Urteil
Private Pflegeversicherung - Anspruch auf erneute Zuschussgewährung für Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes nach Umzug

Gericht:

LSG Mainz


Aktenzeichen:

L 5 P 1/06


Urteil vom:

04.05.2006


Tenor:

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 8.12.2005 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, über die Gewährung eines Zuschusses zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

2. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Umstritten ist, ob die Beklagte zu Recht die Gewährung eines Zuschusses zur Verbesserung des Wohnumfeldes des Klägers abgelehnt hat.

Der 1936 geborene Kläger, der von seiner Ehefrau gepflegt wird, ist aufgrund eines privaten Pflegeversicherungsvertrages pflegeversichert. Er ist insbesondere aufgrund der Folgen mehrerer Schlaganfälle mit nachfolgender Hemiparese sowie einer Multiplen Sklerose pflegebedürftig und bezog zunächst Pflegeleistungen nach der Pflegestufe II; seit dem 1.1.2005 erhält er Leistungen nach der Pflegestufe III. Seit Januar 2005 kommt zu ihm zweimal täglich ein Pflegedienst.

Zunächst hatte der Kläger mit seiner Ehefrau in dem von ihm erbauten Einfamilienhaus in der Erdgeschosswohnung gewohnt. Für den Einbau einer Dusche in dem zu dieser Wohnung gehörenden Badezimmer hatte ihm die Beklagte im März 2002 einen Zuschuss zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes in Höhe von 2.557,- Euro gewährt.

Im Oktober 2003 beantragte der Kläger unter Vorlage von Kostenvoranschlägen die erneute Gewährung eines Zuschusses zur behinderungsgerechten Wohnanpassung für den Einbau eines Treppenlifters und den Umbau des Badezimmers, da er mit seiner Ehefrau in die Kellerwohnung seines Eigenheimes umgezogen sei. Die Beklagte holte ein Gutachten der Pflegefachkraft H von der Firma M ein (Hausbesuch am 25.10.2003). Darin hieß es: Der Kläger bewohne nunmehr mit seiner Ehefrau, die an einer Tumorerkrankung leide, die Einliegerwohnung in dem ehemaligen Einfamilienhaus im Keller, da sie die große Wohnung nicht mehr vollständig hätten nutzen können. Seine Tochter und sein Schwiegersohn, die zuvor in der Einliegerwohnung gewohnt hätten, seien in die große Wohnung umgezogen und Eigentümer des Hauses geworden. Es sei - so die Pflegefachkraft H - nachvollziehbar, dass der Kläger infolge seiner fortschreitenden Grunderkrankung und der Erkrankung seiner Ehefrau in eine kleinere Wohnung gezogen sei. Auch seien die beantragten Maßnahmen in der neuen Wohnung zu deren Nutzung erforderlich. Da aber bereits in der alten Wohnung entsprechende Maßnahmen gefördert worden seien und der Umzug zwar nachvollziehbar, aber nicht wegen einer pflegerelevanten Veränderung des Gesundheitszustandes bzw des Behinderungsbildes notwendig gewesen sei, könne eine erneute Zuschussgewährung nicht empfohlen werden. Eine veränderte Wohn- oder Versorgungssituation stelle keine Indikation für eine weitere wohnumfeldverbessernde Maßnahme dar. Darauf gestützt lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 19. 11.2003, das keinen Hinweis auf die Klagefrist enthielt, den Antrag auf Zuschussgewährung ab und führte aus, die bereits durchgeführten und die noch beabsichtigten baulichen Veränderungen seien als eine einheitliche Maßnahme anzusehen, da sich die Pflegesituation zwischenzeitlich nicht geändert habe. Hieran hielt die Beklagte, auch in Ansehen des "Widerspruchs" des Klägers vom 5.12.2003 in einem weiteren Schreiben vom 21.1.2004 (mit Hinweis auf die Klagefrist) fest.

