II.
Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat es zu Recht abgelehnt, die beantragte einstweilige Anordnung zu erlassen.
Rechtsgrundlage hierfür ist § 86 b
Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG). Nach dieser Vorschrift kann das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall des § 86 b
Abs. 1
SGG (Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch oder Anfechtungsklage) nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte.
Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs nach § 86 b
Abs. 1
SGG scheidet vorliegend deswegen aus, weil die Antragstellerin in der Hauptsache keinen Widerspruch und keine Anfechtungsklage erheben kann. Denn die Fortschreibung des Hilfsmittelverzeichnisses vom 8. Juli 2004 hat ihr gegenüber keine Verwaltungsaktqualität im Sinne des § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB X), weil es an der erforderlichen Regelung im Einzelfall fehlt.
Bei der abstrakten Festlegung von Qualitätsstandards oder der Streichung von Produktuntergruppen im Rahmen der Neuordnung des Inhaltsverzeichnisses des Hilfsmittelverzeichnisses fehlt es an der Regelung oder der Gestaltung eines konkreten Einzelfalles, wie dies auch für eine Allgemeinverfügung nach § 31 Satz 3
SGB X erforderlich ist (
vgl. Krasney, in: Kasseler Kommentar, § 31
SGB X Rdnr. 14). Eine Regelung liegt nur dann vor, wenn durch die Maßnahme ohne weiteren Umsetzungsakt Rechte begründet, geändert, aufgehoben oder verbindlich festgestellt werden (so Engelmann, in: von Wulffen, Kommentar zum
SGB X, § 31
Rdnr. 24). Das Bundessozialgericht hat in seinem Urteil vom 31. August 2000 (Az.:
B 3 KR 21/99 R, SozR 3-2500 § 139
Nr. 1) ausgeführt, dass nur die Entscheidung der Spitzenverbände der Krankenkassen über die Aufnahme eines (konkreten) Hilfsmittels in das Hilfsmittelverzeichnis durch Verwaltungsakt vorgenommen wird. Im gegenwärtigen Stadium sind für die Produktgruppe 32 keine Hilfsmittel gelistet, sondern nur abstrakt das Hilfsmittel und dessen Indikationen sowie die medizinischen wie technischen Anforderungen beschrieben. Es bedarf mithin noch der Umsetzung durch einen Verwaltungsakt, so entweder, wenn ein Hersteller, wie die Antragstellerin, die Listung eines Hilfsmittels begehrt oder der Versicherte mit einem konkreten Hilfsmittel nach
§ 33 SGB V versorgt werden möchte. Der Antrag auf Wiederaufnahme eines konkreten Hilfsmittels ist aber nicht Gegenstand des Verfahrens.
Das Hilfsmittelverzeichnis in seiner augenblicklichen Ausgestaltung der Produktgruppe 32 ist nur eine Informations- und Orientierungshilfe für die
GKV, d.h. dient den
GKV-Spitzenverbänden bei einem Aufnahmeantrag für ein neues Hilfsmittel als medizinisch-technische Tatbestandsvoraussetzung oder der Krankenkasse als Anhaltspunkt bei der Prüfung eines Leistungsantrags, welche Hilfsmittel durch ihre Aufnahme in das Hilfsmittelverzeichnis als qualitätsgesichert gelten. Ob ein konkretes Produkt zu Lasten der Krankenkasse verordnet werden kann, kann diesem daher nicht entnommen werden, denn der Versicherte kann die Kostenübernahme noch immer einklagen, wenn er dessen Nützlichkeit im Einzelfall nachweist.
Der fehlende Regelungscharakter der Fortschreibung eines Hilfsmittelverzeichnisses folgt im Übrigen schon aus dessen Rechtsnatur. Das Hilfsmittelverzeichnis als solches hat zwar - unstreitig - eine marktsteuernde Wirkung für das Verordnungsverhalten der Vertragsärzte, trifft aber nicht eine eigenständige Regelung über die Verordnungsfähigkeit eines Hilfsmittels. Es hat keine rechtsverbindliche Bedeutung (so Knittel, in: Krauskopf, Kommentar zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung, § 128
Rdnr. 2), denn der Anspruch des Versicherten richtet sich nur nach § 33
SGB V, d.h. maßgebend ist allein die Notwendigkeit des konkreten Hilfsmittels im Einzelfall.
Das Hilfsmittelverzeichnis hat mithin lediglich faktische Bedeutung.
