Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 23.07.2019 geändert und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 04.10.2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 29.3.2017 verurteilt, den Kläger mit einer Re-Walk Orthese (elektronisches Orthesensystem: Exoskelett "ReWalk Personal 6.0") zu versorgen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen. Die Revision wird zugelassen.
Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Exoskelett-Orthese "ReWalk Personal 6.0" (fortan: Exoskelett Re-Walk) als Sachleistung.
Bei dem streitgegenständlichen Exoskelett Re-Walk handelt es sich um ein auf seinen Nutzer anpassbares Serienprodukt mit CE-Zertifizierung. Seit dem 20.12.2017 wird es im Hilfsmittelverzeichnis geführt. Das von außen anzulegende, per Klettverschluss zu befestigende System mit Batterie und Sensoren wird individuell auf Körpergröße (maximal 1,90 m), Gewicht (maximal 100
kg) und Nutzermerkmale eingestellt. Zur Nutzung des Hilfsmittels werden zusätzlich Unterarmstützen benötigt. Die Bordelektronik und Software des Exoskeletts erkennen für den Anwender definierte Parameter und Gangzyklen sowie davon abweichende Störungen. Der Anwender geht sitzend von einem feststehenden Stuhl in die Orthese. Die Füße werden auf eine Einlage im Schuh gestellt. Das Sprunggelenk bleibt mittels eines unilateralen Fußhebergelenkes, welches am Unterschenkelmodul angebracht ist, beweglich. Der Rumpf wird auf beiden Seiten abgestützt. Die Systemteile sind mit motorisierten Knie- und Hüftgelenken ausgestattet. Durch Computer- und Bewegungssensoren wird das Exoskelett gesteuert. Motorisierte Beine sorgen für die Bewegung von Knie und Hüfte. Das Hilfsmittel wird durch Wahl der gewünschten Tätigkeit (
z.B. Sitzen, Stehen, Gehen, Hinaufgehen, Hinuntergehen) auf der - wie eine Uhr zu tragende - Fernbedienung, eine Veränderung des Körperschwerpunktes und eine Vor-
bzw. Rückwärtsbewegung der Unterarmgehstützen gesteuert. Bei der Wahl beispielsweise des Gehens wird die den Bewegungsprozess auslösende Vorwärtsneigung des Oberkörpers durch das System erkannt und löst rechts den ersten Schritt aus. Werden die Unterarmgehstützen dann nach vorne bewegt, geht das linke Bein vor, sodass eine Schrittfolge in Gang gesetzt werden kann. Hört der Anwender auf, die Unterarmgehstützen zu bewegen, stoppt das Hilfsmittel den Gang. Das Exoskelett Re-Walk ist akkubetrieben. Der Akku hat eine durchschnittliche Laufzeit von 4 Stunden, eine vollständige Wiederaufladung dauert 7 Stunden hat. Ein Ersatz Akku kann mitgeführt werden. Zu den weiteren Merkmalen des Hilfsmittels wird auf das Benutzerhandbuch und die Produktbeschreibung des Herstellers sowie die in den Akten befindliche Demo-
CD verwiesen.
Der 1990 geborene und bei der Beklagten seit dem 1.1.2015 gegen Krankheit versicherte Kläger erlitt im Jahre 2010 einen Verkehrsunfall mit Schädelhirntrauma, traumatischer Bauchaortenruptur und multiplen Rippen- und Wirbelfrakturen. Der Kläger leidet in Folge dessen an einer inkompletten sensomotorischen Querschnittslähmung (d.h. die Oberflächensensibilität ist mäßig erhalten, der Kläger kann Schmerz, Vibration und Temperatur empfinden) mit funktionslosen Beinen und Bewegungsunfähigkeit der unteren Gliedmaßen sowie einer Allgemeinbeeinträchtigung nach multipler Wirbel- und Rückenmarksschädigung. Die zunächst vorhandene Inkontinenz hat sich weitgehend zurückgebildet. Es besteht ein Zustand nach Lungenembolie und Aorten-Stent-Implantation. Dem Kläger wurden ein Grad der Behinderung von 100 und die Merkzeichen H, G, aG und B zuerkannt.
Der Kläger arbeitet in Teilzeit als Sachbearbeiter bei der Bundeswehr. Er lebt mit seiner Ehefrau in einer barrierefreien Wohnung. In der Ebene und im freien Raum ist er mit einem Aktiv-Rollstuhl ("T-light") mobil. Mit seinem Steh-Rollstuhl ("Lifestand") kann der Kläger eine vertikale Position einnehmen, sich aber nicht im Stand fortbewegen. Er benutzt das Hilfsmittel 1-2-mal pro Woche für ein 30-minütiges Stehtraining. Mit seinem - seiner Erkrankung baulich angepassten -
Kfz ist der Kläger in der Lage, selbständig zu fahren.
Im Februar 2015 beantragte der Kläger erstmals die Versorgung mit einem Ekoskelett Re-Walk. Er fügte neben einer ärztlichen Verordnung u.a. einen Arztbericht des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie und Rehabilitation
Dr. C, Ambulante Neurologische Rehabilitationsklinik (NRK) B vom 28.11.2014 bei. Darin gab
Dr. C an, durch das Exoskelett Re-Walk werde die Stand- und Gehfähigkeit wiederhergestellt, die Knochendichte erhöht, das Herz gestärkt, Muskelspastiken und Sturzgefahr verringert und die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben erweitert. Der Kläger sei bereits dreimal mit dem Gerät gegangen, er könne es alleine anlegen und damit stehen.
Der Kläger testete das Exoskelett Re-Walk erneut in der NRK B mit Unterstützung eines Physiotherapeuten vom 17.4. bis 11.5.2015. Nach 5 Übungseinheiten gelang es dem Kläger ohne Unterbrechung und mit nur noch leichter Unterstützung durch den Therapeuten, 25 m zu gehen. Die weitere Erprobung wurde vom Kläger wegen akut auftretender Schmerzen am linken Bein (Hämatom) auf ärztlichen Rat hin abgebrochen. Der zuvor mit dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) vereinbarte Zweituntersuchungstermin zur Evaluation der Gebrauchsvorteile wurde vom Kläger ebenso wie ein weiterer Termin wegen einer Erkrankung des Verdauungssystems abgesagt. Daraufhin betrachtete
Dr. U vom MDK die Erprobung in seinem Gutachten vom 6.7.2015 als abgebrochen. Ein wesentlicher Nutzen des Hilfsmittels sei nicht beurteilbar. Die Beklagte lehnte den Antrag auf Gewährung des Exoskeletts Re-Walk daraufhin mit (bestandskräftigem) Bescheid vom 9.7.2015 ab.
Im September 2016 beantragte der Kläger erneut die Versorgung mit einem Exoskelett Re-Walk. Er legte Kostenvoranschläge der S
GmbH vom 20.9. und 21.9.2016 (voraussichtliche Kosten der Versorgung: 96.176,95
EUR), ärztliche Berichte des Chefarztes der
SRH L Klinik,
Dr. G, über eine ambulante Vorstellung am 5.9.2016 und eine Verordnung des Exoskeletts Re-Walk vor.