Am 1.6.2004 hat der Kläger Klage erhoben. Das Sozialgericht (SG) hat diese mit Urteil vom 8.12.2005 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf einen Zuschuss zum Einbau eines Treppenlifters und zum behindertengerechten Umbau der Dusche als Maßnahme zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes im Sinne des § 40 Abs 4 SGB XI. Entgegen der Auffassung der Beklagten setze die erneute Zuschussgewährung nicht zwingend eine pflegerelevante Veränderung des Gesundheitszustandes bzw des Behinderungsbildes voraus. Demgemäß komme auch die Zuschussgewährung beim behindertengerechten Neubau eines Hauses oder einer Eigentumswohnung in Betracht (Hinweis auf Bundessozialgericht - BSG - 26.4.2001 - B 3 P 24/00 R). Die bisherige Wohnung des Klägers habe jedoch dessen Bedürfnis nach sachgerechter Pflege auch weiterhin entsprochen.

Seine Grundpflege und häusliche Versorgung wäre auch in dieser Wohnung weiterhin möglich, auch wenn seine Ehefrau nunmehr selbst erkrankt sei und ihr die Versorgung der kleineren Wohnung leichter falle. Sein Umzug in die Einliegerwohnung stehe nicht in erster Linie in Zusammenhang mit seinem Pflegebedarf, sondern mit dem Umstand, dass seine Ehefrau der Versorgung des Hauses nicht mehr gewachsen gewesen sei und das selbst erbaute Eigenheim an die Tochter habe übergeben werden sollen. Ein solcher im Zusammenhang mit dem Generationenwechsel stehender Umzug im ehemals eigenen Haus in eine andere Wohnung stelle keine relevante Veränderung der Pflegesituation dar, wenn die bisherige Wohnung im Eigenheim mit entsprechendem Zuschuss bereits behindertengerecht hergerichtet gewesen sei. Soweit der Kläger geltend mache, es habe sich auch sein gesundheitlicher Zustand geändert, weil er nunmehr vollständig an den Rollstuhl gefesselt sei, rechtfertige dies keine andere Entscheidung. Denn der Umbau der bisherigen Wohnung mit Einbau einer behindertengerechten Dusche sei bereits im Hinblick auf seine fehlende Geh- und Stehfähigkeit erfolgt.

Gegen dieses ihm am 21.12.2005 zugestellte Urteil richtet sich die am 3.1.2006 beim Landessozialgericht Rheinland-Pfalz eingelegte Berufung des Klägers. Er trägt vor: Aus den aktenkundigen Berichten des Kreiskrankenhauses S vom 26.5. 2003 und 16.7.2003 ergebe sich eindeutig eine pflegerelevante Verschlimmerung seines Gesundheitszustandes. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass nur durch den Umzug sein Kontakt zur Außenwelt habe erhalten werden können.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des SG Koblenz vom 8.12.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, über seinen Antrag auf Gewährung eines Zuschusses zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Der Senat hat die Tochter des Klägers, K W, als Zeugin vernommen. Diese hat bekundet: Der Umbau des Badezimmers sei bereits durchgeführt worden; der Treppenlift sei noch nicht eingebaut worden. Der Treppenlift solle innerhalb der Kellergeschosswohnung zwischen dem Wohnzimmer, das einige Stufen tiefer liege, und den übrigen Räumen eingebaut werden; er diene nicht dazu, das Erdgeschoss zu erreichen. Im Sommer 2003 habe sich die Krankheit des Klägers verschlimmert gehabt. Er habe die bisherige Wohnung im Erdgeschoss nur über eine Treppe und eine Rampe verlassen können, was mit dem Rollstuhl wegen der Verschlechterung seines Gesundheitszustandes immer schwieriger geworden sei. Die Wohnung im Kellergeschoss habe demgegenüber einen ebenerdigen Ausgang. Die erst im September 2003 aufgetretene Brustkrebserkrankung der Ehefrau des Klägers sei für den Entschluss zum Umzug nicht ausschlaggebend gewesen. Die Entscheidung für die Eigentumsumschreibung des Hauses sei im Zusammenhang mit der Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers und dem Umzug gefallen. Ohne diese Umstände wäre in absehbarer Zeit eine Eigentumsumschreibung nicht geplant gewesen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Prozessakte verwiesen, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind.

