Urteil
Kein Anspruch auf Kostenübernahme einer Zehenorthese durch die gesetzliche Krankenversicherung

Gericht:

SG Düsseldorf 4. Kammer


Aktenzeichen:

S 4 KR 323/04


Urteil vom:

09.01.2007


Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Übernahme der Kosten einer Zehenorthese nach Maß.

Die am 00.00.1920 geborene Klägerin beantragte bei der Beklagten unter Vorlage der ärztlichen Verordnung des Orthopäden C vom 25.06.2004 die Übernahme der Kosten einer Zehenorthese aus Silikon wegen eines Hallux valgus. Der beigefügte Kostenvoranschlag der Firma E oHG vom 30.06.2004 belief sich auf 92,63 EUR. Am 05.07.2004 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass eine Kostenbeteiligung nicht erfolgen könne.

Den dagegen am 22.07.2004 erhobenen Widerspruch begründete die Klägerin damit, der behandelnde Vertragsarzt hätte die medizinische Notwendigkeit festgestellt; eine andere Versorgung käme hier nicht in Betracht. Durch die beschriebene Orthese solle der Erfolg der Krankenbehandlung gesichert werden. Bei der Zehenorthese handele es sich zweifelsfrei um ein Hilfsmittel im Sinne des § 33 SGB V.

Die Widerspruchsstelle der Beklagten wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 06.10.2004 als unbegründet zurück. Die Leistungspflicht sei nach § 34 Abs. 3 SGB V ausgeschlossen: Aufgrund dieser Vorschrift hat das Bundesministerium für Gesundheit durch Rechtsverordnung Heil- und Hilfsmittel von geringen oder umstrittenen therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis von der Leistungspflicht ausgeschlossen. In dieser Rechtsverordnung sind Zehenspreizer ausdrücklich genannt und somit von der Kostenübernahme durch die Krankenkassen ausgeschlossen. Bei der verordneten Zehenorthese handele es sich um einen Zehenspreizer in diesem Sinne.

Dagegen hat die Klägerin am 15.10.2004 Klage vor dem Sozialgericht Düsseldorf erhoben. Der Ausschluss der Zehenspreizer in der nach § 34 Abs. 1 SGB V erlassenen Rechtsverordnung bezieht sich lediglich auf Hilfsmittel, die polsternde und spreizende Wirkung hätten. Die hier streitige Orthese hätte jedoch korrigierende Funktion.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 05.07.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.10.2004 zu verurteilen, die Übernahme der Kosten für die Versorgung mit einer Zehenorthese nach Maß laut Kostenvoranschlag der Firma E vom 30.06.2004 zu übernehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Ausschluss der Kostenübernahme in der Rechtsverordnung nach § 34 Abs. 4 SGB V differenziere nicht nach dem Anwendungsgebiet. Daher sei die hier streitige Zehenorthese von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen ausgeschlossen.

Das Gericht hat einen Befundbericht des behandelnden Orthopäden C eingeholt. In dem Bericht vom 13.09.2004 führt C u.a. aus, dass die von ihm verordnete Zehenorthese eine korrigierende Funktion hätte; die Zehenorthese hätte die Hammerzehenfehlstellung teilweise korrigieren sollen, so dass ein Teil der Druck beschwerden über den körpernahen Zehengelenk der zweiten Zehe gelindert werden könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und den übrigen Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Verwaltungsakten der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

Sozialgerichtsbarkeit BRD

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Die Klägerin ist durch den angefochtenen Bescheid nicht gemäß § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, da die Beklagte zu Recht die Übernahme der Kosten für die laut Kostenvoranschlag der Firma E oHG vom 30.06.2004 verordnete Zehenorthese abgelehnt hat.