Dr. G führte in seinen Berichten aus, der Kläger benötige nur zu Beginn der Nutzung des Exoskeletts Unterstützung und sei geistig und körperlich in der Lage, das Hilfsmittel zu nutzen. Durch das Exoskelett Re-Walk erreiche der Kläger eine verbesserte Mobilität in der Häuslichkeit bei Stand und Gang und könne mittelweite Stecken selbständig gehen. Dadurch verbesserten sich nicht nur Lebensqualität, Selbstwertgefühl und das subjektive Zugehörigkeitsgefühl, vielmehr steigerten sich auch sensomotorische Restfunktionen, koordinativen Fähigkeiten, Kondition, Beweglichkeit und die Verdauung. Im Gegenzug sinke das Risiko von Osteoporose und Mobilitätseinschränkungen.
Da
Dr. U (MDK) in seinem Gutachten vom 28.9.2016 dabei blieb, dass der Kläger den Abbruch der Erprobung zu vertreten habe und die medizinischen Voraussetzungen der beantragten Versorgung daher nicht überprüfbar seien, lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 4.10.2016 ab. Mit seinem Widerspruch erklärte der Kläger, eine erneute Erprobung sei überflüssig, da er bereits unter Beweis gestellt habe, das Exoskelett Re-Walk eigenständig anlegen und nutzen zu können. Er ermögliche ihm - anders als sein Rollstuhl - das Stehen, Gehen und Treppen steigen.
Dr. U schrieb dazu am 24.11.2016, das Exoskelett Re-Walk diene der Unterstützung der Behandlung und nicht dem Ausgleich einer Behinderung. Da die Behandlung genauso gut mit einer Kombination des vorhandenen Aufrichtrollstuhls und einem Krankenfahrstuhl erreicht werden könne, ergebe sich kein Gebrauchsvorteil der begehrten Versorgung. Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29.3.2017 als unbegründet zurück.
Mit seiner am 2.5.2017 erhobenen Klage hat der Kläger betont, es handele sich vorliegend um einen unmittelbaren Behinderungsausgleich, da das Exoskelett Re-Walk als mehrfach wirkendes Körperersatzstück für die funktionslosen Körperteile des Steh- und Stützapparats diene. Die bisherige Versorgung habe konstruktionsbedingt Nachteile beim Stehen, Gehen, und Aufstehen und decke sein Mobilitätsbedürfnis nur teilweise. Die selbständige Fortbewegung im aufrechten Gang sei als elementares menschliches Grundbedürfnis ein relevanter Bewegungszugewinn und damit nach höchstrichterlicher Rechtsprechung möglichst weitgehend im Sinne eines Gleichziehens mit nicht behinderten Menschen auszugleichen. Selbst wenn er bei der Nutzung des Exoskeletts Re-Walk auf Unterarmgehstützen und hin und wieder auf eine Hilfsperson angewiesen sei, schließe das einen Anspruch nicht aus, da er auch bei seinem Rollstuhl ab und zu fremde Hilfe benötige. Aus der Arbeit "Klinische Wirksamkeit und Sicherheit von Exoskeletten mit Antrieb zur Gangunterstützung von Patienten mit Rückenmarksverletzung: systematische Übersicht mit Meta-Analyse" von Miller/Zimmermann/Herbert, 2016, gehe hervor, dass 76% der Patienten mit dem Exoskelett Re-Walk selbständig gingen und in 6 Minuten im Schnitt 98 m zurücklegten, sich bei 33% anfängliche Spastiken zurückbildeten, Potential für selbständiges Gehen zu Hause und im Umfeld bestehe, das Gehen leichter als mit reziproken Geh-Orthesen sei und kaum ein Sturzrisiko bestehe (4,4%). Dies habe wohl auch die Beklagte beeindruckt, da sie das gegen sie erlassene Urteil des SG Speyer vom 20.5.2016 - S 19 KR 350/15 - in Bestandskraft habe erwachsen lassen. Indem die Beklagte die Nutzung des Exoskeletts Re-Walk als mittelbaren Behinderungsausgleich qualifiziere, benachteilige sie Querschnittsgelähmte gegenüber Menschen, die mit einer mikroprozessorgesteuerten Beinprothese (C-Leg) versorgt seien. Denn beide Hilfsmittel ermöglichten ein eigenständiges, richtungsänderndes Gehen und auch das C-Leg könne nicht dauerhaft, sondern nur einige Stunden am Tag genutzt werden. Dem Kurz-Gutachten des Sachverständigen
Dr. B trete er schon deshalb entgegen, da es sich nicht wissenschaftlich mit der Thematik auseinandersetze und auf nur unvollständig erhobenen Befunden basiere. Da das Exoskelett Re-Walk im Hilfsmittelverzeichnis gelistet sei und über eine CE-Kennung verfüge, könne der Sachverständige ihm auch nicht den Hilfsmittelcharakter absprechen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 4.10.2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 29.3.2017 zu verurteilen, ihn mit einer ReWalk-Orthese (elektronisches Orthesensystem: Exoskelett "ReWalk Personal 6.0") zu versorgen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Ansicht vertreten, das Exoskelett Re-Walk gleiche die Behinderung des Klägers nur mittelbar aus. Die durch die Querschnittslähmung entstandene Schädigung des Rückenmarks habe den Verlust der aktiven Steuerung von Muskeln und damit der motorischen Steuerung zur Folge. Diese Fähigkeit werde durch das Exoskelett Re-Walk weder ersetzt noch biete es die Funktionalität eines intakten Rückenmarks. Die Fortbewegung werde auch nicht durch Muskelkraft, sondern durch eine Kombination von Stützapparat und akkubetriebenen Motor ermöglicht. Die Bewegungsabläufe seien nicht willkürlich, sondern nur über die Bordelektronik steuerbar. Zudem ersetze das Exoskelett Re-Walk den Rollstuhl - der auch nach der Vorstellung des Herstellers primäres Hilfsmittel bleibe - nicht. Im Rahmen des mittelbaren Behinderungsausgleichs scheitere der Anspruch des Klägers daran, dass er sich den Nahbereich nicht ausreichend mit dem Exoskelett Re-Walk erschließen könne und immer auf eine Hilfsperson angewiesen sei. Im Übrigen sei unklar, ob der Kläger mit seinem Körpergewicht von 95
kg das Gerät sicher nutzen könne. Auch fehle der durch einen DXA-Test zu erbringende Nachweis, dass keine Osteoporose bestehe. Zu erwägen sei eine alternative Versorgung des Klägers mit einem Motobewegungstrainer, einem Stehübungsgerät oder einem Aufrichtrollstuhl. Das Gutachten des
Prof. Dr. X überzeuge nicht, da das begehrte Hilfsmittel nur das Grundbedürfnis des Gehens, nicht jedoch das des Erschließens eines Nahbereichs im ausreichenden Umfang gewährleiste. Auch liege kein nennenswerter Gebrauchsvorteil vor, wenn man auf Schritt und Tritt auf eine qualifizierte Hilfsperson angewiesen sei.
