Urteil
Anforderungen an die Aufnahme von Schaumstoffmatratzen als Antidekubitushilfsmittel in das Hilfsmittelverzeichnis (HMV) der GKV

Gericht:

LSG Berlin-Brandenburg 9. Senat


Aktenzeichen:

L 9 KR 82/11


Urteil vom:

26.03.2014


Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. März 2011 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Aufnahme von Hilfsmitteln in das Hilfsmittelverzeichnis (HMV).

Die Klägerin vertreibt als Einzelfirma u.a. einseitig genoppte Schaumstoffauflagen aus konturiertem viscoelastischem Schaumstoff mit rosa (SAF 60120 rosa) oder gelber (SAF 6060 gelb) Färbung bzw. einer Kombination aus rosa und gelbem Schaumstoff (SAF 60120 + 6060) in den Größen 10 x 10 cm bis 2,20 x 2,20 m. Diese Auflagen dienen u.a. der Dekubitusprophylaxe und werden in diesem Fall zur Lagerung der Person auf die Matratze des Bettes gelegt. Der Schaumstoff (SAF-Schaum) selbst wird hergestellt von der F N AG mit Sitz in der Schweiz. Die Klägerin fertigt hieraus Auflagen in jeweils individueller Größe und bietet sie ihren Kunden an.

Mit Schreiben vom 05. Juli 2004, konkretisiert mit Schreiben vom 27. Januar 2005, beantragte die Klägerin bei den damaligen Spitzenverbänden der Krankenkassen die Aufnahme der Produkte SAF-Schaum SAF 60120 rosa, SAF-Schaum SAF 6060 gelb und SAF-Schaum SAF 60120 + 6060 in das HMV und übersandte diverse Nachweise.

Mit Bescheid vom 10. November 2005 lehnten die Spitzenverbände der Krankenkassen, vertreten durch den federführenden IKK-Bundesverband, nach Einholung einer Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Spitzenverbände der Krankenkassen (MDS) die Aufnahme ab. Die Produkte seien mangels exakter Zuordnungsmöglichkeit in die Produktart 11.11.03.4 (Liegehilfen zur Vorbeugung) eingeordnet worden. Jedoch sei der Nachweis für die Einhaltung der Qualitätsstandards nicht geführt worden. Die Klägerin habe keine Aussagen zur Gebrauchstauglichkeit von unabhängigen Instituten vorgelegt. Die eingereichten Einzelfallbeschreibungen seien als Nachweise nicht ausreichend. Zudem genüge die eingereichte Gebrauchsanweisung nicht den gestellten Anforderungen. Es sei nicht in ausreichendem Maße nachgewiesen, dass die Produkte ein günstiges Mikroklima hätten. Es würden keine klaren Vorgaben zur Größe der angemeldeten Produkte gegeben. Dekubitusprodukte könnten nur in gebrauchsfertiger Form in das HMV aufgenommen werden, wobei die Mindestgröße für Schaum- und Weichpolstermatratzen 90 x 180 cm betrage. Die eingereichten Unterlagen zur Biokompatibilität seien nicht ausreichend. Die Nachweise seien für das Produkt unter Verwendung eines genau definierten Bezuges zu erbringen. Schließlich handele es sich nach den eigenen Angaben der Klägerin um ein neuartiges Produkt, dessen therapeutischen Nutzen sie nicht nachgewiesen habe. Mangels verwertbarer Unterlagen zum therapeutischen Nutzen sei eine Prüfung als neuartiges Produkt nicht möglich.

