Die Klagen sind zulässig, jedoch sachlich nicht begründet.
Die Kläger werden durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 54
Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) beschwert, da sie nicht rechtswidrig sind. Die Kläger haben unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für die durchgeführte sog. "Helmtherapie" durch die Beklagte.
Die Voraussetzungen eines - hier allein in Betracht kommenden - Kostenerstattungsanspruchs nach
§ 13 Abs. 3 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) sind nicht erfüllt. Danach sind die Kosten für eine selbstbeschaffte Leistung von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch den Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind, soweit die Leistung notwendig war. Ein Fall der Unaufschiebbarkeit lag - entgegen der Annahme der Kläger - nicht vor. Zwar steht für die Korrektur der Schädelform aufgrund der Entwicklung der Knochenstruktur des Kindes nur eine bestimmte Zeit zur Verfügung (
vgl. dazu Regelsberger in: Pädiatrie hautnah 2007, 336, 338). Dieser zeitliche Spielraum ist jedoch nicht so knapp bemessen, dass eine vorherige Antragstellung (unproblematisch per Telefax möglich) und ein Zuwarten auf eine Reaktion der Beklagten nicht mehr zumutbar gewesen wäre. Auch die zweite Alternative des § 13
Abs. 3
SGB V ("Leistung zu Unrecht abgelehnt") ist nicht erfüllt. Die Kosten für eine selbstbeschaffte Leistung sind in einem solchen Fall nur zu ersetzen, wenn die Krankenkasse die Leistungsgewährung vorher abgelehnt hatte. Ein Kausalzusammenhang und damit eine Kostenerstattung scheidet aus, wenn der Versicherte sich die streitige Behandlung außerhalb des vorgeschriebenen Beschaffungsweges selbst besorgt, ohne sich vorher mit seiner Krankenkasse ins Benehmen zu setzen und deren Entscheidung abzuwarten (Bundessozialgericht, Urteil vom 06.02.1997,
3 RK 9/96 = SozSich 1998, 38; Urteil vom 25.09.2000, B 1 KR 5/99 R = NZS 2001, 319; Urteil vom 23.07.2002,
B 3 KR 66/01 R = SozR 3-2500 § 33 Nr 45; Urteil vom 22.03.2005, B 1 KR 3/04 R [juris] ; Urteil vom 14.12.2006, B 1 KR 8/06 R = BSGE 98, 26; Urteil vom 28.02.2008, B 1 KR 15/07 R = NZS 2009, 154). Den Krankenkassen muss nämlich zur Vermeidung von Missbräuchen vorab die Prüfung ermöglicht werden, ob die beanspruchte Behandlung im Rahmen des vertragsärztlichen Versorgungssystems bereitgestellt werden kann und, falls dies nicht möglich ist, ob sie zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung gehört, insbesondere den Anforderungen der Geeignetheit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung (
§ 12 Abs. 1 SGB V) genügt. Der Versicherte darf der Entscheidung der Krankenkasse daher nicht dadurch vorgreifen, dass er sich die erstrebte Behandlung außerhalb des Sachleistungssystems selbst - privatärztlich - beschafft und die erforderliche Prüfung in das Verfahren der Kostenerstattung verlagert. Selbst wenn aus zeitlichen Gründen eine Entscheidung der Krankenkasse nicht mehr möglich erschiene, was im vorliegenden Fall - wie bereits oben dargelegt - nicht der Fall war, ist es zumindest erforderlich, einen entsprechenden Antrag zu stellen.
Darüber hinaus käme eine Übernahme der Kosten aber auch deshalb nicht in Betracht, weil die Ablehnung der Kostenübernahme nicht zu Unrecht erfolgt ist. Der Kostenerstattungsanspruch kann nämlich in keinem Fall weiter reichen als der primäre Sachleistungsanspruch. Er setzt also voraus, dass die selbst beschaffte Leistung zu den Leistungen gehört, die die Beklagte zu erbringen hätte (
vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 24.09.1996, 1 RK 33/95 = BSGE 79, 125; Urteil vom 22.03.2005, B 1 KR 11/03 R = NJW 2005, 2476; Urteil vom 07.11.2006, B 1 KR 24/06 R = BSGE 97,190).
