Urteil
Anspruch auf Gewährung eines mobilen Patientenlifters - Vorhaltepflicht des Heimträgers

Gericht:

LSG Thüringen 6. Senat


Aktenzeichen:

L 6 KR 955/09


Urteil vom:

28.01.2013


Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 20. Juli 2009 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin Anspruch auf Gewährung eines mobilen Patientenlifters als Sachleistung hat.

Die 1972 geborene Klägerin leidet u.a. an schwerer Intelligenzminderung, Tetraspastik, Debilität und Epilepsie. Sie lebt seit 1982 im St. J. in E. und erhält u.a. Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen in einer vollstationären Einrichtung. Von 9:00 Uhr bis 12:30 Uhr wird sie im Förderbereich der Werkstatt für behinderte Menschen betreut.

Im Januar 2007 beantragte sie unter Vorlage einer ärztlichen Verordnung der Fachärztin für Allgemeinmedizin Sch. vom 3. Januar 2007 und eines Kostenvoranschlags der J. Othopädie KG vom 20. Januar 2007 über 7.397,04 EUR bei der Beklagten ein (nicht mobiles) Maxi Sky 1000-Deckenliftersystem. Mit Bescheid vom 30. Januar 2007 lehnte diese die Gewährung ab und wies mit Widerspruchsbescheid vom 9. Oktober 2007 den hiergegen gerichteten Widerspruch mit der Begründung zurück, bei einem fest zu installierenden Deckenfahrlifter handele es sich nicht um ein Hilfsmittel im Sinne des § 33 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) das in die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) falle.

Während des Klageverfahrens hat die Klägerin am 3. März 2008 bei der Beklagten und im Oktober 2009 bei dem Beigeladenen die Gewährung des mobilen Patientenlifters Maxi Move der Marke ARJO beantragt. Die Beklagte hat den Landesrahmenvertrag nach § 79 Abs. 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) vom 1. September 2005 und die zwischen dem Landesamt für Soziales und Familie und dem St. J. getroffene Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII vom 10. April 2006 beigezogen. Nach voriger Anhörung (Schreiben vom 30. Juni und 1. Juli 2008) hat sie mit Bescheid vom 28. Juli 2008 die Versorgung der Klägerin mit einem mobilen Patientenlifter abgelehnt und zur Begründung u.a. ausgeführt, bei dem St. J. handle es sich um eine Einrichtung im Sinne des §§ 43 a, 71 Abs. 4 des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI) und nicht um ein Wohnheim in Form einer Pflegeeinrichtung im Sinne der §§ 71 Abs. 2, 72 Abs. 1 SGB XI. Da der beantragte mobile Patientenlifter ausschließlich zur Durchführung und Erleichterung der Pflege benötigt werde und von seiner Beschaffenheit her auch von jedem anderen Bewohner genutzt werden könne, sei er der Vorhaltungspflicht der Pflegeeinrichtung zuzuordnen. Den dagegen gerichteten Widerspruch hat die Klägerin nach Hinweis der Vorsitzenden der 6. Kammer des Sozialgerichts (SG), dass der Bescheid nach § 96 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Gegenstand des anhängigen Klageverfahrens sei, zurückgenommen.

