Die Revision des Klägers ist begründet in dem Sinne, daß sie
zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führt. In der Sache
bleibt die Klage aber erfolglos. Das erstinstanzliche Urteil
ist deshalb ebenfalls aufzuheben und die Klage abzuweisen.
1.
Der Senat kann eine Sachentscheidung treffen, obwohl
der Kläger
zutreffend als absoluten Revisionsgrund iS von § 551
Nr 7
ZPO iVm §
202
SGG geltend gemacht hat, daß das angefochtene
Urteil nicht mit
Gründen versehen sei. Nach dem Beschluß des
Gemeinsamen Senats der
obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) vom 27.
April 1993 (SozR
3-1750 § 551 Nr 4) gilt ein bei Verkündung noch
nicht vollständig
abgefaßtes Urteil als nicht mit Gründen versehen,
wenn Tatbestand und
Entscheidungsgründe nicht binnen fünf Monaten nach
Verkündung
schriftlich niedergelegt, von den Richtern besonders
unterschrieben
und der Geschäftsstelle übergeben worden sind.
Dieser Revisionsgrund
ist nur auf entsprechende Rüge zu beachten (GmSOGB,
aaO). Das
BSG hat
sich dieser Rechtsprechung angeschlossen (
BSG SozR
3-1750 § 551 Nr 5;
ferner
BSG SozR 3-1750 Nr 7 für entsprechende
Anwendung auf
Entscheidungen ohne mündliche Verhandlung). Es hat
die
Fünf-Monats-Frist auch für die Fälle anwendbar
erklärt, in denen die
angefochtene Entscheidung wie hier vor der
Entscheidung des GmSOGB
ergangen ist, zu einem Zeitpunkt, als teilweise noch
eine Frist von
bis zu einem Jahr zwischen Urteilsverkündung und
Urteilsabsetzung
hingenommen wurde. Die frühere Rechtsprechung hat
keinen
Vertrauensschutz begründen können, der es verbieten
würde, die
geänderte Rechtsprechung auch auf vorangegangene,
aber noch nicht
rechtskräftige Urteile iS einer sog unechten
Rückwirkung anzuwenden.
Der Senat schließt sich der neueren Rechtsprechung
des
BSG insoweit
an.
Die Fünf-Monats-Frist war hir verstrichen, was das
Revisionsgericht auf
die ausreichend substantiierte Verfahrensrüge selbst
feststellen darf. Aus
dem Revisionsvorbringen läßt sich zwar nicht genau
entnehmen, wann das
vollständig abgesetzte und unterschriebene Urteil an die
Geschäftsstelle
gelangt ist. Wenn jedoch die Zustellung des Urteils erst
etwa ein Jahr
nach seiner Verkündung erfolgt, darf daraus regelmäßig
gefolgert werden,
daß auch die Übergabe an die Geschäftsstelle nicht
innerhalb von fünf
Monaten geschehen ist. In solch eindeutigen Fällen kann
auf weitere
Darlegungen zur Begründung der Verfahrensrüge verzichtet
werden. Anders
mag es sein, wenn die Urteilszustellung die Fünf-Monats-
Frist nur knapp
überschreitet oder das Urteil ins Ausland zugestellt
worden ist. Der Senat
kann ohne weitere Ermittlungen über das genaue Datum der
Urteilsniederlegung auf der Geschäftsstelle aufgrund des
Akteninhalts
feststellen, daß die Frist, wie vom Kläger behauptet,
nicht eingehalten
worden ist. Aus den beigezogenen vorinstanzlichen Akten
ergibt sich
nämlich, daß dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers etwa
zehn Monate nach
Verkündung des Urteils mitgeteilt worden ist, das Urteil
sei noch nicht
abgesetzt.
Der vorliegende Revisionsgrund hindert den Senat nicht,
zuungunsten des
Klägers in der Sache zu entscheiden, obwohl er die
Verfahrensrüge
ausdrücklich aufrechterhalten hat. Nach § 170
SGG hat
das
BSG regelmäßig
in der Sache zu entscheiden, obgleich § 170 Abs 2 Satz 1
SGG dies
ausdrücklich nur für den Fall anordnet, daß die Revision
begründet ist.
