1. Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der Bescheid der Beklagten vom 23. April 2012 und der Widerspruchsbescheid vom 2. August 2012 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113
Abs. 1 Satz 1
VwGO). Die Versetzung des Klägers in den Ruhestand ist formell rechtmäßig (dazu unten Buchst. a) und unterliegt auch in materieller Hinsicht keinen durchgreifenden Zweifeln (dazu unten Buchst. b).
a) Der Bescheid der Beklagten vom 23. April 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. August 2012 ist formell rechtmäßig. Der Einwand des Klägers, die Beklagte habe die zuständige Schwerbehindertenvertretung erst nach Erlass des Widerspruchsbescheids beteiligt, führt zu keiner anderen Einschätzung.
Es mag zwar sein, dass sich die Gesamtschwerbehindertenvertretung der Beklagten, wie die Beschlüsse vom 23. Mai 2013 und vom 9. Dezember 2013 zeigen, erst nach Erlass des Widerspruchsbescheids mit der Zurruhesetzung des Klägers befasst und dieser Maßnahme mit letztgenanntem Beschluss zugestimmt hat. Ferner sprechen wohl auch gewichtige Gründe dafür, dass die Anhörung der Schwerbehindertenvertretung zum maßgeblichen Zeitpunkt der Zurruhesetzung erforderlich war, weil es auf den Zeitpunkt des Antrags auf Anerkennung als Schwerbehinderter und nicht auf den Zeitpunkt der Behördenentscheidung ankommt (
VG Berlin, U.v. 18.8.2008 -
7 A 92.07 - Juris RdNr. 25). Auch musste der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung einräumen, man habe - entgegen dem schriftsätzlichen Vorbringen - bereits im Verwaltungsverfahren erfahren, dass der Kläger beim Zentrum Bayern, Familie und Soziales in Bayreuth am 15. Dezember 2011 einen Antrag auf Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft gestellt habe, der letztlich zum Erlass des Bescheids vom 8. August 2012 und der rückwirkenden Feststellung eines Grad der Behinderung (
GdB) von 50 ab dem 16. Dezember 2011 geführt hat.
Gleichwohl verhilft der Umstand einer vor Erlass des Widerspruchsbescheids vom 2. August 2012 unterbliebenen Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung der Klage nicht zum Erfolg. Denn die Verletzung des Beteiligungsrechts der Schwerbehindertenvertretung nach
§ 95 Abs. 2 SGB IX mag zwar regelmäßig die Rechtswidrigkeit von Ermessensentscheidungen nach sich ziehen. Das gilt aber nicht für gebundene Entscheidungen wie die vorliegend auf § 44
Abs. 1 Satz 1 BBG gestützte Ruhestandsversetzung des Klägers wegen Dienstunfähigkeit. Denn nach dem Rechtsgedanken des § 46 VwVfG führt die fehlende Anhörung der Schwerbehindertenvertretung bei gebundenen Entscheidungen nicht zur Rechtswidrigkeit der getroffenen Maßnahme (
BVerwG, B.v. 20.12.2010 -
2 B 39/10 - Juris RdNr. 6). Somit bestehen keine Zweifel an der formellen Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Bescheids.
b) Der Bescheid unterliegt auch in materieller Hinsicht keinen durchgreifenden rechtlichen Zweifeln.
Gemäß § 44
Abs. 1 Satz 1 BBG, der über § 2 BPolBG auch auf Beamte der Bundespolizei Anwendung findet, ist ein Beamter auf Lebenszeit in den Ruhestand zu versetzen, wenn er wegen des körperlichen Zustandes oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung der Dienstpflichten dauernd unfähig (dienstunfähig) ist. Die Rechtmäßigkeit der Zurruhesetzung eines Beamten wegen Dienstunfähigkeit beurteilt sich danach, ob die zuständige Behörde im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung nach den ihr zur Verfügung stehenden Erkenntnissen annehmen durfte, dass der Betroffene in absehbarer Zeit,
d. h. nicht zwingend lebenslänglich, voraussichtlich nicht im Stande sein wird, seine Dienstpflichten zu erfüllen (
BVerwG, U.v. 16.10.1997 - 2 C 7/97 - BVerwGE 105, 267/269; U.v. 26.3.2009 -
2 C 73/08 - BVerwGE 133, 297/299; BayVGH, B.v. 15.1.2014 - 3
ZB 13.1074 - Juris RdNr. 13;
vgl. auch: Lemhöfer in Plog/Wiedow, BBG, Stand Dezember 2013, RdNr. 6 zu § 42 BBG (alt); Battis, BBG, 4. Aufl. 2009, RdNr. 5 zu § 44).
