II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz -
SGG), aber unbegründet. Die Antragsgegnerinnen sind nicht verpflichtet, die Antragstellerin über den 31.12.2010 hinaus zur Versorgung der bei ihnen gesetzlich krankenversicherten Personen mit Stomaartikeln zuzulassen.
1. Rechtsgrundlage für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf die streitige Berechtigung zur Stomaversorgung zu Lasten der Antragsgegner als gesetzliche Krankenversicherung ist im vorliegenden Rechtsstreit § 86 b
Abs. 2 Satz 2
SGG, wie dies bereits das Sozialgericht in der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt hat.
Hiernach ist eine vorläufige Regelung zu erlassen, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das wäre der Fall, wenn der Antragstellerin ohne eine solche Anordnung schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstünden, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (ständige Rechtsprechung,
vgl. Bundesverfassungsgericht vom 25.10.1988 - BVerfGE 79, 69; Bundesverfassungsgericht NJW 2003, 123). Eine solche Regelungsanordnung setzt das Vorliegen eines Anordnungsanspruches, also einen materiell-rechtlichen Anspruch, auf denen die Antragstellerin ihre Begehren stützt und das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, also Eilbedürftigkeit voraus. Die Angaben hierzu sind glaubhaft zu machen (§ 86 b
Abs. 2 Satz 2 und 4
SGG i.V.m. § 920
Abs. 2, § 294 zur Zivilprozessordnung -
ZPO; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. Aufl., § 86 b Rn. 41).
Zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch besteht dabei auch eine Wechselbeziehung. An den Anordnungsgrund sind strengere Anforderungen zu stellen, falls bei der wegen Eilbedürftigkeit gebotenen summarischen Überprüfung (Bundesverfassungsgericht NVwZ 2005, 927) das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich wäre. Ist die Hauptsache hingegen offensichtlich unzulässig oder unbegründet, ist wegen der fehlenden Anordnungsanspruches die einstweilige Anordnung regelmäßig abzulehnen. Soweit eine grundgesetzlich geschütztes Recht (u.a.
evtl. auch aus
Art. 2,
Art. 14 Grundgesetz) in Frage steht, ist über Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch im Falle der fehlenden völligen Überprüfbarkeit anhand einer Folgenabwägung für die grundrechtlichen Belange zu entscheiden.
Die Antragsgegnerinnen dürfen als gesetzliche Krankenkassen nach
§ 69 Sozialgesetzbuch V (
SGB V), § 126
ff. SGB V an ihre Versicherten Hilfsmittel im Sinne von § 33
SGB V - wie hier die streitbegründenden Stomaartikel - nur durch Vertragspartner im Sinne des
§ 127 SGB V erbringen lassen. In diesem Zusammenhang bestimmt § 127
Abs. 1,
Abs. 1 a
SGB V, dass die Krankenkassen und ihre Zusammenschlüsse durch Verträge mit Leistungserbringern die Versorgung unter Sicherung der Qualität sicherzustellen haben. Sofern dies durch Ausschreibungen im Sinne des § 127
Abs. 1 a
SGB V nicht erfolgt, schließen die Krankenkassen oder ihre Zusammenschlüsse Verträge nach § 127
Abs. 2
SGB V. Insofern gelten
§§ 2,
12 SGB V, wonach auch die Hilfsmittel in Qualität und Wirksamkeit den anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse und des medizinischen Fortschrittes zu berücksichtigen haben bei gleichzeitiger Geltung des Wirtschaftlichkeitsgebotes.
Ergänzend sind über § 69
Abs. 2
SGB V im Verhältnis zwischen den Krankenkassen und den (potentiellen) Leistungserbringern die Regelungen in §§ 19
ff. des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) zu beachten. Danach dürfen marktbeherrschende Stellungen nicht missbraucht werden, besteht ein Diskriminierungsverbot, sind unbillige Behinderungen verboten und auch sonstiges Wettbewerb beschränkendes Verhalten ist nicht erlaubt.
2. In Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich zunächst, dass ein Anordnungsanspruch der Antragstellerin weder hinreichend glaubhaft gemacht, noch sonst ersichtlich ist.
Es ergibt sich zunächst, dass die Antragstellerin seit Kündigung des ursprünglichen Leistungserbringer-Vertrages zum 31.12.2008 keinen Vertrag mehr iSd § 127
SGB V besitzt, der sie zur Lieferung und Versorgung mit Stoma-Artikeln zu Gunsten und zu Lasten der Antragsgegnerinnen berechtigt. Die Zwischenregelungen auf Grund übergangsweiser Zulassung sowie einstweiligen Rechtsschutzes entfalten über den 31.12.2010 hinaus keine Wirkung.
