Urteil
Zurruhesetzungsverfügung eines Polizeivollzugsbeamten

Gericht:

VG Bayreuth 5. Kammer


Aktenzeichen:

B 5 S 13.914 | 5 S 13.914


Urteil vom:

19.03.2014


Grundlage:

  • BPolBG § 4 Abs. 1 |
  • BBG § 44 Abs. 1 S. 1 |
  • BBG § 44 Abs. 2 |
  • BBG § 44 Abs. 3 |
  • BBG § 44 Abs. 4 |
  • BBG § 47 |
  • SGB IX § 84 Abs. 2 |
  • BPersVG § 78

Tenor:

I. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 28. Oktober 2013 gegen die Zurruhesetzungsverfügung der Antragsgegnerin vom 10. Oktober 2013 wird bis zum Erlass des Widerspruchsbescheids wiederhergestellt.

II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Der Streitwert wird auf 17.594,59 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Der am ... geborene Antragsteller ist Polizeivollzugsbeamter (Polizeimeister, Statusamt A7) bei der Bundespolizei, Bundespolizeiabteilung .... Er begehrt die - bis zum Erlass eines Widerspruchsbescheids befristete - Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die mit Bescheid vom 10. Oktober 2013 ausgesprochene Versetzung in den Ruhestand zum 31. Oktober 2013.

Der Antragsteller leidet unter einer Körperstörung mit chronischem Schmerzsyndrom im Bereich des Stütz- und Bewegungsapparates; aufgrund der körperlichen Beschwerden ist auch eine psychische Störung hinzugetreten. Zuletzt war er im Bereich Einsatz/ Unterstützung/ Standortservice sowie Polizeitechnik/ Versorgung tätig und nahm dort die Tätigkeit als Wart für die Schießanlage der Abteilung war. Seine krankheitsbedingten Fehlzeiten betrugen im Jahr 2011 68 Arbeitstage, im Jahr 2012 110 Arbeitstage und im Jahr 2013 35 Arbeitstage.

Dem sozialmedizinischen Gutachten vom 28. Juli 2005 ist zu entnehmen, der Antragsteller genüge in seiner Funktion als Polizeivollzugsbeamter nicht mehr den gesundheitlichen Anforderungen für den Polizeivollzugsdienst. Es lägen Einschränkungen hinsichtlich folgender Tätigkeitsmerkmale vor: Einsätze, Selbstverteidigung, Anwendung unmittelbaren Zwangs, Führen von Dienstfahrzeugen unter Einsatzbedingungen, dienstlicher Leistungssport. Schweres Heben und Tragen sei zu vermeiden. Unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen sei der Antragsteller aber gesundheitlich geeignet für den allgemeinen Verwaltungsdienst bzw. für eine Innendienstfunktion des mittleren Polizeivollzugsdienstes.

Mit Erlass vom 26. Juni 2007 wurde der Antragsteller für den Laufbahnwechsel in den allgemeinen Verwaltungsdienst des Bundes zugelassen. Da es ihm aufgrund von Unfällen und Erkrankungen nicht möglich war, im Rahmen der Umschulung an den theoretischen Unterweisungen beim Bundesverwaltungsamt in Köln (BVA) teilzunehmen, wurde die Verfügung zum Laufbahnwechsel wieder zurückgenommen.

Beim Antragsteller wurde am 5. Mai 2010 eine weitere Untersuchung auf gesundheitliche Eignung für den Polizeivollzugsdienst durchgeführt. Als Gesamtergebnis der Untersuchung wurde von Medizinalrat ... unter dem 10. Mai 2010 festgestellt, dass der Antragsteller für den allgemeinen Verwaltungsdienst nur eingeschränkt gesundheitlich geeignet sei. Es sei nach ärztlich-wissenschaftlicher Erfahrung nicht zu erwarten, dass die uneingeschränkte gesundheitliche Eignung für den Polizeivollzugsdienst innerhalb zweier Jahre wiedererlangt werde. Nach wie vor bestünden die bereits im Gutachten vom 28. Juli 2005 festgestellten Verwendungseinschränkungen. Außerdem sei für den Antragsteller eine Tätigkeit mit der Möglichkeit, die Körperposition nach eigenem Dafürhalten zwischen Gehen, Stehen und Sitzen zu wechseln, notwendig. Es sei weiterhin unwahrscheinlich, dass der Antragsteller eine theoretische Einweisung beim BVA Köln durchhalten könne. Zur Besserung des Gesundheitszustands werde eine stationäre Schmerztherapie für sinnvoll gehalten. Aufgrund des bisherigen Krankheitsverlaufs sei mit einer grundlegenden Besserung des Gesundheitszustands ohne stationäre Therapie nicht zu rechnen.

Eine Schmerztherapie trat der Antragsteller nicht an, weil der für ihn zuständige Leiter Polizeiärztlicher Dienst diese aus kurativmedizinischer Sicht nicht für sinnvoll gehalten hat.

Mit Erlass vom 17. Dezember 2010 hatte das Bundesministerium des Innern (BMI) das für eine Zurruhesetzung erforderliche Einvernehmen nicht hergestellt. Zur Begründung führte das BMI aus, dass der Antragsteller nach einer gelungenen Wiedereingliederung wieder vollschichtig gearbeitet habe. Mit Erlass vom 28. Februar 2011 versagte das BMI erneut die Erteilung seines Einvernehmens zur beabsichtigten Zurruhesetzung des Antragstellers.

In seinem weiteren sozialmedizinischen Gutachten vom 10. August 2012 führte Medizinaloberrat ... aus, der Antragstellers sei auch weiterhin nicht uneingeschränkt gesundheitlich geeignet für den Polizeivollzugsdienst. Es sei nach ärztlich-wissenschaftlicher Erfahrung nicht zu erwarten, dass die uneingeschränkte gesundheitliche Eignung für den Polizeivollzugsdienst innerhalb zweier Jahre wiedererlangt werde. Der Gutachter wiederholte erneut die bereits festgestellten Verwendungseinschränkungen und führte weiter aus, der Antragsteller sei im Gegensatz zum sozialmedizinischen Gutachten vom 10. Mai 2010 nicht mehr gesundheitlich geeignet für den allgemeinen Verwaltungsdienst. Aufgrund einer deutlichen Verschlechterung des Krankheitsbildes sei eine für den Antragsteller entsprechende Tätigkeit nicht mehr abzuverlangen. Dies sei auch halbschichtig nicht mehr möglich. Eine erneute Verbesserung seines Gesundheitszustands sei durchaus möglich. Eine entsprechende Therapie werde bei dem chronifiziertem Krankheitsbild aller Voraussicht nach jedoch eine Dienstfähigkeit nicht vor Ablauf von zwei Jahren erbringen. Somit sei eine erneute Überprüfung der Dienstfähigkeit frühestens nach Ablauf von zwei Jahren sinnvoll. In einer separaten und für die Personalakte bestimmten ärztlichen Mitteilung vom 10. August 2012 stellte Medizinaloberrat ... abschließend fest, der Antragsteller sei weder für den Polizeivollzugsdienst noch für den allgemeinen Verwaltungsdienst gesundheitlich geeignet.

