Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Antragstellerin als Vertragsbeteiligte eigene Rechte geltend machen kann, während der Ausgangs-RV "nur" für die zugelassenen Meisterbetriebe des Orthopädie-Mechaniker- und Bandagisten-Handwerks sowie die Innungsmitglieder gilt (§ 2 RV). Denn nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist die Antragstellerin als Handwerksinnung berechtigt, die Interessen ihrer Mitglieder auch im gerichtlichen Verfahren in Prozessstandschaft zu verfolgen (
BSG, Urteil vom 24.11.2004 -
B 3 KR 16/03 R - , Rn. 12, in: USK 2004-82, SozR 4-2500 § 36
Nr. 1).
Der Antrag ist auch begründet.
Bereits aus der Formulierung des Antrags zu 1., der Bezugnahme auf § 6
Abs. 3 RV und dem Vorbringen im Schriftsatz der Antragstellerin vom 30.05.2006, dass das Abhängigmachen der Bearbeitung von Kostenvoranschlägen vom Abschluss von Einzelverträgen rechtswidrig sei, ergibt sich, dass die Antragstellerin die Unterlassung entsprechender Schreiben nicht nur für den Fall von bereits preisvereinbarten Hilfsmitteln, sondern auch für den Fall von nicht preisvereinbarten Hilfsmitteln geltend macht. Dies hat sie mit Schriftsatz vom 02.06.2006 auf richterliche Nachfrage auch nochmal klargestellt.
Nach § 86 b
Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) können einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen werden, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind insoweit glaubhaft zu machen,
vgl. § 86 b
Abs. 2 Satz 4
SGG i. V. m. § 920
Abs. 2 der Zivilprozessordnung (
ZPO). Das einstweilige Rechtsschutzverfahren dient vorläufigen Regelungen. Nur wenn dies zur Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist,
d. h. wenn die sonst zu erwartenden Nachteile für den Antragsteller unzumutbar wären und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg in der Sache spricht, weil dem Rechtsschutzsuchenden ein bestimmter Anspruch zusteht, ist ausnahmsweise der Vorwegnahme der Hauptsache, wie sie hier von der Antragstellerin begehrt wird, im vorläufigen Rechtsschutzverfahren zulässig.
Vorliegend sind für den Antrag im obigen Sinne Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund gegeben. Es spricht ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg in der Hauptsache und darüber hinaus ist das Interesse der Antragsgegnerin an der Verbindung zwischen der Genehmigung eines Kostenvoranschlages und dem begehrten Ziel einer Vertragsvereinbarung bei nicht preisvereinbarten Hilfsmitteln geringer zu bewerten als die diesbezüglich betroffene Berufsfreiheit der Mitglieder der Antragstellerin.
Auch nach der geänderten Praxis der Antragsgegnerin, die beanstandeten Schreiben nur noch in Fällen von nicht preisvereinbarten Hilfsmitteln in der im Wortlaut abgeänderten Fassung (Blatt 139 GA) zu versenden, macht sie die Bearbeitung eines Kostenvoranschlags von einer zuvor zu treffenden Preisvereinbarung abhängig. Dies ergibt sich daraus, dass eine Genehmigung des vorliegenden Kostenvoranschlags ohne Preisvereinbarung außer Betracht bleibt ("wegen fehlender Preisvereinbarung nicht vorgesehen") und im Falle der Nichtvorlage eines Angebots der Auftrag anderweitig vergeben werden soll.
