Der Senat konnte im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124
Abs. 2
SGG).
Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 6. März 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. August 2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf die Gewährung des nebst Zubehör als Sachleistung.
Maßgebende Vorschrift für die behauptete Leistungspflicht der Beklagten im Bereich der Hilfsmittelversorgung ist
§ 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Danach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg einer Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach
§ 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind. Dabei besteht ein Anspruch auf Versorgung im Hinblick auf "die Erforderlichkeit im Einzelfall" nur, soweit das begehrte Hilfsmittel geeignet, ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ist und das Maß des Notwendigen nicht überschreitet; darüber hinausgehende Leistungen darf die Krankenkasse nach
§ 12 Abs. 1 SGB V nicht bewilligen. Dagegen ist weder die vertragsärztliche Verordnung (
§ 73 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SGB V) des begehrten Hilfsmittels noch seine Listung im Hilfsmittelverzeichnis (
§ 139 SGB V) Voraussetzung für die Leistungspflicht der Beklagten (ständige Rechtsprechung des
BSG,
vgl. zuletzt Urteile vom 18. Mai 2011 - Az.:
B 3 KR 12/10 R und
B 3 KR 7/10 R m.w.N, nach juris).
Hier kann dahinstehen, ob es sich bei dem um einen allgemeinen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens
i.S.d. § 33
Abs. 1 Satz 1
SGB V handelt. Die Frage, ob ein Mittel entsprechend einzustufen ist, stellt sich für einen Gegenstand, der von der Konzeption her vorwiegend für Kranke oder Behinderte gedacht ist, erst dann, wenn er in nennenswertem Umfang auch von gesunden Menschen benutzt wird. Ein spezialangefertigtes Tandem wird nur von Personen benutzt, die durch Krankheit oder Behinderung kein serienmäßiges Tandem benutzen können, und ist daher kein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens im Sinne des § 33
Abs. 1
SGB V. Sofern ein serienmäßiges Tandem für die Klägerin umgerüstet wird, kommen nur die Umrüstungsmaßnahmen als Hilfsmittel in Betracht. Ob das vorwiegend von gesunden Menschen oder von kranken und behinderten Menschen benutzt wird, hat das erstinstanzliche Gericht nicht aufgeklärt (
vgl. BSG, Urteil vom 16. September 1999 - Az.:
B 3 KR 9/98 R,
m.w.N., nach juris). Unabhängig davon, scheitert ein Anspruch der Klägerin auf Versorgung mit dem als Hilfsmittel der
GKV aber jedenfalls an der fehlenden Erforderlichkeit des Tandems. Es ist weder unter dem Gesichtspunkt des Behinderungsausgleichs (
vgl. unter c), noch der Vorbeugung einer drohenden Behinderung (
vgl. unter b), noch der Sicherung des Erfolges einer Krankenbehandlung (dazu unter a) erforderlich.
a) Das
BSG hat für ein "Therapietandem" entschieden, dass dieses nicht erforderlich ist, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, weil eine regelmäßige Krankengymnastik nicht nur ausreicht, sondern sogar gezielter und vielseitiger die angestrebte Verbesserung der körperlichen und seelischen Verfassung eines behinderten Menschen erreichen kann, einschließlich der Stärkung von Muskulatur, Lungenfunktion, Körperkoordination und Balancegefühl (
vgl. BSG, Urteile vom 12. August 2009 - Az.:
B 3 KR 11/08 R (Rollstuhl-Fahrrad-Kombination), 21. November 2002 - Az.:
B 3 KR 8/02 R (Therapie-Tandem), jeweils
m.w.N.,
vgl. auch
BSG, Beschluss vom 29. Januar 2009 - Az.:
B 3 KR 39/08 B (Speedy-Tandem), nach juris). In dem Urteil vom 7. Oktober 2010 (Az.:
B 3 KR 5/10 R (Therapiedreirad), nach juris) hat das
BSG ausgeführt, der Sicherung des Erfolges einer Krankenbehandlung diene ein sächliches Mittel, soweit es spezifisch im Rahmen der ärztlich verantworteten Krankenbehandlung eingesetzt werde, um zu ihrem Erfolg beizutragen. Dabei kommt nur solchen Maßnahmen zur körperlichen Mobilisation ein Bezug zur ärztlich verantworteten Krankenbehandlung i.
S. von
§ 27 SGB V zu, die in einem engen Zusammenhang zu einer andauernden, auf einem ärztlichen Therapieplan beruhenden Behandlung durch ärztliche oder ärztlich angeleitete Leistungserbringer stehen und für die gezielte Versorgung i.