Dr. H (MDK) hat die vom SG angeforderten Herstellerinformationen am 14.2.2018 ausgewertet und ausgeführt, auf der Demo-
CD demonstriere man einen gleichmäßigen Gang auf vermutlich rutschfestem Untergrund sowie eine 180-Grad Drehung. Nicht zu sehen sei das Gehen auf schiefen Ebenen, das Treppensteigen und das An- und Ablegen des Hilfsmittels. Der gezeigte Nutzer, der auch Werbung für die Paralympics mache, sei bei einer Tagung des MDK als Musterpatient vorgestellt worden und habe angegeben, das Exoskelett Re-Walk nach mehrjähriger Übung etwa 3 Stunden täglich zu nutzen und Geschwindigkeiten bis 3
km/h zu erreichen. Er habe Ebenen und Schrägen allein bewältigt, bei kleinen Absätzen und Treppen jedoch die Hilfe einer Begleitperson benötigt.
Das Sozialgericht hat
gem. § 106 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) ein Sachverständigengutachten bei Priv.-Doz.
Dr. med. B, Chirurgische Universitätsklinik und Poliklinik - Abteilung für Rückenmarkverletzte, Berufsgenossenschaftliches Universitätsklinikum C in D eingeholt. Dieser hat nach körperlicher Untersuchung des Klägers in seinem Gutachten vom 20.7.2018 ausgeführt, dieser sei bei einer Körpergröße von 1,80 m und einem Gewicht von 95
kg grundsätzlich in der Lage, ein Exoskelett Re-Walk zu nutzen. Da er derzeit ausreichend mit Hilfsmitteln versorgt sei, sei ein solches jedoch medizinisch nicht notwendig. Einem Rollstuhl sei es lediglich beim Treppensteigen überlegen. Beim Gehen könne es weder dessen Geschwindigkeit (5
km/h als Ausgleich für das Gehvermögen eines gesunden Fußgängers) noch Flexibilität und Unabhängigkeit gewähren. Weil das Exoskelett Re-Walk mittels eines technischen Vorgangs in Gang gesetzt werde und Schrittlänge sowie Geschwindigkeit voreingestellt seien, werde der Patient gegangen und gehe nicht selbst. Da auch ein selbständiges Anziehen nicht möglich sei, werde die Behinderung in der Gesamtschau nicht ausgeglichen. Es gebe zwar spezielle Rollstühle, die mit dem Exoskelett Re-Walk "getragen werden" könnten, diese seien jedoch wegen ihrer Breite nicht alltagstauglich. Einen Behinderungsausgleich für die verlorene Spontanmotorik gewährleiste derzeit kein Hilfsmittel.
Auf Antrag des Klägers hat der Neurologe und Sozialmediziner
Prof. Dr. X nach körperlicher Untersuchung des Klägers am 28.2.2019
gem. § 109
SGG ein Gutachten erstattet. Der Kläger hat hierzu einen Bericht über eine am 14.1.2019 im Ambulanten Osteologischen Zentrum L nach der DXA-Methode durchgeführte Knochendichtemessung (Ergebnis: Normalbefund) vorgelegt.
Prof. Dr. X hat in seinem Gutachten ausgeführt, das Exoskelett Re-Walk erlaubte einem Teil der Querschnittsgelähmten ein elektromotorgestütztes aktives Bewegen der Beine. Das sachgerechte Anlegen und Bedienen könne in 3-6 Wochen erlernt werden. Nach der Analyse von 14 Studien mit 111 Patienten von Miller/Zimmermann und Herbert in 2016 habe man in 76% ein freies Gehen ohne Hilfe erreichen können, in 5 Studien hätten 38% der Patienten eine positive Auswirkung auf den spastischen Tonus erreicht und in 3 Studien sei bei 61% der Nutzer eine subjektive und objektive Verbesserung des Verdauungsvorgangs eingetreten. Weitere Studien aus 2018 hätten überwiegend positive Auswirkungen auf die Schmerzen, die Gehfähigkeit, Spastiken und Verdauungsvorgänge gezeigt. Die Publikation von Platz und Krüger aus 2017 hebe hervor, dass selbständiges Stehen und Gehen Grundbedürfnisse des Menschen seien, die das Exoskelett Re-Walk unmittelbar ermögliche. Bei der Untersuchung habe der Kläger erklärt, er erhoffe sich mit dem Exoskelett eine größere Selbständigkeit, indem er
z.B. bei der Arbeit die im 1. Stock liegende Kantine aufsuchen und im Büro oder in Supermärkten selbst an hohe Regale gelangen könne. Auch werde er alleine zu dem in der Nähe gelegenen Restaurant gehen und Freunde treffen können. Er habe ein extra Zimmer, in dem das Exoskelett Re-Walk gelagert und an- und ausgezogen werden könne. Letzteres habe er schon selbständig geschafft. Er sei sich sicher, eine selbständige Benutzung des Geräts erlernen zu können. Die akuten Beschwerden, die 2015 zu einer Unterbrechung des Probetrainings geführt hätten, bestünden nicht mehr. Im Ergebnis hat
Prof. Dr. X festgestellt, dass der Kläger im Rahmen des mittelbaren Behinderungsausgleichs mit den vorhandenen Hilfsmitteln gut versorgt sei, jedoch nicht alle Aktivitäten im privaten und beruflichen Umfeld wahrnehmen könne. Hier biete das Exoskelett ReWalk den besten unmittelbaren Behinderungsausgleich. Der Kläger sei mit seinen Körpermaßen (1,80 m und einem Gewicht von 98
kg) sowohl intellektuell als auch körperlich in der Lage, das Hilfsmittel zu benutzen. Es sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass er das Exoskelett Re-Walk für das selbständige Gehen, Stehen und Aufstehen sowie Hinsetzen und das Treppensteigen mit Hilfe werde nutzen und auf Störungen rechtzeitig werde reagieren können. Das Sturzrisiko sei gering, eine Kontraindikation bestehe nicht. Der Kläger werde in die Lage versetzt, selbständig in aufrechter Haltung mobil zu sein, indem er Schritte und deren Zyklen mittels eines Bedienelements selbst beeinflusse. Andere, gleich geeignete Hilfsmittel stünden auf dem Markt derzeit für eine aufrechte Mobilität nicht zur Verfügung. Die Mobilität im Sitzen werde durch die vorhandenen Hilfsmittel ausreichend gewährleistet.
Dr. B lasse in seinem Gutachten eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem vorhandenen Material vermissen. Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 23.7.2019 abgewiesen. Ein Anspruch unter dem Gesichtspunkt der Behandlungssicherung
i.S.d. § 33 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) komme schon deshalb nicht in Betracht, da der Gemeinsame Bundesausschuss (
G-BA) eine entsprechende Empfehlung bisher nicht abgegeben habe und daher von einer Neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode (NUB) auszugehen sei. Dass einer Behinderung vorgebeugt werden solle (§ 33
Abs. 1 Satz 1, 2. Alt
SGB V) sei nicht ersichtlich und werde auch nicht vorgetragen. Auch ein Behinderungsausgleich im Sinne der 3. Alt. des § 33
Abs. 1 Satz 1
SGB V scheide aus. Wie das SG Dresden (nicht rechtskräftiges Urteil vom 15.3.2017 - S 35 KR 291/16, Az.
