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Urteil
Zum Anspruch eines Heilfürsorgeberechtigten auf ein Therapie-Dreirad

Gericht:

VG Karlsruhe 9. Kammer


Aktenzeichen:

9 K 2480/14 | 9 K 2480.14


Urteil vom:

29.01.2016


Leitsätze:

1. § 12 Abs. 1 HVO zielt auf die medizinische Rehabilitation des Heilfürsorgeberechtigten ab.

2. In besonders gelagerten Fällen können therapeutische Sportgeräte (vorliegend: Therapie-Dreirad eines Multiple Sklerose-Patienten) als Hilfsmittel zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 HVO angesehen werden. Dies hat zur Voraussetzung, dass der Gebrauch des therapeutischen Sportgeräts Bestandteil eines ärztlichen Therapieplans ist, der Heilfürsorgeberechtigte aufgrund der Schwere der Erkrankung dauerhaft Anspruch auf Maßnahmen der Physiotherapie hat und der Gebrauch des therapeutischen Sportgeräts diese Therapie wesentlich fördert oder deren Behandlungsfrequenz verringert und sich deshalb die Versorgung mit dem Hilfsmittel als wirtschaftlich darstellt.

3. Ein Behinderungsausgleich im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 1 Var. 3 HVO ist nur gegeben, wenn der Zweck des Hilfsmitteleinsatzes der Befriedigung körperlicher Grundfunktionen und in diesem Sinne einem Grundbedürfnis dient. Ein solches Grundbedürfnis stellt nicht nur die Mobilität innerhalb der eigenen Wohnung, sondern auch die Möglichkeit dar, diese zu verlassen und "an die frische Luft zu kommen", auch um die üblicherweise im Nahbereich der Wohnung möglichen Alltagsgeschäfte zu erledigen.

4. Der "räumliche Nahbereich" bemisst sich nicht nach feststehenden Distanzen, sondern ist in Abhängigkeit von den jeweiligen örtlichen Gegebenheiten zu bestimmen. Dies kann je nach Bebauungsdichte und Versorgungslage ergeben, dass in kleineren Gemeinden der räumliche Nahbereich großzügiger zu bestimmen ist und auch eine 800 m entfernte Praxis umfasst.

5. Der Heilfürsorgeberechtigte hat keinen Anspruch darauf, den räumlichen Nahbereich gerade in der von ihm bevorzugten Art und Weise zu erschließen. Er kann daher nicht verlangen, zusätzlich zu einem ihm bereits zur Verfügung stehenden (und die Erschließung des Nahbereichs ermöglichenden) Rollstuhl mit einem Therapie-Dreirad ausgestattet zu werden. Hingegen muss sich der Heilfürsorgeberechtigte zur Erschließung des Nahbereichs nicht auf ein ihm zur Verfügung stehendes Auto verweisen lassen.

6. Ein Gegenstand ist nicht als allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens anzusehen, wenn er bereits seiner Konzeption nach den Zwecken des § 12 Abs. 1 Satz 1 HVO dienen soll, oder wenn er jedenfalls den Bedürfnissen erkrankter oder behinderter Menschen besonders entgegenkommt und daher von körperlich nicht beeinträchtigten Menschen praktisch nicht genutzt wird.

7. Bei Hilfsmitteln, die neben ihrer Zweckbestimmung im Sinne von § 12 Abs. 1 Satz 1 HVO einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens ersetzen, haben die Heilfürsorgeberechtigten einen Eigenanteil für ersparte Aufwendungen in Höhe des wirtschaftlichen Wertes des ersetzten Gebrauchsgegenstandes selbst zu tragen.

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

Justizportal des Landes Baden-Württemberg

Tenor:

Der Bescheid des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 16.10.2013 und dessen Widerspruchsbescheid vom 18.08.2014 werden aufgehoben.

Der Beklagte wird verpflichtet, die Anschaffung eines Therapie-Dreirads der Marke Lepus Custom nach Maßgabe des Angebots vom 06.08.2013 zu genehmigen und die Kosten hierfür abzüglich eines Betrags von 600,- EUR zu übernehmen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Der Kläger, der als Polizeibeamter im Dienst des Beklagten steht, begehrt die Kostenübernahme für die Anschaffung eines Therapie-Dreirads nach Maßgabe der Heilfürsorgeverordnung.