Das SG hat ein Gutachten der Dr. M.-H. vom 1. August 2008 eingeholt, wonach der Einsatz eines mobilen Patientenlifters sowohl zum Ausgleich der Behinderung als auch zur Erleichterung der Pflege erforderlich ist. Hiergegen hat die Beklagte eingewandt, Mobilitätshilfen der Produktgruppe 22 seien ausschließlich der Finanzierungszuständigkeit der Pflegeheime zuzuordnen. Grund hierfür sei, dass sie die Grundpflege (Transfer, Mobilisation) ermöglichten beziehungsweise erleichterten und üblicherweise von mehreren Personen genutzt werden könnten. Sie gehörten somit zur Ausstattung einer stationären Pflegeeinrichtung. Dies werde auch dadurch bestätigt, dass das St. J. in den Sanitärbereichen mit einem Deckenliftsystem ausgestattet sei, das auch von der Klägerin mitgenutzt werden könne. Darüber hinaus gebe es dort auch einen oder mehrere mobile Patientenlifter. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ((BSG), Urteil vom 10. Februar 2000 - Az.: B 3 KR 24/99 R) gehörten nur solche Hilfsmittel in den Bereich der GKV, die individuell auf den einzelnen Versicherten angepasst und nur von ihm sinnvoll genutzt werden könnten. Dies sei hier nicht der Fall. Das St. J. habe nach der mit dem Sozialhilfeträger geschlossenen Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII die individuelle Basisversorgung mit individueller Hilfestellung bzw. Assistenz entsprechend dem individuellen Hilfebedarf bei elementaren Alltagsfertigkeiten sicherzustellen. Schließlich sei der Transfer auch mit Hilfe von zwei Pflegepersonen möglich. Sie hat ein Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) Thüringen e.V. - Dr. L. - vom 18. Juli 2008 eingereicht. Die Klägerin hat darauf hingewiesen, dass es sich bei dem St. J. um eine Einrichtung handele, in der allen Bewohnern die aktive Teilnahme an der Gemeinschaft und am Leben ermöglicht werden solle. Damit stelle sich auch die Frage der Ausstattung anders als in einer Pflegeeinrichtung.

Mit Urteil vom 20. Juli 2009 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen unter Bezugnahme auf das Urteil des BSG vom 10. Februar 2000 - Az.: B 3 KR 26/99 R ausgeführt, der begehrte mobile Patientenlifter gehöre zum notwendigen Inventar des St. J ...

Im Berufungsverfahren vertritt die Klägerin die Ansicht, das SG habe in seinem Urteil nicht berücksichtigt, dass bereits der Gesetzgeber durch die getroffene Unterscheidung zwischen Pflegeheimen im Sinne der §§ 71 Abs. 2, 72 Abs. 1 SGB XI und Einrichtungen im Sinne des § 71 Abs. 4 SGB XI deutlich machen wollte, dass unterschiedliche Anforderungen gerechtfertigt sein können. Bereits aus § 43 a Satz 1 SGB XI ergebe sich, dass sich die Pflegekassen nur reduziert an den Kosten für vollstationäre Einrichtungen beteiligten, in denen die Teilhabe am Arbeitsleben und am Leben in der Gemeinschaft, die schulische Ausbildung oder die Erziehung behinderter Menschen im Vordergrund des Einrichtungszwecks stünden. Derzeit lebten im St. J. 211 Bewohner. Davon besuchten 115 die Werkstatt für behinderte Menschen, 39 Bewohner besuchten den Förderbereich, 47 Bewohner die Seniorentagesstätte und 10 Bewohner würden tagsüber von Mitarbeitern des Wohnheimes betreut. Lediglich sechs Bewohner seien in ihrer Motorik so eingeschränkt wie sie. Es handele sich eindeutig um eine stationäre Einrichtung im Sinne des § 71 Abs. 4 SGB XI. Zur Einrichtung gehöre nicht nur der Wohn-, sondern auch ein Förderbereich, der der Werkstatt für behinderte Menschen angegliedert ist und Aufgaben der Betreuung und Förderung in Form von tagesstrukturierenden Maßnahmen für die behinderten Menschen erfüllt. Für jeden zu Betreuenden werde ein Plan für den Förderbereich erstellt, der halbjährlich überprüft und aktualisiert werde. In Heimen, in denen Schwerstpflegebedürftige grundsätzlich nicht zum Klientel zählten, könne weder vom Sozialhilfe- noch vom Einrichtungsträger die Finanzierung des Vorhaltens bestimmter Hilfsmittel erwartet werden. Dort sei es immer wieder vorrangig Aufgabe der Krankenkasse, den Versicherten individuell mit dem Hilfsmittel auszustatten, auch wenn dies nur der Mobilität innerhalb der Sphäre des Heimes diene. Ohne den Patientenlifter könne sie ihr Bett nicht verlassen. Den Antrag auf Gewährung eines fest installierten Deckenfahrlifters halte sie nicht mehr aufrecht.