LSG Chemnitz: L 1 KR 427/17) zu Recht ausgeführt habe, setze das Exoskelett Re-Walk nicht unmittelbar an der Behinderung an. Es könne die fehlende Steuerbarkeit der Beine nicht wiederherstellen, sondern nur deren ausgefallene Funktion kompensieren. Die Fortbewegung erfolge nicht aus eigener Kraft, sondern durch die eingesetzten Motoren, die Steuerung mit Hilfe der "Bordelektronik". Der Vergleich mit einem dem unmittelbaren Behinderungsausgleich dienenden C-Leg sei nicht möglich, weil dieses das verlorene Körperstück als Prothese unmittelbar ersetzte. Auch der historische Ursprung der Unterscheidung zwischen unmittelbarem und mittelbarem Behinderungsausgleich stütze dieses Ergebnis. Danach wirke sich der unmittelbare Behinderungsausgleich in allen Lebensbereichen aus. Hier gehe selbst der Hersteller davon aus, dass das Exoskelett Re-Walk nicht dauerhaft genutzt werden könne, sondern der Aktivrollstuhl das Hauptfortbewegungsmittel bleibe. Es werde anders als bei einer Beinprothese nicht das Körperteil, sondern eine fehlende Funktion ersetzt und eine Sonderform der passiven Bewegung eröffnet. Der Kläger gehe nicht selbst, sondern werde fortbewegt. Das Exoskelett Re-Walk sei allerdings objektiv zum mittelbaren Behinderungsausgleich geeignet. Denn es befriedige das Grundbedürfnis des Stehens und Gehens. Im Bereich des mittelbaren Behinderungsausgleichs bestehe jedoch nur Anspruch auf eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung. Gegenüber dem Exoskelett Re-Walk sei der Rollstuhl flexibler und schneller. Der derzeitige mittelbare Behinderungsausgleich des Klägers sei nach den Feststellungen des
Dr. B ausreichend.
Prof. Dr. X habe demgegenüber (ungefragt) eine Rechtsfrage beantwortet, in dem er das Exoskelett Re-Walk als unmittelbaren Behinderungsausgleich qualifiziert habe.
Gegen das ihm am 1.8.2019 zugestellte Urteil hat der Kläger am 22.8.2019 Berufung eingelegt und sein Anliegen weiterverfolgt. Das erstinstanzliche Urteil beruhe auf einer Verletzung rechtlichen Gehörs und der Verwertung eines unzureichenden Sachverständigengutachtens. So habe das SG allein auf die Feststellungen des
Dr. B, nicht aber auf die zutreffenden und ausführlichen Erwägungen des
Prof. Dr. X abgestellt.
Dr. B sei gegenüber dem streitgegenständlichen Hilfsmittel voreingenommen, da er es bei der Begutachtung als technisch nicht ausgereift bezeichnet habe. In Folge dessen habe er im Gutachten nicht seinen Einzelfall bewertet, sondern eine abstrakt-regulatorische Stellungnahme abgegeben. Da ihm seine Justizrechte nicht bekannt gewesen seien und er die Umstände seinem Anwalt erst nach der Verhandlung vor dem SG mitgeteilt habe, habe er kein Befangenheitsgesuch gestellt. Der Annahme des mittelbaren Behinderungsausgleichs stehe bei dem Exoskelett Re-Walk entgegen, dass nicht allein die Impulsleitfähigkeit der Nerven, sondern auch die Gleichgewichtsverlagerung von einem auf das andere Bein das Gehen bewirke. Genau diese Kombination ermögliche das Exoskelett Re-Walk unmittelbar. Die ausgefallene Funktion sei das Grundbedürfnis des Stehens und Gehens und nicht die vollständige Wiederherstellung der Nervenleitfähigkeit. Denn nach höchstrichterlicher Rechtsprechung gehe es beim unmittelbaren Behinderungsausgleich nicht um die vollständige oder teilweise Wiederherstellung der Körperfunktion, sondern - unter funktionellem Gesichtspunkt - um die Frage, ob die ausgefallene Körperfunktion selbst ermöglicht, ersetzt oder zumindest erleichtert werde. Dass das streitige Hilfsmittel dem unmittelbaren Behinderungsausgleich zuzuordnen sei, sei mittlerweile rechtskräftig von drei Sozialgerichten entschieden worden (SG Speyer, Urteil vom 20.5.2016 -
S 19 KR 350/15; SG Frankfurt/Oder, Urteil vom 22.6.2018 - S 4 KR 466/15 und SG Landshut, Urteil vom 24.7.2019 - S 6 KR 272/17). Auch sei die Aufnahme des Exoskeletts Re-Walk in das amtliche Hilfsmittelverzeichnis praktisch bedeutungslos, wenn es nur den mittelbaren Behinderungsausgleich diene. Denn dann scheitere ein Anspruch regelmäßig an der Wirtschaftlichkeit der Versorgung. Schließlich wirke das Gehen mit dem Exoskelett Re-Walk auf den Körper wie normales Gehen. Nach den Trainingseinheiten habe er durch ein Kribbeln der Beine gespürt, wie gut sie durchblutet seien. Wenn er nur im Rollstuhl sitze seien seine Beine kalt und schlecht durchblutet.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 23.7.2019 abzuändern und nach dem Klageantrag zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf die erstinstanzliche Entscheidung und ihre bisherigen Ausführungen. Der Eintrag im Hilfsmittelverzeichnis treffe keinerlei Aussage über die Zuordnung zum mittelbaren oder unmittelbaren Behinderungsausgleich. Es fehle dem Berufungskläger ferner die fachliche Expertise, um das Gutachten des
Dr. B in Zweifel zu ziehen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die Gerichtsakten und die Vorprozessakte S 14 KR 322/13/ L 16 KR 559/15, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Die gemäß § 143
SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und begründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht mit Urteil vom 23.7.2019 abgewiesen. Der Bescheid vom 4.10.2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 29.3.2017 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten nach § 54
Abs. 2 Satz 1
SGG. Der Kläger hat einen Anspruch auf die Versorgung mit einem Exoskelett Re-Walk.
Die Berufung ist allerdings nicht im Sinne der Zurückverweisung nach § 159
Abs. 1
Nr. 2
SGG begründet. Einen Verfahrensmangel in Form einer Verletzung rechtlichen Gehörs (§ 62
SGG) vermag der Senat nicht zu erkennen. Im Übrigen war auch eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme durch den Senat nicht notwendig (§ 159
Abs. 1
Nr. 2, 2. Hs
SGG).
Die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist begründet.
