dass die ASt'in zur Versorgung der gesetzlich Versicherten der
AG'in mit Inkontinenzartikeln und Krankenunterlagen bis zum 31.12.2008 berechtigt sei, auch wenn die
AG'in bereits im Wege der Ausschreibung vor dem 31.12.2008 Verträge mit anderen Leistungserbringern geschlossen habe.
Gemäß § 86b
Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des
Abs. 1 der Vorschrift vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind nach
Abs. 2
S. 2 auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussicht in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Rechtsbehelfs in der Hauptsache (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b
Abs. 2 Satz 4
SGG i. V. m. § 920
Abs. 2 Zivilprozessordnung (
ZPO).
Die Voraussetzungen für die von der ASt'in begehrte Regelungsanordnung liegen nach der in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht vor. Zwar kann eine - hier vorliegend einzig in Betracht kommende - Regelungsanordnung nach § 86b
Abs. 2
S. 2
SGG auch in der Form einer vorläufigen Feststellung erfolgen (Sächsisches Landessozialgericht (
LSG), Beschl. vom 03.03.2008, Az.: L 3 B 187/07 AS-ER, www.juris.de;
LSG Baden-Württemberg, Beschl. vom 11.06.2008, Az.: L 11 KR 243808 ER-B, www.juris.de; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 8. Aufl. 2005, § 86b RdNr. 30).
Es bestehen aber bereits Bedenken, ob die ASt'in einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht hat. Sie hat zwar vorgetragen, dass
rd. 14,2 % ihres Jahresumsatzes wegfallen werde, wenn sie von der Versorgung der Versicherten der
AG'in ausgeschlossen werde. Es ist aber in keiner Weise dargelegt, geschweige denn glaubhaft gemacht, dass die ASt'in damit in ihrer wirtschaftlichen Existenz betroffen wäre oder ihr schwere, nicht wieder gut zu machende Nachteile drohten, die eine hier erstrebte Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigen könnten. Bedenken hat der Senat vor allem insoweit, als die ASt'in selbst nicht geltend macht, über den 31.12.2008 hinaus im bisherigen Umfang tätig werden zu dürfen und die Folgen der Zuschlagserteilung die ASt'in erst ab dem 01.07.2008, dem Zeitpunkt der Umstellung der Versorgung der Versicherten der
AG in mit aufsaugenden Inkontinenzmitteln im regionalen Einzugsbereich des Loses
Nr. 5, treffen können.
Unabhängig davon ist auch kein Anordnungsanspruch ersichtlich. Es spricht mehr gegen als für die vom SG vorgenommene Auslegung des
§ 126 Abs. 2 SGB V n. F., dass bis zum Ablauf der Übergangsfrist am 31.12.2008 alle nach altem Recht zugelassenen Leistungserbringer im Hilfsmittelbereich zur Versorgung der Versicherten berechtigt bleiben, auch wenn die gesetzliche Krankenkasse eine Ausschreibung nach
§ 127 Abs. 1 SGB V n. F. durchgeführt und einen Ausschreibungsgewinner ermittelt hat.
Zum 01.04.2007 hat der Gesetzgeber durch das
GKV-WSG folgende, hier relevante Änderungen bei der Versorgung der Versicherten mit Hilfsmitteln und in den Beziehungen zu Leistungserbringern vorgenommen: Die bis zum 31.03.2007 erforderlich gewesene Zulassung von Leistungserbringern durch Verwaltungsakt (§ 126
Abs. 1
S. 1
SGB V a. F.) ist im Bereich der Hilfsmittel entfallen; gemäß § 126
Abs. 1 SGV n. F. dürfen Hilfsmittel an Versicherte nur auf der Grundlage von Verträgen nach § 127
Abs. 1, 2 und 3
SGB V n. F., in ihrer Priorität nach den Absätzen gestaffelt, abgegeben werden. Gemäß § 127
Abs. 1
SGB V n. F. sollen die Krankenkassen, ihre Verbände oder Arbeitsgemeinschaften, soweit dies zur Gewährleistung einer wirtschaftlichen und in der Qualität gesicherten Versorgung zweckmäßig ist, im Wege der Ausschreibung Verträge mit Leistungserbringern oder zu diesem Zweck gebildeten Zusammenschlüssen der Leistungserbringer über die Lieferung einer bestimmten Menge von Hilfsmitteln, die Durchführung einer bestimmten Anzahl von Versorgungen oder die Versorgung für einen bestimmten Zeitraum schließen.