Das gilt auch bei sog absoluten Revisionsgründen (so
schon BSGE 4, 281,
288).
Das sozialgerichtliche Revisionsrecht geht von dem Grundsatz
aus, daß auf zulässige verfahrensrechtliche und materiell-
rechtliche Revisionsrügen eine umfassende Sachprüfung
stattfindet und das
BSG abschließend entscheidet, wenn die
Sache spruchreif ist. Nach § 170 Abs 1 Satz 2
SGG, der dem §
563
ZPO fast wörtlich entspricht, ist die Revision auch dann
zurückzuweisen, wenn die angefochtene Entscheidung zwar
Rechtsfehler aufweist, im Ergebnis aber zutreffend ist. §
170 Abs 2 Satz 1
SGG regelt den Fall, daß die angefochtene
Entscheidung nicht nur in ihrer Begründung oder ihrem
Verfahrensgang, sondern auch im Ergebnis unzutreffend ist;
dann hat das
BSG die unrichtige Entscheidung aufzuheben und
durch die richtige Entscheidung zu ersetzen. Nur wenn für
eine Sachentscheidung keine hinreichende Grundlage gegeben
ist und das Revisionsgericht die fehlenden Feststellungen
nicht selbst treffen kann, hat es die Sache an die
Vorinstanz zurückzuverweisen (§ 170 Abs 2 Satz 2
SGG).
Insoweit weicht die Regelung vom Zivilprozeß ab, der
jedenfalls der Konzeption nach die Rückverweisung als Regel,
das Durchentscheiden des Revisionsgerichts als Ausnahme
ansieht (vgl §§ 564 Abs 1, 565 Abs 1 und 3
ZPO).
Im vorliegenden Fall erweist sich allerdings, daß die
Entscheidung der Vorinstanz im Ergebnis zutreffend ist.
Gleichwohl darf die Revision nicht nach § 170 Abs 1 Satz 2
SGG zurückgewiesen werden, weil das angefochtene Urteil
einen so schweren Fehler aufweist, daß es nicht
aufrechterhalten bleiben kann. Eine später als fünf Monate
nach Verkündung begründete Entscheidung steht einer
Entscheidung ohne Gründe gleich. Nach § 551 Nr 7
ZPO ist
eine Entscheidung stets als auf einer Verletzung des
Gesetzes anzusehen, wenn sie nicht mit Gründen versehen ist.
Der Gesetzgeber hat diesen Verfahrensfehler als so
schwerwiegend angesehen, daß darauf die Vermutung der
Unrichtigkeit der Entscheidung gestützt werden kann. Der
diesen Fehler rügende Revisionskläger braucht deshalb
grundsätzlich nicht darzulegen, daß der Fehler für den
Inhalt der Entscheidung auch ursächlich war (sog absoluter
Revisionsgrund). Bei Fehlen jeglichen Tatbestands oder
widerspruchsvollen, unverständlichen Urteilsgründen kann
sogar ein von Amts wegen zu beachtender Mangel vorliegen,
der zur Urteilsaufhebung führt (BGHZ 5, 240, 245;
BAG NJW
1971, 214).
Die gebotene Aufhebung des angefochtenen Urteils führt aber
nicht zwangsläufig auch zur Rückverweisung an die
Berufungsinstanz. Dem rechtsstaatlichen Anspruch auf
Einhaltung eines einwandfreien Verfahrens wird mit der
förmlichen Aufhebung der angefochtenen Entscheidung Rechnung
getragen. Dieser Anspruch gebietet es nicht, das Verfahren
zur fehlerfreien Nachholung in die Vorinstanz
zurückzuverweisen (anders Rohwer/Kahlmann, Aufbau und
Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit, § 170 RdNr 4).
Überwiegend wird allerdings die Auffassung vertreten, daß
bei absoluten Revisionsgründen eine Bestätigung des
angefochtenen Urteils grundsätzlich nicht möglich ist
(Meyer-Ladewig,
SGG, § 170 RdNr 5; Rohwer/Kahlmann, aaO, §
170 RdNr 4; Albers in Baumbach/Lauterbach,
ZPO, 52. Aufl, §
551 RdNr 2; Wieczorek,
ZPO, § 563 Anm B IIa; Walchshöfer in
MünchKomm zur
ZPO, § 551 RdNr 23; differenzierend Zeihe,
SGG, § 170 RdNr 6b). Auch der Senat pflichtet dem im
Grundsatz bei.
