Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und begründet (§ 151 des Sozialgerichtsgesetzes -
SGG -). Sie führt zur Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts. Die Leistungsklage der Klägerin ist unbegründet und damit abzuweisen, denn sie hat keinen Anspruch auf Zahlung von 1.293,33
EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozent über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 20. Juli 2004 gegen die Beklagte.
Für die Versorgung des Versicherten kann die Klägerin weder eine vertragliche Vergütung nach dem
SGB V noch eine Zahlung aus einem anderen Rechtsgrund verlangen.
Rechtsgrundlage für den Zahlungsanspruch kann nur ein öffentlich-rechtlicher Gebrauchsüberlassungsvertrag zwischen der Klägerin und der Beklagten sein.
§ 2 Abs. 2 Satz 3 SGB V bestimmt, dass die Krankenkassen über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels Verträge mit den Leistungserbringern abschließen. Diese Verträge sind gemäß
§ 69 Abs. 1 Satz 1 SGB V dem öffentlichen Recht zuzuordnen. Für die Versorgung der Versicherten mit Hilfsmitteln richtet sich die Konkretisierung des Leistungserbringerrechts nach
§§ 126 ff. SGB V. Gemäß § 126
Abs. 1 Satz 1
SGB V dürfen Hilfsmittel an Versicherte nur auf der Grundlage von Verträgen nach
§ 127 Abs. 1, 2 und 3 abgegeben werden. Danach hat die Klägerin einen Anspruch auf Vergütung der von ihr erbrachten Leistung nur, wenn zwischen ihr und der Beklagten ein Vertrag über die Überlassung der Knieorthese "Advance" an den Versicherten zustande gekommen ist und sie hieraus einen Vergütungsanspruch herleiten kann. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
Es fehlt an einer entsprechenden Einigung zwischen der Klägerin und der Beklagten. Dabei braucht der Senat keine Entscheidung zu treffen, welcher der beiden in Betracht kommenden Landesrahmenverträge hier anwendbar ist. Denn vorliegend ist eine bindende Vereinbarung der Beteiligten weder nach der Vereinbarung über Preise für Leistungen der Großorthopädie nach der Bundesprothesenliste und über Preise für Hilfsmittel und Krankenpflegeartikel vom 18. Juli 2003 (Rahmenvertrag Hessen), noch nach der Vereinbarung über Preise im Orthopädie- und Bandagistenhandwerk vom 1. Dezember 2002 (Rahmenvertrag Thüringen) zustande gekommen. Beide Landesverträge machen die Versorgung mit einer Knieorthese von der vorherigen Zustimmung der Krankenkasse abhängig. Daran fehlt es:
Die Klägerin durfte den Versicherten nach keinem der beiden Rahmenverträge zu Lasten der Beklagten mit einer Knieorthese "Advance" versorgen, weil sie nicht vorab einen Kostenvoranschlag eingereicht und die Beklagte diese konkrete Versorgung genehmigt hat. Die Beklagte ist erstmals mit dem Kostenvoranschlag vom 11. Dezember 2003 mit der ärztlichen Verordnung befasst worden, obwohl die Knieorthese dem Versicherten bereits am 9. Dezember 2003 ausgehändigt worden war.
Das Zustimmungserfordernis ergibt sich für die Vereinbarung über Preise im Orthopädie- und Bandagistenhandwerk vom 1. Dezember 2002 aus § 7 Satz 7 des Vertrages. Dieser bestimmt, dass alle übrigen, nicht in die Kassenliste Thüringen aufgenommenen Hilfsmittel mit einem Abgabepreis von mehr als 110,00
EUR inklusive Mehrwertsteuer vor Leistungsabgabe der Krankenkasse zur Genehmigung vorzulegen sind. Da die Knieorthese "Advance" in der Kassenliste Thüringen nicht aufgeführt ist, wäre sie verpflichtet gewesen, vor Versorgung des Versicherten eine Genehmigung einzuholen.