Mit Widerspruchsbescheid vom 30. Juni 2010 hat die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 28. Juli 2008 zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, bei vollstationärer Pflege habe der Träger des Heimes für die im Rahmen des üblichen Pflegebetriebs notwendigen Hilfsmittel zu sorgen, weil er verpflichtet sei, die Pflegebedürftigen ausreichend und angemessen zu pflegen, sozial zu betreuen und mit medizinischer Behandlungspflege zu versorgen. Die Leistungspflicht der GKV erfasse nur die Hilfsmittel, die nicht der Sphäre der vollstationären Pflege zuzurechnen seien. Hierzu gehörten die Hilfsmittel, die unmittelbar auf den Versicherten angepasst seien und nur von diesem genutzt werden könnten (z. B. Brille, Hörgerät, Prothese). Der begehrte mobile Patientenlifter Maxi Move gehöre zum notwendigen Inventar des Heimes und sei von diesem bereitzustellen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 20. Juli 2009 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 28. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juni 2010 zu verurteilen, ihr einen mobilen Patientenlifter Maxi Move der Marke ARJO als Sachleistung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält an ihrer Ansicht fest.

Der Beigeladene ist der Ansicht der Beklagten beigetreten, hat aber keinen Antrag gestellt. Mit Bescheid vom 29. Dezember 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. März 2010 hat er die Versorgung der Klägerin mit einem mobilen Patientenlifter mit der Begründung abgelehnt, er gehöre zu den von der Einrichtung vorzuhaltenden Hilfsmitteln. Die Vergütungsvereinbarung mit dem St. J. enthalte Kostensätze, die sich nach Art und Umfang des Leistungsangebotes der Einrichtung und dem individuellen Hilfebedarf des Heimbewohners richteten. Da danach die Einrichtung für die Sicherstellung der Versorgung des Heimbewohners Sorge zu tragen habe, bedürfe es keiner weiteren Unterstützung dieser Person durch die zusätzliche Versorgung mit Hilfsmitteln. Andernfalls müsse jeder Heimbewohner entsprechende eigene Hilfsmittel vorhalten, damit die Versorgung in einer Einrichtung gewährleistet werden könne. Dies würde der Konzeption und dem Zweck einer jeden Einrichtung widersprechen. Auch sei der mobile Patientenlifter ein flexibles Hilfsmittel, das auch zur Hilfestellung der anderen Heimbewohner eingesetzt werden könne. Hiergegen hat die Klägerin beim Sozialgericht Nordhausen Klage erhoben.

Der Senat hat eine Auskunft des St. J. vom 10. Februar 2011 zum Tagesablauf und zur Frage inwieweit die Klägerin in der Lage ist, verantwortungsbewusst über das eigene Schicksal zu bestimmen, eingeholt. Die Berichterstatterin hat am 13. März 2012 mit den Beteiligten einen Erörterungstermin durchgeführt.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichts- und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Rechtsweg:

SG Nordhausen Urteil vom 20.07.2009 - S 6 KR 2359/07

Quelle:

Sozialgerichtsbarkeit BRD

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist nur noch der Bescheid vom 28. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juni 2010. Die Klage auf die Gewährung des mobilen Patientenlifters ist nach Erlass des Widerspruchsbescheids vom 30. Juni 2010 auch zulässig. Der Bescheid vom 28. Juli 2008 ist nicht nach § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand der gegen den Bescheid vom 30. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Oktober 2007 erhobenen Klage geworden, weil er diesen Bescheid weder abändert noch ersetzt. Insoweit bedurfte es nach § 78 SGG der Durchführung eines Vorverfahrens vor Erhebung des Klageverfahrens. Das Fehlen des Vorverfahrens wurde durch Erlass des Widerspruchsbescheids vom 30. Juni 2010 geheilt. Die Klageänderung war nach § 99 Abs. 1 SGG zulässig, weil sich die Beklagte auf die geänderte Klage eingelassen hat.