Der am ... 1962 geborene Kläger leidet seit dem Jahr 2001 an einer sekundär chronisch-progredient verlaufenden Multiplen Sklerose. Seither unterzieht er sich zweimal pro Woche einer Physiotherapie und führte in den Jahren 2006 und 2010 Rehabilitationsmaßnahmen durch. Darüber hinaus nimmt er seit dem Jahr 2008 im zweiwöchigen Turnus eine Hippotherapie in Anspruch, die er seit dem Jahr 2011 um eine Ergotherapie ergänzt. Bei dem Kläger sind ein Grad der Behinderung von 90 und eine "außergewöhnliche Gehbehinderung" anerkannt.

Unter dem 08.10.2013 beantragte der Kläger beim Landesamt für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg (im Folgenden: Landesamt) die Übernahme der Kosten für ein speziell auf seine Bedürfnisse angepasstes Therapie-Dreirad, das nach einem (beigefügten) Kostenvoranschlag vom 06.08.2013 7.961,06 EUR kosten sollte. Durch die regelmäßige Nutzung des Therapie-Dreirads könne er seine stetig abnehmende Beweglichkeit, insbesondere seine Gehfähigkeit erhalten. Dieses Training solle die Krankengymnastik und die Hippotherapie ergänzen; die dadurch zu erzielenden Erfolge könnten durch die Physiotherapie oder durch den Einsatz eines Hometrainers beziehungsweise Ergometers nicht erreicht werden. Mit dem Therapie-Dreirad könne er seine koordinativen Fähigkeiten trainieren. Darüber hinaus könne er damit die Muskeln in den Beinen aufbauen, seine Spastik mindern und seine Sturzgefährdung reduzieren. Der Trainingserfolg sei daher unmittelbar erkennbar, weshalb die zusätzliche Versorgung mit dem Therapie-Dreirad zur Unterstützung der ärztlich verordneten Krankengymnastik als zweckmäßig, notwendig und wirtschaftlich angesehen werden könne. Dem Antrag waren ein Rezept für ein Therapie-Dreirad und ein die Anschaffung eines solchen befürwortendes Attest, beide ausgestellt von einem Facharzt für Neurologie, beigefügt. Darüber hinaus legte der Kläger einen "Probefahrtbericht" des Verkäufers des begehrten Therapie-Dreirads vor. Dieser gelangte zu der Einschätzung, dass das getestete Rad eine ideale Ergänzung zur regelmäßigen Krankengymnastik darstelle, die dringend erforderliche Kräftigung der Beinmuskulatur unterstütze und dem Kläger zusätzlich die Erschließung des Nahbereichs ermögliche.

Mit Bescheid vom 16.10.2013 lehnte das Landesamt den Antrag ab. Heilfürsorge für Hilfsmittel sei nach Maßgabe der Hilfsmittel-Richtlinien der gesetzlichen Krankenkassen zu gewähren. Danach komme eine Hilfsmittelversorgung mit Zwei- und Dreirädern bei Jugendlichen und Erwachsenen nicht in Betracht, weil diese hier primär der Fortbewegung dienten, ohne dass sie die hohen therapeutischen Anforderungen wie bei einem Kind erfüllten. Zur Therapie der Krankheit des Klägers stünden zielgerichtetere und wirtschaftlichere Behandlungsmaßnahmen zu Verfügung, z.B. die Physiotherapie. Auch bei eingeschränkter Eigenmobilität führe das gesteigerte Bedürfnis nach Unterstützung der Fortbewegung nicht zu einer Leistungspflicht des Landes.

Zur Begründung seines hiergegen eingelegten Widerspruchs trug der Kläger vor, das Therapie-Dreirad diene nicht der Fortbewegung, sondern der Sicherung des Erfolgs seiner Krankenbehandlung und damit der Unterstützung der Krankengymnastik. Das individuell an seine Bedürfnisse angepasste Therapie-Dreirad könne auch nicht als allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens eingestuft werden. Schließlich könne ihm nicht entgegen gehalten werden, dass günstigere Alternativen bestünden, weil durch die einmaligen Anschaffungskosten voraussichtlich eine mehrjährige Nutzung ermöglicht werde.