Die Rechtsprechung hat aber seit jeher Ausnahmen von diesem
Grundsatz gekannt, wenn trotz des Verfahrensverstoßes ein
Erfolg in der Sache ausgeschlossen schien. Als Fehlen von
Urteilsgründen ist auch das Übergehen von selbständigen
Angriffs- und Verteidigungsmitteln anerkannt. Soweit dies
geschehen ist, hat aber schon das Reichsgericht (RGZ 156,
119; 160, 343) den Zwang zur Aufhebung und Rückverweisung
relativiert: Es hat die Notwendigkeit verneint, wenn sich
das Urteil aus anderen Gründen als richtig erweist (ebenso
Bettermann, ZZP 88, 365, 378; Rosenberg/Schwab,
Zivilprozeßrecht, 14. Aufl, S 934; Albers in
Baumbach/Lauterbach, aaO, § 551 RdNr 16). Auch für den
Bereich der Verwaltungsgerichtsbarkeit gilt, daß ein Verstoß
gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs, der dort als
absoluter Revisionsgrund ausgestaltet ist (§ 138 Nr 3
Verwaltungsgerichtsordnung (
VwGO)), dann nicht zur
Rückverweisung des Rechtsstreits führt, wenn er die
Feststellung einer Tatsache betrifft, die aus Rechtsgründen
für die Entscheidung nicht erheblich ist (BVerwGE 15, 24;
24, 264; 62, 6; Kopp,
VwGO, 9. Aufl, § 138 RdNr 20).
Durch die höchstrichterliche Rechtsprechung ist ebenfalls
bereits geklärt, daß ein abschließendes Sachurteil auch dann
erlassen werden kann, wenn die Vorinstanz zu Unrecht die
Klage als unzulässig abgewiesen oder die Berufung verworfen
hat, auch wenn zur Sache selbst keine Feststellungen
getroffen wurden. Die Klage ist als unbegründet abzuweisen,
wenn sie unschlüssig ist und es ausgeschlossen erscheint,
daß noch entscheidungserheblicher Prozeßstoff vorgetragen
werden kann (für den Zivilprozeß vgl BGHZ 12, 308;
BGH NJW
1978, 2031;
BGH NJW 1992, 438; zustimmend Thomas/Putzo,
ZPO,
16. Aufl, § 565 Anm 3; Albers in Baumbach/Lauterbach, aaO, §
565 RdNr 11; für den Verwaltungsprozeß:
BVerwG Buchholz 310,
§ 144 Nr 17; für den Sozialgerichtsprozeß:
BSG SozR Nr 30 zu
§ 51
SGG und Nr 14 zu § 170
SGG; zustimmend Meyer-Ladewig,
aaO, § 170 RdNr 5; Peters/Sautter/Wolff,
SGG, § 170 RdNr 20;
Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen
Verfahrens, IX, RdNr 377). Die in den einzelnen
Verfahrensordnungen unterschiedlichen Grundsätze
(Beibringungsgrundsatz bzw Amtsermittlungsgrundsatz) sind
insoweit ohne Bedeutung. Nach allen Verfahrensordnungen ist
eine unschlüssige Klage, wenn sie nach Lage der Dinge auch
nicht schlüssig gemacht werden kann, ohne weitere
Ermittlungen abzuweisen. Das gilt auch für die
Revisionsinstanz. Der Kläger kann dieses Ergebnis nicht
dadurch vermeiden, daß er sich auf eine bloße Verfahrensrüge
beschränkt. Er muß auch in der Revisionsinstanz einen
Sachantrag stellen.