Mit Schreiben vom 27. August 2012 wurde die Dienstunfähigkeit des Antragstellers auf der Grundlage des § 44 Abs. 1 Satz 1 Bundesbeamtengesetz (BBG) festgestellt und dem Antragsteller mitgeteilt, dass seine Versetzung in den Ruhestand beabsichtigt sei. Im Rahmen des Anhörungsverfahrens äußerte sich der Bevollmächtigte des Antragstellers mit Schreiben vom 25. September 2012 dahingehend, dass beim Antragsteller durch einen Bescheid des Versorgungsamtes Region Oberfranken vom 5. Dezember 2011 ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 festgestellt worden sei. Bei der Bundesagentur für Arbeit sei darüber hinaus die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen nach § 2 Abs. 3 Sozialgesetzbuch IX (SGB IX) beantragt worden. Der Antragsteller übe derzeit einschränkungslos eine Tätigkeit als Wart für die Schießanlagen aus. Folglich sei nicht erkennbar, dass das Organisationsermessen des Dienstherrn hinsichtlich der Weiterbeschäftigung von polizeidienstunfähigen Beamten ausreichend beachtet worden sei. Es sei unverständlich, dass die für sinnvoll gehaltene stationäre Schmerztherapie nicht durchgeführt werde, welche nach dem sozialmedizinischen Gutachten vom 10. August 2012 eine Verbesserung des Gesundheitszustands bewirken könne. Der Umstand, dass eine entsprechende Therapie erst nach gewisser Zeit eine Verbesserung bringen werde, könne dem Antragsteller nicht zum Nachteil gereichen.

Unter dem 17. Oktober 2012 führte die Schwerbehindertenvertretung bei der Direktion Bundesbereitschaftspolizei aus, dass der Antragsteller handicapgerecht als Wart der Schießanlage verwendet würde und er diese Tätigkeit zufriedenstellend erledige. Aufgrund des aktuellen sozialmedizinischen Gutachtens vom 10. August 2012 solle dem Antragsteller die Möglichkeit eingeräumt werden, an einer seinem Krankheitsbild angepassten Therapie teilzunehmen. Der Schwerbehindertenvertreter hat deshalb darum gebeten, die beabsichtigte Zurruhesetzung bis zur Vorlage eines aussagekräftigen Ergebnisses hinsichtlich des Erfolges/Misserfolges einer Therapiemaßnahme auszusetzen. Mit Schreiben der Direktion Bundesbereitschaftspolizei vom 28. Januar 2013 wurde dem Antragsteller mitgeteilt, dass entsprechend der Empfehlung der Schwerbehindertenvertretung die beabsichtigte Zurruhesetzung vorläufig ausgesetzt werde. Die sozialmedizinisch vorgeschlagene Therapie müsse aber schnellstmöglich zum Abschluss gebracht werden. Der Antragsteller solle kurzfristig mitteilen, wann mit deren Abschluss gerechnet werden könne. Unter dem 6. Februar 2013 teilte der Bevollmächtigte des Antragstellers mit, dass der Antragsteller zwar eine stationäre Schmerztherapie beantragt habe, die Heilfürsorgestelle eine solche jedoch abgelehnt habe, da der Polizeiärztliche Dienst in ... diese Maßnahme nicht befürwortet habe.

Ergänzend zum sozialmedizinischen Gutachten vom 10. August 2012 erklärte das Bundespolizeipräsidium, Referat 83 (Leiter Ärztlicher- und Sicherheitstechnischer Dienst) mit Stellungnahme vom 7. Mai 2013 gegenüber der Direktion Bundesbereitschaftspolizei Fuldatal, dass eine stationäre Schmerztherapie zur Wiederherstellung der Dienstfähigkeit des Antragstellers nicht erforderlich sei. Denn aus sozialmedizinischer Sicht werde eine stationäre Schmerztherapie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht zur Polizeidienstfähigkeit führen, sondern allenfalls zur Schmerzlinderung.

Mit Schreiben vom 6. August 2013 stellte das BMI unter Zurückstellung nach wie vor bestehender Bedenken hinsichtlich des Verfahrens das gem. § 47 Abs. 2 BBG erforderliche Einvernehmen mit der Zurruhesetzung des Antragstellers her. Nach Auffassung des BMI sollten aber auch zukünftig alle Möglichkeiten zur Wiederherstellung der Dienstfähigkeit - ggf. auch die angesprochene stationäre Schmerztherapie - ausgeschöpft werden.

Mit Schreiben vom 19. September 2013 erklärte der Gesamtpersonalrat der Direktion Bundesbereitschaftspolizei Fuldatal, dass er gegen die beabsichtigte Zurruhesetzung keine Einwendungen geltend mache.

Durch Zurruhesetzungsverfügung vom 10. Oktober 2013 wurde der Antragsteller wegen Dienstunfähigkeit mit Ablauf des 31. Oktobers 2013 in den Ruhestand versetzt. Das sozialmedizinische Gutachten vom 10. Mai 2010 komme zu dem Ergebnis, dass der Antragsteller nicht mehr uneingeschränkt gesundheitlich geeignet für den Polizeivollzugsdienst sei und nach ärztlich-wissenschaftlicher Erfahrung nicht zu erwarten sei, dass die gesundheitliche Eignung innerhalb zweier Jahre wiedererlangt werde. Gemäß sozialmedizinischem Gutachten vom 10. August 2012 sei auch die allgemeine Dienstfähigkeit (§ 44 Abs. 2 BBG) des Antragstellers nicht mehr gegeben. Auch die Durchführung einer Schmerztherapie sei gemäß sozialmedizinischer Stellungnahme vom 7. Mai 2013 nicht geeignet, die Dienstfähigkeit des Antragstellers wiederherzustellen.