Gegen den Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie aus, dass ein identisches Produkt bereits im HMV unter der Nummer 11.11.03.4043 eingetragen sei, womit Funktionstauglichkeit, therapeutischer Nutzen und Qualität ausreichend nachgewiesen seien. Eine Prüfung nach Öko-Tex-Standard 100 sei ausreichend, da der Standard EN 30993-5 noch nicht im Bundesanzeiger veröffentlicht sei. Die Spitzenverbände würden im Vergleich zu anderen Produktgruppen überhöhte Anforderungen an die zu erbringenden Nachweise stellen. Der von der Klägerin verwendete Schaumstoff sei seit 10 Jahren und länger im Einsatz und löse sich im Vergleich zu anderen Schaumstoffen im Laufe der Zeit nicht auf. Die von der Klägerin übersandten Anwendungsberichte und Patientendokumentationen zum therapeutischen Nutzen der Auflagen seien ausreichend. Eine umfassende Prüfung durch ein Prüfinstitut sei aufgrund der Besonderheiten des Produkts nicht möglich. Entsprechendes gelte für Funktionstauglichkeit und Qualität, die durch langjährigen Einsatz nachgewiesen seien. Die Gebrauchsanweisung sei ausreichend, technische Daten und Angaben zum Wiedereinsatz, zu den verwendeten Materialien und zu den Raumgewichten seien nicht erforderlich. Die Angaben zur Reinigung seien ausreichend. Das Produkt verrutsche auf Grund des speziellen Schaumstoffs nicht. Es werde jeweils in bedarfsgerechter Größe ausgeliefert, was für eine Orientierungshilfe reiche. Die Größe habe auch keinerlei Auswirkungen auf die Formbeständigkeit oder auf die sonstigen Eigenschaften des Produkts. Die Biokompatibilität sei ausreichend nach der DIN EN ISO 10993-10 nachgewiesen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 04. September 2006 wiesen die Spitzenverbände der Krankenkassen, wiederum vertreten durch den federführenden IKK-Bundesverband, nach erneuter Einschaltung des MDS den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung führten sie aus, dass eine Aufnahme der Produkte der Klägerin in das HMV nach wie vor nicht möglich sei. Es könnten nur verwendungsfertige Produkte in das HMV aufgenommen werden, weshalb es erforderlich sei, dass die Auflagen mit Bezügen ausgestattet seien. Bei der Verwendung eines zusätzlichen Bettlakens sei zum einen unbekannt, aus welchem Material dieses bestehe. Zudem sei der Nachweis erforderlich, in welcher Form dieses auf die Auflage gelegt werde (zu stramm, zu locker, mit Falten etc.), was Auswirkungen auf die einem Dekubitus entgegenstehende Wirkung der Matratze habe. Der von der Klägerin vorgelegte Testreport berücksichtige lediglich den Schaumstoff selbst, aber nicht den Bezug. Der Nachweis der zum Zeitpunkt der Antragstellung gültigen Qualitätsstandards zur Produktgruppe 11.11.03 sei nicht geführt.

Im Klageverfahren hat die Klägerin im Wesentlichen ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und ergänzend vorgetragen: Soweit die Beklagte darauf verweise, dass die Fa. W ihre in das HMV aufgenommenen Lagerungsauflagen angeblich mit Bezügen ausliefere, treffe dies nicht zu. Die Beklagte unterscheide auch nicht hinreichend zwischen den verschiedenen Arten der Lagerungsauflagen. Weil PUR-Kaltschaum nicht atmungsaktiv und nicht waschbar sei, müsse er - im Gegensatz zum atmungsaktiven und waschbaren SAF-Schaum - mit einer Schutzhülle versehen werden. Im Übrigen könnte eine Hülle zwischen Lagerungsauflage und Patient zu Problemen führen und wäre eher kontraproduktiv. Bei anderen Lagerungssystemen (z.B. Wechseldrucksystemen) würden derartige Hüllen nicht verlangt. Eine Hülle oder ein Laken sei daher nicht Bestandteil der Lagerungsauflage und würde im Übrigen von den Krankenkassen auch nicht erstattet. Weil die Lagerungsauflagen mit der CE-Kennzeichnung versehen seien, seien die grundlegenden Anforderungen der Richtlinie 93/72/EWG nachgewiesen, mithin die Sicherheit und Qualität des Produktes. Ihre - der Klägerin - Produkte seien identisch mit den bereits zugelassenen Produkten der Fa. P und der Fa. W, was von der F N AG als der Produzentin des Schaumstoffs schriftlich bestätigt worden sei.

Nachdem die Klägerin zunächst neben der Aufhebung der o.g. Bescheide beantragt hatte, die ursprünglich beklagten Spitzenverbände der Krankenkassen zu verurteilen, ihre Produkte SAF-Schaum SAF 60120 rosa, SAF-Schaum SAF 6060 gelb und SAF-Schaum SAF 60120 + 6060 in das HMV aufzunehmen, hat sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht neben der Bescheidaufhebung beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihre Lagerungsauflagen aus SAF-Schaum SAF 60120 rosa, SAF-Schaum SAF 6060 gelb und SAF-Schaum SAF 60120 + 6060 in das HMV aufzunehmen.