Rechtsweg:

SG Koblenz, Urteil vom 8.12.2005 - S 5 P 53/04
BSG, Urteil vom 19.04.2007 - B 3 P 8/06 R

Quelle:

Landesrecht Rheinland-Pfalz

Entscheidungsgründe:

Die nach §§ 143 f, 151 SGG zulässige Berufung ist begründet. Der Kläger hat antragsgemäß Anspruch auf eine erneute Entscheidung der Beklagten über die Zuschussgewährung.

Die erhobene Leistungsklage ist die zulässige Klageart. Eine zusätzliche Anfechtungsklage scheidet aus, weil die Beklagte nicht befugt ist, Verwaltungsakte zu erlassen (BSG 14.12.2000 - B 3 P 1/00 R, juris Rn 14). Der Kläger hat auch die nach § 12 Abs 3 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) und der inhaltsgleichen Regelung des § 17 Abs 2 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die private Pflegeversicherung Bedingungsteil (MB/PPV 1996) bestimmte Klagefrist von sechs Monaten nach Ablehnung des Leistungsantrags eingehalten. Die Klagefrist wurde erst durch das mit Rechtsfolgenbelehrung versehene Schreiben der Beklagten vom 21.1.2004 in Lauf gesetzt (§ 12 Abs 3 Satz 2 VVG).

Die rechtliche Beurteilung richtet sich vorliegend nach dem Versicherungsvertrag (§ 4 Abs 7 MB/PPV 1996) iVm § 178 b Abs 4 VVG. Für die Bezuschussung der Kosten für behinderungs- und pflegebedingte bauliche Maßnahmen in einer Wohnung ist die Regelung des § 4 Abs 7 MB/PPV 1996 maßgebend, wo es heißt: "Für Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes der versicherten Person, beispielsweise für technische Hilfen im Haushalt, können gemäß Nr 4.3 des Tarifs PV subsidiär finanzielle Zuschüsse gezahlt werden, wenn dadurch im Einzelfall die häusliche Pflege ermöglicht oder wesentlich erleichtert oder eine möglichst selbständige Lebensführung der versicherten Person wiederhergestellt wird". Nach Nr 4.3 des Tarifs PV ist die Erstattung je Maßnahme einkommensabhängig, stets aber auf 2.557,- Euro je Maßnahme begrenzt, Wie sich aus der genannten Vorschrift des § 4 Abs 7 MB/PPV 1996 ergibt, hat der Träger der privaten Pflegeversicherung, sofern die tatbestandlichen Vorschriften erfüllt sind, Ermessen auszuüben (vgl BSG 14.12.2000 aaO juris Rn 26), was aber an der Leistungsklage als zulässiger Klageart nichts ändert (aaO juris Rn 14).

Wurde - wie vorliegend - bereits eine Maßnahme zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes durchgeführt, setzt eine erneute Zuschussgewährung voraus, dass sich die Pflegesituation objektiv ändert (zB Hinzutreten einer weiteren Behinderung oder altersbedingte Ausweitung des Pflegebedarfs eines Behinderten) und dadurch im Laufe der Zeit Schritte zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes erforderlich werden, die bei der Durchführung der ersten Umbaumaßnahme noch nicht notwendig waren.
Dieser zur sozialen Pflegeversicherung aufgestellte Grundsatz (BSG 3.11.1999 - B 3 P 6/99 R, juris Rn 13) gilt entsprechend für die private Pflegeversicherung.

Der Einbau eines Treppenlifters und der Umbau des Badezimmers in der Kellerwohnung sind im Zusammenhang mit dem Umzug des Klägers und seiner Ehefrau vom Erdgeschoss in das Kellergeschoss erforderlich geworden. Eine durch einen Umzug veränderte Wohn- und Versorgungssituation ist in Bezug auf die vorliegend zu treffende Entscheidung relevant, wenn wegen einer objektiven Änderung der Pflegesituation die weitere Sicherstellung der Pflege eine wesentliche Mitursache (zur Rechtsprechung in der gesetzlichen Unfallversicherung vgl Keller in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 8 Rz 7) für den Umzug im Sinne der sozialrechtlichen Kausalitätslehre war. Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt.

