II.
Die Revision der Klägerin ist zulässig und begründet.
Die beklagte Krankenkasse (KK) hat die Klägerin mit einer von ihr noch näher zu konkretisierenden Dekubitus-Matratze zu versorgen, die zur Behandlung der von ihrem Arzt diagnostizierten Erkrankung "Dekubitus, II. Grades"
bzw. zur Vermeidung des Wiedereintritts dieser Erkrankung erforderlich ist. In diesem Sinn ist auch der Tenor des erstinstanzlichen Urteils unter Berücksichtigung seiner Begründung zu verstehen, das auf die Revision hin wieder herzustellen war. Das SG hat die Beklagte nicht weiter gehend für verpflichtet gehalten, der Klägerin das spezielle, von einem Sanitätshaus angebotene Wechseldrucksystem zu gewähren, weil die Beklagte das benötigte Hilfsmittel gegebenenfalls leihweise zur Verfügung stellen könne und es ihr bei mehreren geeigneten Typen eines Hilfsmittels, die auf dem Markt angeboten werden, überlassen bleiben müsse, auch unter Wirtschaftlichkeitsaspekten auszuwählen. Die Klägerin hat das Urteil des SG nicht mit der Berufung angefochten, sodass es im Umfang der Klageabweisung rechtskräftig geworden und damit nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens ist.
Nach den Feststellungen des SG war die Lagerung der Klägerin auf einer Wechseldruckmatratze nach ärztlicher Einschätzung erforderlich, weil sie an einem akuten Dekubitus (Durchliege- bzw Druckgeschwür) Stufe II litt. Die Beklagte ist der Verordnung der Wechseldruckmatratze durch den behandelnden Arzt auch nicht wegen fehlender medizinischer Erforderlichkeit entgegen getreten. Sie begründet ihre Leistungsverweigerung vielmehr allein damit, dass trotz bestehender medizinischer Notwendigkeit die Leistungspflicht der KK entfalle, weil es sich um ein Hilfsmittel handele, das von dem Pflegeheim vorzuhalten sei, um seiner Verpflichtung nachkommen zu können, eine dem allgemein anerkannten Stand medizinisch-pflegerischer Erkenntnisse entsprechende Pflege zu erbringen. Diese Rechtsauffassung der Beklagten widerspricht
§ 33 SGB V; sie findet auch im Regelungskonzept der sozialen Pflegeversicherung und bei der Abgrenzung der Pflege- von der gesetzlichen Krankenversicherung keine Grundlage.
Nach § 33 Abs 1 Satz 1
SGB V (
idF des Gesundheits-Reformgesetzes vom 20. Dezember 1988, BGBl I, S 2477; vgl jetzt auch die
§§ 31 Abs 1,
26 Abs 2 Nr 6 des Neunten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB IX)) haben Versicherte einen Anspruch gegen ihre KK auf Versorgung mit Seh- und Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg einer Krankenbehandlung zu sichern oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach
§ 34 Abs 4 SGB V durch
Rechtsverordnung ausgeschlossen sind. Hier geht es um ein "anderes Hilfsmittel", das zum einen erforderlich ist, um den Erfolg einer Krankenbehandlung zu sichern, und zum anderen auch dem Ausgleich einer Behinderung dient, die hier in der ausgefallenen Fähigkeit des Körperlagewechsels besteht; hiervon ist das
LSG im angefochtenen Urteil zutreffend ausgegangen. Eine Wechseldruckmatratze ist kein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens und nicht durch
Rechtsverordnung ausgeschlossen; im Hilfsmittelverzeichnis der Spitzenverbände der Krankenkassen gemäß
§ 128 SGB V sind Wechseldruckmatratzen in Produktgruppe 11 als Liegehilfen zur Be- und Nachbehandlung vielmehr ausdrücklich aufgeführt.