Der Bescheid der Beklagten vom 28. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juni 2010 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Gewährung eines mobilen Patientenlifters als Sachleistung.

Ein Anspruch ergibt sich nicht aus § 33 Abs. 1 SGB V in der Fassung des Gesetzes zur Neuausrichtung der Pflegeversicherung (Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz - PNG) vom 23. Oktober 2012, in Kraft getreten mit Wirkung vom 30. Oktober 2012. Danach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind. Der Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich hängt bei stationärer Pflege nicht davon ab, in welchem Umfang eine Teilhabe am Leben der Gemeinschaft noch möglich ist; die Pflicht der stationären Pflegeeinrichtungen zur Vorhaltung von Hilfsmitteln und Pflegehilfsmitteln, die für den üblichen Pflegebetrieb jeweils notwendig sind, bleibt hiervon unberührt.

Versicherte, die auf Grund einer Krankheit oder Behinderung die Fähigkeit zum selbstständigen Aufstehen, Gehen und Stehen verloren haben, können danach zur Erhaltung ihrer Mobilität grundsätzlich einen mobilen Patientenlifter als Hilfsmittel der GKV beanspruchen. Er ist kein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens, weil er von Gesunden nicht benutzt wird. Er ist auch nicht aus dem Leistungskatalog der GKV ausgeschlossen und kann die Versorgungsziele des § 33 Abs. 1 SGB V erfüllen. Er ist geeignet, erhebliche Auswirkungen der Behinderung der Klägerin zu mildern und es ihr zu ermöglichen, das Bett zu verlassen. Dem steht nicht entgegen, dass er nicht unmittelbar am Körper der kranken oder behinderten Person wirkt und die Klägerin auch mit seiner Hilfe nicht zu einer eigenständigen Bewegung in ihrem Wohnbereich befähigt wird. Ohne Bedeutung ist auch, in welchem Umfang der behinderte Mensch noch selbst Hilfestellung dabei leisten kann, seine Grundbedürfnisse zu erfüllen (vgl. BSG, Urteil vom 12. Juni 2008 - Az.: B 3 P 6/07 R m.w.N., nach juris). Nach der Einfügung des Satzes 2 in § 33 Abs. 1 SGB V mit Wirkung vom 1. April 2007 hängt der Anspruch bei stationärer Pflege auch nicht davon ab, in welchem Umfang eine Teilhabe der Versicherten am Leben der Gemeinschaft noch möglich ist.

Die Anwendung des § 33 SGB V ist auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Klägerin zum Kreis pflegebedürftiger Personen nach §§ 14, 15 SGB X gehört und der mobile Patientenlifter auch der Erleichterung ihrer Pflege dient. Nach § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB XI haben Pflegebedürftige Anspruch auf Versorgung mit Pflegehilfsmitteln, die zur Erleichterung der Pflege oder zur Linderung der Beschwerden des Pflegebedürftigen beitragen oder ihnen eine selbstständigere Lebensführung ermöglichen, soweit die Hilfsmittel nicht wegen Krankheit oder Behinderung von der Krankenversicherung oder anderen zuständigen Leistungsträgern zu leisten sind. Allerdings sind Leistungen der häuslichen Pflege bei Unterbringung in einer stationären Pflegeeinrichtung oder in einer Einrichtung im Sinne des § 71 Abs. 4 SGB XI nach § 36 Abs. 1 Satz 2 2. Halbs. SGB XI generell ausgeschlossen. Die Begrenzung auf die häusliche Pflege ist auch sachgerecht, weil individuelle Pflegehilfsmittel im Pflegeheim oder in einer Einrichtung nach § 71 Abs. 4 SGB XI wegen der dort vorhandenen Ausstattung regelmäßig nicht benötigt werden.