Mit Schriftsatz vom 28. Oktober 2013, bei der Antragsgegnerin am 29. Oktober 2013 eingegangen, legte der Bevollmächtigte des Antragstellers gegen die Zurruhesetzungsverfügung vom 10. Oktober 2013 Widerspruch ein, über den bisher noch nicht entschieden ist.

Mit Verfügung vom 31. Oktober 2013 wurde die sofortige Vollziehung der Zurruhesetzungsverfügung vom 10. Oktober 2013 angeordnet. Aufgrund der fachliche Stellungnahme des Referats 83 des Bundespolizeipräsidiums vom 7. Mai 2013, wonach auch eine stationäre Schmerztherapie allenfalls zur Schmerzlinderung führen werde, sei nunmehr klargestellt, dass hinsichtlich der Frage der Notwendigkeit einer stationären Schmerztherapie die bisherige Auffassung des Sozialmedizinischen Dienstes keinen Bestand mehr habe, weswegen insgesamt die Wiederherstellung der Polizeidienstfähigkeit des Antragstellers auszuschließen sei. Da der Sozialmedizinische Dienst in seinem Gutachten vom 10. August 2012 nun auch die gesundheitliche Nichteignung des Antragstellers für den allgemeinen Verwaltungsdienst festgestellt habe, bestehe beim Antragsteller nicht nur Polizeidienstunfähigkeit, sondern darüber hinaus allgemeine Dienstunfähigkeit. Die sofortige Vollziehung der Zurruhesetzung liege im besonderen öffentlichen Interesse, da beim Antragsteller eindeutig feststehe, dass er den Polizeiberuf, für welchen er ursprünglich ausgebildet wurde, auf Dauer nicht mehr ausüben könne. Dies gelte nach aktueller sozialmedizinischer Feststellung gleichermaßen für eine Tätigkeit im allgemeinen Verwaltungsdienst, weswegen der Antragsteller auch in diesem Bereich nicht mehr dauerhaft verwendet werden könne. Es würde in der Öffentlichkeit auf Unverständnis stoßen und wäre im Übrigen auch für die Vorgesetzten und Kollegen unzumutbar, wenn der Antragsteller trotz festgestellter Dienstunfähigkeit bis zum Abschluss eines Widerspruchs- bzw. Klageverfahrens weiterhin beschäftigt werden würde. Unbeschadet dessen gebiete sich die Anordnung des Sofortvollzugs auch aus Fürsorgegründen dem Antragsteller gegenüber, da die von ihm zuletzt ausgeübte Tätigkeit nur für einen begrenzten Zeitraum zur zeitlichen Überbrückung bis zum Abschluss des Zurruhesetzungsverfahrens verantwortet werden konnte und jede darüber hinausgehende weitere Dienstleistung den sozialmedizinischen Feststellungen zuwiderlaufen würde. Bei diesen Tätigkeiten handele es sich um reine Hilfstätigkeiten, welche auch nicht annähernd dem derzeitigen Statusamt des Antragstellers - nämlich der Besoldungsgruppe A 7 - zugeordnet werden könnten, sondern bestenfalls der Entgeltgruppe 3 des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst unterfielen.

Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 13. Dezember 2013, bei Gericht am 16. Dezember 2013 eingegangen, begehrte der Antragsteller,

die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 28.10.2013 gegen die Zurruhesetzungsverfügung der Direktion Bundesbereitschaftspolizei vom 10.10.2013 bis zum Erlass des Widerspruchsbescheids wiederherzustellen.

Bereits die Begründung des Sofortvollzugs sei fehlerhaft. Die von der Antragsgegnerin in der Verfügung vom 31. Oktober 2013 dargestellten Gründe könnten für die Anordnung des Sofortvollzugs der Zurruhesetzungsverfügung gerade nicht angeführt werden. Die Frage der Dienstfähigkeit für den allgemeinen Verwaltungsdienst erscheine aufgrund der Feststellung im sozialmedizinischen Gutachten vom 10. August 2012 gerade fraglich. Die erforderliche Wahrscheinlichkeitsprognose sei hier seitens des Amtsarztes gerade nicht ausgesprochen worden. Mangels einer gesetzlichen Regelung, wonach die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs gegen die Zurruhesetzungsverfügung nicht ausgeschlossen werde, sei es für Vorgesetzte und Kollegen gerade nicht unzumutbar, wenn der Beamte bis zum rechtskräftigen Abschluss des Widerspruchsverfahrens weiterbeschäftigt werde. Darüber hinaus gebe es keine amtsärztlichen Feststellungen dazu, dass die zuletzt durch den Antragsteller ausgeübte Tätigkeit den sozialmedizinischen Feststellungen zuwiderlaufe. Die vorgebrachten Fürsorgegesichtspunkte seien daher nicht durch entsprechende fachärztliche Sachkenntnis untermauert. Auch könne der Umstand, dass die zuletzt ausgeübte Tätigkeit dem Statusamt des Antragstellers nicht entspreche, eine sofortige Vollziehung der Zurruhesetzungsverfügung nicht rechtfertigen. Denn dies stehe zu der gesetzlichen Wertung des § 44 Abs. 3 BBG in Widerspruch. Im Ergebnis lasse sich daher festhalten, dass innerhalb der Begründung der sofortigen Vollziehung nicht die notwendige Abwägung dahingehend stattgefunden habe, ob das öffentliche Interesse an der wirksamen Erledigung öffentlicher Aufgaben das Individualinteresse des Antragstellers auf Weiterbeschäftigung überwiege. Die Befürchtung einer nicht ordnungsgemäßen und fehlerhaften Dienstleistung des Antragstellers werde darüber hinaus weder vorgetragen noch sei diese ersichtlich; aus diesem Grunde erscheine seine Weiterbeschäftigung zumindest bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens zumutbar.

Im Übrigen seien nicht alle Voraussetzungen für eine Ruhestandsversetzung festgestellt. Die Feststellungen im sozialmedizinischen Gutachten vom 10. August 2012 ließen darauf schließen, dass der Amtsarzt die Durchführung einer entsprechenden Therapie als entscheidend angesehen habe, um im Rahmen der Prognoseentscheidung feststellen zu können, ob der Antragsteller dauerhaft dienstunfähig sei. Es erscheine höchst fraglich, ob die Antragsgegnerin vor der ausgesprochenen Ruhestandsversetzung in angemessenen Umfang geprüft habe, inwieweit eine anderweitige Verwendung bzw. eine eingeschränkte Verwendung möglich sei. Außerdem stelle sich aufgrund der Tatsache, dass der Antragsteller bis zuletzt eine Tätigkeit bei der Bundespolizeiabteilung ausgeübt habe, die Frage, ob die Antragsgegnerin rechtsfehlerfrei geprüft habe, inwieweit die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Halbs. 2 Bundespolizeibeamtengesetz (BPolBG) vorlägen.