Zur Beurteilung der Dienstfähigkeit ist allgemein auf die Anforderungen des dem Beamten zuletzt übertragenen abstraktfunktionellen Amtes abzustellen (
BVerwG, U.v. 23.9.2004 - 2 C 27.03 - BVerwGE 122, 53/55). Für Beamte im Polizeivollzugsdienst besteht jedoch die Besonderheit, dass ihre Dienstfähigkeit nicht an dem konkret bekleideten Dienstposten gemessen wird, sondern dass sie unabhängig vom jeweils bekleideten Dienstposten immer im vollen Umfang polizeidienstfähig sein und somit besonders hohe gesundheitliche Anforderungen erfüllen müssen (NdsOVG, U.v. 9.7.2013 - 5 LB 99/13 - Juris RdNr. 25). Denn nach § 44
Abs. 7 BBG bleiben die gesetzlichen Vorschriften unberührt, die für einzelne Gruppen von Beamten andere Voraussetzungen für die Beurteilung der Dienstfähigkeit bestimmen, wie
z. B. § 4
Abs. 1 BPolBG (
vgl. Battis,
a. a. O. RdNr. 9 zu § 44). Nach dieser Vorschrift ist ein Polizeivollzugsbeamter bereits dann (polizei-)dienstunfähig, wenn er - erstens - den besonderen gesundheitlichen Anforderungen für den Polizeivollzugsdienst nicht mehr genügt und - zweitens - nicht zu erwarten ist, dass er seine volle Verwendungsfähigkeit innerhalb von zwei Jahren wiedererlangt. Die Polizeidienstunfähigkeit ist also gegeben, wenn das physische oder psychische Leistungsvermögen des Polizeibeamten eine Verwendung im Polizeivollzugsdienst nicht gestattet,
d. h. wenn die uneingeschränkte Verwendungsfähigkeit für den Polizeivollzugsdienst deshalb für dauernd ausgeschlossen oder nicht zu erwarten ist, dass sie innerhalb von zwei Jahren wiedererlangt wird. Die Anforderungen der Polizeidienstfähigkeit gehen insofern über die allgemeine Regel hinaus, als gefordert wird, dass der Polizeibeamte zu jeder Zeit an jedem Ort und in jeder seinem statusrechtlichen Amt entsprechenden Stellung einsetzbar ist (
BVerwG, U.v. 26.4.2012 -
2 C 17.10 - ZBR 2013, 128 f.; U.v. 3.3.2005 - 2 C 4.04 - ZBR 2005, 308 f.;
OVG NRW B.v. 13.9.2012 -
1 A 644/12 - Juris RdNr. 10; NdsOVG, U.v. vom 9.7.2013,
a. a. O.; VGH BW, U.v. 27.9.1990 - 4 S 3102/89 - NVwZ-RR 1991, 370/371; Lemhöfer,
a. a. O., RdNr. 11 zu § 42 BBG (alt)). Auf das Vorliegen oder Fehlen einer Schwerbehinderung kommt es in diesem Zusammenhang dagegen nicht an (
OVG LSA B.v. 10.1.2014 - 1 L 129/12 - Juris RdNr. 7). Hiervon ausgehend ist die Wiedererlangung der Polizeidienstfähigkeit binnen zwei Jahren dann nicht zu erwarten, wenn die Behörde im Entlassungszeitpunkt den ihr zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen entnehmen darf und entnimmt, dass die Wiedererlangung der vollen Verwendungsfähigkeit jedenfalls binnen zwei Jahren unwahrscheinlich ist (Lemhöfer,
a. a. O., RdNr. 5 zu § 190 BBG (alt). Die Polizeidienstunfähigkeit i.