Der Grundsatz, daß das Revisionsgericht eine Klage auch beim
Fehlen tatsächlicher Feststellungen abweist, wenn sie
unschlüssig ist und auch im Falle einer Rückverweisung nicht
schlüssig gemacht werden kann, greift auch bei dem absoluten
Revisionsgrund fehlender Urteilsgründe ein. Allerdings kann
bei fehlenden Urteilsgründen die Schlüssigkeitsprüfung nicht
auf das vom
LSG festgestellte Klagevorbringen bezogen
werden. Der Aufhebungsgrund, daß bei der Urteilsabsetzung so
lange Zeit nach der Urteilsberatung ein ausreichendes
Erinnerungsvermögen an das Ergebnis der Beratung nicht mehr
gewährleistet ist, gilt auch für die Beurkundung des
Beteiligtenvorbringens. Deshalb ist für die
Schlüssigkeitsprüfung das Klagevorbringen auch dann dem
Revisionsvorbringen zu entnehmen, wenn das
LSG das
Vorbringen abweichend festgestellt hat. Die rechtliche
Prüfung ist auch dann auf das Revisionsvorbringen
beschränkt, wenn das
LSG vom Vorbringen abweichende
Feststellungen getroffen hat. Bei einer zu Unrecht erfolgten
Prozeßentscheidung ist allerdings nunmehr anerkannt, daß das
Revisionsgericht auch an diejenigen vom Berufungsgericht
festgestellten Tatsachen gebunden (§ 163
SGG) ist, auf denen
das Berufungsurteil nicht beruht (BSGE 73, 195 = SozR 3-4100
§ 249e Nr 3 unter Aufgabe von BSGE 9, 80 = SozR Nr 17 zu §
55
SGG). Das ist jedoch auf die Fälle verspäteter
Urteilsabsetzung nicht zu übertragen, da die Rüge fehlender
Urteilsgründe alle Feststellungen des
LSG unverwertbar
macht. Auch bei der damit gebotenen Beschränkung auf das
Revisionsvorbringen liegt hier ein solcher Ausnahmefall vor,
daß die Klage unschlüssig ist und auch im Falle der
Rückverweisung nicht schlüssig gemacht werden kann. Die
Beteiligten haben in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich
und übereinstimmend erklärt, daß der vom
LSG festgestellte
Sachverhalt unstreitig ist.
Der Senat weicht mit dieser Entscheidung nicht von den
Urteilen
BSG SozR 3-1750 § 551 Nr 5 und Nr 7 ab. In diesen
Entscheidungen ist der Rechtsstreit zwar zur erneuten
Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz
zurückverwiesen worden. Die Frage, ob die Zurückverweisung
trotz Entscheidungsreife in der Sache geboten war, ist
jedoch nicht aufgeworfen bzw offengelassen worden.
2.
Nach dem Revisionsvorbringen steht dem Kläger
gegenüber der Beklagten
ein Erstattungsanspruch nicht zu. Die Beklagte war
gemäß § 33 Abs 1
Satz 1
SGB V nicht verpflichtet, dem Kläger die
Brille mit der wegen
der Schielbehandlung erforderlichen
Sonderausstattung (Silikonsteg und
Silikonüberzug) als Sachleistung zu gewähren. Der
Kläger hatte
lediglich einen Anspruch auf Gewährung eines
Zuschusses iH von 20,00
DM gemäß § 33 Abs 4 Satz 1
SGB V, der von der
Beklagten erfüllt worden
ist. Da ein Sachleistungsanspruch nicht bestand,
braucht auf die
weiteren Voraussetzungen für einen
Kostenerstattungsanspruch gemäß §
13 Abs 3
SGB V und die Frage, wer ihn geltend machen
kann - das
Mitglied oder der Familienversicherte -, nicht
eingegangen zu werden.
§ 33 Abs 4 Satz 1
SGB V begrenzt nach seinem Wortlaut
die Leistungspflicht
der Krankenkasse (KK) bei allen Brillengestellen auf
einen Zuschuß von
höchstens 20,00 DM, soweit nicht geringere Festbeträge
nach § 36
SGB V gelten, was nicht der Fall ist. Das Gesetz sieht eine
Ausnahme für Fälle,
in denen das Brillengestell wegen der besonderen Art der
Sehbehinderung
mit einer Sonderausstattung versehen sein muß, die im
Normalfall nicht
erforderlich ist, nicht vor. Dies gilt jedenfalls für
solche
Brillengestelle, die - wie etwa auch für Kinder- und
Sportbrillen -
serienmäßig angefertigt werden, selbst wenn sie der
individuellen
Behinderung noch handwerklich angepaßt werden müssen.