Daran ändert es nichts, dass die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses, die für den Leistungsanspruch des Versicherten verbindlich sind (vergleiche nunmehr
§ 91 Abs. 9 SGB V), Regelungscharakter haben und dass nach
Nr. 8 der Heil- und Hilfsmittelrichtlinien Hilfsmittel zu Lasten der Krankenkassen nur verordnet werden können, sofern sie von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung erfasst und im Hilfsmittelverzeichnis der Spitzenverbände aufgeführt sind. Die Erstellung und Fortentwicklung des Hilfsmittelverzeichnisses ist nach den
§ 128 SGB V,
§ 139 SGB V nämlich allein Aufgabe der Spitzenverbände der Krankenkassen; der Gemeinsame Bundesausschuss wirkt hieran unmittelbar nicht mit. Dieser soll zwar nach
§ 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V Richtlinien
u. a. über die Verordnung von Heil- und Hilfsmitteln beschließen. Eine eigenständige Regelung der Verordnungsfähigkeit von Hilfsmitteln durch die Bundesausschüsse ist auf dieser Grundlage jedoch nicht erfolgt.
Nr. 8 der Heil- und Hilfsmittel-RL enthält demnach nur die Übernahme des Hilfsmittelverzeichnisses der Spitzenverbände im Sinne einer dynamischen Verweisung (
BSG a.a.O.).
Der Senat hat all das in seinem Beschluss vom 18. Mai 2005 (L 5 KR 5853/04 ER-B) für Hilfsmittellieferanten entschieden. Für die Hersteller von Hilfsmitteln, wie die Antragstellerin, gilt der Sache nach nichts anderes. Auch ihnen gegenüber hat das Hilfsmittelverzeichnis in seiner augenblicklichen Ausgestaltung der Produktgruppe 32 allein faktische Wirkungen. Rechtsfolgen werden nur dann gesetzt und damit Regelungen durch Verwaltungsakt getroffen, wenn über die Aufnahme eines konkreten Hilfsmittels, etwa eines Produktes der Antragstellerin, in das Hilfsmittelverzeichnis oder über dessen Streichung aus dem Hilfsmittelverzeichnis entschieden wird.
Darum geht es hier jedoch nicht. Vielmehr hat die Antragstellerin bewusst darauf verzichtet, die Aufnahme ihrer Produkte in das Hilfsmittelverzeichnis zu betreiben, was ihr eine entsprechende Rechtsposition verschafft hätte, deren Beseitigung nur durch Verwaltungsakt möglich gewesen wäre mit den daraus sich ergebenden Folgerungen für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Stattdessen hat sie sich mit den faktischen Wirkungen des Hilfsmittelverzeichnisses, die für den erfolgreichen Absatz ihrer Produkte bislang offenbar ausreichten, zufrieden gegeben und kann deshalb jetzt nicht reklamieren, die Änderung dieser allein faktischen Begünstigung vollziehe sich durch Rechts-, namentlich durch Verwaltungsakt.
Voraussetzung für den damit allein in Betracht kommenden Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86 b
Abs. 2 Satz 1
SGG ist zum einen ein Anordnungsgrund. Darunter ist die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung zu verstehen. Dem Antragsteller muss es unzumutbar sein, den Abschluss des Hauptsacheverfahrens abzuwarten. Darüber hinaus muss ein Anordnungsanspruch vorliegen, also die offensichtliche Zulässigkeit und Begründetheit einer in der Hauptsache erhobenen Klage - wobei bei der Prüfung ein strenger Maßstab anzulegen ist (
BSG SozR 3-1780 § 123
Nr. 1). Letztere Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
Der Antragstellerin fehlt es an einer unmittelbaren Betroffenheit in eigenen Rechten. Die Fortschreibung des Hilfsmittelverzeichnisses verändert zwar die wirtschaftliche Situation des Herstellers von Hilfsmitteln ebenso wie diejenige der Hilfsmittellieferanten (dazu Senatsbeschluss vom 18. Mai 2005, aaO), greift aber nicht in seine Rechtsstellung, auch nicht in sein Grundrecht aus
Art. 12
Abs. 1
GG (
i. V. m.
Art. 19
Abs. 3
GG), ein.