Soweit Ausschreibungen nach
Abs. 1 nicht zweckmäßig sind, schließen die Krankenkassen, ihre Verbände oder Arbeitsgemeinschaften nach § 127
Abs. 2
S. 1
SGB V n. F. Verträge mit Leistungserbringern oder Verbänden oder sonstigen Zusammenschlüssen der Leistungserbringer über die Einzelheiten der Versorgung mit Hilfsmitteln, deren Wiedereinsatz, die Qualität der Hilfsmittel und zusätzlich zu erbringender Leistungen, die Anforderungen an die Fortbildung der Leistungserbringer, die Preise und die Abrechnung. Die Absicht, über die Versorgung mit bestimmten Hilfsmitteln Verträge zu schließen, ist nach § 127
Abs. 2
S. 3
SGB V n. F. in geeigneter Weise öffentlich bekannt zu machen. Soweit für ein erforderliches Hilfsmittel keine Verträge der Krankenkasse nach
Abs. 1 und
Abs. 2 mit Leistungserbringern bestehen oder durch Vertragspartner eine Versorgung der Versicherten in einer für sie zumutbaren Weise nicht möglich ist, trifft die Krankenkasse gemäß § 127
Abs. 3
SGB V n. F. eine Vereinbarung im Einzelfall mit einem Leistungserbringer. Die Krankenkassen haben ihre Versicherten nach § 127
Abs. 5
S. 1
SGB V n. F. über die zur Versorgung berechtigten Vertragspartner und auf Nachfrage über die wesentlichen Inhalte der Verträge zu informieren. Sie können auch den Vertragsärzten entsprechende Informationen zur Verfügung stellen. Abweichend von
Abs. 1
S. 1 der Norm bleiben nach § 126
Abs. 2
S. 1
SGB V n. F. Leistungserbringer, die am 31.03.2007 über eine Zulassung nach § 126
SGB V a. F. verfügen, bis zum 31.12.2008 zur Versorgung der Versicherten berechtigt.
Nach der bis zum 31.03.2007 geltenden Rechtslage war es den gesetzlichen Krankenkassen nicht gestattet, die Versorgung auf ausgewählte Leistungserbringer zu konzentrieren und das Wahlrecht der Versicherten unter allen zugelassenen Leistungserbringern entsprechend einzuschränken. Gemäß
§ 33 Abs. 6 SGB V n. F. können die Versicherten ab dem 01.04.2007 alle Leistungserbringer in Anspruch nehmen, die Vertragspartner ihrer Krankenkasse oder nach § 126
Abs. 2
SGB V versorgungsberechtigt sind. Hat die Krankenkasse Verträge nach § 127
Abs. 1
SGB V n. F. über die Versorgung mit bestimmten Hilfsmitteln geschlossen, erfolgt die Versorgung nach
S. 2 der Norm durch einen Vertragspartner, der den Versicherten von der Krankenkasse zu benennen ist. Abweichend von
S. 2 können Versicherte gemäß § 33
Abs. 6
S. 3
SGB V n. F. ausnahmsweise einen anderen Leistungserbringer wählen, wenn ein berechtigtes Interesse besteht; dadurch entstehende Mehrkosten haben sie selbst zu tragen.