Mit Schriftsatz vom 27. Januar 2014 beantragt die Antragsgegnerin,

den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO als unbegründet zurückzuweisen.

Die Zurruhesetzungsverfügung sei rechtmäßig. Durch die Gutachten des Sozialmedizinischen Dienstes vom 28. Juli 2005 und vom 10. Mai 2010 sei bereits festgestellt worden, dass der Antragsteller nicht mehr die uneingeschränkte gesundheitliche Eignung für den Polizeivollzugsdienst besitze. Da der Antragsteller seinerzeit noch als eingeschränkt gesundheitlich geeignet für den allgemeinen Verwaltungsdienst beurteilt worden sei, habe er unter Verbleib im Status eines Polizeivollzugsbeamten keinerlei operative Polizeivollzugsaufgaben, sondern nur noch administrative handicapgerechte Unterstützungstätigkeiten wahrgenommen. Aufgrund des Gutachtens des Sozialmedizinischen Dienstes vom 10. August 2012 sei dann auch die gesundheitliche Nichteignung des Antragstellers für den allgemeinen Verwaltungsdienst festgestellt worden, sodass die Voraussetzungen für seine Zurruhesetzung vorgelegen hätten. Die Anordnung des Sofortvollzugs sei aufgrund der sozialmedizinischen Feststellungen hinsichtlich der festgestellten Dienstunfähigkeit erforderlich gewesen, um einen Dienstantritt des Antragstellers im November 2013 aus Fürsorgegründen zu verhindern. Der Sozialmedizinische Dienst habe in seinem Gutachten vom 10. August 2012 sehr wohl eine Prognose für die Zukunft abgegeben, indem er dargelegt habe, dass eine erneute Verbesserung des Gesundheitszustands zwar durchaus möglich sei, doch selbst eine entsprechende Therapie werde aller Voraussicht nach eine erneute Dienstfähigkeit nicht vor Ablauf von zwei Jahren erbringen. Deutlicher könne eine prognostische Einschätzung nicht zum Ausdruck gebracht werden. Hiernach sei eine Weiterbeschäftigung des Antragstellers - auch aus Fürsorgegründen - ausgeschlossen. Die Frage, ob der Antragsteller anderweitig verwendet werden könne, stelle sich in keiner Weise, weil seine vollständige Dienstunfähigkeit eindeutig festgestellt sei.

Ergänzend ließ der Antragsteller vortragen, aus dem sozialmedizinischen Gutachten vom 10. Mai 2010 ergebe sich, dass bereits zu diesem Zeitpunkt eine stationäre Schmerztherapie empfohlen worden sei. In der Stellungnahme des Bundespolizeipräsidiums vom 7. Mai 2013 sei nur die Feststellung getroffen worden, dass aus sozialmedizinischer Sicht die stationäre Schmerztherapie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht zur Polizeidienstfähigkeit führen könne. Aus der Mitteilung des BMI vom 6. August 2013 ergebe sich schließlich, dass das Einvernehmen nach wie vor nur unter Bedenken hinsichtlich des Verfahrens und hinsichtlich der bislang nicht durchgeführten Schmerztherapie hergestellt worden sei. Folglich habe die Antragsgegnerin selbst Bedenken, ob die Voraussetzungen für eine Ruhestandsversetzung vorlägen.

Ergänzend wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte verwiesen.

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

BAYERN.RECHT

II.

1. Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO auf eine bis zum Erlass eines Widerspruchsbescheids befristete Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 28. Oktober 2013 ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.

Der Sofortvollzug ist zwar durch die Antragsgegnerin formell ordnungsgemäß angeordnet worden. Trotzdem ist der vorliegende Antrag begründet, weil die Erfolgsaussichten des Widerspruchs bzw. einer späteren Klage des Antragstellers in der Hauptsache offen sind. Überwiegende Gründe der Antragsgegnerin bzw. ein besonderes öffentliches Interesse daran, gleichwohl die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die angefochtene Zurruhesetzungsverfügung entfallen zu lassen, bestehen nicht.

Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO kann das Gericht der Hauptsache im Falle des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO auf Antrag die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Ein solcher Antrag kann gem. § 80 Abs. 5 S. 2 VwGO auch schon vor Erhebung einer Anfechtungsklage gestellt werden.

a) Die Anordnung des Sofortvollzugs vom 31. Oktober 2013 ist entsprechend den Vorgaben des § 80 Abs. 3 VwGO formell ordnungsgemäß begründet worden. Eine Vollziehungsanordnung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO muss gem. § 80 Abs. 3 VwGO grundsätzlich mit einer auf den konkreten Fall abgestellten und nicht lediglich "formelhaften" schriftlichen Begründung des besonderen öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts versehen werden (Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl. 2011, § 80 Rn. 84). Erforderlich ist eine auf den konkreten Fall abstellende Darlegung des besonderen öffentlichen Interesses dafür, dass ausnahmsweise die sofortige Vollziehbarkeit notwendig ist und dass hinter dieses erhebliche öffentliche Interesse das Interesse des Betroffenen zurücktreten muss, zunächst von dem von ihm bekämpften Verwaltungsakt nicht betroffen zu werden (Kopp/Schenke, a.a.O. § 80 Rn. 85). Da das Interesse an der sofortigen Vollziehung im Regelfall über das Interesse hinausgehen muss, das den Erlass des Verwaltungsakts rechtfertigt, müssen zur Begründung regelmäßig andere Gründe angeführt werden als zur Rechtfertigung des Verwaltungsakts (Beck’scher Online-Kommentar, VwGO, Stand: 1.10.2013, § 80 Rn. 88). § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO normiert formelle Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit eines Verwaltungs-akts. Ob die Erwägungen der Behörde auch inhaltlich zutreffen, ist insoweit unbeachtlich. Eine inhaltlich fehlerhafte Begründung der Vollziehungsanordnung kann zu deren materieller Rechtswidrigkeit führen, nicht aber zur Verletzung des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO (Schoch in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 25. Ergänzungslieferung 2013, § 80 Rn. 246).