Diese Vorgehensweise stellt einen unzulässigen Eingriff in die Berufsfreiheit und das Recht am eigenen Gewerbebetrieb der Mitglieder der Antragstellerin dar, aus der ein entsprechender Unterlassungsanspruch resultiert, §§ 1004, 823 des Bürgerlichen Gesetzbuches (
BGB),
Art. 12 des Grundgesetzes (
GG). Für diesen Eingriff fehlt es an einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage. So sieht
§ 127 Abs. 2 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) in der seit dem 01.01.2004 geltenden Fassung eine Preisvereinbarung nicht als unverzichtbare Voraussetzung für die Inanspruchnahme eines Leistungserbringers zur Sachleistung vor. Denn gemäß § 127
Abs. 2 Satz 1 "können" Krankenkassen Verträge mit einzelnen Leistungserbringern schließen (auch in den Fällen, in denen kein Vertrag mit Landesverbänden gemäß § 127
Abs. 1
SGB V besteht - Krauskopf, § 127
SGB V, Rn. 4 - ). Vor allem gibt
§ 33 Abs. 2 SGB V seit dem 01.01.2004 zur Wahrung des Wirtschaftlichkeitsgrundsatzes ein konkretes Procedere vor, dass die von der Antragsgegnerin favorisierten Handhabung nicht vorsieht. Vielmehr lässt § 33
Abs. 2
SGB V dem Versicherten das vollständige Wahlrecht hinsichtlich des von ihm in Anspruch genommenen Leistungserbringers. Der Krankenkasse wird zur Wahrung der Wirtschaftlichkeit das Recht und die Pflicht eingeräumt, die Bewilligung der Kostenübernahme auf den Durchschnittspreis des unteren Preisdrittels (§ 127
Abs. 3
SGB V) zu beschränken und Versicherten über die durchschnittlichen Preise des unteren Preisdrittels sowie auf Nachfrage über Leistungserbringer, die Hilfsmittel zum Durchschnittspreis oder zu einem niedrigeren Preis abgeben, zu informieren, § 127
Abs. 3
SGB V. Die Frage nach der Pflicht zu einer öffentlichen Ausschreibung gemäß § 127
Abs. 2 Satz 2
SGB V kann dahingestellt bleiben. Unter Berücksichtigung dieser seit dem 01.01.2004 geltenden Rechtslage erscheinen die von der Antragsgegnerin in Bezug genommenen Ausführungen des Bundessozialgerichts in seiner Entscheidung vom 23.01.2003 -
B 3 KR 7/02 - nicht mehr maßgeblich (sofern sie so fast ausnahmslos
bzw. konsequent, wie von der Antragsgegnerin geltend gemacht, vom 3. Senat des
BSG gemeint gewesen sein sollten; andererseits hatte der 3. Senat des
BSG in seiner Entscheidung vom 10.07.1996 - 3 RK 27/95 - hinsichtlich der Forderung von Preisvereinbarungen - im Rahmen der Zulassung - im Sinne der Berufsfreiheit Zurückhaltung gefordert).
Aus dem Verbot für die Antragsgegnerin, die Schreiben mit dem beanstandeten Inhalt zu versenden, folgt auch ein entsprechendes Verbot, hiermit inhaltlich übereinstimmende Schreiben an die Versicherten zu versenden, da deren Inhalt unter Berücksichtigung der gebotenen Unterlassung falsch wäre.
Unter Berücksichtigung der dargelegten Gesetzeslage kann dahingestellt bleiben, ob das von der Antragstellerin geltend gemachte Recht darüber hinaus aus § 6
Abs. 3 RV
i. V. m. dem Vergleichsvertrag folgt. Gemäß § 6
Abs. 3 RV ist es den Mitgliedern der Antragstellerin möglich, Kostenvoranschläge einzureichen, ohne dass eine Preisvereinbarung bestehen muss. Diese Regelung befindet sich innerhalb des Abschnitts "Vergütung" der Leistung (§ 6) und könnte damit von der Vergleichsvereinbarung mitumfasst sein. Ob es sich letztendlich aber um eine Abrechnungsmodalität oder Vergütungsregelung im Sinne des Vergleichsvertrages handelt, kann aus den ausgeführten Gründen dahingestellt bleiben.
Da die von der Antragsgegnerin vorgenommene Verbindung zwischen der Prüfung eines Kostenvoranschlags und dem Abschluss einer einstweiligen Preisvereinbarung in jedem Fall unzulässig erscheint, kann dahingestellt bleiben, ob solche Schreiben auch in Fällen der preisvereinbarten Hilfsmittel noch versandt worden sind oder nicht. Die Antragstellerin ist insofern den Nachweis schuldig geblieben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a
SGG i. V. m. § 154 der Verwaltungsgerichtsordnung (
VwGO).
Auf die entsprechenden Einwände der Antragsgegnerin hin wird klargestellt, dass die tenorierte Untersagung keine zwangsläufige Genehmigung von Kostenvoranschlägen zur Folge hat, aber die Bearbeitung und
ggf. Genehmigung nicht wegen einer fehlenden Preisvereinbarung abgelehnt werden darf. Es bleibt der Antragsgegnerin unbenommen, unabhängig von eingereichten Kostenvoranschlägen, wenn auch "anlässlich" solcher, in gesetzesgemäßer Weise Einzelvereinbarungen mit den Mitgliedern der Antragstellerin zu schließen.