Mit Urteil vom 17. März 2011 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Das Rubrum sei berichtigt worden, weil der nunmehr beklagte Spitzenverband Bund der Krankenkassen den Spitzenverbänden der Krankenkassen funktionell nachfolge. Der Aufnahme der Lagerungsauflagen in das HMV stehe bereits entgegen, dass diese nicht näher, insbesondere nach der Größe, spezifiziert seien. Der SAF-Schaum für sich genommen könne die durch § 33 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V) und § 31 Sozialgesetzbuch/Neuntes Buch (SGB IX) vorgegebenen Ziele nicht erreichen, sondern nur, wenn er in Gestalt eines konkreten Produkts, etwa einer konkreten Auflage oder eines Sitzkissens, verwendet werde. Da der verfolgte Zweck allein durch den SAF-Schaum nicht bewirkt werden könne, fehle ihm die Hilfsmitteleigenschaft. Im Übrigen sei die Klägerin hinsichtlich der Schaumstoffe selbst auch nicht Herstellerin im Sinne von § 139 Abs. 3 Satz 1 SGB V. Der Klageantrag habe keinen Erfolg, weil die Klägerin nicht die Aufnahme eines konkreten Hilfsmittels begehre, sondern einer Vielzahl individuell herzustellender Produkte, d.h. eine Produktart. Auch Sinn und Zweck der Regelungen des § 139 Abs. 3 ff SGB V sprächen dafür, dass nur konkrete, vorkonfektionierte und nach Art, Größe und Gewicht bestimmte Hilfsmittel in das HMV aufgenommen werden könnten. Die Funktionstauglichkeit und die Sicherheit, die Erfüllung der indikations- oder einsatzbezogenen besonderen Qualitätsanforderungen sowie - soweit erforderlich - der medizinische Nutzen könne nur dann durch den Beklagten überprüft werden, wenn das einzutragende Produkt konkret individualisiert sei und in genau dieser zur Überprüfung gestellten Form an die Versicherten ausgeliefert werde. Weil die Klägerin aus den Schaumstoffen ausweislich der Werbung auf ihren Internetseiten (www.s.com) nicht nur Dekubitusauflagen, sondern auch Sitzkissen und Liegehilfen für den Kopf herstelle, liege es auf der Hand, dass hierfür völlig unterschiedliche Anforderungen, etwa an die Stabilität und Reißfestigkeit der Auflage, gelten müssten. Die Hinweise auf in das HMV eingetragene identische Produkte der Firmen P und W gehe fehl, weil Produkte der Fa. P gar nicht mehr im HMV gelistet seien und für die Fa. W unter der Hilfsmittelnummer 11. nur eine konkrete Matratzenauflage in der Größe 90 x 200 x 3 cm mit Bezug.

Gegen dieses ihr am 24. März 2011 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin vom 28. März 2011, die sie ergänzend zu ihrem erstinstanzlichen Vorbringen wie folgt begründet: Sie sei Herstellerin der Lagerungsauflagen. Sie erwerbe den SAF-Schaum als Grundmaterial von der Fa. N, schneide diesen dann nach Angabe der Patienten oder nach Aufmaß konkret auf deren Bedürfnisse (d.h. Größe des Bettes oder des Stuhls) zu und liefere dann an Patienten bzw. Pflegeeinrichtungen aus. Damit sei sie Herstellerin i.S.v. § 3 Nr. 15 Medizinproduktegesetz (MPG). Aus diesem Grunde habe sie auch das Konformitätsbewertungsverfahren nach dem MPG durchführen müssen. Die Auffassung des Sozialgerichts, sie begehre die Aufnahme einer Vielzahl individuell herzustellender Produkte, stimme nicht mit der Handhabung des HMV überein. Würde man für jede Möglichkeit des Zuschnitts eine einzelne Hilfsmittelnummer beantragen, würden sich über 300 Kombinationsmöglichkeiten ergeben. Ausschlaggebend seien - so das Vorbringen in der mündlichen Verhandlung - nicht der Dekubitusgrad, sondern das Gewicht des Patienten und die Diagnosen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. März 2011 und den Bescheid der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 10. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04. September 2006 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihre Lagerungsauflagen aus SAF-Schaum SAF 62120 rosa, SAF-Schaum SAF 6060 gelb und SAF-Schaum SAF 60120 + 6060 in das Hilfsmittelverzeichnis aufzunehmen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, verwiesen.

Rechtsweg:

SG Berlin Urteil vom 17.03.2011 - S 36 KR 2633/08

Quelle:

Sozialgerichtsbarkeit BRD

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Spitzenverbände der Krankenkassen sind rechtmäßig. Denn die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass die im Berufungsantrag genannten Lagerungsauflagen aus SAF-Schaum in das HMV aufgenommen werden.

1. Zur Begründung verweist der Senat gemäß § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts zum Beklagtenwechsel, zur erforderlichen Einzellistung sowie zum Vergleich mit bereits in das HMV eingetragenen, vermeintlich identischen Produkten.

2. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine andere Beurteilung.

a. Allerdings kann der Senat - neben der Frage, ob SAF-Schaum an sich ein Hilfsmittel i.S.v. § 33 SGB V darstellt - auch offen lassen, ob die Klägerin Herstellerin i.S.v. § 139 Abs. 3 Satz 1 SGB V ist.

aa. Zum Begriff des Herstellers nach dieser Vorschrift ist das Bundessozialgericht (BSG) zunächst davon ausgegangen, dass ein Vertriebsunternehmen - wozu ggf. die Klägerin zu zählen wäre, sähe man allein im Zuschnitt des SAF-Schaums noch nicht die "Herstellung" eines Hilfsmittels - die Aufnahme in das HMV nicht beantragen kann (BSG, Urteil vom 22. April 2009 - B 3 KR 11/07 R -, juris). In einer späteren Entscheidung ist es davon ausgegangen, dass der Begriff des Herstellers i.S.v. § 139 Abs. 3 Satz 1 SGB V jedenfalls im Kern dem des Medizinprodukterechts folgt (BSG, Urteil vom 15. März 2012 - B 3 KR 6/11 R -, juris). Hersteller im medizinprodukterechtlichen Sinn ist gemäß § 3 Nr. 15 Satz 1 MPG "die natürliche oder juristische Person, die für die Auslegung, Herstellung, Verpackung und Kennzeichnung eines Medizinproduktes im Hinblick auf das erstmalige Inverkehrbringen im eigenen Namen verantwortlich ist, unabhängig davon, ob diese Tätigkeiten von dieser Person oder stellvertretend für diese von einer dritten Person ausgeführt werden". Dabei ist Inverkehrbringen definiert als "jede entgeltliche oder unentgeltliche Abgabe von Medizinprodukten an andere" (§ 3 Nr. 11 Satz 1 MPG) und erstmaliges Inverkehrbringen als "die erste Abgabe von neuen oder als neu aufbereiteten Medizinprodukten an andere im Europäischen Wirtschaftsraum" (§ 3 Nr. 11 Satz 2 MPG). Von Ausnahmen abgesehen erfasst der Herstellerbegriff des MPG danach denjenigen, der die Verantwortung für die Entwicklung und Herstellung eines Medizinproduktes trägt (Rehmann/Wagner, MPG, 2. A., § 3 Rd. 20) und dieses auf der ersten Handelsstufe Dritten überlässt, was schon durch den Verkauf an einen Zwischenhändler erfüllt wird (BGH, Beschluss vom 17. Juli 2008 - I ZR 133/07 -, juris). Dies hat das BSG im Umkehrschluss § 3 Nr. 15 Satz 2 MPG entnommen, wonach die dem Hersteller nach dem MPG obliegenden Verpflichtungen auch für die natürliche oder juristische Person "gelten", die ein oder mehrere vorgefertigte Medizinprodukte montiert, abpackt, behandelt, aufbereitet, kennzeichnet oder für die Festlegung der Zweckbestimmung als Medizinprodukt im Hinblick auf das erstmalige Inverkehrbringen im eigenen Namen verantwortlich ist (kritisch zu dieser Entscheidung des BSG: Bombien/Hartmann, SGb 2012, 613ff).

bb. Es kann auf sich beruhen, ob die Klägerin als Vertriebsunternehmen nicht Hersteller i.S.v. § 139 Abs. 3 Satz 1 SGB V ist oder ob sie, weil sie den SAF-Schaum aus der Schweiz und somit aus einem Staat außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums importiert, als diejenige, die ein Medizinprodukt erstmalig i.S.v. § 3 Nr. 11 Satz 2 MPG in den Verkehr bringt, zugleich als Herstellerin i.S.v. § 3 Nr. 15 Satz 1 MPG und daher auch i.S.v. § 139 Abs. 3 Satz 1 SGB V anzusehen ist. Denn der Aufnahmeanspruch scheitert - wie vom Sozialgericht zutreffend erkannt - bereits an anderen Umständen.

b. Die vom Sozialgericht vertretene Rechtsauffassung, dass nur konkrete, vorkonfektionierte und nach Art, Größe und Gewicht spezifizierte Hilfsmittel in das HMV aufgenommen werden können, hat das BSG zwischenzeitlich durch seine Urteile vom 15. März 2012 (a.a.O.) und vom 24. Januar 2013 (B 3 KR 22/11 R, juris) ausdrücklich bestätigt.