Während das für Leistungen der Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen geschaffene Neunte Buch Sozialgesetzbuch (
SGB IX) eigenständig Gegenstände, Umfang und Ausführungen von Teilhabeleistungen regelt, wird hinsichtlich der Zuständigkeit und der Voraussetzungen für die Leistungen zur Teilhabe nach
§ 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IX ausschließlich auf die für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetze verwiesen. Die Vorschriften des 1. Teils des
SGB IX sind maßgebend, soweit die für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Gesetze nichts Abweichendes vorsehen (
vgl. § 7
Abs. 1
S. 1
SGB IX). Abweichend von § 7
Abs. 1
SGB IX gehen die Vorschriften der Kapitel 2 bis 4 den für die jeweiligen Rehabilitationsträgern geltenden Leistungsgesetzen vor. Vom Vorrang dieser Verfahrensregelungen des
SGB IX bleiben die leistungsrechtlichen Bestimmungen der jeweiligen Leistungsgesetze insbesondere in ihren Anspruchsvoraussetzungen und ihrem Leistungsumfang jedoch unberührt (BT-Drs. 18/9522,
S. 1).
Die Beklagte ist als Krankenkasse Rehabilitationsträger (
§ 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX) und für die Erbringung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (
§ 5 Nr. 1 SGB IX) nach Maßgabe der
§ 11 Abs. 2,
§ 40 SGB V zuständig. Da sie den Antrag nicht binnen zwei Wochen nach Eingang weitergeleitet hat, ist sie zwar nach
§ 14 Abs. 2 SGB IX a.F. gegenüber dem Kläger umfassend für Rehabilitationsleistungen zuständig geworden (siehe hierzu:
BSG, Urteil vom 8.8.2019 -
B 3 KR 21/18 R -, juris). Im vorliegenden Fall geht es jedoch ausschließlich um den durch das begehrte Hilfsmittel zu leistenden Behinderungsausgleich im Rahmen der medizinischen Rehabilitation. Ob ein mittelbarer oder unmittelbarer Behinderungsausgleich nach
§ 33 SGB V angestrebt wird, ist an dieser Stelle nicht entscheidungserheblich (
vgl. dazu
BSG Urteil vom 15.3.2018 -
B 3 KR 18/17 R - BSGE 125, 189 = SozR 4-2500 § 13
Nr. 41, RdNr. 33 f. und dazu
BSG SozR 4-2500 § 33
Nr. 48 RdNr. 18 - Fingerendgliedprothese), weil in beiden Varianten nicht die Krankheitsbehandlung i.
S. von
§ 27 Abs. 1,
§ 28 Abs. 1 Satz 1 SGB V (
vgl. dazu
BSG SozR 4-2500 § 33
Nr. 35 RdNr. 10), sondern der Bezug zur Behinderung und seine teilhabeorientierte Begriffsbestimmung nach dem
SGB IX im Vordergrund stehen. Der Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung dient ein bewegliches sächliches Mittel nach der Rechtsprechung des
BSG nur dann, wenn es spezifisch im Rahmen ärztlich verantworteter Krankenbehandlung eingesetzt wird, um zu ihrem Erfolg beizutragen (
vgl. BSGE 98, 213 = SozR 4-2500 § 33
Nr. 15, RdNr. 11; BSGE 93, 176 = SozR 4-2500 § 33
Nr. 7, RdNr. 11). Dies ist hier weder ersichtlich noch vorgetragen. Mit dem Exoskelett Re-Walk wird nicht auf den regelwidrigen
bzw. funktional beeinträchtigten Körperzustand mit dem Ziel der Heilung oder Besserung in einem kurativ-therapeutischen Sinne eingewirkt. Dieser bleibt vielmehr beim Einsatz des Hilfsmittels unverändert und ist im Wesentlichen austherapiert. Auch wenn sich die Nutzung eines Hilfsmittels positiv auf die körperliche Leistungsfähigkeit, die Mobilisierung der Restfunktionen, die Erhöhung der Ausdauer und Belastungsfähigkeit sowie die Krankheitsbewältigung auswirkt (siehe hierzu:
BSG, Urteil vom 8.8.2019 -
B 3 KR 21/18 R -, juris;
BSG Urteil vom 15.3.2018 -
B 3 KR 4/16 R - juris RdNr. 43
ff.), wird es nicht speziell im Rahmen einer ärztlich verordneten Krankenbehandlung eingesetzt.
Versicherte haben nach § 33
Abs. 1
SGB V Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach
§ 34 SGB V ausgeschlossen sind. Anspruch auf Versorgung besteht nur, soweit das begehrte Hilfsmittel ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ist und das Maß des Notwendigen nicht überschreitet; darüber hinausgehende Leistungen darf die Krankenversicherung gemäß
§ 12 Abs. 1 SGB V nicht bewilligen (
vgl. BSG SozR 4-2500 § 33
Nr. 11 RdNr. 16). Nicht entscheidend für den Versorgungsanspruch ist, ob das begehrte Hilfsmittel im Hilfsmittelverzeichnis (
§ 139 SGB V) gelistet ist, denn es handelt sich bei diesem Verzeichnis nicht um eine abschließende Regelung iS einer Positivliste (
BSG SozR 3-2500 § 33
Nr. 16, 20, 27; BSGE 99, 197 = SozR 4-2500 § 33
Nr. 16, RdNr. 20). Da ein Hilfsmittel nach § 139
Abs. 4
SGB V (bereits dann) in das Hilfsmittelverzeichnis aufgenommen, wenn der Hersteller die Funktionstauglichkeit und Sicherheit, die Erfüllung der Qualitätsanforderungen nach
Abs. 2 und, soweit erforderlich, den medizinischen Nutzen nachgewiesen hat und es mit den für eine ordnungsgemäße und sichere Handhabung erforderlichen Informationen in deutscher Sprache versehen ist, kann umgekehrt aus der Listung allein kein Anspruch des Versicherten auf Sachleistung im Einzelfall abgeleitet werden. Ebenso wenig wird mit der Aufnahme des Hilfsmittels eine Aussage über die in § 33
Abs. 1
SGB V zu treffende Zuordnung zum mittelbaren oder unmittelbaren Behinderungsausgleich getroffen. Dies gilt auch dann, wenn der Hersteller die Aufnahme des Hilfsmittels als "innovatives Hilfsmittel zum unmittelbaren Behinderungsausgleich" beantragt, da der Zulassungsbescheid des
GKV-Spitzenverbands vom 20.12.2017 keine diesbezügliche Verfügung trifft und treffen darf.
Durch die Aufnahme in das Hilfsmittelverzeichnis steht allerdings außer Frage, dass es sich bei dem Exoskelett Re-Walk nicht um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens handelt. Unabhängig davon liegt es auf der Hand, dass das Exoskelett Re-Walk speziell Bedürfnissen erkrankter oder behinderter Menschen entgegenkommt und von körperlich nicht beeinträchtigten Menschen praktisch nicht genutzt wird (
vgl. zur Abgrenzung:
BSG SozR 4-2500 § 33
Nr. 30 RdNr. 16 mwN).