Die Vereinbarung über Preise für Leistungen der Großorthopädie nach der Bundesprothesenliste und über Preise für Hilfsmittel und Krankenpflegeartikel vom 18. Juli 2003 begründet in § 2
Abs. 2
i.V.m. der für Hilfsmittel geltenden Anlagen 1 eine Genehmigungspflicht. Dort ist unter der Ziffer 23.04.00.9000 ausdrücklich geregelt, dass Knieorthesen genehmigungspflichtig sind. Eine Ausnahme nach § 2
Abs. 6
bzw. 7 von der Genehmigungspflicht besteht nicht, da die Knieorthese die dort genannte Preisgrenze von maximal 200,00
EUR zuzüglich Mehrwertsteuer deutlich übersteigt.
Von der Entbehrlichkeit einer vorherigen Zustimmung der Beklagten zur Versorgung ihres Versicherten mit einer Knieorthese "Advance" kann nicht deshalb ausgegangen werden, weil die Versorgung eine im Sinne von
§ 13 Abs. 3 Satz 1 Alternative 1 SGB V unaufschiebbare Leistung darstellt (
vgl. hierzu
BSG, Urteil vom 10. April 2008 - Az.:
B 3 KR 8/07 R, zitiert nach Juris). Es kann offen bleiben, ob § 13
Abs. 3
SGB V, der das Verhältnis zwischen Versicherten und Krankenkasse im Rahmen der Kostenerstattung regelt, im Verhältnis Krankenkassen und Leistungserbringer überhaupt Anwendung finden kann. Jedenfalls liegen die Voraussetzungen der Vorschrift bereits deshalb nicht vor, weil die Versorgung mit der Knieorthese keine unaufschiebbare Leistung im Sinne der Vorschrift darstellt.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist eine Leistung im Sinne von § 13
Abs. 3 Satz 1 Alternative 1
SGB V unaufschiebbar, wenn es dem Versicherten angesichts der Gesamtumstände nicht zumutbar ist, mit dem Beginn einer Behandlung bis zu einer Entscheidung der Krankenkasse zu warten. Die Leistung muss im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Erbringung so dringlich sein, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten Aufschubs besteht (
vgl. BSG, Urteil vom 10. April 2008 - Az.: B 3 KR 8/07 R, zitiert nach Juris). Für das Vorliegen dieser Voraussetzung ist nichts ersichtlich. Nach dem eingeholten Sachverständigengutachten von
Dr. S. spricht nichts dafür, dass der Versicherten unmittelbar am Tag der Operation mit der Knieorthese hätte versorgt werden müssen. Die Knieorthese "Advance" wird zur Funktionsverbesserung vorhandener, aber funktionsgestörter Körperteile eingesetzt. Sie besteht nach den Ausführungen des Sachverständigen aus einem jeweils innen und außen befindlichen Schienensystem, das über jeweils zwei Klettbänder an Ober- und Unterschenkel am Bein angebracht wird. Entscheidend sind dabei die innen und außen auf Kniegelenkshöhe zu justierenden Gelenke. Diese haben nicht nur eine Führungsfunktion, sondern üben durch eine Art Federwirkung kontinuierlich Druck aus, der dazu beitragen kann, dass ehemals verkürzte Muskelfasern
bzw. Sehnenbänder und die Gelenkkapsel wieder auf das ursprüngliche Maß gedehnt werden. Darüber hinaus dienen sie der Stabilisierung. Der Einsatz der Schiene stellt eine Ergänzung zur physiotherapeutischen Behandlung und zur Eigenübung nach Anleitung dar. Bereits hieraus ergibt sich, dass nichts dafür ersichtlich ist, dass mit dieser Behandlung unmittelbar nach der Operation begonnen werden muss. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Versicherte gehalten gewesen wäre, zeitlich unbegrenzt auf eine Genehmigung durch die Beklagte
bzw. ihrer Rechtsvorgängerin zu warten. Nach Stellung des Genehmigungsantrages hätte sich die Beklagte für die Prüfung des Antrages nicht unbegrenzt Zeit lassen dürfen. Welcher Zeitraum noch angemessen gewesen wäre, braucht im vorliegenden Fall nicht geklärt zu werden, weil eine vorherige Befassung der Beklagten überhaupt nicht stattgefunden hat.
