I. Die Antragsgegner zu 1) bis 4) werden vorläufig verpflichtet, der Antragstellerin bis zur Entscheidung der Hauptsache (L 4 KR 200/09), längstens bis 30. Juni 2010, zu gestatten, die Versicherten der Antragsgegner mit Hilfsmitteln und Verbandsmitteln zur Stoma-Versorgung nach Maßgabe des Vertrages der Beklagten "über die Versorgung mit Hilfsmitteln und Verbandsstoffen zur Stoma-Therapie" (Geschäftszeichen der Beklagten: AC/TK 1502607) zu versorgen, ohne dafür Stoma-Therapeuten anzustellen oder einen Mitarbeiter zur Weiterbildung zum Stomatherapeuten anzumelden.
II. Die Antragsgegner tragen die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,00
EUR festgesetzt.
I.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Antragsgegner vorläufig zu verpflichten sind, der Antragstellerin über den 31.12.2009 hinaus zu gestatten, die Versicherten der Antragsgegner weiterhin zu versorgen, ohne jedoch einen Stomatherapeuten anstellen oder einen Mitarbeiter zur Weiterbildung zum Stomatherapeuten anmelden zu müssen.
Die Antragstellerin betreibt ein Sanitätshaus in A-Stadt und ist Mitglied des Fachverbandes für Orthopädie-Technik und Sanitätsfachhandel Bayern e.V. Seit 1989 versorgt sie im Jahr durchschnittlich 40 Stomapatienten. Dies geschieht auf der Grundlage des ab 01.11.1981 gültigen Rahmenvertrages über die Versorgung mit orthopädischen Heil- und Hilfsmitteln. Die Versorgungen werden durch den Orthopädie-Technikmeister oder durch ausgebildete Krankenschwestern
bzw. Pfleger vorgenommen. Die Antragstellerin beschäftigt keinen Stomatherapeuten und könne keinen Mitarbeiter zu einer Fortbildung zum Stomatherapeuten abstellen.
Den Vertrag von 1981 kündigten die Antragsgegner zum 31.12.2008 und boten der Antragstellerin an - sofern bis 01.01.2009 kein neuer Vertrag nach
§ 127 Abs.1 und 2 Sozialgesetzbuch (SGB) V geschlossen sein sollte - die Versorgung der Versicherten zu den Bedingungen des gekündigten Vertrages weiterhin durchzuführen. Bis 30.04.2009 hat die Antragstellerin in unverändertem Umfang Leistungen der Stomaversorgung an die Versicherten der Antragsgegnerinnen erbracht und auf der Basis der bis 31.12.2008 vertraglich vereinbarten Preise abgerechnet.
Nachdem die Antragsgegner gemeinsam feststellten, dass die Ausschreibung von Verträgen für die Stomaversorgung nicht zweckmäßig sei, haben sie nach § 127
Abs.2 Satz 2
SGB V ihre Absicht, für diesen Bereich Verträge zu schließen, am 26.08.2008 im Internet öffentlich bekannt gegeben. Mit dieser Bekanntmachung wurde auch ein Vertragsentwurf der Antragsgegner veröffentlicht.
Gegenstand des Vertragsentwurfes ist die Versorgung der Versicherten der Krankenkassen mit Hilfsmitteln und Verbandsstoffen, die für die Stomaversorgung mit Stomaartikeln des Hilfsmittelverzeichnisses nach
§ 139 SGB V benötigt werden (§ 1). Er sieht vor, dass der Leistungserbringer eine qualitätsgesicherte Stomaversorgung für die Versicherten der Krankenkasse gemäß der Anlage 1 leistet (§ 4).
Weiter sieht die Anlage 2 des Vertragsentwurfes vor, dass die nach diesem Vertrag erbrachte Leistung durch eine Monatspauschale vergütet wird, die nicht nur den Monatsbedarf an Hilfsmitteln abdecken soll, sondern auch die Beratungsleistungen mit vergüte
(§ 2).
Am 09.02.2009 schlossen die Antragsgegner mit der E.-Service
GmbH einen Vertrag nach § 127
Abs.2
SGB V über die Versorgung mit Hilfsmitteln und Verbandsstoffen für Stoma-Therapie (Folgen: Stomavertrag), entsprechend des bekannt gemachten Vertragsentwurfes. Bis zum 25.03.2009 wurden weitere 41 Verträge mit einzelnen Leistungserbringern geschlossen.