Ein solcher Anspruch bestand für die Kläger aber nicht.
Nach § 27
Abs. 1
SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheiten oder Krankheitsbeschwerde zu lindern. Dieser Behandlungs- und Versorgungsanspruch der Kläger unterliegt allerdings den sich aus
§ 2 Abs. 1 und
§ 12 Abs. 1 SGB V ergebenden Einschränkungen der Zweckmäßig- und Wirtschaftlichkeit. Die Krankenkassen sind daher nicht bereits dann leistungspflichtig, wenn eine bestimmte Therapie - im vorliegenden Fall die Helmtherapie - nach eigener Einschätzung der Versicherten oder der behandelnden Ärzte positiv verlaufen ist oder einzelne Ärzte die Therapie befürwortet haben. Vielmehr muss die betreffende Therapie rechtlich von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst sein.
Bei der Behandlung der Plagiocephalie mittels Kopforthesen handelt es sich um eine neue, mangels entsprechendem Antrag vom Gemeinsamen Bundesausschuss bislang nicht überprüfte, Behandlungsmethode, bei der durch Einsatz eines speziell und individuell angefertigten Helms das Wachstum des Kopfes bei einem Kleinkind günstig beeinflusst werden soll (
vgl. allgemein zur Plagiocephalie, Regelsberger. in: Pädiatrie hautnah 2007, 336
ff.; Sinai, in: Physiopraxis 2008,
S. 32
ff., auch zur "Helmtherapie").
Neue Behandlungsmethoden dürfen indes gemäß
§ 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V in der vertragsärztlichen Versorgung nur dann zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden, wenn der Bundesausschuss in Richtlinien nach
§ 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat. Dies gilt allgemein für den Umfang der den Versicherten von den gesetzlichen Krankenkassen geschuldeten ambulanten Leistungen (
vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 16.09.1997, 1 RK 28/95 = BSGE 81,54
ff.; Urteil vom 07.11.2006, B 1 KR 24/06 R = BSGE 97, 190
ff.; K. Schneider, in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, § 135
SGB V Rn. 19). Zur Helmtherapie hat der Gemeinsame Bundesausschuss indes bislang keine Empfehlung - weder positiv noch negativ - abgegeben (
vgl. dazu die Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung). Es wurde bislang von keiner Seite ein entsprechender Antrag nach § 135
SGB V gestellt, wie sich aus der im Verfahren eingeholten Stellungnahme des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 21.10.2009 ergibt. Entsprechend ist sie auch nicht als abrechnungsfähige Leistung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) enthalten, weswegen die konkrete Abrechnung der Dres. N. und
S. folglich nach der GOÄ erfolgte. Daneben steht zur Überzeugung der Kammer auch fest, dass es derzeit keine hinreichend belastbaren wissenschaftlichen Studien gibt, die einen Vorteil der Helmtherapie gegenüber anderen konservativen Behandlungsmethoden, etwa wie Krankengymnastik und leidensgerechte Lagerung, belegen würden. Zwar werden zur Helmtherapie zahlreiche Studien und Veröffentlichungen publiziert, die deren Nutzen darstellen (
vgl. etwa Rogers et. al., Comparison of a modifiable cranial cup versus repositioning and cervical stretching for the early correction of a deformial posterior plagiocephaly, abstract abrufbar unter PubMed [18317143]; Plank et. al., Comparison of infant head shape changes in deformational plagiocephaly following treatmen with a cranial orthosis using a noninvasive laser shape digitizer, Journal of craniofacial surgery 2006, 1084
ff.; als reprint abrufbar unter: http://www.starcranialcenter.com/v2/Craniofacial ClinicalReprint2007.