Der Versorgungsanspruch nach § 33 SGB V ruht auch nicht wegen des Heimaufenthaltes der Klägerin. Nach der ab dem 1. Januar 1989 geltenden Rechtslage sind die Krankenkassen für die Versorgung Versicherter mit Hilfsmitteln grundsätzlich unabhängig davon verpflichtet, ob sie in einer eigenen Wohnung oder in einem Heim leben. Hierzu führt das BSG im Urteil vom 10. Februar 2000 - Az.: B 3 KR 17/99 R m.w.N. aus: "Dieser Grundsatz erfährt jedoch beim "Versicherungsfall" der vollstationären Pflegebedürftigkeit, also bei der vollstationären Pflege in einem zugelassenen Pflegeheim (§ 71 Abs. 2 SGB XI) weiterhin eine Einschränkung. Die Pflicht der gesetzlichen Krankenversicherung zur Versorgung der Versicherten mit Hilfsmitteln endet nach der gesetzlichen Konzeption des SGB V und des SGB XI dort, wo bei vollstationärer Pflege die Pflicht des Heimträgers auf Versorgung der Heimbewohner mit Hilfsmitteln einsetzt. Bei vollstationärer Pflege hat der Träger des Heimes für die im Rahmen des üblichen Pflegebetriebs notwendigen Hilfsmittel zu sorgen, weil er verpflichtet ist, die Pflegebedürftigen ausreichend und angemessen zu pflegen, sozial zu betreuen und mit medizinischer Behandlungspflege zu versorgen (§ 43 Abs. 1, 2 und § 43 a). Nach § 11 Abs. 1 SGB XI hat die Pflege in Pflegeeinrichtungen nach dem allgemeinen Stand medizinisch-pflegerischer Erkenntnisse zu erfolgen (Satz 1). Inhalt und Organisation der Leistungen haben eine humane und aktivierende Pflege unter Achtung der Menschenwürde zu gewährleisten (Satz 2). Die Pflegeheime haben auch für die soziale Betreuung der Bewohner zu sorgen (§§ 43 Abs. 2 Satz 1 und 82 Abs. 1 Satz 2 und 82 Abs. 1 Satz 2 SGB XI). Die die Zulassung bewirkenden Versorgungsverträge dürfen nur mit Pflegeeinrichtungen abgeschlossen werden, die den Anforderungen des § 71 SGB XI genügen und die Gewähr für eine leistungsfähige und wirtschaftliche pflegerische Versorgung bieten (§ 72 Abs. 3 Satz 1 SGB XI). Die Heime müssen daher das für die vollstationäre Pflege notwendige Inventar bereithalten. Einen geeigneten Anhaltspunkt für die von den zugelassenen Pflegeheimen vorzuhaltenden Hilfsmittel bietet - ohne dass hier eine abschließende Beurteilung jedes einzelnen Hilfsmittels vorzunehmen ist - zB die "Gemeinsame Verlautbarung der Spitzenverbände der Krankenkassen/Pflegekassen zur Ausstattung von Pflegeheimen mit Hilfsmitteln" vom 26. Mai 1997, solange Rechtsverordnungen über die Ausstattung von Pflegeheimen mit Hilfsmitteln fehlen (vgl § 83 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 SGB XI). Hierzu zählen zB alle Hilfsmittel, die bei Verwirrtheitszuständen, Lähmungen und sonstigen Funktionseinschränkungen üblicher Art (zB bei Altersdemenz, Morbus Alzheimer, Folgen eines Schlaganfalls, Multiple Sklerose und Querschnittlähmungen) benötigt werden. Die gesetzliche Krankenversicherung hat darüber hinaus nur solche Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen, die nicht der "Sphäre" der vollstationären Pflege zuzurechnen sind. Das sind im Wesentlichen: (1) individuell angepasste Hilfsmittel, die ihrer Natur nach nur für den einzelnen Versicherten bestimmt und grundsätzlich nur für ihn verwendbar sind (zB Brillen, Hörgeräte, sonstige Prothesen); (2) Hilfsmittel, die der Befriedigung eines allgemeinen Grundbedürfnisses (zB Kommunikation oder Mobilität) außerhalb des Pflegeheimes dienen.