§ 33 Abs 4 Satz 1
SGB V erfaßt alle Brillengestelle ohne
Rücksicht auf den
konkreten Verwendungszweck. Die Vorschrift greift auch
dann ein, wenn ein
Sehbehinderter ein spezielles Brillengestell, wie zB
eine Sportbrille, aus
von seinem Willen unabhängigen Gründen benötigt, etwa im
Rahmen der
allgemeinen Schulpflicht für den Turnunterricht oder
wegen der besonderen
Art der Behinderung (vgl dazu auch Urteil des Senats vom
14. September
1994 - 3/1 RK 53/93 -). Vom Anwendungsbereich der
Vorschrift nicht erfaßt
werden allenfalls solche Konstruktionen von Sehhilfen,
auf die die
Bezeichnung Brillengestell schon nach dem allgemeinen
Sprachgebrauch nicht
zutrifft. Hierzu können etwa Geräte iS einer
Gesichtsplastik oder
Gesichtsprothese zählen, mit denen zugleich andere
Defekte im Bereiche des
Kopfes versorgt werden. Zu dieser Kategorie gehört die
dem Kläger
verordnete Schielbrille nicht.
Für eine einengende Auslegung des Begriffs
"Brillengestell" in dem Sinne,
daß es sich nur um solche handelt, die auf dem Markt zu
Preisen bis zu
20,00 DM angeboten werden, gibt der erkennbare Wille des
Gesetzgebers
keinen Anhaltspunkt. Der Regierungsentwurf zum
Gesundheits-Reformgesetz
(GRG) enthielt für Brillengestelle noch keine
Festbetrags- oder
Zuschußregelung (BT-Drucks 11/2237 S 174 f). Es sollten
auch für Sehhilfen
die allgemeinen Regelungen über Festbeträge bei
Hilfsmitteln eingreifen.
Dies entsprach im wesentlichen der bis dahin bestehenden
Rechtslage. Nach
§ 182 Abs 1 Nr 1b Reichsversicherungsordnung (RVO) war
die
Leistungspflicht der KK nur durch die Schranke des
Notwendigen begrenzt
(vgl
BSG SozR 2200 § 182 Nr 93). Aufgrund von Verträgen
der
Spitzenverbände der KKn mit dem Zentralverband der
Augenoptiker wurden den
Versicherten bestimmte Brillengestelle - gegen
Entrichtung einer
Verordnungsblattgebühr - kostenfrei zur Verfügung
gestellt. Wählte der
Versicherte eine aufwendigere Ausführung, so hatte er
die Kostendifferenz
zwischen dem notwendigen und dem aufwendigerem
Brillengestell selbst zu
tragen (zur Zulässigkeit dieses Verfahrens vgl
BSG SozR
2200 § 182 Nr 93).
Die Einführung der Zuschußregelung wurde im
Gesetzgebungsverfahren durch den Ausschuß für Arbeit und
Sozialpolitik veranlaßt (BT-Drucks 11/3120, dort § 33 Abs
5). Eine nähere Begründung wurde nicht abgegeben (BT-Drucks
11/3480 S 52). Ein von Mitgliedern des Bundesrates
gestellter Antrag, von einer solchen Regelung abzusehen,
wurde nicht aufgegriffen (BR-Drucks 595/6/88). Das
Gesetzgebungsverfahren läßt danach nicht erkennen, daß die
Zuschußregelung nur für Brillengestelle gelten sollte, die
auf dem Markt konfektionsmäßig zu bekommen sind.