Dass von einer Unaufschiebbarkeit des Einsatzes der Knieorthese "Advance" nicht ausgegangen werden kann, ergibt sich auch aus den weiteren Ausführungen des Sachverständigen. Auf Seite 9 des Gutachtens legt er dar, dass die behandelnden Ärzte nach arthroskopischer weitgehender Sanierung des rechten Kniegelenks mit der Verordnung der Knieorthese "Advance" offensichtlich beabsichtigten, die durch längeren Krankheitsverlauf eingetretene Bewegungsstörung unterstützend zu behandeln und damit den Behandlungsverlauf insgesamt zu verkürzen. Von einer zwingenden Erforderlichkeit der Verordnung der Knieorthese geht der Gutachter nicht aus. Er hält die Verordnung zum damaligen Zeitpunkt lediglich für sinnvoll. Dies wird noch einmal auf Seite 11 des Gutachtens betont, wo der Sachverständige erneut ausführt, dass eine Indikationsstellung für die Verordnung der Knieorthese durchaus vorhanden war, eine Verordnung allerdings nicht zwingend erfolgen musste. Ausdrücklich legt er dar, dass er selbst die Knieorthese erst verordnet hätte, wenn physiotherapeutische und Eigenübungen über einen längeren Zeitraum hinweg keinen Erfolg gezeigt hätten. Wenn eine Verordnung der Knieorthese medizinisch nicht zwingend erforderlich war, kann erst recht nicht von einer Unaufschiebbarkeit der Leistungserbringung die Rede sein.
Die Klägerin kann ihren Zahlungsanspruch auch nicht auf eine entsprechende Anwendung der Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung (§§ 812ff.
BGB analog) stützen. Einem derartigen Anspruch stehen übergeordnete Gesichtspunkte entgegen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Leistungs- und Leistungserbringerrecht in der
GKV haben Bestimmungen, die die Vergütung ärztlicher oder sonstiger Leistungen von der Erfüllung bestimmter formaler oder inhaltlicher Voraussetzungen abhängig machen, innerhalb dieses Systems die Funktion zu gewährleisten, dass sich die Leistungserbringung nach den geltenden gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen vollzieht. Daher ist es ständige Rechtsprechung, dass
z.B. der Vertragsarzt, der Apotheker oder ein sonstiger Leistungserbringer auch bereicherungsrechtlich die Abgeltung von Leistungen, die unter Verletzung derartiger Vorschriften bewirkt worden sind, selbst dann nicht verlangen kann, wenn die Leistung im Übrigen ordnungsgemäß erbracht worden und für den Versicherten geeignet und nützlich sind (
vgl. BSG, Urteil vom 10. April 2008 - Az.: B 3 KR 8/07 R, zitiert nach Juris Rn. 23). Eine Ausnahme hiervon kann nur gemacht werden, soweit bestimmte Vorschriften reine Ordnungsfunktion haben. In diesen Fällen besteht kein Grund, dem Leistungserbringer eine Entschädigung zu versagen.
Dies ist vorliegend aber nicht der Fall. Denn die Vorschriften zur Notwendigkeit der Einreichung eines Kostenvoranschlages erfüllen nicht nur eine reine Ordnungsfunktion. Die Einreichung eines Kostenvoranschlages und das zu durchlaufende Genehmigungsverfahren dienen der vollständigen Prüfung eines Sachleistungsanspruchs des Versicherten. Ziel des Verfahrens ist es auch, festzustellen, ob es sich um eine wirtschaftliche Versorgung im Sinne von
§ 12 SGB V handelt. Diese Prüfung ist ohne Einreichung eines Kostenvoranschlages nicht möglich. Daher ist dieser ein zwingendes Element des einzuhaltenden Beschaffungsweges bei der Bereitstellung eines Hilfsmittels. Der mit dem Genehmigungsverfahren verfolgte Zweck würde leer laufen, wenn Versorgungen mit Hilfsmitteln auch dann zu einem Anspruch des Leistungserbringers führen, wenn sie ohne diese Voraussetzungen durchgeführt worden sind.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a
SGG i.V.m. § 154
Abs. 1 und
Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (
VwGO).
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160
Abs. 2
SGG nicht vorliegen.