Die Umstellung des Leistungserbringerrechts ab dem 01.04.2007 durch das
GKV-WSG im Bereich der Hilfsmittel von einem breiten Spektrum, aufgrund Zulassungserteilung versorgungsberechtigter Leistungserbringer auf wenige, zu denen vertragliche Beziehungen bestehen, hat der Gesetzgeber mit einer Stärkung des Vertrags- und Preiswettbewerbs begründet (Bundestags-Drucksache (BT-Drs 16/3100
S. 141) und daran die Hoffnung auf die wirtschaftlich günstigste Versorgung der Versicherten geknüpft. In der in § 127
Abs. 1 (Ausschreibung),
Abs. 2 ( Rahmenverträge) und
Abs. 3
SGB V n. F. (Einzelvereinbarungen) vorgesehende "Hierarchie der Vertragsgestaltungen" (Knispel, Anmerkung zu
LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. vom 08.02.2008, Az.:
L 1 B 41/08 KR ER, Gesundheitsrecht (GesR) 2008, 273) kommt diese Zielrichtung deutlich zum Ausdruck. Um den bisher an der Versorgung der gesetzlich Versicherten beteiligten zugelassenen Leistungserbringern zu ermöglichen, sich auf die geänderten Marktbedingungen einzustellen (BT-Drs 16/3100
S. 141), soweit sie nicht ohnehin schon vertragliche Beziehungen zu den gesetzlichen Krankenkassen unterhielten, hat der Gesetzgeber die Übergangsfrist des
§ 126 Abs. 2 SGB V n. F. geschaffen, auf die sich die ASt in vorliegend beruft.
Parallel zu der Umstellung der Hilfsmittelversorgung von zugelassenen Leistungserbringern auf vertraglich Verpflichtete hat der Gesetzgeber eine faktische Aufhebung des freien Wahlrechts der Versicherten, das sich bis zum 31.03.2007 auf alle zugelassenen Leistungserbringer bezogen hat, durch die Neuregelung des
§ 33 Abs. 6 SGB V n. F. vorgenommen. Dies hat er damit begründet ( BT-Drs 16/ 3100
S. 103), das vorrangig gemäß
§ 127 Abs. 1 SGB V n. F. einzusetzende Instrument der Ausschreibung solle wirkungsvoll genutzt werden; dies sei nur möglich, wenn die gesetzliche Krankenkasse auch die vertraglich gegenüber dem Ausschreibungsgewinner begründete Abnahmeverpflichtung erfüllen könne. Dies erscheint nachvollziehbar, muss doch bereits ein Bieter in einem Ausschreibungsverfahren im Rahmen der Kalkulation ein bestimmtes Umsatzvolumen zugrunde legen; dies gilt um so mehr für den Ausschreibungsgewinner, für den - unter Berücksichtigung der nach einer Ausschreibung zu erwartenden ohnehin geringen Höhe der Vergütung - eine wirtschaftliche Leistungserbringung
u. a. von einem bestimmten Umsatzvolumen abhängt. Hätte der Gesetzgeber über § 33
Abs. 6
SGB V n. F. keine Einschränkung des Wahlrechts der Versicherten normiert, so wäre das Erreichen des dem Ausschreibungsgewinner in Aussicht gestellten Umsatzes gefährdet (so auch Knispel,
a. a. O.,
S. 274). Dies wirkte sich letztlich auch auf die zugunsten der Versichertengemeinschaft erwarteten wirtschaftlichen Vorteile der Umstellung vom Zulassungs- auf das Vertragserfordernis auf Seiten der Leistungserbringer aus.
Diese Gesichtspunkte verkennt das SG in der angefochtenen Entscheidung. Zwar ergibt sich aus dem Wortlaut des § 126
Abs. 2
SGB V n. F. keine Einschränkung der am Stichtag zugelassen gewesenen Leistungserbringer, bis zum Ablauf der Übergangsfrist weiterhin an der Versorgung der Versicherten beteiligt zu sein. Bei systematischer Auslegung unter Einbeziehung der Regelung des § 33
Abs. 6
SGB V n. F. spricht jedoch mehr dafür, dass die Rechte der zugelassenen Leistungserbringer nach Abschluss und Maßgabe des Ausschreibungsverfahrens gemäß § 127
Abs. 1
SGB V n. F. zugunsten des Ausschreibungsgewinners einzuschränken sind (so auch Sächsisches
LSG, Beschl. vom 29.04. 2008, Az.:
L 1 B 207/08 KR ER, www.juris.de; offen gelassen:
LSG NRW, Beschl. vom 19.03.2008, Az.:
L 16 B 13/08 KR ER, www. sozialgerichtsbarkeit.de;
a. A.:
LSG Berlin-Brandenburg,
a. a. O., GesR 2008, 272;
LSG Baden-Württemberg, Beschl. vom 11.06.2008, Az.: L 11 KR 2438/08 ER-B, www. sozialgerichtsbarkeit.de; Roth, Vertrauensschutz gegen Wirksamkeit von Ausschreibungen, Medizinrecht (MedR) 2008, 206). Ansonsten hätte der Gesetzgeber kaum ab dem 01.04.2007 den Vertragsvarianten gemäß § 127
Abs. 1, 2 und 3
SGB V n. F. den Vorrang vor der Zulassungsvariante des § 126
Abs. 1
SGB V a. F. eingeräumt, wenn über die uneinschränkte Anwendung der Über gangsfrist des § 126
Abs. 2
SGB V n. F. eine Umstellung beim Leistungserbringerrecht auf Verträge erst zum 01.01.2009 erfolgen könnte (so auch Knispel,
a. a. O.,
S. 274). Die Regelung des § 126
Abs. 2
SGB V n. F. läuft bei der vom Senat präferierten Auslegung auch nicht ins Leere.