aa. Bereits der Wortlaut des Gesetzes spricht dafür, dass der Anspruch aus § 139 SGB V auf die Einzellistung eines jeden den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Hilfsmittels im HMV gerichtet ist. Denn im HMV sind "Hilfsmittel aufzuführen" (§ 139 Abs. 1 Satz 2 SGB V), erfolgt die Aufnahme "eines Hilfsmittels" auf Antrag des Herstellers (§ 139 Abs. 3 Satz 1 SGB V), ist "das Hilfsmittel" aufzunehmen, wenn der Hersteller u.a. die Funktionstauglichkeit und Sicherheit nachgewiesen hat und "es" mit den für eine ordnungsgemäße und sichere Handhabung erforderlichen Informationen in deutscher Sprache versehen ist (§ 139 Abs. 4 SGB V): In diesen Wendungen kommt jeweils zum Ausdruck, dass das HMV nach der Vorstellung des Gesetzgebers eine Listung darstellt, in dem "von der Leistungspflicht umfasste Hilfsmittel" (§ 139 Abs. 1 Satz 2 SGB V) mit ihrer Produktbezeichnung einzeln und namentlich aufzuführen sind. Schon semantisch deutet alles darauf hin, dass dem in § 139 Abs. 4 SGB V verankerten Anspruch auf Aufnahme eines Hilfsmittels in das HMV nur durch Einzellistung genügt werden kann (BSG, Urteil vom 15. März 2012, a.a.O.).

bb. In dieselbe Richtung weist die Regelungssystematik der Vorschrift. Danach ist die Aufnahme in das HMV Ergebnis eines jeweils auf ein konkretes Hilfsmittel gerichteten Antragsverfahrens, in dem der Hersteller Qualitätsnachweise zu eben diesem Produkt zu erbringen hat, das auf Seiten des Beklagten Prüfpflichten ebenfalls zu genau diesem Hilfsmittel auslöst (§ 139 Abs. 5 Sätze 2 und 3 SGB V). Auch dies lässt nur den Schluss zu, dass der Antrag auf Aufnahme eines Hilfsmittels in das HMV ausschließlich produktbezogen zu verstehen ist.

cc. Dieses Verständnis des § 139 SGB V entspricht schließlich auch dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Zwar kommt dem HMV - wie dargelegt - eine abschließende Steuerungsfunktion für den Leistungsanspruch der Versicherten nicht zu. Deshalb darf begründeten Ansprüchen von Versicherten nicht der Erfolg versagt werden, weil das begehrte Hilfsmittel nicht im HMV aufgeführt ist. Gleichwohl ist dem HMV unabhängig von Leistungsansprüchen der Versicherten eine wesentliche Steuerungsfunktion für die Hilfsmittelversorgung in der GKV zugedacht. Denn ein gelistetes Hilfsmittel hat den in § 139 SGB V im Einzelnen vorgeschriebenen Nachweis- und Prüfungsprozess durchlaufen, so dass dessen objektive Erforderlichkeit, also die objektive Eignung und Notwendigkeit des begehrten Hilfsmittels zur Erreichung der in § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V genannten Versorgungsziele, im Sinne einer generellen Tatsache feststeht und nicht in jedem einzelnen Versorgungsfall erneuter Überprüfung bedarf. Die hierfür erforderlichen Feststellungen können aber nur produktbezogen getroffen werden (BSG, Urteil vom 15. März 2012, a.a.O.), nicht aber bezogen auf eine Vielzahl von in Größe und Verwendungszweck höchst unterschiedlichen Produkten, auch wenn sie aus demselben Material hergestellt werden.

c. Selbst wenn der Beklagte bzw. die damaligen Spitzenverbände der Krankenkassen in ihrer Verwaltungspraxis von diesen zwingenden gesetzlichen Vorgaben ab(ge)wichen (wären), könnte die Klägerin hieraus keine Rechte ableiten. Eine "Gleichheit im Unrecht" gibt es nicht (BVerfGE 50, 142).

d. Dass es in der Praxis einen erheblichen Aufwand für alle Beteiligten bedeuten würde, wenn die Klägerin Aufnahmeanträge für jede der drei Arten von SAF-Schaum und für jedes aus ihrer Sicht in Betracht kommende Maß stellen würde, ist nicht zu leugnen. Dies allein rechtfertigt indes kein Abweichen von zwingenden gesetzlichen Vorgaben. Es ist für den Senat auch nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen die Klägerin bislang z.B. davon abgesehen hat, zumindest für die dem hauptsächlichen Anwendungsgebiet (Dekubitusprophylaxe) dienenden Matratzenauflagen Anträge für die gängigen Matratzengrößen zu stellen, wie dies - nach den von der Klägerin eingereichten Unterlagen - auch andere Hersteller von Matratzenauflagen offensichtlich mit Erfolg getan haben.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1, 2. Hs. SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreites.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.

Referenznummer:

R/R6269


Informationsstand: 08.08.2014