Das Begehren der Antragstellerin kann deshalb nur zum Erfolg gelangen, wenn im Rahmen der gebotenen summarischen Überprüfung die Antragsgegnerinnen rechtswidrig die Antragstellerin von der Leistungserbringung ausschließen würden. Dafür fehlt es aber an der Glaubhaftmachung und auch sonst ist dieses nicht erkennbar.
a) Zunächst sprechen die in beiden Instanzen abweisenden Entscheidungen der Hauptsache gegen einen rechtswidrigen Ausschluss von der Leistungserbringung.
Die Zulassung der Revision im Urteil vom 30.11.2010 bedeutet dabei nicht, dass sich in der Hauptsache Zweifel an den tatsächlichen Voraussetzungen der Nichtzulassung als Leistungserbringer ergeben hätten, denn mit der Revision findet eine Tatsachenprüfung nicht statt.
b) Zudem ist nicht erkennbar, dass die Antragsgegnerinnen mit der Forderung, die Hilfsmittelversorgung
gem. § 33
SGB V mit Stoma-Artikeln nur unter der Qualität sichernden Maßnahme der Beschäftigung eines Stomatherapeuten zuzulassen, den gesetzlichen Rahmen des § 127
SGB V überschritten hätten. Diese Vorschrift belässt mit der Verwendung von unbestimmten Rechtsbegriffen wie Qualität der Hilfsmittel, erforderliche Beratung und sonstige Dienstleistung im Rahmen einer wegen der Hilfsmittelvielfalt erforderlichen im Rahmen einer sachlich veranlassten abstrakten Regelung bewusst den Krankenkassen einen weiten Spielraum. Dieser ist auch erforderlich, um den sich laufend verbessernden und erweiternden Anforderungen an die medizinische Hilfsmittelversorgung Rechnung zu tragen.
Diesen vorgegebenen Gestaltungsspielraum haben die Antragsgegnerinnen nicht überschritten, als sie zur Hilfsmittelversorgung von Stomapatienten die Beschäftigung eines entsprechenden qualifizierten Therapeuten als Voraussetzung für einen Leistungserbringervertrag gefordert haben. Denn für diesen Personenkreis, der über eine künstlich geschaffene permanent bestehende Körperöffnung mit speziellem dauerhaftem Infektionsrisiko verfügt, ist eine qualifizierte Betreuung und Beratung unabdingbar.
Die Antragstellerin kann sich - nach summarischer Prüfung - auch nicht darauf berufen, dass sie berechtigt sein müsse, die qualifizierte Betreuung und Beratung anderweitig sicherstellen zu können. Denn auch im Bereich der Stoma-Versorgung ergeben sich aktuelle Entwicklungen und Fortschritte, die stets zu beachten und umgehend umzusetzen sind. Dafür einen speziellen Therapeuten zu fordern erscheint nicht unsachgerecht, zumal auch maßgebliche Kreise diese Forderung erheben. Die Empfehlung der Spitzenverbände vom 18.10.2010, auf welche sich die Antragstellerin beruft, hat insoweit keine bindende Wirkung.
Durch die somit sachlich begründete Forderung eines Stomatherapeuten haben die Antragsgegnerinnen somit den gesetzlichen Rahmen nicht verlassen.
c) Auch eine sachlich nicht begründbare Anforderung, die den Grundsätzen der §§ 19 ff GWG widerspräche sowie eine gegen die Grundsätze von Treu und Glauben verstoßende Regelung, die gegen einen Bestandsschutz aus dem ursprünglichen Leistungserbringerverhältnis iSd § 53
SGB X herrührt sind nicht erkennbar.
Ein Verstoß gegen
§ 4 Abs 3 SGB V wegen uneinheitlicher Anforderungen der Krankenkassen bei der Stoma-Hilfsmittel-Versorgung ergibt sich ebenfalls nicht, vielmehr wird die besondere Qualitätssicherung durch einen Therapeuten und das damit verbundene spezifische Qualitätssiegel von dem Grundsatz des Wettbewerbs der gesetzlichen Krankenkassen untereinander gedeckt sein.