Das mit dem GRG allgemein verfolgte Anliegen der
Kostendämpfung spricht gegen eine den Wortlaut des Gesetzes
einschränkende Auslegung. Mangels besonderer Begründung ist
davon auszugehen, daß der Gesetzgeber mit der Ein führung
des Zuschusses dieselben Ziele verfolgte wie mit der
allgemeinen Einführung von Festbeträgen für Hilfsmittel. Die
Höhe des Zuschusses von 20,00 DM hängt von der Bedingung ab,
daß kein geringerer Festbetrag gemäß § 36
SGB V festgesetzt
ist (§ 33 Abs 4 Satz 1 2. Halbsatz
SGB V). Dies macht
deutlich, daß der Zuschuß zu den Kosten des Brillengestells
als gesetzlich festgelegter Höchstfestbetrag anzusehen ist,
der durch Festsetzungen der Landesverbände der KKn und der
Verbände der Ersatzkassen gemäß § 36 Abs 2
SGB V nur
unterschritten werden darf. Mit der Einführung von
Festbeträgen für Hilfsmittel wollte der Gesetzgeber einen
Anreiz für Versicherte schaffen, die preisgünstigsten Mittel
in Anspruch zu nehmen. Zugleich sollte der Wettbewerb unter
den Anbietern von Hilfsmitteln verstärkt werden (BT-Drucks
11/2237 S 175 zu § 35). Bei Brillengestellen ist das Ziel
der Kostensenkung erreicht worden. Der Versicherte ist sogar
in der Lage, allein aus dem Zuschuß die Kosten eines
normalen Brillengestells zu bezahlen. Entsprechend hat sich
auch der Preis verringert, wenn ein Konfektionsgestell noch
zusätzlich individuell angepaßt werden muß. Sofern solche
Fälle von der Zuschußregelung gänzlich ausgenommen würden,
bestünde nach den gewonnenen Erfahrungen die Gefahr, daß
diese Brillenversorgung wieder teurer würde. Dies würde dem
gesetzgeberischen Anliegen zuwiderlaufen, selbst wenn hier
der Anreiz, im wesentlichen nach modischen Gesichtspunkten
ein Brillengestell auszuwählen, weniger ins Gewicht fällt.
Sofern im Einzelfall an Konfektionsgestellen handwerkliche
Änderungen vorgenommen werden müssen, dürfte der Zuschuß von
20,00 DM allerdings regelmäßig nicht ausreichen, um die
Kosten zu decken. Dies führt aber nicht dazu, aus diesem
Grunde Ausnahmen von der Zuschußregelung zu machen. Der
Gesetzgeber hat bei Verabschiedung des GRG in Kauf genommen,
daß in vielen Bereichen der Krankenversicherung nicht mehr
alle notwendigen Leistungen voll vom Versicherungsträger
übernommen werden, sondern der Versicherte die Kosten
teilweise oder auch ganz selbst zu tragen hat. Er hat dort,
wo er dies für erforderlich hielt, Härteklauseln eingeführt.
In § 61
SGB V hat er Versicherte von der Zuzahlung zu
Arznei-, Verband- und Heilmitteln sowie zu stationären
Vorsorge- und Rehabilitationsleistungen, von der Zuzahlung
vom Zahnersatz und von den notwendigen Fahrkosten befreit,
wenn die Versicherten eine bestimmte Einkommenshöhe nicht
überschreiten, Fürsorge- oder bestimmte Förderungsleistungen
beziehen oder auf Kosten eines Sozialhilfeträgers oder
Kriegsopferfürsorgeträgers in einem Heim untergebracht sind.
In § 62
SGB V hat er allgemein Versicherte von Zuzahlungen
von Arznei-, Verband- und Heilmitteln sowie Fahrkosten
befreit, soweit innerhalb eines Kalenderjahres bestimmte
Belastungsgrenzen überschritten werden (zur
Verfassungsmäßigkeit dieser Regelungen vgl
BSG SozR 3-2500 §
61 Nr 3). Hilfsmittel hat er von der allgemeinen
Härteklausel ausgenommen; das Fehlen ist aber keine
unbeabsichtigte Regelungslücke. Für Hilfsmittel,
insbesondere Brillen, hat der Gesetzgeber vielmehr eine
eigenständige, abschließende Regelung vorgesehen. Mit der
Festlegung einer starren Höchstgrenze bei Brillen im
Gegensatz zur allgemeinen Festbetragsregelung für
Hilfsmittel (§ 36 Abs 3
iVm § 35 Abs 5 Satz 1
SGB V) hat der
Gesetzgeber in Kauf genommen, daß der maximale Festbetrag
für die Gewährleistung eines ausreichenden, zweckmäßigen und
wirtschaftlichen sowie in der Qualität gesicherten
Versorgung der Versicherten (§ 35 Abs 5 Satz 1
SGB V) mit
Brillengestellen nicht ausreicht. Die Belastung mit einem
Eigenanteil ohne Rücksicht auf die Einkommens- und
Vermögensverhältnisse und ohne Rücksicht darauf, ob
Erwachsene oder Kinder zu versorgen sind, ist für das neuere
Recht der Krankenversicherung geradezu typisch, wenn auch in
Teilbereichen für Jugendliche unter 18 Jahren
Ausnahmeregelungen getroffen worden sind (vgl die Regelung
über die Befreiung von eigenen Kostenanteilen in § 31 Abs 3
SGB V für Arznei- und Verbandmittel, § 32 Abs 2
SGB V für
Heilmittel, § 34 Abs 1
SGB V für sog Bagatellarzneimittel, §
34 Abs 4 Satz 3
SGB V für Hörgerätebatterien). Die Regelung
für Brillengestelle gilt demgegenüber ausnahmslos.