Die Klägerin hat jedoch keinen Anspruch auf Versorgung mit einer Zehenorthese durch die Beklagte: Nach § 33 Abs. 1 SGB V haben Versicherte u.a. Anspruch auf Versorgung mit Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 3 SGB V ausgeschlossen sind. Die Zehenorthese ist jedoch nach § 34 Abs. 4 SGB V von der Leistungspflicht ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift kann der Bundesminister für Gesundheit durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Heil- und Hilfsmittel von geringem oder umstrittenen therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis bestimmen, deren Kosten die Krankenkasse nicht übernimmt (Satz 1). In der auf Grund dieser Ermächtigung erlassenen Verordnung über Hilfsmittel von geringem technischen Nutzen oder geringem Abgabepreis in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 13. Dezember 1989 - in der Fassung vom 17.01.1995 - sind in § 2 (sächliche Mittel mit geringem Abgabepreis) unter Nr. 20 "Zehen- und Ballenpolster, Zehenspreizer" aufgeführt und somit von der Versorgung durch die gesetzlichen Krankenkassen ausgeschlossen. Auch wenn das von der Klägerin beschaffte Hilfsmittel vom Hersteller nicht als Zehen- oder Ballenpolster oder Zehenspreizer bezeichnet wird, sondern Zehenorthese nach Maß genannt wird, so handelt es sich nach Auffassung der erkennenden Kammer doch um ein Hilfsmittel, das zu den Zehenpolstern und Zehenspreizern gehört.

Die Tatsache, das die streitige Orthese nach Maß gefertigt wird, schließt die Anwendung der genannten Verordnung nicht aus: In der Verordnung wird nicht zwischen einerseits nach Maß und andererseits in Serienproduktion gefertigten Hilfsmitteln unterschieden. Somit erfasst § 2 Nr. 20 der genannten Verordnung auch nach Maß gefertigte Hilfsmittel.

Der Auffassung der Klägerin, dass die beantragte Orthese keine polsternde und spreizende Wirkung, sondern ausschließlich korrigierende Wirkung habe, vermag sich die erkennende Kammer nicht anzuschließen. Nach der vom Innungsverband für Orthopädie-Schuhtechnik Nordrhein-Westfalen hergegebenen Arbeitsgrundlage für Zehenkorrektur-Orthesen nach Maß ist eine Korrektur der mit Hammerzehen meist verbundenen Kontraktur nur begrenzt möglich. Die Orthese sollte eine Streckwirkung erzeugen und die prominente Zehenkuppe zum Schutz gegen Reibung einbeziehen. Damit hat die hier beantragte Orthese ebenfalls polsternde Funktion zur Vermeidung ungünstiger Reibung. Somit steht die von der Klägerin behauptete korrigierende Funktion hier nicht im Vordergrund.

Nach Auffassung der erkennenden Kammer erfasst die genannte Verordnung ohnehin alle Orthesen, die druckentlastende oder korrigierende Funktion haben, soweit es sich nicht um Orthesen handelt, die unmittelbar im Zusammenhang mit der Behandlung akuter Unfallfolgen oder -verletzungen stehen. Die in der Verordnung genannten Funktionen: Polsterung und Spreizung haben regelmäßig auch eine druckentlastende Funktion zur Folge und sind automatisch damit verbunden, dass die Zehen in eine andere Richtung abgelenkt werden. Die Funktionen Druckentlastung und Korrigierung sind somit Unterpunkte der Funktionen Polsterung und Spreizung. Da sie sich automatisch als Folge einer Polsterung bzw. Spreizung ergeben. Die Orthese wird daher vom Wortlaut der Verordnung erfasst.

Auch der Abgabepreis spricht nicht gegen dieses Ergebnis: Für die von der Klägerin begehrte Orthese werden 92,63 EUR berechnet. Das BSG hatte mit Urteil vom 25.10.1994 u.a. festgestellt, dass Beträge bis zu 150,00 DM jährlich allgemein als geringfügig bewertet werden können (Urteil des BSG vom 25.10.1994 3/1 RK 57/93). Unter Berücksichtigung der seit diesem Urteil eingetretenen allgemeinen Kostensteigerung muss daher auch der Betrag von 93,00 EUR noch als gering bewertet werden.

Die Klägerin hatte somit keinen Leistungsanspruch gegen die Beklagte, so dass die Beklagte den Anspruch auf Kostenübernahme zu Recht abgelehnt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Referenznummer:

R/R4464


Informationsstand: 03.02.2010