S. d. § 4
Abs. 1 BPolBG setzt wie die allgemeine Dienstunfähigkeit nach § 44
Abs. 1 Satz 1 BBG ein körperliches Gebrechen oder eine Schwäche der körperlichen oder geistigen Kräfte als Ursache für die mangelnde Verwendungsfähigkeit des Polizeibeamten voraus (VGH BW, U.v. 27.9.1990
a. a. O.; Battis,
a. a. O. RdNr. 5 zu § 44).
Gemessen daran hat die Kammer keine Zweifel daran, dass der Kläger im maßgebenden Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung wegen seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen sowohl polizeidienstunfähig im Sinne von § 4
Abs. 1 BPolBG als auch (allgemein) dienstunfähig gemäß § 44
Abs. 1 Satz 1 BBG war. Bei dieser Einschätzung stützt sich das Gericht auf die Gutachten des Sozialmedizinischen Dienstes des Bundespolizeipräsidiums vom 11. November 2011 sowie vom 8. November 2013 und die Erläuterungen des Gutachters, MOR R., in der mündlichen Verhandlung.
Der Gutachter diagnostiziert in seinem sozialmedizinischen Gutachten vom 11. November 2011 beim Kläger
u. a. eine schwergradige restriktive Ventilationsstörung (
ICD-10: R 94.2). Nach seinen Feststellungen zeigten sich in der Bodyplethysmographie eine Vitalkapazität (VC) von 45%, eine Einsekundenkapazität (FEV1) von 46% und eine Total-Kapazität von 52%; zudem erreichte der Kläger in der Spiroergometrie eine maximale Belastung von 185 Watt, was 64% des Soll-Wertes entspricht (Gutachten vom 11.11.2011, Teil I,
S. 12 f., 16 f.). Auf der Grundlage der Untersuchungsbefunde verneint der Gutachter sowohl die uneingeschränkte gesundheitliche Eignung des Klägers für den Polizeivollzugsdienst, als auch die Möglichkeit der Wiedererlangung dieser Eignung binnen zwei Jahren. Ferner verneint er aufgrund des körperlichen Krankheitsbildes sowohl die gesundheitliche Eignung für den allgemeinen Verwaltungsdienst, als auch die Möglichkeit der Wiedererlangung der gesundheitlichen Eignung hierfür innerhalb von sechs Monaten. Eine schnellere Genesung ist nach Ansicht des Gutachters zwar nach Verifizierung der immer noch unklaren Grunderkrankung möglich, wenn auch nicht wahrscheinlich (Gutachten vom 11.11.2011, Teil II,
S. 18 f.).
In seinem sozialmedizinischen Gutachten vom 8. November 2013 kommt der Gutachter zu dem Ergebnis, dass sich bei dem Kläger zwar die Vitalkapazität (VC) erhöht hat, dass sich jedoch weiterhin eine Restriktion zeigt. Auf der Grundlage der erhobenen Befunde verneint der Gutachter wegen der aufgrund des verringerten Lungenvolumens nach Lungenembolie und Lungenoperation eingeschränkten Leistungsfähigkeit nach wie vor sowohl die uneingeschränkte gesundheitliche Eignung des Klägers für den Polizeivollzugsdienst, als auch die Wiedererlangung dieser Eignung binnen zwei Jahren. Demnach ist der Kläger ferner auch weiterhin gesundheitlich nicht geeignet für den allgemeinen Verwaltungsdienst; die Wiedererlangung der gesundheitlichen Eignung hierfür binnen sechs Monaten schließt der Gutachter ebenfalls aus.
Die schriftlich niedergelegten Feststellungen hat der Gutachter in der mündlichen Verhandlung vom 25. März 2014 wiederholt. Er hat dabei plausibel und nachvollziehbar dargelegt, dass mit dem in seinem Gutachten vom 11. November 2011 festgestellten erheblich reduzierten Lungenvolumen des Klägers, das er nach wie vor als schwere Restriktion einstuft, ein deutlicher Leistungsverlust verbunden war und ist (Niederschrift vom 25.3.2014,
S. 4). Darüber hinaus hat er schlüssig erläutert, dass er in seinem Gutachten vom 8. November 2013 zwar eine deutliche Besserung des Allgemeinzustands und insbesondere eine Erhöhung der Vitalkapazität auf 54% des Sollwertes festgestellt hat, dass damit aber keine Änderung seiner Einschätzung im Hinblick der Polizeidienstfähigkeit
bzw. der allgemeinen Dienstfähigkeit des Klägers verbunden ist (ebda.). Im Hinblick auf den von ihm überzeugend dargelegten Umstand, dass beim Kläger im Lungenbereich aufgrund der dargelegten Erkrankungen irreparable Schäden zurückgeblieben sind (Niederschrift vom 25.3.2014,
S. 5), sieht er hinsichtlich des Gesundheitszustands zwar ein gewisses Verbesserungspotential, verneint aber glaubhaft die Möglichkeit der Wiedererlangung der Polizeidienstfähigkeit binnen zwei Jahren
bzw. der allgemeinen Dienstfähigkeit binnen sechs Monaten (ebda.).
