Die nach §§ 143 f., 151
SGG zulässige Berufung ist begründet. Die Beklagte hat dem Kläger die beantragte KfZ-Hilfe zu gewähren.
Im Gegensatz zur Auffassung des SG ist die Klage nicht deshalb unzulässig, weil der Kläger sein KfZ wegen des Endes der Ausbildung nicht mehr zu deren Absolvierung benötigt. Das Rechtsschutzinteresse des Klägers für eine KfZ-Hilfe ist bereits deshalb nicht entfallen, weil ein Kostenerstattungsanspruch nach den Grundsätzen der selbstbetriebenen Rehabilitation in Betracht kommt.
Die Entscheidung des Rechtsstreits richtet sich noch nach den bis 31.12.1997 in Kraft befindlichen Vorschriften des
AFG und der Anordnung über die Arbeits- und Berufsförderung Behinderter - A-Reha -, da der Kläger bereits 1995 den Führerschein erworben und sich das KfZ beschafft hat.
Die Klage und damit die Berufung ist auch begründet. Ob der Kläger einen Anspruch auf Rehabilitationsleistungen hat, richtet sich grundsätzlich nach der im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung geltenden Rechtslage. Im Falle der Selbstbeschaffung der Leistung nach der Antragstellung bei rechtswidriger Ablehnung durch die Beklagte ist jedoch der Zeitpunkt maßgebend, zu welchem sich der Betroffene die Leistung verschafft hat. Dies war beim Kläger hinsichtlich des Kaufs des KfZ bei Abschluss des Kaufvertrags Ende März 1995 der Fall.
Eingliederungshilfen dürfen grundsätzlich nach dem Erreichen des Ziels der Eingliederung nicht mehr gewährt werden. Hat der Behinderte die Rehabilitation nach der Antragstellung begonnen, ohne dass ihm die Leistungen zuvor bewilligt worden sind, gereicht ihm dies nach der Rechtsprechung jedoch nicht zum Nachteil, da die Rehabilitation keinen Aufschub zulässt. Steht dem Behinderten die Leistung zu, ist er nach den Grundsätzen der selbstbetriebenen Rehabilitation so zu behandeln, wie wenn ihm die Leistung bewilligt worden wäre.
Vorliegend hat die Beklagte, die wegen des Fehlens eines anderen zuständigen Rehabilitationsträgers für die vorliegend umstrittenen Rehabilitationsleistungen zuständig ist (§ 57
AFG), die Gewährung von KfZ-Hilfe im Bescheid vom 23.3.1995 zu Unrecht abgelehnt. KfZ-Hilfe-Leistungen setzen gemäß § 45
Abs.1 A-Reha
i.V.m. § 3
Abs.1 Kraftfahrzeughilfe-Verordnung ( KfzHVO) voraus, dass 1. der Behinderte infolge seiner Behinderung nicht nur vorübergehend auf die Benutzung eines KfZ angewiesen ist, um seinen Arbeits- oder Ausbildungsort oder den Ort einer sonstigen Maßnahme der beruflichen Bildung zu erreichen, und 2. der Behinderte ein
Kfz führen kann oder gewährleistet ist, dass ein Dritter das KfZ für ihn führt.
Der Kläger kann, worüber zwischen den Beteiligten kein Streit besteht, ein
Kfz führen. Er war auch -
i.S.d. § 3
Abs. 1
Nr.1
KfzHV - im Zeitpunkt des Bescheides vom 23.3.1995 infolge seiner Behinderung nicht nur vorübergehend auf die Benutzung eines KfZ angewiesen, um den Ausbildungsort zu erreichen. Diese Vorschrift ist nicht so zu verstehen, dass die Behinderung die alleinige Ursache des Angewiesenseins auf ein KfZ sein müsste. Es genügt vielmehr, dass sie allein geeignet ist, den Behinderten zur Benutzung eines KfZ zu zwingen. Dies gilt auch dann, wenn andere Gründe, etwa die ungünstige Verkehrs- oder Arbeitsmarktlage, die Benutzung eines
Kfz ebenfalls erfordern.
Vorliegend ist bereits zweifelhaft, ob dem Kläger die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel im Zusammenhang mit seiner Ausbildung zumutbar war.
Prof. D hat in seinem Gutachten dazu dargelegt, beim Besteigen öffentlicher Verkehrsmittel sei der Kläger auf den Einsatz seines rechten Tragearms angewiesen, um die Funktionsbehinderung des linken Beins zu kompensieren; aus medizinischer Sicht seien deshalb Beeinträchtigungen bei der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln "denkbar". Ausgehend davon bestehen jedenfalls dann Bedenken gegen die Zumutbarkeit des Fahrens mit öffentlichen Verkehrsmitteln, wenn der Kläger seine rechte Hand zum Tragen,
z.B. einer Arbeitstasche, verwenden musste. Dies entspricht dem Gutachten von D., der die Meinung geäußert hat, dem Kläger seien Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht zumutbar.