Des Weiteren liegt weder ein Ausschlussgrund nach § 34
Abs. 4
SGB V vor, noch begehrt der Kläger eine Doppelversorgung. Der bereits vorhandene Aktivrollstuhl dient als mittelbarer Behinderungsausgleich der Erschließung eines gewissen körperlichen Freiraums im Sitzen, mit dem Stehrollstuhl kann der Kläger eine senkrechte Position einnehmen, sich so aber nicht stehend fortbewegen. Da das streitgegenständliche Hilfsmittel v.a. die aufrechte Fortbewegung ermöglicht, ist es ein Aliud zur vorhandenen Versorgung.
Der Anspruch des Klägers auf Sachleistung ergibt sich vielmehr aus § 33
Abs. 1, Satz 1, 3. Alt.
SGB V unter dem Gesichtspunkt des unmittelbaren Behinderungsausgleichs.
Im Bereich des unmittelbaren Behinderungsausgleichs ist die Hilfsmittelversorgung grundsätzlich von dem Ziel eines vollständigen funktionellen Ausgleichs geleitet. Im Vordergrund steht dabei der unmittelbare Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion. Davon ist auszugehen, wenn das Hilfsmittel die Ausübung der beeinträchtigten Körperfunktion selbst ermöglicht, ersetzt oder erleichtert. Dabei ist das Funktionsdefizit möglichst weitgehend nach dem aktuellen Stand des medizinischen und technischen Fortschritts auszugleichen. Die gesonderte Prüfung, ob ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betroffen ist, entfällt anders als beim mittelbaren Behinderungsausgleich, weil sich die unmittelbar auszugleichende Funktionsbeeinträchtigung selbst immer schon auf ein Grundbedürfnis wie
z.B. das Stehen oder Gehen bezieht; die Erhaltung
bzw. Wiederherstellung einer Körperfunktion ist als solche ein Grundbedürfnis. Dabei kann die Versorgung mit einem fortschrittlichen, technisch weiterentwickelten Hilfsmittel nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der bisher erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend, solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig im Sinne des Gleichziehens mit einem nicht behinderten Menschen erreicht ist (
BSG, Urteil vom 21. März 2013 -
B 3 KR 3/12 R -, SozR 4-2500 § 33
Nr. 40).
Auf das normale Gehen, Stehen und Treppensteigen ausgelegte Beinprothesen dienen gemäß § 33
Abs. 1 Satz 1
SGB V dem unmittelbaren Ersatz des fehlenden Körperteils und dessen ausgefallener Funktion. Bei einer Beinprothese geht es um das Grundbedürfnis des möglichst sicheren, gefahrlosen Gehens und Stehens, wie es bei nicht behinderten Menschen durch die Funktion der Beine gewährleistet ist. Diese Funktion muss in möglichst weitgehender Weise ausgeglichen werden (Urteil des
BSG vom 16.9.2004, BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33
Nr. 8 = USK 2004-81 - C-leg II). Neben den Körperersatzstücken dienen auch Seh- oder Hörhilfen und orthopädische Hilfsmittel dem unmittelbaren Behinderungsausgleich. Ist das Hilfsmittel geeignet, die körperliche Behinderung selbst auszugleichen, also unmittelbar die verloren gegangene Funktion zu ersetzen oder zu kompensieren, kommt es nicht darauf an, in welchem Lebensbereich das Hilfsmittel wirkt oder benutzt wird (
u. a. Urteile des
BSG vom 6. 8. 1998, SozR 3-2500 § 33
Nr. 29 = USK 9899; vom 3. 11. 1999, SozR 3-2500 § 33
Nr. 35 = USK 9970).
Demgegenüber haben Hilfsmittel im Bereich des mittelbaren Behinderungsausgleichs den Zweck, die Folgen der Behinderung durch Kompensation und Aktivierung anderer Sinnesorgane auszugleichen. Dieser ersetzende Ausgleich der Behinderung liegt etwa dann vor, wenn statt der Wahrnehmung durch Sehen die Wahrnehmung durch Hören oder Tasten erfolgt, wenn also ein Blinder durch akustische Signale oder mittels Brailleschrift Informationen aufnimmt. Bei diesem sog. mittelbaren Behinderungsausgleich ist die
GKV allerdings nur für den Basisausgleich der Folgen der Behinderung eintrittspflichtig (statt vieler: Urteil des
BSG vom 18. 5. 2011, SozR 4-2500 § 33
Nr. 35 RdNr. 14 = USK 2011-25): Es geht hier nicht um einen Ausgleich im Sinne des vollständigen Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten Möglichkeiten eines gesunden Menschen. Denn Aufgabe der
GKV ist in allen Fällen allein die medizinische Rehabilitation (
§ 1 SGB V sowie § 6
Abs. 1
Nr. 1 in Verb. mit § 5
Nr. 1 und 3
SGB IX), also die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktionen einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolges, um ein selbstständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich ist von der
GKV daher nur zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft. Nach ständiger Rechtsprechung gehören zu den allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens das Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, die Nahrungsaufnahme, das Ausscheiden, die elementare Körperpflege, das selbstständige Wohnen sowie das Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums (BSGE 93, 176, 180 = SozR 4-2500 § 33
Nr. 7, RdNr. 12; BSGE 91, 60, 63 RdNr. 9 = SozR 4-2500 § 33
Nr. 3 RdNr. 10; SozR 3-3300 § 14
Nr. 14; stRspr).
Unter Anwendung dieser Maßstäbe ordnet der Senat das Exoskelett Re-Walk dem unmittelbaren Behinderungsausgleich zu (so auch SG Speyer, Urteil vom 20.5.2016 -
S 19 KR 350/15 und SG Gießen, Urteil vom 19.4.2017 - S 9 KR 131/15 - beide rechtskräftig, a.A. SG Dresden, Urteil vom 15.3.2017 -
S 25 KR 791/16). Es ersetzt als orthopädisches Hilfsmittel die Funktion der Beine, in dem es jedenfalls das selbständige Stehen und Gehen - auf das der Senat im Folgenden maßgeblich abstellt - ermöglicht.
Bei der Frage, welche Körperfunktion ausgeglichen wird, ist nicht auf die durch die Querschnittslähmung verursachte Nervenschädigung und die damit verbundene Bewegungslosigkeit der Beine zu rekurrieren. Weder das Exoskelett Re-Walk noch sonst ein auf dem Markt erhältliches Hilfsmittel ist derzeit in der Lage, dem Kläger wieder ein willensgesteuertes Bewegen seiner Beine zu ermöglichen. Es geht vielmehr - universeller betrachtet - um den Ausgleich der durch den körperlichen Schaden verloren gegangenen Funktion der Beine, die für den Menschen im Wesentlichen aus dem Stehen und Gehen besteht. Die nicht krankheits- sondern funktionsbezogen-generelle Betrachtungsweise findet auch bei den dem unmittelbaren Behinderungsausgleich zuzurechnenden Seh- und Hörhilfen Anwendung. Denn eine Brille oder ein Hörgerät gleichen - unabhängig von der Funktionsstörung der Augen
bzw. des Ohres - die Funktion des Sehens oder des Hörens aus. Welche Erkrankung und welche körperliche Störung den Ausfall der Funktion verursacht haben, ist unerheblich. Dem entsprechend kann es bei der weggefallenen Funktion des Stehens und Gehens auch nicht darauf ankommen, ob diese
z.B. wegen des Fehlens eines Bein(teil)s oder einer Querschnittslähmung weggefallen ist.