Die Begründung der sofortigen Vollziehungsanordnung vom 31. Oktober 2013 genügt diesen formellen Voraussetzungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Der Sofortvollzug wurde unter anderem aus Fürsorgegesichtspunkten damit begründet, dass eine weitere Dienstleistung durch den Antragsteller den sozialmedizinischen Feststellungen und damit der Gesundheit des Antragstellers zuwiderlaufen würde. Diese Begründung ist formell hinreichend tragfähig, da aus ihr klar hervorgeht, warum die Antragsgegnerin in concreto dem sofortigen Vollziehbarkeitsinteresse den Vorrang vor dem Aufschubinteresse des Antragstellers eingeräumt hat. Diese Begründung stützt sich erkennbar auf konkrete sozialmedizinische Gutachten, insbesondere das Gutachten vom 10. August 2012 und die darin getroffenen Feststellungen, so dass sich diese Begründung der Antragsgegnerin auf die Umstände des konkreten Falles bezog und deshalb formell rechtmäßig i. S. d. § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist.

Dies gilt auch für die weiteren von der Antragsgegnerin vorgetragenen Gründe, wonach zum einen die Weiterbeschäftigung des Antragstellers für dessen Vorgesetzte und Kollegen nicht zumutbar sei und dass es sich zum anderen bei den von ihm zuletzt wahrgenommenen Tätigkeiten um reine Hilfstätigkeiten handele, welche nicht annähernd seinem derzeitigen Statusamt der Besoldungsgruppe A 7 entsprechen würden. Auch diese Gründe begegnen keinen durchgreifenden formellen Bedenken, weil sie hinreichend fallbezogen sind. Ob diese Gründe auch inhaltlich tragfähig sind, ist jedenfalls im Rahmen der Prüfung des § 80 Abs. 3 VwGO unbeachtlich.

b) Bei der vom Gericht nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu treffenden Entscheidung ist entsprechend § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung des Bescheids gegen das Interesse des Betroffenen an der aufschiebenden Wirkung abzuwägen. Dabei sind auch die überschaubaren Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Lässt sich schon bei summarischer Prüfung eindeutig feststellen, dass der angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist und den Betroffenen in seinen Rechten verletzt, so dass ein Widerspruch oder eine Klage wohl Erfolg haben werden, kann kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts bestehen. Kann im summarischen Verfahren noch keine eindeutige Antwort zur Frage der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts gegeben werden, weil z.B. der der Entscheidung zu Grunde liegende Sachverhalt noch weiter aufgeklärt werden muss, so bedarf es einer Abwägung der öffentlichen Interessen am Sofortvollzug gegenüber den Interessen des Betroffenen an der eigentlich von Gesetzes wegen grundsätzlich vorgesehenen aufschiebenden Wirkung des eingelegten Rechtsbehelfs. Erweist sich eine angefochtene Verfügung bereits bei summarischer Prüfung im Aussetzungsverfahren als offensichtlich rechtmäßig, so überwiegt in der Regel das Interesse an ihrem sofortigen Vollzug (vgl. nur: Schmidt in Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2013, § 80 Rn. 72 ff.).

Hiervon ausgehend fällt die vom Gericht nach § 80 Abs. 5 VwGO getroffene eigene Ermessensentscheidung zulasten der Antragsgegnerin aus, weil das Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die Zurruhesetzungsverfügung der Antragsgegnerin deren Interessen an der sofortigen Vollziehbarkeit zumindest für den Zeitraum des noch anhängigen Widerspruchsverfahrens überwiegt. Der von der Antragsgegnerin bislang zur Begründung der Zurruhesetzungsverfügung aufgezeigte Sachverhalt kann zwar grundsätzlich geeignet sein, eine Zurruhesetzung des Antragstellers zu rechtfertigen. Die Ausführungen zum konkreten Fall des Antragstellers und die bisherigen Ermittlungen hierzu sind aber lückenhaft. Dies betrifft insbesondere die mangelhafte Überprüfung und Aufklärung seitens der Antragsgegnerin zu der Frage, ob eine Zurruhesetzung des Antragstellers wegen Dienstunfähigkeit unter Beachtung des Grundsatzes "Rehabilitation vor Versorgung" nicht doch noch unter Ausschöpfung aller rechtlichen Möglichkeiten in geeigneter Weise abgewendet werden kann. Im Widerspruchsverfahren wird sich die Antragsgegnerin deshalb vertieft mit den rechtlichen Voraussetzungen des § 44 Abs. 2 bis 4 BBG im konkreten Fall auseinandersetzen müssen.

Nach summarischer Prüfung kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass die Erfolgsaussichten des Widerspruch des Antragstellers vom 28. Oktober 2013 nicht abschließend geklärt werden können und daher als offen einzustufen sind. Denn die Antragsgegnerin hat ausweislich der Begründung der angegriffene Zurruhesetzungsverfügung vom 10. Oktober 2013, die in formeller Hinsicht keinen durchgreifenden Zweifeln unterliegt, nicht sämtliche materiellen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen für eine Zurruhesetzung des Antragstellers ermittelt und bewertet.