Der Anspruch der Klägerin auf Versorgung mit einer Wechseldruckmatratze ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil sie in einem Pflegeheim versorgt wird. Der Senat hat in den Urteilen zur Versorgung von Pflegebedürftigen in stationären Einrichtungen mit Rollstühlen (Urteile vom 10. Februar 2000, vgl vor allem BSGE 85, 287 = SozR 3-2500 § 33 Nr 37) und mit Ernährungspumpen (Urteile vom 6. Juni 2002,
B 3 KR 67/01 R ua, zur Veröffentlichung vorgesehen) bereits deutlich gemacht, dass die Pflicht der KK zur Leistung von Hilfsmitteln, die der Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung oder dem Behinderungsausgleich dienen - entgegen dem früheren Recht - grundsätzlich nicht schon deshalb ausgeschlossen ist, weil sich der Versicherte dauerhaft in einer Pflegeeinrichtung aufhält. Die Leistungspflicht der KK umfasst allerdings nicht alle Gegenstände, die - neben anderen Zwecken - auch dem Ausgleich einer Behinderung dienen. Andernfalls müsste auch typisches Inventar von Pflegeeinrichtungen als von der KK zu leistendes Hilfsmittel angesehen werden. Besteht der Verwendungszweck eines Gegenstands ganz überwiegend darin, die Durchführung der Pflege zu ermöglichen oder zu erleichtern, so begründet allein die Tatsache, dass er auch zum Behinderungsausgleich eingesetzt wird, noch nicht die Leistungspflicht der KK. Als Beispiele für diese Kategorie von Gegenständen wurden bereits im Urteil vom 6. Juni 2002 (B 3 KR 67/01 R) genannt: der einfache Schieberollstuhl, der primär Transportfunktionen innerhalb des Heimes erfüllt, sowie das Pflegebett. Der Senat hat im selben Urteil bereits klargestellt, dass Hilfsmittel, die zur Durchführung von Behandlungspflege erforderlich sind, grundsätzlich in die Leistungspflicht der KK fallen und nicht vom Pflegeheim vorzuhalten sind. Die Verpflichtung der Pflegekassen, für einen vorübergehenden Zeitraum Maßnahmen der Behandlungspflege in stationären Einrichtungen im Rahmen des Pflegesatzes für allgemeine Pflegeleistungen mit zu finanzieren, berührt die sich aus § 33
SGB V ergebende Pflicht zur Beschaffung der erforderlichen Hilfsmittel nicht.
Dekubitus-Matratzen können allerdings nicht generell einer der genannten Kategorien von Hilfsmitteln zugeordnet werden. Denn sie dienen bei unterschiedlicher Konstruktion und Beschaffenheit zum einen der Behandlung akuter Druckgeschwüre und damit der Behandlungspflege und zum anderen nur zur Vermeidung derartiger Gesundheitsstörungen. Ob die Dekubitusvorsorge ebenfalls der Behandlungspflege zuzuordnen oder eine reine Pflegemaßnahme ist, ist im Schrifttum umstritten (vgl Igl/Welti, VSSR 1995, S 117, 140, mwN).
Soweit Dekubitus-Matratzen unter pflegerischen Gesichtspunkten allein zur Prophylaxe eingesetzt werden, steht der Aspekt der Pflege ganz im Vordergrund, obgleich sie auch in diesem Zusammenhang in bestimmtem Umfang dem Behinderungsausgleich dienen, eben weil sie eine krankheits- oder behinderungsbedingt eingeschränkte Fähigkeit zum Körperlagewechsel kompensieren sollen. Die Leistungspflicht der KK kann in derartigen Fällen nicht durch den mit Einführung des
SGB IX neu in den § 33 Abs 1
SGB V aufgenommenen weiteren Zweck der Hilfsmittelversorgung begründet werden, "einer drohenden Behinderung vorzubeugen". Allgemein bestand eine Leistungspflicht der Krankenversicherung zur Vorbeugung einer drohenden Behinderung oder von Pflegebedürftigkeit auch schon vor Einführung des
SGB IX nach § 11 Abs 2 Satz 1
SGB V. Diese Regelungen bedürfen im Hinblick auf die Gesamtkonzeption von Kranken- und Pflegeversicherung einer teleologischen Reduktion in dem Sinne, dass die Behinderung nicht nur allgemein, sondern konkret und unmittelbar drohen muss. Denn jede nach pflegewissenschaftlichen Erkenntnissen durchgeführte Pflege muss sachnotwendig darauf ausgerichtet sein, weitere Behinderungen, eine Erhöhung des pflegerischen Hilfebedarfs oder eine Zunahme von Beschwerden auf Grund des die Pflegebedürftigkeit begründenden Gesamtzustands zu vermeiden. Von daher müsste bei weiter Auslegung nicht nur ein Großteil der die Pflege erleichternden Hilfsmittel, sondern auch der Teil des Aufwands für pflegerische Dienstleistungen, der den genannten Zwecken dient, der Krankenversicherung zugeordnet werden. Eine derart weit gehende Leistungspflicht der Krankenversicherung hat der Gesetzgeber nach der Feststellung von Pflegebedürftigkeit erkennbar nicht beabsichtigt. Von diesem Zeitpunkt an fallen alle Maßnahmen, die der Grundpflege zuzuordnen sind, in die Zuständigkeit der Pflegeversicherung, auch soweit sie vorbeugenden Charakter haben. Dies wird für den Bereich der ambulanten Pflege etwa durch
§ 37 Abs 2 Satz 4 SGB V klargestellt, der Grundpflege als Leistung der KK nach Eintritt von Pflegebedürftigkeit ausschließt. Dass für die stationäre Pflege eine hiervon abweichende Abgrenzung beabsichtigt war, ist nicht erkennbar.