Wie dargelegt, hat der Hersteller von Hilfsmitteln, wenn es um die Listung seines Produkts geht, einen Anspruch darauf, dass ein von ihm gestellter Aufnahmeantrag beschieden wird; das ergibt sich aus dem klaren Wortlaut des § 139
Abs. 2
SGB V, wonach der Hersteller, wenn er Funktionstauglichkeit, therapeutischen Nutzen und Qualität nachweist, Anspruch auf Aufnahme des Hilfsmittels in das Hilfsmittelverzeichnis haben kann (so auch
BSG a.a.O.). Die als Verwaltungsakt ergehende Entscheidung der Spitzenverbände befindet über seine Aussichten, das ( Listen-)Produkt auf dem Markt der
GKV-Versicherten vertreiben zu können und berührt seine Absatzmöglichkeiten nicht nur in tatsächlicher Hinsicht, sondern wirkt unmittelbar auf seine Rechtsstellung ein. Das gilt jedoch nicht, wenn - wie hier - nicht die Aufnahme eines konkreten Produkts in das Hilfsmittelverzeichnis oder dessen Streichung in Rede steht, vielmehr nur abstrakt Qualitätsstandards festgelegt
bzw. Produktuntergruppen im Rahmen der Neuordnung des Inhaltsverzeichnisses zum Hilfsmittelverzeichnis gestrichen werden. Denn damit verändern sich allein die Rahmenbedingungen für die wirtschaftliche Betätigung der Antragstellerin als Herstellerin von Hilfsmitteln in tatsächlicher Hinsicht und damit auch ihre tatsächlichen Erwerbsaussichten. In ihre Rechtsstellung, insbesondere in ihre Rechte aus dem Grundrecht der Berufsfreiheit (
Art. 12
Abs. 1
GG), wird dadurch aber nach Auffassung des Senats nicht eingegriffen.
Wie der Senat in seinem Beschluss vom 18. Mai 2005 (aaO) ausgeführt hat, fallen Regeln über die Verordnungsfähigkeit von Hilfsmitteln primär in den Schutzbereich von Grundrechten der Versicherten, aber auch der Ärzte, soweit ihr Verhalten und die Therapiefreiheit betroffen sind. Demgegenüber wird der Schutzbereich des Grundrechts aus
Art. 12
Abs. 1
GG bei den Herstellern (oder Anbietern) von Hilfsmitteln nicht berührt, wenn die Kostenübernahme gegenüber den Versicherten im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung geregelt wird. Die Auswirkungen auf deren Berufsausübung sind bloßer Reflex der auf das System der gesetzlichen Krankenversicherung bezogenen Regelung, aber kein Grundrechtseingriff (
vgl. dazu auch
BSG vom 24.11.2004,
B 3 KR 16/03 R). Dass faktisch Marktchancen betroffen werden, ändert hieran nichts. Insbesondere sichert
Art. 12
Abs. 1
GG keine künftigen Erwerbsmöglichkeiten (so auch
BVerfG, Beschluss vom 20. November 1997, NJW 1998, 1218) und gibt auch keinen grundrechtlichen Anspruch darauf, dass die Wettbewerbsbedingungen unverändert bleiben. Ebenso wenig gewährleistet das Grundrecht einen Anspruch auf Erfolg im Wettbewerb (
vgl. BVerfGE 24, 236, 251; 34, 252, 256). Vielmehr unterliegen die Wettbewerbspositionen und damit auch der Umsatz und die Erträge dem Risiko laufender Veränderung je nach den Marktverhältnissen. Die Berufsfreiheit umfasst das Recht der am Markt Tätigen, die Bedingungen ihrer Marktteilhabe selbst festzusetzen. Insbesondere kann der Anbieter Art und Qualität sowie den Preis der angebotenen Güter und Leistungen selbst festlegen. In gleicher Weise ist aber auch das Recht der Nachfrager geschützt, zu entscheiden, ob sie zu diesen Bedingungen Güter erwerben oder Leistungen abnehmen. Soweit Marktteilnehmer in ihrem Marktverhalten durch gesetzliche Regeln beschränkt werden, ist dies an ihren Grundrechten zu messen, nicht an denen der anderen Marktteilnehmer (so Senatsbeschluss vom 18. Mai 2005, aaO).
Nach alledem kann die Antragstellerin die in Rede stehende Fortschreibung des Hilfsmittelverzeichnisses (auch) mit ihrem Grundrecht aus
Art. 12
Abs. 1
GG nicht abwehren. Was gälte, hätte die Antragstellerin die Listung ihrer Produkte betrieben und sich nicht damit begnügt, die den Absatz tatsächlich begünstigenden Folgewirkungen der recht konkret umschriebenen Qualitätsstandards im Hilfsmittelverzeichnis auszunutzen, mag dahin stehen; ein solcher Fall liegt, wie bereits ausgeführt wurde, hier nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a
SGG i. V. m. §§ 154
Abs. 2
VwGO.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177
SGG).