Nach dem über § 2 BPolBG heranzuziehenden § 44 Abs. 1 Satz 1 BBG ist ein Beamter auf Lebenszeit in den Ruhestand zu versetzen, wenn er wegen des körperlichen Zustandes oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung der Dienstpflichten dauernd unfähig (dienstunfähig) ist. Hierbei beurteilt sich die Rechtmäßigkeit der Zurruhesetzung eines Beamten wegen Dienstunfähigkeit danach, ob die zuständige Behörde im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung nach den ihr zur Verfügung stehenden Erkenntnissen annehmen durfte, dass der Betroffene in absehbarer Zeit voraussichtlich nicht im Stande sein wird, seine Dienstpflichten zu erfüllen (vgl. VG München, U.v. 11.06.2010 - M 21 K 09.1540). Unerheblich ist, ob die Dienstunfähigkeit wahrscheinlich lebenslänglich bestehen bleibt (Battis, Bundesbeamtengesetz, 4. Aufl. 2009, § 44 Rn. 5). Außerdem ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Beurteilung der Dienstfähigkeit eines Beamten im Allgemeinen auf die Anforderungen des dem Beamten zuletzt übertragenen abstrakt-funktionellen Amtes abzustellen (BVerwG, U.v. 23.09.2004 - 2 C 27.03). Für Beamte im Polizeivollzugsdienst besteht jedoch die Besonderheit, dass die Dienstfähigkeit nicht an dem konkret bekleideten Dienstposten gemessen wird. Vielmehr muss jeder Polizeivollzugsbeamte unabhängig von dem von ihm bekleideten Dienstposten immer im vollen Umfang polizeidienstfähig sein, also besonders hohe gesundheitliche Anforderungen erfüllen (vgl. VG Hannover, B.v. 11.05.2011 - 2 B 1177/11). Nach § 44 Abs. 7 BBG bleiben deshalb die gesetzlichen Vorschriften unberührt, die für einzelne Gruppen von Beamten andere Voraussetzungen für die Beurteilung der Dienstfähigkeit bestimmen. Eine solche gesetzliche Vorschrift ist § 4 Abs. 1 BPolBG (Battis, a.a.O. § 44 Rn. 9). Danach ist ein Polizeivollzugsbeamter bereits dann (polizei-)dienstunfähig, wenn er den besonderen gesundheitlichen Anforderungen für den Polizeivollzugsdienst nicht mehr genügt und nicht zu erwarten ist, dass er seine volle Verwendungsfähigkeit innerhalb zweier Jahre wiedererlangt. Die Polizeidienstunfähigkeit ist also gegeben, wenn das physische oder psychische Leistungsvermögen des Polizeibeamten eine Verwendung im Polizeivollzugsdienst nicht gestattet, d. h. wenn die uneingeschränkte Verwendungsfähigkeit für den Polizeivollzugsdienst deshalb für dauernd ausgeschlossen oder nicht zu erwarten ist, dass sie innerhalb von zwei Jahren wiedererlangt wird (vgl. VGH BW, U.v. 27.09.1990 - 4 S 3102/89). Die Anforderungen der Polizeidienstfähigkeit gehen insofern über die allgemeine Regel hinaus, als gefordert wird, dass der Polizeibeamte zu jeder Zeit an jedem Ort und in jeder seinem statusrechtlichen Amt entsprechenden Stellung einsetzbar ist (Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz [alt], Band 1a, Stand: 2009, § 42 Rn. 11). Die Wiedererlangung der Polizeidienstfähigkeit binnen zwei Jahren ist nicht zu erwarten, wenn die Behörde im Entlassungszeitpunkt den ihr zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen entnehmen darf und entnimmt, dass die Wiedererlangung der vollen Verwendungsfähigkeit jedenfalls binnen zwei Jahren unwahrscheinlich ist (Plog/Wiedow, a.a.O. § 190 Rn. 5). Die Polizeidienstunfähigkeit i. S. d. § 4 Abs. 1 BPolBG setzt wie die allgemeine Dienstunfähigkeit nach § 44 Abs. 1 Satz 1 BBG ein körperliches Gebrechen oder eine Schwäche der körperlichen oder geistigen Kräfte als Ursache für die mangelnde Verwendungsfähigkeit des Polizeibeamten voraus (VGH BW, U.v. 27.09.1990 a.a.O.; Battis, a.a.O. § 1 Rn. 13).

Gemessen daran und an den weiteren materiellen Voraussetzungen lässt sich die materielle Rechtmäßigkeit der Zurruhesetzungsverfügung nach summarischer Prüfung nicht abschließend feststellen.

aa) Zwar ist das Gericht davon überzeugt, dass der Antragsteller polizeidienstunfähig i. S. d. § 4 Abs. 1 Halbs. 1 BPolBG ist. Dies ergibt sich aus dem sozialmedizinischen Gutachten des Medizinaloberrats ... vom 10. August 2012 sowie aus der ergänzenden Stellungnahme des Bundespolizeipräsidium, Referat 83 (Leiter Ärztlicher- und Sicherheitstechnischer Dienst) vom 7. Mai 2013. Diese Gutachten wurden durch Amtsärzte bzw. durch beamtete Bundespolizeiärzte i. S. d. § 4 Abs. 2 BPolBG erstellt, sodass auf deren Grundlage die Polizeidienstunfähigkeit des Antragstellers festgestellt werden durfte. Gemäß dem sozialmedizinischen Gutachten vom 10. August 2012 liegt beim Antragsteller eine Körperstörung mit chronischem Schmerzsyndrom im Bereich des Stütz- und Bewegungsapparats vor, so dass er für den Polizeivollzugsdienst nicht uneingeschränkt gesundheitlich geeignet ist. Die nicht uneingeschränkte gesundheitliche Eignung des Antragstellers für den Polizeivollzugsdienst resultiert aus Einschränkungen hinsichtlich folgender Tätigkeitsmerkmale: Einsätze, Selbstverteidigung, Anwendung unmittelbaren Zwangs, Führen von Dienstfahrzeugen, dienstlicher Leistungssport, Nachtdienst. Nach ärztlich-wissenschaftlicher Erfahrung ist auch nicht zu erwarten, dass die uneingeschränkte gesundheitliche Eignung für den Polizeivollzugsdienst innerhalb zweier Jahre wiedererlangt wird.

Der Antragsteller kann sich gegen die Annahme der Polizeidienstunfähigkeit auch nicht mit der Begründung wenden, dass im sozialmedizinischen Gutachten vom 10. August 2012 eine erneute Verbesserung des Gesundheitszustands nach Durchführung einer Schmerztherapie durchaus für möglich gehalten wurde. Diese sozialmedizinische Feststellung schließt die Polizeidienstunfähigkeit des Antragstellers nicht aus. Vielmehr steht entgegen der Auffassung des Antragstellers die Polizeidienstunfähigkeit zweifelsfrei fest. Maßgeblich für die Beurteilung der Polizeidienstunfähigkeit ist die von § 4 Abs. 1 BPolBG vorgesehene auf zwei Jahre begrenzte negative Zukunftsprognose. Hiernach ist ein Polizeibeamter, der für den Polizeivollzugsdienst nicht uneingeschränkt gesundheitlich geeignet ist, polizeidienstunfähig, wenn nicht zu erwarten ist, dass der Polizeivollzugsbeamte seine volle Verwendungsfähigkeit innerhalb zweier Jahre wiedererlangt. Ob eine gesundheitliche Einschränkung und die damit einhergehende Dienstunfähigkeit lebenslänglich bestehen bleiben wird, ist für die Feststellung der Dienstunfähigkeit nach § 4 Abs. 1 BPolBG unerheblich. Sollte sich die Dienstfähigkeit eines Beamten nach Ablauf des von § 4 Abs. 1 BPolBG vorgesehenen zweijährigen Prognosezeitraums wieder einstellen, so besteht unter den Voraussetzungen des § 46 BBG die Möglichkeit, den Beamten erneut in das Beamtenverhältnis zu berufen. Ausweislich der getroffenen Feststellungen im sozialmedizinischen Gutachten vom 10. August 2012 wird zwar eine Verbesserung des Gesundheitszustands des Antragstellers durchaus für möglich gehalten. Eine entsprechende Therapie wird bei dem chronifizierten Krankheitsbild des Antragstellers aller Voraussicht nach jedoch eine Dienstfähigkeit nicht vor Ablauf von zwei Jahren erbringen. Anhand dieser Zukunftsprognose stand die Dienstunfähigkeit des Antragstellers trotz der Möglichkeit einer Schmerztherapie eindeutig und zweifelsfrei fest, so dass sich seine Dienstunfähigkeit schon allein aus dem sozialmedizinischem Gutachten vom 10. August 2012 ergibt. Diese polizeiärztliche Bewertung vom 10. August 2012 ist im konkreten Fall auch besonders verlässlich, da die Polizeidienstunfähigkeit des Antragstellers bereits aufgrund der sozialmedizinischen Gutachten vom 28. Juli 2005 und vom 10. Mai 2010 feststand und durch das sozialmedizinische Gutachten vom 10. August 2012 nochmals bestätigt wurde.