Danach sind mobile Patientenlifter bei vollstationärer Pflege in einem zugelassenen Pflegeheim grundsätzlich vom Heimträger zur Verfügung zu stellen. Sie gehören in aller Regel nicht zu den individuell angepassten Hilfsmitteln, für die stets die Krankenkassen zuständig sind.

Dies gilt auch hier, selbst wenn sich die Klägerin nicht in einem vollstationären Pflegeheim im Sinne der §§ 71 Abs. 2, 72 Abs. 1 SGB XI sondern in einer Einrichtung im Sinne der §§ 43 a, 71 Abs. 4 SGB XI befindet. Nach § 71 Abs. 4 SGB XI sind stationäre Einrichtungen, in denen Leistungen zur medizinischen Vorsorge, zur medizinischen Rehabilitation, zur Teilhabe am Arbeitsleben oder am Leben in der Gemeinschaft, die schulische Ausbildung oder die Erziehung kranker oder behinderter Menschen im Vordergrund des Zweckes der Einrichtung stehen, sowie Krankenhäuser keine Pflegeeinrichtungen im Sinne des § 71 Abs. 2 SGB XI. Nach § 43 a SGB XI übernimmt für Pflegebedürftige in einer vollstationären Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen, in der die Teilhabe am Arbeitsleben und am Leben in der Gemeinschaft, die schulische Ausbildung oder die Erziehung behinderter Menschen im Vordergrund des Einrichtungszwecks stehen (§ 71 Abs. 4 SGB XI ), die Pflegekasse zur Abgeltung der in § 43 Abs. 2 SGB XI genannten Aufwendungen zehn vom Hundert des nach § 75 Abs. 3 des Zwölften Buches vereinbarten Heimentgelts. Die Aufwendungen der Pflegekassen dürfen im Einzelfall im Kalendermonat 256 EUR nicht überschreiten. Nach den Ausführungen zu der Konzeption des St. J. und der § 43 a SGB XI entsprechenden Finanzierung durch die Pflegekasse ist davon auszugehen, dass es sich bei dem St. J. um eine Einrichtung im Sinne des § 71 Abs. 4 SGB XI handelt. Dies ist zwischen den Beteiligten nicht streitig.