Wird die Dekubitus-Matratze allerdings im Zuge eines ärztlichen Behandlungskonzepts zur Behandlung von oder zur Nachsorge nach akuten Dekubitalgeschwüren eingesetzt, so steht der Aspekt der Behandlungspflege im Vordergrund und begründet deshalb die Leistungspflicht der KK. In diesen Fällen kann die KK dem Anspruch des Versicherten auch nicht entgegen halten, der Dekubitus sei durch einen Pflegefehler in der Einrichtung entstanden. Sie kann die durch Fehlbehandlung verursachten Mehraufwendungen, wie bei einer Falschbehandlung im Krankenhaus oder durch andere Leistungserbringer, nur im Wege des Regresses gegen den Verursacher geltend machen (vgl § 116 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB X)). Außerdem muss beim Auftreten eines Druckgeschwürs nicht notwendigerweise ein Pflegedefizit zu Grunde liegen. Der Entstehung eines Druckgeschwürs kann nach medizinisch-pflegewissenschaftlichen Erkenntnissen zwar in der Regel durch bewegungsfördernde Maßnahmen entgegen gewirkt werden; dieses Ziel ist aber nicht bei allen Pflegebedürftigen erreichbar. Einschränkungen bestehen vor allem bei Personen, deren gesundheitliche Situation eine konsequente Anwendung der erforderlichen prophylaktischen Maßnahmen nicht zulässt (Schiemann/Moers, Nationaler Expertenstandard Dekubitusprophylaxe in der Pflege, in: Igl/Schiemann ua, Qualität in der Pflege, Stuttgart, New York 2002, S 205, 206, 219; Seel, Die Pflege des Menschen, 3. Aufl, Hagen 1998, S 344 ff). Die Leistungspflicht der KK entsteht in solchen Fällen nicht erst dann, wenn es um die Behandlung eines akuten Druckgeschwürs geht, sondern stets, wenn nach ärztlicher Einschätzung die Entstehung eines Dekubitusses ohne den Einsatz einer speziellen Dekubitus-Matratze unmittelbar droht. Für die erforderliche Prognose stehen standardisierte Parameter zur Verfügung (zB die so genannte Norton- und die Seilerskala, vgl Seel, aaO, S 346), die eine verlässliche Beurteilung der Frage zulassen, in welchen Fällen insbesondere der Einsatz einer so genannten Wechseldruckmatratze zur Vermeidung eines krankhaften Zustandes erforderlich ist. Im Rahmen der Dekubitusprophylaxe und -behandlung werden mehrere Schweregrade pathologischer Hautveränderungen unterschieden, mit denen auf Seiten der einzusetzenden Hilfsmittel unterschiedliche Arten von Dekubitus-Matratzen korrespondieren. Zur Vorhaltepflicht eines Pflegeheims gehören von allen Systemen nur diejenigen, die allgemein der Prophylaxe dienen und lediglich eine druckreduzierende Weichlagerung ermöglichen (Stufe 0). Ist aus medizinischer oder pflegewissenschaftlicher Sicht dagegen wie im vorliegenden Fall ein so genanntes Wechseldrucksystem (Stufen 1 bis 4) erforderlich, so handelt es sich um ein Hilfsmittel, das der Krankenbehandlung dient und deshalb dem Versicherten von der KK zur Verfügung zu stellen ist.
Der Anspruch der Klägerin ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass ihr seit Antragstellung vom Pflegeheim eine Dekubitus-Matratze zur Verfügung gestellt worden ist. Für das Pflegeheim besteht keine Rechtspflicht, die Klägerin mit einem derartigen Hilfsmittel auszustatten, das hier zur Behandlung einer Erkrankung erforderlich ist. Die Dekubitus-Matratze ist nur vorübergehend überlassen worden, um die medizinische Versorgung der Klägerin sicher zu stellen. Durch das freiwillige Eintreten Dritter in der Vergangenheit wird die Beklagte von ihrer Verpflichtung, der Klägerin das begehrte Hilfsmittel als Sachleistung künftig auf Dauer zu gewähren, nicht befreit.
Die Kostenentscheidung folgt, soweit es um die Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Klägerin geht, aus § 193 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG), im Übrigen aus § 193 Abs 4
SGG iVm § 184 Abs 1
SGG (
idF des 6.
SGG-ÄndG vom 17. August 2001, BGBl I S 2144). Danach kommt ein Kostenerstattungsanspruch auch der Beigeladenen zu 2) nicht in Betracht, obwohl sie als Beigeladene nicht zu den Gebührenschuldnern iS von § 184 Abs 1
SGG gehört. § 193 Abs 4
SGG ist dahingehend auszulegen, dass sich die Erstattungsberechtigung hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten auf die in § 183
SGG genannten natürlichen Personen beschränkt (vgl dazu auch Beschluss des Senats vom 8. Juli 2002 - B 3 P 3/02 R -, zur Veröffentlichung vorgesehen).