3. Es ist aber auch kein Anordnungsgrund hinreichend glaubhaft gemacht oder sonst erkennbar, der eine Eilentscheidung zu Gunsten der Antragstellerin erfordern würde.
a) Aus dem handelsregisterlich eingetragenen Gesellschaftszweck sowie aus den Internetauftritten der Antragstellerin und des mit ihr nach den Online-Präsezen offenbar eng verflochtenen Sanitätshauses G. ergibt sich, dass die Hilfsmittelversorgung von Stomapatienten nur einen geringen Teil der geschäftlichen Tätigkeit der Antragstellerin umfasst. Sie treibt nämlich Handel mit Elektromobilen, ihr reha-team sichert Mobilität zu Hause und im Alltag. Stabene-Leistungen, Orthopädietechnik, Sanitätshaus, Gesundheitshaus sowie die Leistungen de care-teams in gestalt von Wundversorgung, Inkontinenz und Enteraler Ernährung sind wesentliche Geschäftszweige. Diese werden zudem nicht nur für gesetzlich Krankenversicherte sondern auch für privat Versicherte oder Selbstzahler zur Verfügung gestellt. Es ist somit nicht nachzuvollziehen, dass der Unterbereich Stoma aus dem Teilbereich des Care-Teams den wesentlichen, die anderen Unternehmensteile tragenden Geschäftsteil darstellen sollte.
b) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den von der Antragsgegnerin zu 1) vorgelegten Umsatzübersicht, auf die die Antragstellerin Bezug nimmt. Denn daraus ist nicht erkenntlich, welche wirtschaftliche Bedeutung der Unterbereich Stoma aus dem Teilbereich des Care-Teams besitzt, es fehlt an Angaben zum Verhältnis von darauf bezogenen Betriebsausgaben und -einnahmen sowie dem daraus resultierenden Überschuss.
c) Darüber hinaus ist nicht erkennbar, dass der Bereich Stoma seine wirtschaftliche Existenz ausschließlich aus gesetzlich Krankenversicherten zieht und inwieweit diesem Bereich tatsächlich geschäftstragende akquisitorische Bedeutung zukommt. Die insoweit allgemein gehaltenen Einschätzungen der Antragstellerin reichen zur Begründung eines Anordnungsgrundes nicht aus.
4. In der Folge ergibt sich auch nichts Anderes im Rahmen einer letztlich grundrechtlich zu begründenden Folgenabwägung. Eine konkrete Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz der Antragstellerin ist weder glaubhaft gemacht noch sonst ersichtlich.
Ebenfalls ist die seit fast zwei Jahren im Raume stehende Beschäftigung eines Stoma-Therapeuten, die auch auf Teilzeit-Basis denkbar wäre, in ihren positiven und negativen Auswirkungen für den gesamten Geschäftsbetrieb der Antragstellerin in wirtschaftlicher Hinsicht nicht dargelegt. Bei einer Folgenabwägung wären deshalb nichtexistenzgefährdende nur wirtschaftliche Einbussen auf Seiten der Antragstellerin mit der potentiellen Gefahr nicht hinreichend qualitativ gesicherter Hilfsmittelversorgung gegenüber zu stellen. Die entsprechende Abwägung könnte nicht zu Gunsten der Antragstellerin ausgehen.
Zusammengefasst sind also keine Gründe ersichtlich, die es erforderlich erscheinen lassen können, von der gesetzlichen Wertung auch nur vorläufig abzuweichen, dass nur vertragliche Leistungserbringer gesetzlich Krankenversicherte mit Hilfsmitteln versorgen dürfen. Die Beschwerde der Antragstellerin bleibt damit vollumfänglich ohne Erfolg.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a
SGG IVm § 154 Abs 2,3
VwGO.
Der Streitwertfest bestimmt sich nach § 52
Abs. 1 und 2 GKG (§ 53
Abs. 2
Nr. 4 GKG). Danach ist der Streitwert nach der sich aus dem Antrag ergebenden Bedeutung der Sache nach gerichtlichem Ermessen zu bestimmen (§ 52
Abs. 1 GKG). Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich - vorbehaltlich einer Erweiterung des Streitgegenstandes - der durch den ersten Rechtszug begrenzte (§ 47
Abs. 2 GKG) Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers (§ 47
Abs. 1
S. 1 GKG). Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5.000
EUR anzunehmen (§ 52
Abs. 2 GKG).
Nach den Grundsätzen des Beschlusses des Bayer.
LSG vom 07.05.2010 - L 14 R 72/10 B ER liegt hier eine vergleichbare Interessenlage mit einem Rechtsstreit über die Zuweisung von Patienten an eine medizinische Einrichtung vor, die es rechtfertigte, den Streitwert auf den mit der Behandlung der Stoma-Patienten angestrebten Überschuss festzusetzen. Dafür fehlt es jedoch an Anhaltspunkten, so dass der Streitwert parallel zur Festlegung in den Eilverfahren vor dem 4. Senat mit 5.000
EUR festgesetzt wird.
Dieser Beschluss beendet das Antragsverfahren auf einstweiligen Rechtsschutz und ist gem § 177
SGG unanfechtbar.