pdf; Bruner, et. al., Objective outcome analysis of soft shell helmet therapy in the treatment of deformational placiocephaly, abstract abrufbar unter PubMed [15213546]; Regelsberger, a.a.O.,
m.w.N.). Gleichwohl ist die Datenlage insgesamt als unsicher zu bezeichnen, wie auch eine 2008 von der University of Strathclyde, Glasgow,
UK, durchgeführte Durchsicht der vorhandenen Studien ergeben hat (
vgl. Mc Garry et. al., Head shape measurement standards an cranial orthoses in treatment of infants with deformational plagiocephaly, abstract abrufbar unter PubMed (18754893);
vgl. auch van Vlimmeren
et al., Effect on pediatric physical therapy on deformational plagiocephaly in children with positional preference, in: Arch pediatr aldolesc Med 2008, 712, reprint abrufbar unter: http://archpedi.ama-assn.org/cgi/reprint/162/8/712.
pdf; Regelsberger, a.a.O., S 343; Stellungnahmen des MDK vom 06.11.2009 und 21.12.2009). Nach alledem sieht die Kammer den medizinischen Vorteil der Helmtherapie gegenüber klassischen Behandlungsmethoden, wie entsprechender Lagerung oder Krankengymnastik nicht als gegeben an. Dass die Helmtherapie bei den Klägern zu einer Besserung der Schädeldeformation geführt hat, stellt die Kammer nicht in Abrede. Darauf kommt es indes - wie oben bereits ausgeführt - für die Frage der Verpflichtung der Beklagten zur Übernahme der Kosten nicht an.
Es ist freilich in der Rechtsprechung des Bundessozialgericht anerkannt, dass trotz der Regelung des § 135
Abs. 1
SGB V eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkasse ausnahmsweise dann bestehen kann, wenn die fehlende Anerkennung einer neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode darauf zurückzuführen ist, dass das Verfahren vor dem Bundesausschuss trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde (
vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 04.04.2006, B 1 KR 12/05 R = SozR 4-2500 § 27 Nr 8; K. Schneider, a.a.O., § 135 Rn. 19; sog. "Systemversagen"). Ein solches Systemversagen liegt nicht vor. Es ist bislang noch nicht mal ein entsprechender Antrag gestellt worden.
Schließlich ergäbe sich ein Anspruch auch nicht unter Berücksichtigung der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung bei Vorliegen einer notstandsähnlichen Krankheitssituation. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 06.12.2005 (1 BvR 347/98 = BverfGE 115, 25) entschieden, dass es mit den Grundrechten aus
Art. 2
Abs. 1 des Grundgesetzes (
GG)
i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip und aus
Art. 2
Abs. 2 Satz 1
GG nicht vereinbar ist, einen gesetzlich Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, generell von der Gewährung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Eine Leistungsverweigerung der Krankenkasse unter Berufung darauf, eine bestimmte neue ärztliche Behandlungsmethode sei im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen, weil der zuständige Bundesausschuss diese noch nicht anerkannt oder sie sich zumindest in der Praxis und in der medizinischen Fachdiskussion noch nicht durchgesetzt hat, verstößt nach dieser Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gegen das Grundgesetz, wenn folgende drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind: 1.) es liegt eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung vor. Bezüglich dieser Krankheit steht 2.) eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung. Bezüglich der beim Versicherten ärztlich angewandten (neuen, nicht allgemein anerkannten) Behandlungsmethode steht 3.) eine "auf Indizien gestützte", nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf. Bei den Klägern lag mit der ursprünglichen Kopfdeformität aber keine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung vor, weswegen eine Kostenübernahme auch aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht geboten ist.
Schlussendlich ergäbe sich auch aus
§ 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V kein Anspruch der Kläger. Nach dieser Vorschrift haben Versicherte Anspruch unter anderem auf Hilfsmittel, die im Einzelfall erforderlich sind, den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach
§ 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind. Wie bereits oben ausgeführt besteht diese Erforderlichkeit im Falle der Helmtherapie aber gerade nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193
SGG.