Mit Widerspruchsbescheid vom 18.08.2014 wies das Landesamt den Widerspruch zurück. Zur Begründung bezog es sich auf ein neurologisches Gutachten des Facharztes für Neurologie, Herrn Professor Dr. G... vom 23.06.2014 (im Folgenden: neurologisches Gutachten), das im Auftrag des polizeiärztlichen Dienstes erstellt worden war. Danach handele es sich bei dem Spezialfahrrad um eine sinnvolle Ergänzung der anderweitig durchgeführten Rehabilitationsmaßnahmen. Ein Ersatz der konventionellen Rehabilitationsmaßnahmen durch ein Therapie-Dreirad sei nach Auffassung des Gutachters aber nicht sinnvoll, obwohl als Nebeneffekt eine Steigerung der individuellen Mobilität nicht verneint werde. Nach Auswertung des Gutachtens bestehe daher keine medizinische Indikation zur Verordnung eines Therapie-Dreirads zu Lasten der Heilfürsorge.

Am 28.08.2014 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt er sein bisheriges Vorbringen und trägt ergänzend vor, das begehrte Therapie-Dreirad sei zur Sicherung der Krankenbehandlung erforderlich, weil er durch dessen regelmäßige Nutzung seine stetig abnehmende Beweglichkeit, insbesondere seine Gehfähigkeit erhalten könne und dadurch die Krankengymnastik unterstützt werde. Darüber hinaus werde durch die Nutzung des Therapie-Dreirads einer drohenden Behinderung, nämlich dem Verlust seiner Gehfähigkeit in Folge der Multiplen Sklerose, vorgebeugt. Schließlich setze § 12 der Heilfürsorgeverordnung (HVO) nicht voraus, dass das verordnete Therapie-Dreirad die übrigen Therapien ersetze. Ziel sei, die Erfolge der übrigen Therapien zu sichern und zu steigern. Die entsprechende Eignung des Therapie-Dreirads sei in dem neurologischen Gutachten ausdrücklich festgestellt; dieses stelle eine ideale Möglichkeit zur Erhaltung seiner eingeschränkten Mobilität dar. Zur Klarstellung weise er aber darauf hin, dass er keinesfalls beabsichtige, das Therapie-Dreirad zur Fortbewegung über längere Strecken oder zur schnelleren Fortbewegung zu nutzen.


Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 16.10.2013 und dessen Widerspruchsbescheid vom 18.08.2014 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Anschaffung eines Therapie-Dreirads der Marke Lepus Custom nach Maßgabe des Angebots vom 06.08.2013 zu genehmigen und die Kosten hierfür abzüglich eines Betrags von 600,- EUR zu übernehmen.


Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist er auf die verfahrensgegenständlichen Bescheide und trägt ergänzend vor, dem neurologischen Gutachten sei eindeutig zu entnehmen, dass das verordnete Therapie-Dreirad die Physiotherapie nicht ersetzen könne. Denn diese beschränke sich nicht auf die Bewegung und das Training, sondern verfolge darüber hinaus weitere Ziele, beispielsweise die Rumpfstabilisierung oder eine Verbesserung des Gleichgewichtsvermögens.

Der Kammer liegt die beigezogene Heilfürsorgeakte des Landesamts vor. Hierauf, auf die gewechselten Schriftsätze und auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die unbedenklich zulässige Klage ist begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf die Genehmigung der Anschaffung des begehrten Therapie-Dreirads und auf Übernahme der hierfür anfallenden Kosten abzüglich eines Selbstbehalts von 600,- EUR. Der Bescheid des Landesamts vom 16.10.2013 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

1. Der Anspruch des Klägers ergibt sich nicht bereits aus § 12 Abs. 1 Satz 1 und Satz 6 HVO i.V.m. § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von Hilfsmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Hilfsmittel-Richtlinie) i.V.m. § 139 SGB V i.V.m. dem Hilfsmittelverzeichnis des Spitzenverbands Bund der Krankenkassen (Hilfsmittelverzeichnis). Denn dies hätte zur Voraussetzung, dass das begehrte Therapie-Dreirad zum Gebrauch durch Erwachsene im Hilfsmittelverzeichnis aufgeführt ist. Dies ist jedoch - wie zwischen den Beteiligten unstreitig - derzeit (noch) nicht der Fall. Allerdings steht dies dem Anspruch des Klägers auf das begehrte Therapie-Dreirad nicht entgegen, denn nach § 4 Abs. 1 Satz 2 der auf der Grundlage von § 12 Abs. 1 Satz 6 HVO i.V.m. § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V erlassenen Hilfsmittel-Richtlinie ist das Hilfsmittelverzeichnis nicht abschließend; weitere Ansprüche auf die Gewährung von Hilfsmitteln können sich daher aus den allgemeinen Bestimmungen ergeben.