Im Übrigen kommt es entgegen der Auffassung des Antragstellers für die Feststellung der Polizeidienstfähigkeit nicht auf eine noch durchzuführende Schmerztherapie an. Denn aus der Stellungnahme des Bundespolizeipräsidiums vom 7. Mai 2013 ergibt sich ergänzend zum sozialmedizinischem Gutachten vom 10. August 2012, dass aus sozialmedizinischer Sicht auch eine stationäre Schmerztherapie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht zur Polizeidienstfähigkeit führen wird, sondern allenfalls zur Schmerzlinderung.

bb) Jedoch kann im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes noch nicht abschließend geklärt werden, ob sich der Antragsteller auf den Ausnahmetatbestand des § 4 Abs. 1 letzter Halbs. BPolBG berufen kann, weil zur Zeit noch ungewiss ist, ob die Voraussetzungen hierfür vorliegen. Nach § 4 Abs. 1 letzter Halbs. BPolBG ist lediglich hinsichtlich der Rechtsfolge - nicht hinsichtlich der tatbestandlichen Voraussetzungen für die medizinischen Feststellung der Dienstunfähigkeit - die Gleichsetzung der Polizeidienstunfähigkeit mit der allgemeinen Dienstunfähigkeit eines Polizeivollzugsbeamten für den Fall eingeschränkt, dass bei Polizeivollzugsbeamten auf Lebenszeit die auszuübende Funktion die besonderen gesundheitlichen Anforderungen auf Dauer nicht mehr uneingeschränkt erfordert. § 4 Abs. 1 letzter Halbs. BPolBG ermächtigt den Dienstherren, den polizeidienstunfähig gewordenen Beamten unter den dort genannten Voraussetzungen weiter im Polizeivollzugsdienst zu verwenden (Plog/Wiedow, a.a.O. § 190 Rn. 5a). Eine derartige Verwendung ist aber zunächst vom Vorhandensein entsprechender Verwendungsmöglichkeiten abhängig (VG München, U.v. 11.06.2010 a.a.O.).

Gerade weil die vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand für den Beamten zur Beendigung des aktiven Beamtenverhältnisses führt und daher ein sehr einschneidender Eingriff in dessen Berufsleben ist, hat der Beamte einen Anspruch darauf, dass sämtliche Tatsachen, die für die rechtliche Bewertung relevant sind, eindeutig ermittelt und benannt werden und der Dienstherr auch anhand konkreter Fakten seine Entscheidung trifft. Dies muss auch im Bescheid eindeutig zum Ausdruck kommen, indem zunächst der Sachverhalt eindeutig benannt und sodann unter die anzuwendende Rechtsnorm subsumiert wird (vgl. VG Bayreuth, B.v. 9.1.2013 - B 5 S 12.1008).

Unter Berücksichtigung der vorgenannten materiellen und formellen Vorgaben lässt sich vorliegend aus der schriftlichen Begründung der Zurruhesetzungsverfügung vom 10. Oktober 2013 weder entnehmen, ob die Behörde die rechtlichen Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 letzter Halbs. BPolBG geprüft hat, noch ob die Voraussetzungen dieser Ausnahmevorschrift vorliegend gegeben sind. Dieser Aufklärungsmangel kommt in der Begründung der Zurruhesetzungsverfügung deutlich zum Ausdruck, weil sich die Antragsgegnerin lediglich darauf beschränkt hat, die sachlichen und rechtlichen Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Halbs. 1 BPolBG sowie der Vorschriften der § 44 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BBG, § 46 BBG zu prüfen. Die Antragsgegnerin wird sich daher im Rahmen des noch abzuschließenden Widerspruchsverfahrens mit der Frage auseinander setzen müssen, ob dem polizeidienstunfähigen Antragsteller ein Dienstposten im Polizeivollzugsdienst zugewiesen werden könnte, der eine gesundheitlich uneingeschränkte Verwendungsmöglichkeit nicht erfordert.

cc) Weiterhin ist unklar, ob der Antragsteller die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 1 BBG erfüllt. Liegt Dienstunfähigkeit eines Beamten vor, so muss dieser in den Ruhestand versetzt werden, sofern nicht eine anderweitige Verwendung nach § 44 Abs. 1 Satz 3 BBG möglich ist (Battis, a.a.O. § 44 Rn. 5). Nach dieser Regelung ist nämlich eine Versetzung in den Ruhestand trotz festgestellter Dienstunfähigkeit ausgeschlossen, wenn der Beamte anderweitig verwendbar ist (Battis, a.a.O. § 44 Rn. 10). Gemäß § 44 Abs. 2 BBG ist eine anderweitige Verwendung eines dienstunfähigen Beamten möglich, wenn in objektiver Hinsicht ein anderes Amt derselben oder einer anderen Laufbahn übertragen werden kann. Hinzukommen muss jedoch als subjektive Voraussetzung die Erwartung, dass der Beamte den gesundheitlichen Anforderungen des neuen Amtes genügen werde (Battis, a.a.O. § 44 Rn. 11). Entsprechend dem Grundsatz "Rehabilitation vor Zurruhesetzung" können und sollen Polizeivollzugsbeamte bei Polizeidienstunfähigkeit anstelle der Versetzung in den Ruhestand in den Polizeiverwaltungsdienst versetzt werden, wenn sie den gesundheitlichen Anforderungen des Polizeiverwaltungsdienstes genügen (BVerwG, B.v. 28.12.1992 - 2 B 201/92 - NVwZ-RR 1993, 420).