Hinsichtlich der Motive für den Umzug stützt sich der Senat auf die Angaben der Zeugin W. Der Kläger musste die bisherige Wohnung im Erdgeschoss über eine Treppe und eine Rampe verlassen. Dies war ihm aber nach einer Verschlechterung seines Gesundheitszustandes im Sommer 2003 nicht mehr möglich. In der Wohnung im Kellergeschoss treten solche Probleme nicht auf, weil diese einen ebenerdigen Ausgang hat. Aus diesem Grund kam es zu dem Entschluss des Klägers, in das Kellergeschoss umzuziehen. Demgegenüber war die Krankheit seiner Ehefrau hierfür nicht ausschlaggebend. Die konkrete Entscheidung für die Eigentumsumschreibung des Hauses fiel nur im Zusammenhang mit der Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers und dem Umzug; ohne diese Umstände wäre in absehbarer Zeit eine Eigentumsumschreibung nicht geplant gewesen.

Diese Angaben der Zeugin W sind glaubhaft. Deren Glaubwürdigkeit wird nicht entscheidend durch die Angaben des Pflegesachverständigen H in Frage gestellt. Zwar hat dieser dargelegt, der Umzug sei erfolgt, weil der Kläger "und seine Ehefrau ('Tumorerkrankung') die große Wohnung nicht mehr vollständig hätten nutzen" können. Da der Pflegesachverständige die Angaben des Klägers nicht wörtlich protokolliert hat, lässt sich jedoch nicht feststellen, in welchem Zusammenhang die seiner Beurteilung zugrunde gelegten Äußerungen gefallen sind. Im Übrigen hat der Kläger bereits in seinem Schreiben vom 6.1.2004 auf die Probleme des Verlassens der Wohnung im Erdgeschoss hingewiesen.

Ausgehend von diesem Sachverhalt wurden wohnumfeldverbessende Maßnahmen im Kellergeschoss durch eine Änderung der Pflegesituation erforderlich. Durch die gesundheitsbedingt eingetretene Unmöglichkeit, die bisherige Wohnung mit dem Rollstuhl zu verlassen, wurde nämlich nicht unerheblich die weitere Pflege des Klägers erschwert, da das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung zu den pflegerelevanten Verrichtungen zählt (§ 14 Abs 4 Nr 3 SGB XI).

Der Senat ist nicht wegen einer Bindungswirkung an die Feststellungen des Sachverständigen H an einer Verurteilung der Beklagten gehindert. Nach § 64 Abs 1 Satz 1 VVG sind Versicherer und Versicherungsnehmer an die Feststellungen des Sachverständigen zu den Voraussetzungen des Anspruchs aus der Versicherung oder zur Höhe des Schadens grundsätzlich gebunden, wenn dies - wie hier durch § 6 Abs 2 MB/PPV 1996 - vertraglich vereinbart worden ist. Die Feststellungen des Sachverständigen sind nur dann nicht verbindlich, wenn sie offenbar von der wirklichen Sachlage erheblich abweichen, wobei auf den Sachstand und die Erkenntnismittel zum Zeitpunkt der Begutachtung abzustellen ist (BSG 22.7.2004 - B 3 P 6/ 03 R, SozR 4-7690 § 64 Nr 1).