2. Der Anspruch des Klägers auf die Genehmigung der Anschaffung des Therapie-Dreirads und auf die Übernahme der hierfür anfallenden Kosten abzüglich eines Selbstbehalts ergibt sich jedoch aus § 12 Abs. 1 Satz 1 HVO.

a. Nach § 79 Abs. 1 LBG erhalten die Beamtinnen und Beamten des Polizeivollzugsdienstes Heilfürsorge, solange sie Anspruch auf laufende Dienstbezüge haben. Die Leistungen der Heilfürsorge sind grundsätzlich als Sach- und Dienstleistungen in dem aus gesundheitlichen Gründen notwendigen angemessenen Umfang in der Regel unter Beachtung der Wirtschaftlichkeitsgrundsätze zu gewähren, die in der gesetzlichen Krankenversicherung nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch für die Behandlungs- und Verordnungsweise gelten (§ 79 Abs. 2 Satz 1 LBG). Die näheren Einzelheiten werden auf Grundlage des § 79 Abs. 6 LBG durch die Heilfürsorgeverordnung geregelt.

b. Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 HVO haben Heilfürsorgeberechtigte unter anderem Anspruch auf die Versorgung mit ärztlich verordneten orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind. Nach § 2 Abs. 5 Satz 2 HVO können die Kosten außervertraglicher Leistungen in Ausnahmefällen nach grundsätzlich vorheriger Genehmigung übernommen werden.

c. Diese rechtlichen Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Das ärztlich verordnete Therapie-Dreirad ist nicht nur im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 HVO erforderlich, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern (aa.), sondern ist darüber hinaus auch im Sinne der alternativen Tatbestandsvoraussetzung des § 12 Abs. 1 Satz 1 Var. 3 HVO erforderlich, um eine Behinderung auszugleichen (bb.). Dem geltend gemachten Anspruch steht auch nicht § 12 Abs. 1 Satz 1 HVO a.E. entgegen, weil es sich bei dem Therapie-Dreirad nicht um einen allgemeinen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens handelt und dieses auch nicht nach § 34 Abs. 4 SGB V von der Heilfürsorge ausgeschlossen ist (cc.). Der Kläger muss sich auch - über die bereits im Antrag berücksichtigten Kosten für ein handelsübliches Markenfahrrad mit zwei Rädern hinaus - keine weiteren Abzüge gefallen lassen (dd.). Schließlich liegen die Voraussetzungen des § 2 Abs. 5 Satz 2 HVO für die Gewährung der Heilfürsorge in Form einer Kostenübernahme vor (ee.)

aa. Das Therapie-Dreirad ist erforderlich, um den Erfolg der Krankenbehandlung des Klägers zu sichern.

aaa. Grundsätzlich sind Maßnahmen oder Hilfen zur Bewegungsförderung nur ausnahmsweise vom Tatbestand des § 12 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 HVO erfasst. Denn zur Krankenbehandlung gehören regelmäßig nur Maßnahmen mit Behandlungs- und Therapiecharakter, die einen eindeutigen Krankenbezug aufweisen. Bloß allgemeine Maßnahmen der Erhaltung und Förderung der Gesundheit genügen diesen Anforderungen daher nicht. Demgemäß fällt Sport - anders als beispielsweise Krankengymnastik -, der in allgemeiner Weise den körperlichen und psychischen Zustand positiv beeinflussen soll und bei dem der medizinische Zweck nicht überwiegt, nicht unter den heilfürsorgerechtlichen Behandlungsbegriff. Gleichwohl können therapeutische Sportgeräte - wie hier das Therapie-Dreirad - in besonders gelagerten Fällen Hilfsmittel zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung im Sinne von § 12 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 HVO sein. Der Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung dient ein therapeutisches Sportgerät, soweit es spezifisch im Rahmen der ärztlich verantworteten Krankenbehandlung eingesetzt wird, um zu ihrem Erfolg beizutragen. Jedoch ist nicht jedwede gesundheitsfördernde Betätigung als "spezifischer Einsatz im Rahmen der ärztlich verantworteten Krankenbehandlung" anzusehen. Keinen ausreichend engen Bezug zu einer konkreten Krankenbehandlung weisen nach den dargelegten Maßstäben diejenigen gesundheitsfördernden Maßnahmen auf, die (nur) allgemein auf die Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit, die Mobilisierung von Restfunktionen behinderter Menschen, die Erhöhung der Ausdauer und Belastungsfähigkeit sowie auf die Hilfe bei der Krankheitsbewältigung abzielen. Andernfalls bedürfte es nicht der besonderen Leistungstatbestände u.a. der §§ 14, 15 HVO, mit denen die Heilfürsorge unter den jeweiligen Voraussetzungen - und über die eigentliche Krankheitsbehandlung hinaus - auch auf Aufgaben der medizinischen Rehabilitation und Prävention ausgedehnt wurde (vgl. BSG, Urteil vom 07.10.2010 - B 3 KR 5/10 R -, juris zum wortlautgleichen § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V; zur Maßstäblichkeit der in der gesetzlichen Krankenversicherung nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch geltenden Wirtschaftlichkeitsgrundsätze für die Heilfürsorge vgl. § 79 Abs. 2 Satz 1 LBG und § 2 Abs. 4 Satz 1 HVO).