Das Exoskelett Re-Walk ersetzt jedenfalls die Funktion des Stehens und Gehens. Der Kläger legt das Exoskelett wie eine zweite Hose an, wählt auf der Fernbedienung das Programm "Stehen" und löst den Aufstehvorgang durch seine Vorwärtsneigung und sein Bewegen der Unterarmgehstützen aus. Wählt er das "Gehen" aus, wird dieses durch sein Vorwärtsneigen und -bewegen der Unterarmgehstützen ausgelöst. Das Gehen endet, sobald der Kläger die Unterarmgehstützen nicht mehr bewegt. Obwohl das Exoskelett Re-Walk - anders als mechatronische Prothesen wie
z.B. das C-leg - kein Körperersatzstück ist, wird das Gehen bei beiden Hilfsmitteln auf ähnliche Weise ermöglicht. Vor der Verwendung des C-Legs muss auch dieses in Kombination mit der Fernbedienung in Form des Mobiltelefons vor der Nutzung mit Hilfe eines Orthopädietechnikers auf die Bedürfnisse des Nutzers eingestellt werden. Auch das C-Leg verfügt über voreingestellte Basiseinstellungen, die der Techniker nach den Bewegungsmustern, häufig wiederkehrenden Aktivitäten und entsprechend des Alltags des Nutzers fixiert (siehe https://www.ottobock.de/prothesen/was-ist-mir-wichtig/app-steuerung/). Der Nutzer kann diese Einstellungen über eine "Cockpit-App" auf seinem Mobiltelefon modifizieren ("MyModes"). Ähnlich wie das Exoskelett Re-Walk muss auch das C-Leg "angelegt" und vor der Nutzung der gewünschte Modus mit Hilfe der Fernbedienung gewählt werden. Auch die - ebenfalls dem unmittelbaren Behinderungsausgleich zuzuordnenden - Hörgeräte werden zunächst technisch auf die verschiedenen Alltagsumgebungen des Anwenders justiert und müssen vor der Nutzung angezogen, angestellt und
ggf. auf die Umgebung eingestellt werden.
Zwar ist die Schrittlänge beim Exoskelett Re-Walk voreingestellt und wirkt das Gehen mit dem Hilfsmittel im Verhältnis zu dem Gang eines gesunden Menschen oder eines C-Leg-Nutzers -primär wegen der apparativen umfangreichen Gestaltung - "maschineller", sodass das Gehen als "rewalken" bezeichnet werden könnte. Die von
Dr. B gewählte Formulierung, der Kläger gehe nicht, sondern "werde gegangen", ist nach Beurteilung des Senats unzutreffend und erweckt in irreführender Weise den Eindruck der Kläger könne das Gerät nicht beherrschen und "werde passiv in einer Art Techno-Hose bewegt". Zwar kann der Kläger seine Beine durch das Hilfsmittel nicht eigenständig bewegen, sie werden vielmehr durch die von ihm in Gang gesetzte Apparatur mobilisiert. Dies ist aber bei Menschen, die einseitig oder beidseitig mit einem C-Leg versorgt sind (https://www.ottobock.de/prothesen/was-ist-mir-wichtig/beidseitige-versorgung/), nicht anders. Das C-Leg ermöglicht es dem Nutzer auch nicht, sein (ausgefallenes) Kniegelenk
bzw. nicht mehr vorhandene Bein eigenständig zu steuern, dies wird durch die ferngesteuerte Mechatronik ersetzt. Anders ist es auch nicht bei den - ebenfalls dem unmittelbaren Behinderungsausgleich zuzuordnenden (SG Nürnberg, Urteil vom 08.10.2019 - S 3 KR 16/19 -, Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 19.6.2008 -
L 8 KR 69/07 -) - Unterarmgehstützen, die weder ein flüssiges Gangbild ermöglichen, noch ein eigenständiges Gehen mit den Beinen ermöglichen. Beim Exoskelett Re-Walk werden die funktionslosen Beine durch das äußere Skelett gehalten und bewegt; durch die Programmwahl, den Gleichgewichtssinn und das Bewegen der Unterarmgehstützen entscheidet der Nutzer, wann, wohin und wie lange er geht. Damit ist festzuhalten, dass auch andere Hilfsmittel des unmittelbaren Behinderungsausgleichs den Willensentschluss des Betroffenen zur Nutzung sowie die sachgerechte Bedienung der Hard- und Software voraussetzen, dann aber - gleich ob als C-Leg, Unterarmgehstützen oder Exoskelett - ein selbstbestimmtes aufrechtes Gehen und Stehen ermöglichen.
Das Exoskelett Re-Walk gleicht die Behinderung auch deshalb nicht nur mittelbar aus, weil die Auswirkung der ausgefallenen Körperfunktion nicht durch ein Aliud ersetzt oder einen anderen Sinn kompensiert werden muss. Der Aktivrollstuhl ermöglicht dem Kläger zwar im Rahmen des mittelbaren Behinderungsausgleichs eine Ortsveränderung. Diese wird aber nicht durch die ausgefallene Funktion der Beine, sondern durch etwas anderes, das Sitzen und Fahren des Rollstuhls, ermöglicht. Anders als bei der Lichtanlage als Warnsystem für Gehörlose (siehe: Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 12. Mai 2011 -
L 5 KR 44/10 -, juris) wird die ausgefallene Körperfunktion (Hören) auch nicht durch einen anderen Sinn (Sehen) ersetzt.
Auch die Auswirkungen des "Rewalkens" sind mit denen des Gehens eines gesunden Menschen vergleichbar. Dies ergibt sich für den Senat nicht nur aus dem Erfahrungsbericht des Klägers, der nach der Nutzung des Exoskeletts Re-Walk eine verbesserte Durchblutung der Beine feststellen konnte. Vielmehr belegen auch die Studie "Klinische Wirksamkeit und Sicherheit von Exoskeletten mit Antrieb zur Gangunterstützung von Patienten mit Rückenmarksverletzung: systematische Übersicht mir Meta-Analyse" von Miller/Zimmermann/Herbert, 2016 sowie die Ausführungen des
Dr. C, des
Dr. G und des
Prof. Dr. X, dass sich die Nutzung des Hilfsmittels positiv auf die sensomotorischen Restfunktionen, die koordinativen Fähigkeiten, die Verdauung, das Herz-Kreislaufsystem, die Kondition und Beweglichkeit auswirkt und zudem das Risiko von Osteoporose und Mobilitätseinschränkungen verringert. Dass durch die erweiterte Teilnahme am gesellschaftlichen Leben in aufrechter Haltung zusätzlich die Lebensqualität, das Selbstwertgefühl und das subjektive Zugehörigkeitsgefühl positiv beeinflusst werden, liegt für den Senat auf der Hand.