Am 22.03.2009 ließ die Antragstellerin Klage zum Sozialgericht München (SG) erheben und u.a. vortragen, die Regelungen über das Erfordernis und die Anstellung eines Stomatherapeuten sei nichtig, jedenfalls rechtswidrig. Die Klausel sei von § 127
SGB V rechtlich nicht gedeckt. Bei ihr handele es sich um allgemeine Geschäftsbedingungen. Auf die Klausel sei daher gemäß
§ 69 Satz 1 SGB V, § 307 Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB) entsprechend anzuwenden. Weiter werde durch die Klausel unzulässig in das System der Festpreisregelungen nach
§ 36 SGB V eingegriffen. Es sei den Antragsgegnern nicht erlaubt, die Festbetragsregelung durch Veränderung der Parameter, die dem Festbetrag zugrunde liegen, auszuhebeln. Auch verletze die Klausel den Grundsatz der Beitragsstabilität (
§ 71 SGB V).
Mit Urteil vom 01.04.2009 hat das SG die Klage abgewiesen und sich der Auffassung der Antragsgegner angeschlossen.
Gegen das Urteil des SG vom 01.04.2009 richtet sich die beim erkennenden Senat unter dem Az.: L 4 KR 200/09 anhängige Berufung, mit der die Antragstellerin ihr Begehren weiter verfolgt.
Das Berufungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen, da der erkennende Senat die Durchführung von Ermittlungen zu dem Berufsbild des Stomatherapeuten im Vergleich zum Orthopädietechniker-Meister für erforderlich hält.
Am 07.12.2009 hat die Antragstellerin beantragt, im Wege einer einstweiligen Anordnung,
die Antragsgegner zu 1) bis 4) zu verpflichten, der Antragstellerin über den 31.12.2009 hinaus bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Berufungsverfahrens unter dem Az.: L 4 KR 200/09 zu gestatten, die Versicherten der Antragsgegner mit Hilfsmitteln und Verbandsmitteln zur Stomaversorgung nach Maßgabe des Vertrages der Beklagten "über die Versorgung mit Hilfsmitteln und Verbandsstoffen zur Stoma-Therapie" (Zeichen der Beklagten (AC/TK 1502607) zu versorgen, jedoch ohne einen Stomatherapeuten anzustellen oder einen Mitarbeiter zur Weiterbildung zum Stomatherapeuten anzumelden.
Die Antragsgegner beantragen sinngemäß,
den Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf den Inhalt der Beigezogenen Akten sowie der Schriftsätze Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag erweist sich als überwiegend begründet.
Nach § 86b
Abs.2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86
Abs. 2 Satz 2
SGG). Eine solche Regelungsanordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes voraus (§ 86b
Abs. 2 Satz 4
SGG in Verbindung mit § 920 Zivilprozessordnung -
ZPO -).
Die Antragstellerin hat den Anordnungsgrund nach § 86b
Abs. 2 Satz 4
SGG in Verbindung mit § 920
Abs. 2
ZPO glaubhaft gemacht. Denn die Antragstellerin hat wesentliche Nachteile dargelegt, zu deren Abwendung der Erlass einer einstweiligen Anordnung notwendig wäre. Derzeit versorgt die Antragstellerin gemäß
§ 126 Abs. 2 SGB V ohne Stomatherapeuten nach der Übergangsregelung, die mit dem 31.12.2009 endet. Nach diesem Zeitpunkt ist die Antragstellerin nicht mehr zur Versorgung berechtigt. Die Antragsgegnerin zu 1) schreibt über dies bereits ihre Versicherten an, teilt ihnen mit, dass die Antragstellerin ab 01.01.2010 nicht mehr zur Versorgung berechtigt ist. Die Antragstellerin würde ihre Stomapatienten ab 01.01.2010 verlieren, wenn sie nicht mehr zumindest übergangsweise zur Versorgung berechtigt ist. Daraus kann auch folgen, dass die Patienten nicht mehr nur wegen der Stomaartikel das Sanitätshaus wechseln, sondern dann erfahrungsgemäß für sämtliche weiteren Leistungen auch. Der dadurch der Antragstellerin möglicherweise entstehende wirtschaftliche Schaden ist nicht absehbar. In dem entstehenden wirtschaftlichen Schaden und dem damit verbundenen Verlust der Kunden liegt der wesentliche Nachteil, den die Antragstellerin erleiden würde, wenn nicht eine vorläufige Regelung getroffen wird. Insgesamt liegt somit Eilbedürftigkeit vor.
Bezüglich der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs ist festzuhalten, dass der Senat weitere Ermittlungen im Hauptsacheverfahren für erforderlich hält. Von daher kann zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abschließend beurteilt werden, ob das Begehren der Antragstellerin erfolgreich ist oder nicht.
Somit waren die Antragsgegnerinnen bis zum Abschluss des Berufungsverfahrens, längstens jedoch bis 30.06.2010, vorläufig zu verpflichten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a
SGG in Verbindung mit § 154
Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Danach trägt der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens.
Die Entscheidung bezüglich des Streitwerts richtet sich nach §§ 53
Abs. 2
Nr. 4, § 52
Abs. 2 Gerichtskostengesetz.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177
SGG).