Ein weitergehender spezifischer Bezug zur ärztlich verantworteten Krankenbehandlung i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 1 HVO (ambulante ärztliche Betreuung) kommt daher nur solchen Maßnahmen zur körperlichen Mobilisation zu, die in einem engen Zusammenhang zu einer andauernden, auf einem ärztlichen Therapieplan beruhenden Behandlung durch ärztliche und ärztlich angeleitete Leistungserbringer stehen und für die eine ambulante Betreuung i.S.v. § 4 HVO als erforderlich anzusehen ist. Davon ist bei einer Hilfe zur körperlichen Betätigung - wie hier mit dem Therapie-Dreirad - dann auszugehen, wenn der Heilfürsorgeberechtigte aufgrund der Schwere der Erkrankung dauerhaft Anspruch auf Maßnahmen der Physiotherapie hat und die durch das beanspruchte Hilfsmittel unterstützte eigene körperliche Betätigung diese Therapie entweder wesentlich fördert oder die Behandlungsfrequenz infolge der eigenen Betätigung geringer ausfallen kann und sich deshalb die Versorgung mit dem Hilfsmittel als wirtschaftlich darstellt (vgl. BSG, Urteil vom 07.10.2010 - B 3 KR 5/10 R -, juris).

bbb. So liegen die Dinge hier. Zur Überzeugung der Kammer steht das Beintraining mit dem Therapie-Dreirad im Kontext eines ärztlichen Therapieplans. Hierfür spricht zunächst, dass dem Kläger das Therapie-Dreirad fachärztlich verordnet wurde und er darüber hinaus ein Attest des behandelnden Facharztes vorgelegt hat, das die Nutzung eines Therapie-Dreirads zur Kräftigung der Beinmuskulatur neben der Physiotherapie empfiehlt. Darüber hinaus hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass der mit dem Gebrauch des Therapie-Dreirads bezweckte Aufbau der Beinmuskulatur (nur) einen Ansatz innerhalb eines mehrgliedrigen Therapiekonzepts darstellt, das daneben die Aufrechterhaltung seiner koordinativen Fähigkeiten (Krankengymnastik) und die Linderung seiner Spasmen (Hippotherapie) zum Ziel hat. Vor diesem Hintergrund erweist es sich auch als unschädlich, dass der Anstoß für die - ärztlich als notwendig erachtete - Kräftigung der Beinmuskulatur speziell durch den Gebrauch eines Therapie-Dreirads vom Kläger ausgegangen sein mag.

ccc. Die körperliche Betätigung des Klägers durch den Gebrauch des Therapie-Dreirads ist auch geeignet, den Erfolg der Physiotherapie wesentlich zu fördern. Dafür spricht bereits, dass die Kräftigung der Beinmuskulatur - wie dargetan - ein eigenständiges therapeutisches Teilziel darstellt, das im Rahmen der Physiotherapie mit Blick auf deren andersgelagerte Zielsetzung (Koordination, Beweglichkeit) und ihres vergleichsweise geringen zeitlichen Umfangs (zweimal knapp 30 Minuten pro Woche) ersichtlich nicht erreicht werden kann. Diese Einschätzung wird durch das neurologische Gutachten bestätigt, das die unterschiedliche Zielsetzung des Trainings mit dem Therapie-Dreirad und der Physiotherapie hervorhebt und daher auch folgerichtig zu der - teils etwas schwankenden - Einschätzung gelangt, dass ein (teilweiser) Verzicht auf die Physiotherapie durch die Anschaffung des Therapie-Dreirads nicht zu erreichen, jedenfalls aber nicht angezeigt sei. Soweit in dem neurologischen Gutachten (S. 10) ausgeführt ist, dass die therapeutische Wirkung des Therapie-Dreirads einen Nebeneffekt der Steigerung der individuellen Mobilität des Klägers darstelle, so steht dies dem an das Hilfsmittel zu stellenden Erfordernis, die Physiotherapie wesentlich zu fördern, nicht entgegen. Denn die mit dem Einsatz des Therapie-Dreirads zu erwartende Förderung des Therapieerfolgs wird nicht dadurch geschmälert, dass mit ihm weitere Erfolge für den behinderten Menschen einhergehen, die zugleich alternative Anspruchsvoraussetzungen des § 12 Abs. 1 Satz 1 HVO - vorliegend den Ausgleich einer Behinderung, dazu sogleich 2.c.bb. - erfüllen.