Aus dem sozialmedizinischem Gutachten vom 10. August 2012 geht zwar hervor, dass der Antragsteller im Gegensatz zum sozialmedizinischen Gutachten vom 10. Mai 2010 auch für den allgemeinen Verwaltungsdienst nicht mehr gesundheitlich geeignet sei. Aufgrund einer deutlichen Verschlechterung des Krankheitsbildes sei für den Antragsteller eine entsprechende Tätigkeit auch halbschichtig nicht mehr abzuverlangen. Jedoch darf die rechtliche Beurteilung der vorzeitigen Zurruhesetzung nicht durch den Polizeiarzt, sondern allein durch den Dienstherrn erfolgen. Hierbei hat die Antragsgegnerin aber die vom Antragsteller zuletzt ausgeübten Hilfstätigkeiten nicht ausreichend gewürdigt. Insbesondere wurde letztlich unberücksichtigt gelassen, dass die Schwerbehindertenvertretung unter dem 17. Oktober 2012 mitteilte, dass der Antragsteller handicapgerecht als Wart der Schießanlage verwendet wurde und diese Tätigkeit zufriedenstellend erledige. Die Antragsgegnerin hat es daher unterlassen, gesonderte amtsärztliche Feststellungen dazu einzuholen, ob in concreto die zuletzt durch den Antragsteller ausgeübten Hilfstätigkeiten den sozialmedizinischen Feststellungen zuwiderlaufen könnten. Auch in dieser Hinsicht wird die Antragsgegnerin noch genauer zu ermitteln haben.

dd) Außerdem geht die Antragsgegnerin in der Begründung der Zurruhesetzung nicht auf die auch auf Polizei- und Vollzugsbeamte anwendbare Vorschrift des § 44 Abs. 3 und 4 BBG ein (Battis, a.a.O. § 44 Rn. 12 und 13). Diese Regelungen setzen tatbestandlich nicht die Polizeidienstfähigkeit voraus, sondern knüpfen daran an, einen polizeidienstunfähigen Beamten zur Abwendung einer vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand auf anderer Weise einer geeigneten Verwendung zuzuführen. In diesem Zusammenhang hat die Antragsgegnerin im Widerspruchsverfahren zu klären, ob dem Antragsteller die bisher versagte Schmerztherapie nicht doch zu gewähren ist. Das Gutachten vom 7. Mai 2013 kommt zwar zu dem Ergebnis, dass eine Schmerztherapie nicht erforderlich ist, um die Dienstfähigkeit des Antragstellers wiederherzustellen, dass eine solche Therapie jedoch wahrscheinlich zu einer Schmerzlinderung führt. Daraus folgt aber, dass die Durchführung einer Schmerztherapie im Hinblick auf eine Verwendung des Antragstellers nach § 44 Abs. 3 und 4 BBG nicht von vornherein ungeeignet erscheint. Offen bleibt zudem, ob die im sozialmedizinischen Gutachten vom 10. Mai 2010 vorgeschlagene Schmerztherapie zwingend zu einer zweijährigen stationären Behandlung führt oder ob eine solche Therapie nach einer kürzer befristeten stationären Phase auch arbeitsbegleitend weitergeführt werden kann. Genaueres hierzu wird die Antragsgegnerin mit dem Antragsteller beispielsweise in einem betrieblichen Eingliederungsmanagement zu erörtern haben. Denn in Konkretisierung der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht hat der Dienstherr mit Zustimmung und Beteiligung des betroffenen Beamten in entsprechender Anwendung des § 84 Abs. 2 SGB IX zu klären, wie die Dienstunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Dienstunfähigkeit vorgebeugt und der Dienstposten erhalten werden kann. Die Vorschrift des § 84 Abs. 2 SGB IX - welche auch auf nicht schwerbehinderte Beamte anwendbar ist - setzt zwar grundsätzlich voraus, dass die Wiedererlangung der vollen Dienstfähigkeit in absehbarer Zeit möglich erscheint. Ist eine Wiedereingliederung bezogen auf das bisher ausgeübte Amt jedoch nicht erfolgversprechend, steht aber zu erwarten, dass der Beamte andere Funktionen noch ganz oder teilweise erbringen kann, hat angesichts der Motivation des Gesetzgebers, der Rehabilitation den Vorrang vor dem Eintritt des Versorgungsfalls zu geben (vgl. § 44 Abs. 2 und 3, § 45 Abs. 1 BBG), eine auf diese bezogene Wiedereingliederung zu erfolgen, soweit dies den Beteiligten zuzumuten ist (vgl. VG Berlin, B.v. 18.2.2013 - 7 L 559.12 - juris Rn. 18).

ee) Weil die Erfolgsaussichten des Widerspruchs aus den vorgenannten Gründen offen sind, hat das Gericht im Rahmen einer sich anschließenden Interessenabwägung dem Aufschubinteresse des Antragstellers den Vorrang vor dem Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin gegeben. Dabei hat das Gericht unter anderem auch berücksichtigt, dass es im Einzelfall dem Dienstherrn nicht zugemutet werden kann, einen Beamten vorläufig - bis zur endgültigen gerichtlichen Klärung seiner Dienstfähigkeit - weiter zu beschäftigen, etwa dann, wenn eine nicht ordnungsgemäße und fehlerhafte Dienstleistung des Beamten zu befürchten ist (vgl. BVerwG, B.v. 22. Dezember 1989 - 2 C 15/89). Davon kann vorliegend jedoch keine Rede sein. Der Antragsteller hat ausweislich der Stellungnahme der Schwerbehindertenvertretung vom 17. Oktober 2012 seine zuletzt ausgeführte Hilfstätigkeit als Wart der Schießanlage "zufriedenstellend erledigt". Zu nicht ordnungsgemäßen oder fehlerhaften Dienstleistungen ist es - soweit ersichtlich - nicht gekommen. Der Antragsgegnerin ist es nach alledem möglich und zumutbar, den Antragsteller auch weiterhin zu beschäftigen.

2. Als Unterlegene hat die Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens gem. § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen.

3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG. Die Höhe des festgesetzten Streitwerts folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs.1, Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 GKG. Da es sich um ein Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes handelt, ist lediglich die Hälfte des regulären Streitwerts angesetzt worden, also nur der 6,5-fache Betrag des Endgrundgehalts der Besoldungsgruppe A7 BBesO (vgl. Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs 2013).

Referenznummer:

R/R6340


Informationsstand: 18.11.2014