Für eine gerichtliche Sachverhaltsaufklärung zur Notwendigkeit von Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes, zB durch Einholung eines Sachverständigengutachtens, besteht nur dann Veranlassung, wenn und soweit ein nach den Bestimmungen des MB/PPV 1996 eingeholtes Gutachten offensichtlich von der wirklichen Sachlage erheblich abweicht (§ 64 Abs 1 Satz 1 und 2 VVG) oder ein Sachverständiger die erforderlichen Feststellungen ausnahmsweise nicht treffen kann oder will oder sie verzögert (§ 64 Abs 1 Satz 3 VVG). Damit wird die Abhilfemöglichkeit auf die wenigen Fälle ganz offensichtlichen Unrechts beschränkt (BSG, aaO). In prozessualer Hinsicht bewirkt die Vereinbarung eines Sachverständigengutachtens insbesondere, dass das Gericht die durch einen Sachverständigen getroffenen Feststellungen grundsätzlich zu übernehmen hat und im Umfang dieser Feststellungen dem Gericht prinzipiell Beweiserhebung und Beweiswürdigung entzogen sind. Dabei ist das Gesamtergebnis des Sachverständigengutachtens maßgeblich; sind allerdings abgrenzbare Teilbereiche der gutachterlichen Feststellungen fehlerhaft, sind diese - soweit "offenbar erheblich" - selbständig anfechtbar; nur der Rest bleibt verbindlich (BSG aaO).

Ausgehend davon ist die Feststellung in dem Gutachten des Pflegesachverständigen H vom Oktober 2003 verbindlich, dass die wohnumfeldverbessernden Maßnahmen in der neuen Wohnung durchgeführt werden müssen, damit sie der Kläger nutzen kann. Soweit der Sachverständige die Auffassung vertreten hat, die Bezuschussung sei nicht möglich, da der Umzug nicht wegen einer pflegerelevanten Veränderung des Gesundheitszustandes bzw des Behinderungsbildes notwendig gewesen sei und eine veränderte Wohn- oder Versorgungssituation keine Indikation für eine weitere wohnfeldverbessernde Maßnahme darstelle, ist diese Beurteilung für den Senat nicht verbindlich. Eine Bindung kann nur hinsichtlich solcher Tatsachen bestehen, die unmittelbar mit der Notwendigkeit und dem Umfang der Pflege zusammenhängen, weil nur insoweit eine besondere fachspezifische Beurteilungskompetenz des Sachverständigen besteht. Um solche Tatsachen geht es aber im vorliegenden Zusammenhang nicht. Hinsichtlich anderer Tatsachen und rechtlicher Wertungen scheidet eine Bindung an die Beurteilung des Sachverständigen aus. Unabhängig davon kommt eine solche vorliegend auch deshalb nicht in Betracht, weil das Gutachten insoweit von der wirklichen Sachlage erheblich abweicht, als in ihm die Beeinträchtigung beim Verlassen der Wohnung vom Sachverständigen nicht berücksichtigt wurde; davon, dass die Grunderkrankung des Klägers laufend fortschritt, ist auch der Sachverständige H (Seite 2 des Gutachtens) ausgegangen.

Unabhängig davon wäre die Berufung aber auch - worauf es allerdings nicht entscheidend ankommt - begründet, wenn der Entschluss zum Umzug in das Kellergeschoss auf der Erkrankung der Ehefrau des Klägers beruht hätte. Eine wesentliche Änderung der Pflegesituation kann auch durch eine Änderung von Verhältnissen begründet sein, die sich auf die Pflegeperson beziehen. Denn auch eine solche Änderung kann die Pflegesituation entscheidend beeinflussen. In diesem Zusammenhang kann nicht entscheidend darauf abgestellt werden, ob die Ehefrau, sofern der Umzug nicht erfolgt wäre, allein die Pflege noch hätte erledigen können, wenn sie sonst keine weiteren Aufgaben im Haus übernommen hätte. Vielmehr muss es ausreichend sein, dass die Ehefrau die Gesamtheit der in der bisherigen Wohnung anfallenden Arbeiten wegen ihrer Erkrankung nicht mehr bewältigen konnte und davon der zunehmende Aufwand an Pflege des Klägers einen erheblichen Umfang ausmachte.

Der Senat hat die Beklagte zu einer neuen Entscheidung verurteilt. Eine unmittelbare Verurteilung zu einer Leistungsgewährung scheidet aus, weil die Gewährung der in Rede stehenden Leistungen nach § 4 Abs 7 MB/PVV 1996 im Ermessen des Leistungsträgers ("kann") steht und keine Anhaltspunkte für eine Reduzierung des Ermessens auf Null ersichtlich sind.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 SGG nicht vorliegen.

Referenznummer:

R/R4003


Informationsstand: 01.07.2008