Für die Pflege auf dieser rechtlichen Basis erfahren die für vollstationäre Pflegeheime entwickelten Grundsätze allerdings eine Abwandlung. Nach § 61 Abs. 2 SGB XII umfasst die Hilfe zur Pflege häusliche Pflege, Hilfsmittel, teilstationäre Pflege, Kurzzeitpflege und stationäre Pflege. Der Inhalt der Leistungen bestimmt sich nach den Regelungen der Pflegeversicherung für die in § 28 Abs. 1 Nr. 1, 5 bis 8 des Elften Buches aufgeführten Leistungen; § 28 Abs. 4 des Elften Buches gilt entsprechend. Danach müssen die Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII dem Standard des SGB XI entsprechen. Nach § 75 Abs. 3 SGB XII hat der Träger der Sozialhilfe mit Einrichtungen nach § 13 SGB XII Vereinbarungen, die den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit entsprechen müssen, über den Inhalt, Umfang und Qualität der Leistungen (Leistungsvereinbarung), die Vergütung, die sich aus Pauschalen und Beträgen für einzelne Leistungsbereiche zusammensetzt (Vergütungsvereinbarung) und die Prüfung der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistungen (Prüfungsvereinbarung) zu treffen. Nach § 76 Abs. 1 SGB XII muss die Vereinbarung über die Leistung die wesentlichen Leistungsmerkmale festlegen, mindestens jedoch die betriebsnotwendigen Anlagen der Einrichtung, den von ihr zu betreuenden Personenkreis, Art, Ziel und Qualität der Leistungen, Qualifikation des Personals sowie die erforderliche rechtliche und personelle Ausstattung. In die Vereinbarung ist die Verpflichtung der Einrichtung aufzunehmen, im Rahmen des vereinbarten Leistungsangebotes Leistungsberechtigte aufzunehmen und zu betreuen. Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Hieraus folgt für den Bereich der Pflege nach dem Urteil des BSG vom 10. Februar 2000 (a.a.O.), dass der Träger der Sozialhilfe grundsätzlich nur Vereinbarungen treffen darf, durch die eine Pflege auf dem Standard des SGB XI sichergestellt wird. Weiter führt das BSG aus, dass die hier in Betracht kommenden Einrichtungen - von denen diejenigen im Sinne des § 71 Abs. 4 SGB XI nur einen Teilbereich darstellen - sehr unterschiedliche Aufgaben erfüllen, unterschiedlichen Benutzerkreisen mit den entsprechenden Gestaltungskonzepten dienen und daher auch in sächlicher Hinsicht sehr unterschiedlich auszustatten sind. Soweit es den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit entspricht, also insbesondere in Einrichtungen mit einer erheblichen Zahl von Schwer- und Schwerstpflegebedürftigen, werden sich die Vereinbarungen mit dem Träger der Einrichtung hinsichtlich der sächlichen Ausstattung an den oben entwickelten Grundsätzen für Pflegeeinrichtungen im Sinne der §§ 71 Abs. 2, 72 Abs. 1 SGB XI zu orientieren haben. Wenn nach diesen Kriterien das Vorhalten bestimmter Hilfsmittel zum notwendigen Inventar einer Pflegeeinrichtung zählt, kommt daneben eine Leistungsverpflichtung der Krankenkasse nicht mehr in Betracht. Dies folgt bereits aus dem Gesichtspunkt, dass öffentliche Finanzmittel (hier: Versichertenbeiträge) nicht noch einmal für Zwecke ausgegeben werden dürfen, die bereits anderweitig staatlich finanziert werden (dort steuerfinanzierte Leistungen des Sozialhilfeträgers). Dem steht der Grundsatz der Subsidiarität der Sozialhilfe nicht entgegen, weil der Sozialhilfeträger zu einer andersartigen und weitergehenden Leistung, nämlich der vollstationären Pflege, verpflichtet ist. Soweit die Einrichtung allerdings Schwerpflegebedürftige grundsätzlich nicht aufnimmt, kann weder vom Sozialhilfeträger noch vom Einrichtungsträger die Finanzierung des Vorhaltens - hier eines mobilen Patientenlifters - erwartet werden. Bei derartigen Einrichtungen ist es wieder vorrangig Aufgabe der Krankenkasse, den Versicherten individuell mit Hilfsmitteln auszustatten, auch wenn dieses nur zu Mobilität innerhalb der Sphäre des Heimes dienen soll.

Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen besteht auf Grund der zwischen dem Beigeladenen und dem St. J. bestehenden Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII vom 29. Oktober 2008 keine vorrangige Verpflichtung der Beklagten, die Versorgung der Klägerin mit einem mobilen Patientenlifter zum Transfer der Klägerin vom Bett zum Rollstuhl und vom Rollstuhl zum Bett ohne Inanspruchnahme von zwei Pflegepersonen sicherzustellen.