Vielmehr garantiert
§ 126 Abs. 2 SGB V n. F. auch in der Umstellungsphase von Zulassung auf Vertrag eine uneingeschränkte Versorgung der Versicherten mit Hilfsmitteln durch geeignete Leistungserbringer auf der Basis des
§ 33 Abs. 6 S. 2 SGB V n. F., ohne dass es eines Vertragsschlusses nach
§ 127 Abs. 2 SGB V n. F. bedürfte. Nur so versteht der Senat die Ausführungen des Gesetzgebers zu § 33
Abs. 6
SGB V n. F., dass in Bezug auf die Wahlfreiheit der Versicherten nicht zwischen den Vertragspartnern nach § 127
Abs. 1, 2 und 3
SGB V und den nach § 126
Abs. 2
SGB V n. F. versorgungsberechtigten zugelassenen Leistungserbringern unterschieden werden solle (BT-Drs. 16/3100
S. 103). Mit Erteilung des Zuschlages nach Ausschreibung besteht ein solches Wahlrecht der Versicherten gerade nicht mehr,
vgl. § 33
Abs. 6
S. 2
SGB V n. F ... Dieses ist eingeschränkt auf den jeweiligen Ausschreibungsgewinner, soweit nicht gemäß § 33
Abs. 6
S. 3
SGB V n. F. im Einzelfall ein berechtigtes Interesse besteht, ausnahmsweise einen anderen Leistungserbringer zu wählen. Insoweit hätten die Versicherten jedoch die entstehenden Mehrkosten zu tragen.
Der Senat hält - unter Berücksichtigung der Interessen aller Beteiligten - nicht einmal für denkbar, dass die ASt in bis zum Ablauf der Übergangsfrist an der Versorgung der Versicherten allein wegen des Bestehens der Zulassung am Stichtag nach § 33
Abs. 6
S. 3
SGB V beteiligt werden könnte (so aber Knispel,
a. a. O.). Der Gesetzgeber hat diese Option als Ausnahmefall gesehen ( ..."ausnahmsweise ..."), nicht als Regelfall der Versorgung durch zugelassene Leistungserbringer, auch wenn sich nachvollziehbar sicherlich nur wenige Versicherte auf die Übernahme der Mehrkosten als Folge der Inanspruchnahme eines Leistungserbringers, der kein Vertragspartner nach § 127
SGB V n. F. ist, einlassen werden und damit die wirtschaftliche Bedeutung einer solchen Auslegung des § 33
Abs. 6
S. 3
SGB V n. F. gering sein dürfte. Da die am Stichtag zugelassenen Leistungserbringer ohnehin - spätestens mit Ablauf der Übergangsfrist des § 126
Abs. 2
SGB V - vom Markt verdrängt werden sollen (Ausnahme: § 33
Abs. 6
S. 3
SGB V n. F.), vermag der Senat auch in Abwägung der Rechte der Betroffenen keine andere Entscheidung zu begründen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 197a
SGG i. V. m. § 154
Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (
VwGO).
Der Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar, § 177
SGG.