Das Gericht folgt diesen gutachterlichen Ausführungen und macht sie zur Grundlage seiner Entscheidung. Den genannten Gutachten kommt nach § 4
Abs. 2 BPolBG eine besondere Bedeutung zu, weil die in dieser Vorschrift genannten beamteten Bundespolizeiärzte - und somit auch die Ärzte des Sozialmedizinischen Dienstes im Bundespolizeipräsidium - aus der Kenntnis um die Belange der Verwaltung, die von dem Untersuchten zu verrichtende Tätigkeit und um dessen bisheriges dienstliches Verhalten heraus besser als ein sonstiger Arzt den erhobenen medizinischen Befund zu den Auswirkungen auf den Dienstbetrieb und den konkreten Dienstpflichten in Beziehung setzen können (st.Rspr.:
BVerwG, B.v. 20.1.1976 - I DB 16.75 - BVerwGE 53, 118/120 f.; U.v. 31.5.1990 - 2 C 55/88 - ZBR 1990, 353; BayVGH, B.v. 15.1.2014 - 3
ZB 13.1074 - Juris RdNr. 14; SächsOVG B.v. 22.1.2013 - 2 A 654/10 - Juris RdNr. 8;
OVG NRW, B.v. 13.9.2012 -
1 A 644/12 -, Juris RdNrn. 15
ff.; B.v. 28.4.2011 - 6 A 463/11 - Juris RdNrn. 8 f.).
Die Ausführungen in den genannten Gutachten sind schlüssig und in sich widerspruchsfrei. Sie liegen im Übrigen auch auf einer Linie mit den sonstigen vorliegenden ärztlichen Befunden und fügen sich zu einem homogenen, widerspruchsfreien Gesamtbild. So ist beispielsweise dem Befundbericht der Klinik Donaustauf vom 28. März 2011 über den stationären Aufenthalt des Klägers vom 23. März bis 8. April 2011
u. a. zu entnehmen, man habe den Kläger wegen Belastungsdyspnoe bei unklarer, seit einem Jahr bestehender Systemerkrankung aufgenommen; derzeit bestehe eine Restriktion mit Einschränkung der Vitalkapazität bis auf 2,64 l (44,8% vom Soll). Berechtigte Gründe für ein Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Gutachters sind nicht ersichtlich. Solche Gründe wären nur dann gegeben, wenn der Kläger von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger und objektiver Betrachtung davon hätte ausgehen dürfen, der beamtete Bundespolizeiarzt werde sein Gutachten nicht unvoreingenommen erstatten. Aspekte, die für eine solche Sichtweise sprechen könnten, sind aber weder ersichtlich noch vorgetragen.
Mithin erfüllte der Kläger im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung,
d. h. des Erlasses des Widerspruchsbescheides am 2. August 2012 weder die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Polizeidienstfähigkeit noch diejenigen für die allgemeine Dienstfähigkeit.
2. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 154
Abs. 1
VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167
Abs. 1
VwGO i. V. m. § 708
Nr. 11
ZPO. Der Einräumung einer Abwendungsbefugnis nach § 711
ZPO bedurfte es angesichts der - wenn überhaupt anfallenden - dann allenfalls geringen, vorläufig vollstreckbaren Aufwendungen der Beklagten nicht, zumal diese auch die Rückzahlung garantieren kann, sollte in der Sache eventuell eine Entscheidung mit anderer Kostentragungspflicht ergehen.
3. Gründe für eine Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht nach § 124
Abs. 1, § 124a
Abs. 1 Satz 1
i. V. m. § 124
Abs. 2 Nrn. 3 und 4
VwGO liegen nicht vor.