Die Frage der generellen Zumutbarkeit des Fahrens mit öffentlichen Verkehrsmitteln kann aber letztlich offen bleiben. Ausgehend von dem Gutachten von
Prof. D. war für den Kläger die Benutzung eines
Kfz jedenfalls dann notwendig, wenn die örtliche Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel Wegstrecken von über einem Kilometer beinhaltete. Der Kläger musste von X. aus die Wege zur Berufsschule, zur Außenstelle des Ausbildungsbetriebs und zur überbetrieblichen Ausbildung im Staatsweingut absolvieren. Der Bahnhof liegt mehr als einen Kilometer von der Wohnung des Klägers entfernt, sodass die erforderlichen Wege bereits deshalb nicht allein mit öffentlichen Verkehrsmitteln ohne unzumutbare Wegstrecken zu Fuß zurückgelegt werden konnten. Eine Busverbindung bestand zum vorliegend maßgebenden Zeitpunkt nicht, wie aus der Auskunft der Stadtwerke vom März 2000 hervorgeht. Eine Verweisung des Klägers auf die Zurücklegung der erforderlichen Fahrten mit einem Taxi ist rechtlich nicht zulässig. Dies ist mittelbar der Regelung des § 9
Abs.1
S.2
KfzHV zu entnehmen. Nach dieser Vorschrift kann unter bestimmten Voraussetzungen ein Zuschuss für die Beförderung des Behinderten, insbesondere durch Beförderungsdienste geleistet werden, wobei u.a. erforderlich ist, dass die Übernahme der Beförderungskosten anstelle von KfZ-Hilfe wirtschaftlicher und für den Behinderten zumutbar ist. Aus dieser Bestimmung ergibt sich, dass der Verordnungsgeber in der
KfzHV davon ausgegangen ist, dass die Übernahme der Kosten der Anschaffung eines Fahrzeugs und/ oder Erwerb der Fahrerlaubnis die Regel und die Übernahme von Taxi-Kosten die Ausnahme ist (im Wege einer Ermessensentscheidung). Diese kommt nur in Betracht, wenn zwar die Voraussetzungen der §§ 2
Abs.1, 6, 8
Abs.1
KfzHV nicht gegeben sind, aber ausnahmsweise eine besondere Härte iSd § 9
Abs.1
S.1
KfzHV vorliegt. Wegen dieses Regel-Ausnahme-Verhältnisses sind die Voraussetzungen des § 2
Abs.1
KfzHV - dazu zählt auch die Notwendigkeit einer KfZ-Hilfe - nicht deshalb zu verneinen, weil die Zurücklegung der erforderlichen Wegstrecken mit einem Taxi möglich wäre. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Beklagte - wie vorliegend vor dem Kauf des Fahrzeugs durch den Kläger - Taxikosten nicht durch Bescheid übernommen hatte.
Darauf, dass der Kläger nicht innerhalb von 4 Jahren nach Abschluss der Ausbildung mindestens 3 Jahre eine versicherungspflichtige Tätigkeit ausübte, kann nicht entscheidend abgestellt werden. Gemäß § 9
Abs.2
S.1 A-Reha setzt zwar die Förderung einer berufsfördernden Bildungsmaßnahme voraus, dass der Teilnehmer beabsichtigt, innerhalb von 4 Jahren nach Abschluss der im Gesamtplan festgelegten berufsfördernden Bildungsmaßnahmen mindestens 3 Jahre lang eine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung auszuüben. Der Kläger hat aber nach der Überzeugung des Senats diese Absicht im Zeitpunkt der Selbstbeschaffung der Leistung gehabt. Ob diese Absicht später verwirklicht werden konnte, ist unerheblich.
Hinsichtlich der
Kfz-Hilfe hatte die Beklagte in dem vorliegend maßgebenden Zeitpunkt keinen Ermessensspielraum. Die
Kfz-Hilfe stand nicht im Ermessen der Arbeitsverwaltung.
Die
KfzHV ist im Rahmen der für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden besonderen Vorschriften auszulegen und anzuwenden. Da die Vorschriften des
AFG in der seinerzeit geltenden Fassung für Rehabilitationsleistungen an Behinderte kein Ermessen einräumten, gilt dies ebenso für die KfZ-Hilfe, wie auch aus § 45
Abs.1 A-Reha zu entnehmen ist.
Der Senat hat von seiner Befugnis Gebrauch gemacht, die Beklagte zur Gewährung von
Kfz-Hilfe dem Grunde nach (§ 130
SGG) zu verurteilen. Nach §§ 4
ff. KfzHV wird eine von der Höhe des Einkommens abhängige Hilfe zur Beschaffung eines
Kfz geleistet. § 7
KfzHV regelt die Gewährung einer behinderungsbedingten Zusatzausstattung. Die Beklagte wird nach Abschluss des Rechtsstreits - ohne Ermessensspielraum - über die Höhe der Leistung zu entscheiden haben.