S. der Behandlungsziele des § 27
SGB V als erforderlich anzusehen sind. Diese Voraussetzungen liegen bei einer Hilfe zur körperlichen Betätigung vor, wenn der Versicherte aufgrund der Schwere der Erkrankung dauerhaft Anspruch auf Maßnahmen der physikalischen Therapie hat und die durch das beanspruchte Hilfsmittel unterstützte eigene körperliche Betätigung diese Therapie entweder wesentlich fördert oder die Behandlungsfrequenz infolge der eigenen Betätigung geringer ausfallen kann (
vgl. BSG, Urteil vom 7. Oktober 2010 - Az.:
B 3 KR 7/10 R, nach juris). Dies ist hier nicht ersichtlich. Zunächst handelt es sich nicht um ein Therapiedreirad, dass die Klägerin eigenständig nutzen würde. Aus der "Therapieempfehlung für Therapierad" des Universitätsklinikums J. ergibt sich nicht, dass das Radfahren tatsächlich im Rahmen einer ärztlichen verantworteten Krankenbehandlung eingesetzt werden soll. Es handelt sich lediglich um eine Empfehlung, deren Durchführbarkeit darüber hinaus nicht ersichtlich ist. Die Klägerin selbst hat nicht vorgetragen, dass sie ein tägliches Tandemfahren mit entsprechendem Treten mit der Begleitperson unabhängig von der Jahreszeit im Umfang von 45 Minuten anstrebt
bzw. gewährleisten kann. Vielmehr hat sie angegeben, die gemeinsame Freizeitgestaltung in der Familie beschränkte sich in der Regel auf das Wochenende; insoweit müsse eine optimale Freizeitgestaltung ermöglicht werden. Damit können durch die Nutzung des Tandems allenfalls therapeutische Nebeneffekte erzielt werden. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin das nicht allein, sondern nur unter Aufsicht nutzen kann. Ob bei ihr die Motivation vorhanden ist, über 45 Minuten täglich das Tandem durch eigene Körperkraft zu bewegen, ist offen. Jedenfalls beinhaltet das begehrte Zubehör (8-Gang Freilauf Beifahrer) auch die Option, das ohne den Einsatz eigener Körperkraft eine Fortbewegung erfolgen kann.
b) Das begehrte Therapiedreirad ist auch nicht zum Ausgleich einer Behinderung (
§ 33 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 SGB V) erforderlich.
Der Behinderungsausgleich hat grundsätzlich zwei Zielrichtungen: Im Vordergrund steht der Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion selbst. Bei diesem sogenannten unmittelbaren Behinderungsausgleich gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits, und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts. Daneben können Hilfsmittel den Zweck haben, die direkten und indirekten Folgen der Behinderung auszugleichen. Im Rahmen dieses sog. mittelbaren Behinderungsausgleichs geht es nicht um einen Ausgleich im Sinne des vollständigen Gleichziehens mit den Möglichkeiten eines nicht behinderten Menschen, da Aufgabe der
GKV in allen Fällen allein die medizinische Rehabilitation ist (
vgl. § 1 SGB V,
§ 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 5 Nr. 1 und 3 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX)), also die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktionen einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolges, um ein selbstständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Eine darüber hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation ist hingegen Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme. Ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich ist daher von der gesetzlichen Krankenversicherung nur zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens, wie
z.B. das Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnehmen, Ausscheiden, elementare Körperpflege, selbstständiges Wohnen sowie die Erschließung eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums betrifft (ständige Rspr. des
BSG, zuletzt: Urteil vom 3. November 2011 - Az.:
B 3 KR 4/11 R m.w.N., Rn. 14, 15, nach juris).
Als solches allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens ist in Bezug auf die Mobilität nur die Erschließung des Bereichs um die Wohnung eines Versicherten anerkannt, nicht aber das darüber hinausgehende Interesse an sportlicher Fortbewegung oder an der Erweiterung des Aktionsraums. Maßgebend für den von der
GKV insoweit zu gewährleistenden Basisausgleich ist der Bewegungsradius, den ein nicht behinderter Mensch üblicherweise noch zu Fuß erreicht. Dazu haben die Krankenkassen die Versicherten so auszustatten, dass sie sich nach Möglichkeit in der eigenen Wohnung bewegen und die Wohnung verlassen können, um bei einem kurzen Spaziergang "an die frische Luft zu kommen" oder um die - üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden - Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind. Sportliche Betätigung gehört nach der Rechtsprechung des
BSG nicht zu den Grundbedürfnissen, für die die
GKV ihre Versicherten mit Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich auszustatten hat. Bei Kindern und Jugendlichen reicht die Einstandspflicht für Mobilitätshilfen zum mittelbaren Behinderungsausgleich weiter, wenn dies entweder zum Schulbesuch im Rahmen der Schulpflicht oder zur Integration in der kindlichen und jugendlichen Entwicklungsphase erforderlich ist (
vgl. BSG, Urteil vom 3. November 2011 - Az.:
B 3 KR 4/11 R m.w.N., Rn. 16, 17).