Das begehrte Exoskelett Re-Walk ist für den unmittelbaren Behinderungsausgleich des Klägers auch geeignet und im Einzelfall erforderlich.
Dr. C,
Dr. G und die beiden gerichtlichen Sachverständigen haben übereinstimmend angegeben, dass der Kläger sowohl körperlich als auch intellektuell in der Lage ist, das Hilfsmittel zu benutzen. Der Kläger hat dies auch in mehreren Testungen unter Beweis gestellt.
Dr. C beschreibt, dass der Kläger das Hilfsmittel bereits eigenständig habe anlegen und ohne Hilfe habe stehen können. Nach den 5 im Jahr 2015 durchgeführten Testeinheiten konnte der Kläger mit nur noch geringer Hilfe 25 m gehen. Der Senat geht daher davon aus, dass der Kläger nach weiterer Anleitung und Übung in der Lage sein wird, das Exoskelett Re-Walk selbständig an- und abzulegen und eigenständig zu Stehen und zu Gehen. Dies ergibt sich auch aus den Ausführungen des
Dr. G und des
Prof. Dr. X.
Dr. U (MDK) hat nichts Gegenteiliges behauptet. Denn er hat auf Grund der nicht zu Ende geführten Erprobung und des daher ausgefallenen Nachuntersuchungstermins lediglich angegeben, den medizinische Nutzen des begehrten Hilfsmittels nicht prüfen zu können.
Die Bedenken der Beklagten hinsichtlich des Körpergewichts des Klägers verfangen nicht. Es ist weder nicht ersichtlich, dass der Kläger das für die Nutzung zugelassene Maximalgewicht überschreitet, noch haben die gehörten Ärzte entsprechende Einwände erhoben. Die hinsichtlich eines möglichen positiven Osteoporose-Befunds erhobenen Bedenken sind durch die Durchführung und das Ergebnis (Normalbefund) des von ihr geforderten wünschten DXA-Tests ausgeräumt.
Das Exoskelett Re-Walk eignet sich für das Aufstehen, Stehen und Gehen sowohl in geschlossenen Räumen als auch im Freien, sowohl für die Nutzung im privaten wie beruflichen Umfeld des Klägers. Die Beklagte weist zwar zu Recht darauf hin, dass die Nutzung des Exoskeletts Re-Walk Einschränkungen unterlegen ist. Diese können sich
z.B. aus der Beschaffenheit von Untergründen oder widrigen Witterungsbedingungen ergeben. Des Weiteren wird der Kläger in Sondersituationen (besondere Schrägen) oder beim Treppensteigen der Hilfe einer kundigen Person bedürfen. Schließlich ergeben sich aus der Akkulaufzeit des Haupt- und Ersatz Akkus (jeweils 4 Stunden) sowie den Aufladezeiten (jeweils 7 Stunden) zeitliche Beschränkungen pro Tag. Auch ist nicht zu erwarten, dass der Kläger das Exoskelett Re-Walk 8 Stunden am Stück wird nutzen können. Diese sich im Verhältnis zu der Gehfähigkeit eines gesunden Menschen ergebenden Nutzungseinschränkungen vermögen an der Notwendigkeit der Versorgung jedoch nichts zu ändern. Denn ein Gleichziehen mit Nichtbehinderten ist zwar letztlich das anzustrebende Ziel einer Versorgung, nicht jedoch deren Voraussetzung. Die dargestellten Einschränkungen, die im Übrigen auch bei anderen dem unmittelbaren und mittelbaren Behinderungsausgleich dienenden Hilfsmitteln bekannt sind, können die Versagung der begehrten Leistung daher nicht rechtfertigen.
Die Erforderlichkeit des Exoskeletts Re-Walk ergibt sich daraus, dass dem Kläger -wie beide Sachverständigen bestätigt haben - derzeit mit keinem gleich geeigneten auf dem Markt erhältliche Hilfsmittel ermöglicht werden kann, selbständig zu Gehen und zu Stehen. Insbesondere ist weder die bisherige Versorgung des Klägers mit Aktiv-Rollstuhl und Stehständer noch das Angebot der Beklagten, den Kläger mit einem Stehrollstuhl und einem Bewegungstrainer zu versorgen geeignet, dem Kläger den aufrechten Gang zu ermöglichen.
Das in
§ 2 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 12
Abs. 1
SGB V verankerte Wirtschaftlichkeitsgebot steht dem klägerischen Anspruch nicht entgegen. § 12
Abs. 1
SGB V bestimmt, dass die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein müssen und das Maß des Notwendigen nicht überschreiten dürfen. Wählen Versicherte Hilfsmittel, die über das Maß des Notwendigen hinausgehen, haben sie die Mehrkosten und dadurch bedingte höhere Folgekosten selbst zu tragen (§ 33
Abs. 1 Satz 5
SGB V; ebenso
§ 31 Abs. 3 SGB IX -
vgl. nur
BSG, Urteile vom 16.09.2004 -
B 3 KR 20/04 R -, vom 25.06.2009 -
B 3 KR 10/08 R -, vom 21.03.2013 - B 3 KR 3/12 R -, vom 17.12.2009 -
B 3 KR 20/08 R - und vom 24.01.2013 -
B 3 KR 5/12 R -). Die Wirtschaftlichkeit eines dem unmittelbaren Behinderungsausgleich dienenden Hilfsmittels ist grundsätzlich zu unterstellen und erst zu prüfen, wenn mehrere tatsächlich gleichwertige, aber unterschiedlich teure Hilfsmittel zur Wahl stehen (
BSG, Urteil vom 06.06.2002 -
B 3 KR 68/01 R -, vom 25.06.2009 -
B 3 KR 4/08 R -, vom 20.11.2008 -
B 3 KR 6/08 R - und vom 25.06.2009 - B 3 KR 10/08 R -). Daran fehlt es - wie bereits ausgeführt - im vorliegenden Fall aber.
Im Ergebnis hat der Kläger Anspruch auf den unmittelbaren Behinderungsausgleich durch das Exoskelett Re-Walk nach § 33
Abs. 1, Satz 1, 3. Alt.
SGB V.
Der Kläger kann seinen geltend gemachten Anspruch schon deshalb nicht (auch) auf eine Genehmigungsfiktion nach
§ 13 Abs. 3 a SGB V stützen, weil diese Regelung auf Leistungen der medizinischen Rehabilitation nicht anwendbar ist; § 13
Abs. 3 a Satz 9
SGB V (
BSG, Urteil vom 15.3.2015 - B 3 KR 18/17 R).
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 193
Abs. 1 Satz 1, 183
SGG.
Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage, ob die Versorgung mit einem Exoskelett dem mittelbaren oder unmittelbaren Behinderungsausgleich zuzuordnen ist, zugelassen (§ 160
Abs. 2
Nr. 1
SGG).