Die in einer stationären Einrichtung lebende Klägerin beantragte unter Vorlage einer ärztlichen Verordnung bei ihrer Krankenkasse die Versorgung mit einer Antidekubitusmatratze (Wechseldruckmatratze). Die Beklagte hat ihre Leistungspflicht mit der Begründung abgelehnt, dass Antidekubitusmatratzen zu der notwendigen Ausstattung einer stationären Pflegeeinrichtung gehörten. Sie erleichterten die Pflege und reduzierten den individuellen Pflegeaufwand. Das Pflegeheim müsse dieses Hilfsmittel auch deshalb vorhalten, da Matratzen jeglicher Art zum Anlagevermögen eines Pflegeheimes zählten.
Obwohl es sich um eine Einrichtung der Behindertenhilfe handelt, die nicht als Pflegeheim im Sinne von §§ 71
Abs. 2, 72
Abs. 1
SGB XI zugelassen ist, hat das SG Braunschweig den Antrag der Klägerin auf Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht der Klage abgelehnt. Der individuelle Anspruch auf das Hilfsmittel könne hier nicht zum Erfolg führen, da sich die Klägerin in vollstationärer Pflege in einem Pflegeheim befinde. Die Pflicht der gesetzlichen Krankenversicherung zur Versorgung ihrer Versicherten mit Hilfsmitteln ende dort, wo bei vollstationärer Pflege die Pflicht des Heimträgers auf Versorgung der Heimbewohner einsetze.
In der hiergegen gerichteten Beschwerde hat die Klägerin vorgetragen, dass es sich bei ihrer Einrichtung gerade nicht um ein stationäres Pflegeheim im Sinne des
SGB XI handele. Sie lebe in einer Einrichtung der Behindertenhilfe und erhalte Eingliederungshilfe nach dem BSHG. Nach Ansicht der Beklagten ist es unerheblich, ob die Pflege in einem Pflegeheim gemäß §§ 71
Abs. 2, 72
Abs. 1
SGB XI oder in einer Behinderteneinrichtung gemäß §§ 43 a, 71
Abs. 4
SGB XI durchgeführt werde.
Das
LSG hat der Beschwerde stattgegeben. Nach der Rechtsprechung des
BSG seien die Krankenkassen für die Versorgung eines Versicherten mit Hilfsmitteln grundsätzlich unabhängig davon verpflichtet, ob er in einer eigener Wohnung oder in einem Heim lebe. Die Pflicht der gesetzlichen Krankenversicherung zur Versorgung der Versicherten mit Hilfsmitteln im Rahmen der stationären Pflege ende nach der gesetzlichen Konzeption des
SGB V und des
SGB XI allerdings dort, wo die Pflicht des Heimträgers auf Versorgung der Heimbewohner mit Hilfsmitteln einsetze. Bei vollstationärer Pflege habe der Träger des Heimes für die im Rahmen des üblichen Pflegebetriebs notwendigen Hilfsmittel zu sorgen, weil er verpflichtet sei, die Pflegebedürftigen ausreichend und angemessen zu pflegen, sozial zu betreuen und mit medizinischer Behandlungspflege zu versorgen (§§ 43, 43a
SGB XI). Die Heime müssten daher das für die vollstationäre Pflege notwendige Inventar bereithalten. Die gesetzliche Krankenversicherung habe dagegen nur solche Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen, die nicht der 'Sphäre' der vollstationären Pflege zuzurechnen sind.
Diese Grundsätze müssten hingegen für die Fälle, in denen es sich um eine Einrichtung im Sinne des §§ 43a, 71
Abs. 4
SGB XI handele, eine Abwandlung erfahren. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des
BSG (Urteil vom 10. Febr. 2000 -
B 3 KR 17/99 R) erscheine bei Behinderteneinrichtungen eine allgemeine Beschreibung des erforderlichen Inventars - dessen Kosten Teil der Vergütung des Trägers der Sozialhilfe an den Träger der Einrichtung sei (§ 93 a
Abs. 2 BSHG) - im Unterschied zu den zugelassenen Pflegeheimen nicht möglich. Vielmehr werde man wie folgt unterscheiden müssen:
In Einrichtungen der Behindertenhilfe mit einer erheblichen Zahl von Schwer- und Schwerstpflegebedürftigen werden sich die Vereinbarungen mit dem Träger der Einrichtung hinsichtlich der sächlichen Ausstattung an den Grundsätzen für Pflegeeinrichtungen im Sinne der §§ 71
Abs. 2, 72
Abs. 1
SGB XI zu orientieren haben. Gehöre danach das Vorhalten bestimmter Hilfsmittel zum notwendigen Inventar einer Pflegeeinrichtung, komme daneben eine Leistungsverpflichtung der Krankenkassen nicht mehr in Betracht. Der Grundsatz der Subsidiarität der Sozialhilfe stehe hier nicht entgegen, weil der Sozialhilfeträger zu einer andersartigen und weitergehenden Leistung, nämlich der vollstationären Pflege, verpflichtet sei. Soweit die Einrichtung allerdings Schwerstpflegebedürgtige grundsätzlich nicht aufnähmen, könne weder vom Sozialhilfeträger noch vom Einrichtungsträger die Finanzierung des Vorhaltens von
z.B. Rollstühlen nach den oben entwickelten Kriterien erwartet werden. Bei derartigen Einrichtungen sei es vielmehr wieder vorrangige Aufgabe der Krankenkassen, den
z.B. ausnahmsweise dort untergebrachten Rollstuhlfahrer individuell mit dem Hilfsmittel auszustatten.
Nach alledem habe die Klägerin Anspruch auf Versorgung mit einer Antidekubitusmatratze durch die gesetzliche Krankenversicherung, soweit dieses Hilfsmittel nach den zwischen dem Sozialhilfeträger und dem Heimträger getroffenen Vereinbarungen nicht zur sächlichen Ausstattung (Inventar) der Einrichtung gehöre.
weiterer Fundort:
Rechtsdienst der Lebenshilfe 2/02
S. 70f