Diese Regelung ist auch nicht verfassungswidrig. Ein
verfassungsrechtlich gesicherter Anspruch gegen die KK auf
alle als notwendig angesehenen Leistungen besteht nicht (vgl
BVerfG SozR 2200 § 179 Nr 6). Durch die Beschränkung der
Kostenerstattung auf höchstens 20,00 DM für Brillengestelle
wird auch nicht die Eigentumsgarantie des Art 14
GGverletzt. Es kann offenbleiben, inwieweit der
Krankenversicherungsschutz überhaupt unter die
Eigentumsgarantie fällt. Die Leistungseinschränkung in
diesem nicht überlebenswichtigen Bereich berührt den
Krankenversicherungsschutz nicht im Kern, sondern lediglich
in seiner konkreten Ausgestaltung in einem Randbereich. Es
handelt sich deshalb jedenfalls um eine nach Art 14 Abs 1
Satz 2
GG zulässige Bestimmung
von Inhalt und Grenzen des Eigentums (vgl dazu Urteil des
Senats vom 8. Juni 1994 - 3/1 RK 59/93 - zum Ausschluß von
Hörgerätebatterien, zur Veröffentlichung bestimmt).
Eine finanzielle Belastung von 120,00 DM wie im Falle des
Klägers mag als nicht geringfügig (vgl dazu
BSG SozR 3-2500
§ 34 Nr 2) gewertet werden, zumal wenn im Hinblick auf das
jugendliche Alter seines Sohnes mit einer wachstumsbedingten
Neubeschaffung der Brille gerechnet werden muß. Aus Art 14
GG kann aber auch im Zusammenhang mit dem
Rechtsstaatsprinzip und dem Sozialstaatsprinzip nicht
hergeleitet werden, daß der Gesetzgeber jede hart oder
unbillig erscheinende Einzelauswirkung berücksichtigen müßte
(vgl BVerfGE 26, 44, 61 f; 34, 118, 136 = SozR Nr 95 zu Art
3
GG; BVerfGE 36, 73, 84 = SozR Nr 96 zu Art 3
GG). Das
Sozialstaatsprinzip ist jedenfalls dann gewahrt, wenn die im
Einzelfall zur Führung eines menschenwürdigen Lebens
erforderliche Leistung zur Verfügung gestellt wird, notfalls
im Wege der Sozialhilfe.
Der allgemeine Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1
GG ist auch
unter Berücksichtigung der für Jugendliche teilweise
geltenden Ausnahmen durch die getroffene Regelung nicht
verletzt. Der Gleichheitssatz kann zwar gebieten, eine
Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu einer anderen
anders zu behandeln, weil zwischen beiden Gruppen
Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen,
daß sie eine differenzierte Behandlung gebieten. Dann muß
die Gruppe aber so groß und typisch sein, daß der
Gesetzgeber sie auch im Rahmen einer typisierenden Regelung
von Massenerscheinungen selbst unter Berücksichtigung seines
weiten Gestaltungsspielraums von der allgemeinen Regelung
ausnehmen muß. Es bestehen aber keine Anhaltspunkte dafür,
daß die Gruppe von sehbehinderten Kindern, die mit
Konfektionsbrillengestellen nicht auskommen, so groß ist und
die durch Sonderanfertigungen entstehenden Kosten so hoch
sind, daß der Gesetzgeber sie auch im Rahmen einer
pauschalierenden Regelung nicht übergehen durfte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193
SGG.