In Anwendung dieser Grundsätze handelt es sich bei begehrten Versorgung mit dem zunächst um eine Maßnahme des mittelbaren Behinderungsausgleichs. Die Klägerin kann selbstständig gehen. Nach dem Gutachten des
Dr. K. vom 4. April 2013 ist sie in der Lage, sich gehend über die Strecke von
ca. 1
km fortzubewegen. Soweit er das als "Basisausgleich" der bei der Klägerin vorliegenden Behinderung ansieht, kann dem Gutachten nicht gefolgt werden, weil der Sachverständige aus den oben genannten Gründen von einem unrichtigen Begriff des Basisausgleichs ausgeht. Soweit das nach dem Vortrag der Klägerin dazu dienen soll, ihr die Teilnahme an Familienausflügen mit dem Fahrrad
bzw. Tandem zu ermöglichen, gehört das Bedürfnis nach sportlicher Betätigung im Familienkreis nicht zu den Grundbedürfnissen eines Versicherten (
vgl. BSG, Urteil vom 12. August 2009 - Az.: B 3 KR 11/08 R, Rn. 22). Zum Schulbesuch ist das nicht erforderlich. Es ist auch nicht ersichtlich, dass durch die Gewährung des eine Integration der Klägerin in die Gruppe Gleichaltriger gewährleistet werden kann, weil immer eine in der Regel erwachsene Begleitperson erforderlich ist, die die Verantwortung für die Fortbewegung des Tandems übernehmen muss. Die Anwesenheit einer Begleitperson, d.h. eines Erwachsenen, wird von Jugendlichen bei ihren Aktivitäten, mit denen sie gerade Selbstständigkeit und Unabhängigkeit von Erwachsenen - wie
z.B. bei Fahrradausflügen - beweisen wollen, üblicherweise nicht akzeptiert. (
vgl. BSG, Urteil vom 21. November 2002 - Az.:
B 3 KR 8/02 R, Rn. 19). Diese Argumentation ist für den Senat nachvollziehbar.
c) Schließlich dient das begehrte Therapiedreirad nicht der Vorbeugung gegen eine drohende Behinderung (2. Alternative des § 33
Abs. 1 Satz 1
SGB V). Es reicht zur Erfüllung der Voraussetzungen dieser Alternative nicht aus, dass eine vorhandene Krankheit irgendwann einmal in der Zukunft zu einer Behinderung führen, sich also ein abstrakt-theoretisches Behinderungsrisiko verwirklichen könnte. Vielmehr muss hierbei ein konkretes Behinderungsrisiko bestehen. Dies setzt voraus, dass nicht irgendeine Form einer Behinderung denkbar erscheint, sondern eine ganz bestimmte Art der Behinderung zu erwarten ist, die bei einer bestimmten Erkrankung typischerweise als Folge eintreten kann (sachliche Komponente). Diese Folge muss auch "drohen" (zeitliche Komponente). Eine Behinderung "droht" erst, wenn ein bestimmtes Krankheitsbild bei natürlichem Verlauf in absehbarer Zeit unter den Gegebenheiten des Einzelfalls mit einiger Wahrscheinlichkeit zu einem Dauerzustand in Form einer sonst nicht mehr behebbaren konkreten Funktionseinschränkung führen kann. Ärztliche Maßnahmen jeder Art, die diesen natürlichen Verlauf verhindern können, dienen der Vorbeugung gegen eine drohende Behinderung. (
vgl. BSG, Urteil vom 22. April 2009 - Az.:
B 3 KR 11/07 R). Soweit der Sachverständige andeutet, durch das Fahren mit dem Tandem, könne einer Demenz vorgebeugt werden, gibt es keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Klägerin eine solche Erkrankung droht.
Die Klägerin kann einen Anspruch auf Versorgung mit dem auch nicht aus dem Verfassungsrecht herleiten.
Ein Eingriff der
§§ 2, 33
SGB V und der sich hieraus ergebenden Voraussetzungen für die Versorgung eines Versicherten mit einem Hilfsmittel durch die
GKV in den Schutzbereich des
Art. 6
GG ist für den Senat nicht ersichtlich. Die
UN-Behindertenrechtskonvention (
UN-BehRUbK) begründet keine eigenständige Rechtsgrundlage auf Versorgung mit einem Hilfsmittel unabhängig von den Voraussetzungen nach § 33
SGB V (
vgl. zur Auslegung und Anwendbarkeit,
BSG, Urteil vom 6. März 2012 - Az.: B 1 KR 10/11 R, Rn. 17ff, nach juris). Dies gilt auch für
Art. 26 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, der Ausdruck des Diskriminierungsverbots des
Art. 5 der UNBehRUbK ist. Letzteres entspricht für die Leistungsbestimmungen der
GKV im Wesentlichen dem Regelungsgehalt des
Art. 3
Abs. 3 Satz 2
GG. Danach darf niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Allerdings ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn Leistungen der
GKV ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich zu sein haben und nicht das Maß des Notwendigen überschreiten dürfen (§ 2
Abs. 1 Satz 1
SGB V vgl. BSG, Urteil vom 6. März 2012 - Az.: B 1 KR 10/11 R, Rn. 32ff.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193
SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160
Abs. 2
Nr.1, 2
SGG).