Dem zweckentsprechenden Einsatz des begehrten Therapie-Dreirads stehen auch nicht die im neurologischen Gutachten besorgten Zeitprobleme entgegen. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung zur Überzeugung der Kammer vorgebracht, seinen Dienst bereits um 6.15 Uhr in Karlsruhe anzutreten und daher bereits zwischen 15.30 und 16 Uhr nach Hause zurückzukehren. Demnach verbleibt mindestens an zwei - bislang therapiefreien - Tagen unter der Woche und darüber hinaus am Wochenende ohne Weiteres Zeit für ein ein- bis zweistündiges Training mit dem Therapie-Dreirad. Darüber hinaus dient dieses der räumlichen Erschließung des Nahbereichs, was es dem Kläger ermöglicht, kleinere Trainingseinheiten mit - ohnedies anfallenden - Alltagsverrichtungen zu kombinieren. So hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung glaubhaft und plausibel dargelegt, die 800 m entfernte Physiotherapiepraxis künftig mit dem Therapie-Dreirad aufsuchen zu wollen und dieses damit auch an den der Physiotherapie vorbehaltenen Wochentagen für Trainingszwecke zu nutzen.

ddd. Das Therapie-Dreirad ist schließlich auch erforderlich, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern (vgl. § 12 Abs. 1 Satz 1 HVO), denn ebenso wirksame, aber wirtschaftlich günstigere Alternativen hat das Landesamt nicht aufgezeigt; sie sind auch ansonsten nicht ersichtlich. Insbesondere geht aus dem neurologischen Gutachten hervor, dass ein stationärer Ergometer keinen gleichwertigen Ersatz darstellte, weil dieser nur zeitlich begrenzt eingesetzt werden könnte. Sollte - was der Kammer ohnedies wenig wahrscheinlich scheint - das Training mit dem Therapie-Dreirad durch eine höher frequentierte Krankengymnastik ersetzt werden können, so stünde dies der Erforderlichkeit der Versorgung mit dem Therapie-Dreirad gleichfalls nicht entgegen. Denn angesichts der einmaligen Anschaffungskosten für das Therapie-Dreirad und dessen voraussichtlich mehrjähriger Nutzbarkeit ist davon auszugehen, dass die andernfalls zumindest notwendige Inanspruchnahme zweier weiterer wöchentlicher Krankengymnastikstunden den Beklagten auf längere Sicht wirtschaftlich stärker belasten würde (vgl. BSG, Urteil vom 07.10.2010 - B 3 KR 5/10 R -, juris).

bb. Das Therapie-Dreirad ist darüber hinaus erforderlich, um die Behinderung des Klägers auszugleichen (vgl. § 12 Abs. 1 Satz 1 Var. 3 HVO).

aaa. Als gegenüber der Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung alternative Tatbestandsvoraussetzung zielt § 12 Abs. 1 Satz 1 Var. 3 HVO - wie die Gewährung der Heilfürsorge überhaupt (vgl. § 2 Abs. 4 Satz 1 HVO) - auf die medizinische Rehabilitation des Heilfürsorgeberechtigten ab; § 12 Abs. 1 HVO hat damit nicht die soziale oder berufliche Rehabilitation zum Gegenstand. Bei Hilfsmitteln, die - wie das streitgegenständliche Therapie-Dreirad - nicht unmittelbar eine körperliche Funktion ersetzen, sondern lediglich die direkten oder indirekten Folgen einer Behinderung ausgleichen ("mittelbarer Behinderungsausgleich") kann von einer medizinischen Rehabilitation nur die Rede sein, wenn der Zweck des Hilfsmitteleinsatzes der Befriedigung körperlicher Grundfunktionen und in diesem Sinne einem Grundbedürfnis dient. Ein solches Grundbedürfnis stellt nicht nur die Mobilität innerhalb der eigenen Wohnung, sondern auch die Möglichkeit dar, diese zu verlassen und "an die frische Luft zu kommen", auch um die üblicherweise im Nahbereich der Wohnung möglichen Alltagsgeschäfte zu erledigen. Dabei hat der Heilfürsorgeberechtigte aber keinen Anspruch darauf, den Nahbereich gerade in der von ihm bevorzugten Art und Weise zu erschließen. Beispielsweise hat ein Heilfürsorgeberechtigter keinen Anspruch darauf, neben einem ihm bereits zur Verfügung stehenden (und die Erschließung des Nahbereichs ermöglichenden) Rollstuhl mit einem Therapie-Dreirad ausgestattet zu werden (vgl. BSG, Urteil vom 07.10.2010 - B 3 KR 5/10 R -, juris).