Die maßgebliche Vereinbarung ist ausdrücklich bezüglich der im St. J. lebenden "Hilfeempfänger mit Kostenzusagen nach § 61 SGB XII" getroffen worden. Es ist dort festgehalten, dass nach dem Landesrahmenvertrag nach § 75 Abs. 3 SGB XII Menschen mit Behinderungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Landesrahmenvertrages über Vorschriften nach § 61 ff. in Einrichtungen nach §§ 53, 54 SGB XII leben, auch weiterhin in diesen Einrichtungen verbleiben können. Zielgruppe sind erwachsene Menschen mit geistiger und/oder mehrfacher Behinderung, die auf Grund des Bestandsschutzes Hilfe zur Pflege nach §§ 61, 62 (35) SGB XII erhalten. Hierbei handelt es sich vorrangig um Bewohner, die wegen ihres hohen individuellen Hilfebedarfs nicht, nicht mehr oder noch nicht in einer anderen Betreuungsform mit geringerem Personalaufwand betreut werden können. Neben der Sicherung individueller Basisversorgung, Haushaltsführung, individueller und sozialer Lebensgestaltung, Freizeitgestaltung, psychischer Hilfen und medizinisch-pflegerischen Hilfen besteht Hilfebedarf insbesondere in Bezug auf Krisenintervention, intensive psychisch-emotionale Betreuung und zeitweise außergewöhnliche medizinische pflegerische Hilfen sowie Intervention bei Selbst- und Fremdgefährdung, die vordringlich und umfassend zu leisten sind. Ziel ist u.a. die Sicherstellung der vollständigen Pflege und Betreuung von Pflegebedürftigen. Dabei muss den individuell sehr differenzierten, intensiven und oftmals speziellen Hilfeanforderungen der Bewohner entsprochen werden. Spezielle Einzelmaßnahmen für Wohnen, Betreuung (Einzelfallhilfe) müssen möglich sein. Dabei liegt die Gesamtverantwortung für die stationäre Hilfe beim Heim. Als Grundleistungen sind das Wohnen und Beheimatung (Bereitstellung Möblierung und Ausstattung des Wohnraums unter Berücksichtigung der individuellen Wünsche der Bewohner, von Betätigungs-, Beschäftigungs- und therapeutischen Räumlichkeiten, von Gemeinschafts- und Funktionsräumen sowie der Verkehrsflächen, Wartung und Instandhaltung dieser Räume sowie der Gebäude und Außenanlagen) zu erbringen. Die Kapazität wird mit acht Plätzen angegeben; Pflege und Betreuung erfolgen in Pflegeteams, die jeweils einem Wohnbereich fest zugeordnet sind.

Nach diesen Vereinbarungen muss dem individuellen Hilfebedarf der betroffenen schwer- und schwerstpflegebedürftigen Heimbewohner, auch im Bereich der Pflege, entsprochen werden. Die Erfüllung der Bedürfnisse der betroffenen Bewohner auf einem geringeren Standard als nach dem SGB XI lässt sich hieraus nicht entnehmen. Ein Verbleiben der Klägerin im Bett, weil sie sich hieraus nicht ohne Hilfe erheben kann, wäre mit den in § 11 Abs. 1 SGB XI genannten Grundsätzen der Pflege, Versorgung und Betreuung von Pflegebedürftigen in vollstationären Einrichtungen nicht vereinbar und würde dementsprechend auch der Vereinbarung widersprechen. Der mobile Patientlifter ist auch der Sphäre des Heimes zuzuordnen, weil er gerade sicherstellen soll, dass die Klägerin ihr Bett verlassen kann, was Grundvoraussetzung für die weitere tägliche Betreuung und Wahrnehmung der tagesstrukturierenden Maßnahmen ist.

Andere Anspruchsgrundlagen für das Begehren der Klägerin kommen ebenfalls nicht in Betracht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.

Referenznummer:

R/R5835


Informationsstand: 21.10.2013