bbb. Nach diesen Maßstäben hat der Kläger einen Anspruch auf die Gewährung eines Therapie-Dreirads, denn dieses soll - wie von ihm in der mündlichen Verhandlung vorgetragen - auch der Erschließung des räumlichen Nahbereichs, etwa der Fahrt zur Physiotherapie, dienen. Hiergegen spricht nicht, dass sich die Physiotherapiepraxis in einer Entfernung von 800 m zum Wohnsitz des Klägers befindet; denn der "räumliche Nahbereich" bemisst sich nicht nach feststehenden Distanzen, sondern ist in Abhängigkeit von den jeweiligen örtlichen Begebenheiten zu bestimmen. Dies kann ergeben, dass je nach Bebauungsdichte und Versorgungslage gerade in kleineren Gemeinden der räumliche Nahbereich weiter reicht und - wie vorliegend - auch eine 800 m entfernte Praxis umfasst.

Schließlich ist das begehrte Therapie-Dreirad zum Behinderungsausgleich erforderlich, denn der Kläger vermag nach seinen - in Übereinstimmung mit der anerkannten "außergewöhnlichen Gehbehinderung" stehenden - Angaben zu Fuß gerade die eigene Grundstücksgrenze zu erreichen, bevor starke Schmerzen einsetzen und er sich auf einer eigens hierfür aufgestellten Bank niederlassen muss. Schließlich ist der Kläger zur Erschließung des Nahbereichs auch nicht auf sein Auto oder auf einen -derzeit noch gar nicht angeschafften - Rollstuhl zu verweisen.

Autos sind nach ihrer Größe und Bauart grundsätzlich nicht dazu geeignet, den Nahbereich zu erschließen. Denn weder ermöglichen sie es, "an die frische Luft zu kommen", noch erlauben sie es (was sich gerade bei stark eingeschränkter Gehfähigkeit bemerkbar macht) ohne Weiteres, die gewünschten Ziele direkt zu erreichen. So werden im räumlichen Nahbereich typischerweise Geschäfte und Praxen sowie soziale Veranstaltungen und Begegnungsstätten wie Markt- und Sportplätze oder Dorffeste aufgesucht, die mit dem Auto nicht unmittelbar und damit für den in seiner Gehfähigkeit stark beeinträchtigten Menschen unter Umständen gar nicht erreichbar sind. Schließlich kommt der Erschließung des räumlichen Nahbereichs - etwa durch den Kontakt mit Nachbarn oder Mitgliedern der dörflichen Gemeinschaft - eine soziale Funktion zu, der aus dem Auto heraus - in Folge einer hier kaum möglichen direkten Ansprache - nicht entsprochen werden kann.

Ebenso muss sich der Kläger nicht darauf verweisen lassen, den Nahbereich mit Hilfe eines Rollstuhls zu erschließen. Hiergegen spricht zunächst, dass der Kläger derzeit noch gar nicht über einen Rollstuhl verfügt. Im Übrigen ist vom Landesamt nicht dargetan und drängt sich der Kammer auch nicht auf, dass ein - den Anforderungen an die Erschließung des räumlichen Nahbereichs genügender - Elektrorollstuhl ein wirtschaftlicheres Hilfsmittel darstellte, als das vom Kläger begehrte Therapie-Dreirad. Dies gilt umso mehr, als jedenfalls bei gleichermaßen wirtschaftlichen Möglichkeiten des Behinderungsausgleichs dem Heilfürsorgeberechtigten ein Wahlrecht zukommen muss. Darüber hinaus spricht Vieles dafür, dass der in § 12 Abs. 1 Satz 1 Var. 3 HVO vorgesehene Behinderungsausgleich im Lichte des § 12 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 HVO auszulegen ist, weshalb der Vergleich der in Betracht kommenden Hilfsmittel nicht alleine nach wirtschaftlichen, sondern auch nach rehabilitativ-medizinischen Gesichtspunkten zu erfolgen hat. Auch diese Erwägung streitet nach Auffassung der Kammer dagegen, den Kläger auf einen - erst noch anzuschaffenden - Elektrorollstuhl zu verweisen. Allerdings weist die Kammer rein vorsorglich darauf hin, dass dem Kläger neben dem vorliegend zugesprochenen Therapie-Dreirad vorerst kein Elektrorollstuhl zustehen dürfte, der über seine Wohnung und seinen Garten hinaus der Erschließung des räumlichen Nahbereichs diente. Denn ein derartiges Gerät dürfte sich neben einem Therapie-Dreirad nicht als erforderlich erweisen (vgl. hierzu vgl. BSG, Urteil vom 07.10.2010 - B 3 KR 5/10 R -, juris).

cc. Der nach alledem bestehende Anspruch des Klägers ist nicht nach § 12 Abs. 1 Satz 1 HVO a.E. ausgeschlossen, denn weder ist das Therapie-Dreirad vom Ausschlusstatbestand des § 34 Abs. 4 SGB V (i.V.m. der Verordnung über Hilfsmittel von geringem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis in der gesetzlichen Krankenversicherung) erfasst, noch handelt es sich dabei um einen allgemeinen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens.

Als allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens ist ein Gegenstand dann nicht anzusehen, wenn er bereits seiner Konzeption nach den Zwecken des § 12 Abs. 1 Satz 1 HVO dienen soll, oder wenn er jedenfalls den Bedürfnissen erkrankter oder behinderter Menschen besonders entgegenkommt und daher von körperlich nicht beeinträchtigten Menschen praktisch nicht genutzt wird. Bei zweirädrigen Fahrrädern mit überkommener Rahmenform handelt es sich zweifelsohne um allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens. Auch serienmäßig hergestellte Liegedreiräder - die auch und zunehmend von gesunden Menschen genutzt werden - wird man als allgemeine Gebrauchsgegenstände anzusehen haben (vgl. BSG, Urteil vom 07.10.2010 - B 3 KR 5/10 R -, juris m.w.N.). Von den vorgenannten Fortbewegungsmitteln unterscheidet sich das vom Kläger begehrte Therapie-Dreirad indes deutlich. Denn hierbei handelt es sich um eine individuell zusammengestellte Konstruktion, die den krankheitsbedingten Leiden des Klägers und den ihm daraus erwachsenden Gesundheitsgefahren in spezifischer Weise Rechnung trägt. So dient die vorgesehene Rückenlehne der Entlastung und Führung des Oberkörpers, der Unterlenker der Entlastung der Haltemuskulatur in Schultern und Armen, die Öl-Dämpfer der Entlastung der Wirbelsäule, die Fußschalen der Beinführung und schließlich der Elektromotor mit Anfahrhilfe der jeweils erforderlichen Tretkraftunterstützung. Nach alledem spricht vieles dafür, dass das begehrte Therapie-Dreirad bereits konzeptionell auf einen Behinderungsausgleich gerichtet ist. Jedenfalls kommt es den Bedürfnissen erkrankter oder behinderter Menschen in besonderer Weise entgegen und kann daher nicht als allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens angesehen werden.

dd. Der Kläger muss sich - über die bereits im Antrag berücksichtigten Kosten für ein handelsübliches Markenfahrrad mit zwei Rädern hinaus (aaa.) - keine weiteren Abzüge gefallen lassen (bbb.).

aaa. Der Genehmigungs- und Erstattungsanspruch des Klägers reduziert sich um die durchschnittlichen Anschaffungskosten für ein handelsübliches Herrenrad. Denn das Therapie-Dreirad ersetzt ein von gesunden Menschen als Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens genutztes handelsübliches Zweirad. Bei Hilfsmitteln, die neben ihrer Zweckbestimmung i.S.v. von § 12 Abs. 1 Satz 1 HVO einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens ersetzen, haben die Heilfürsorgeberechtigen einen Eigenanteil für ersparte Aufwendungen in Höhe des wirtschaftlichen Wertes des ersetzten Gebrauchsgegenstandes selbst zu tragen (vgl. BSG, Urteil vom 07.10.2010 - B 3 KR 5/10 R -, juris m.w.N.). Diese Beschränkung findet ihren Ausdruck auch im Wortlaut des § 12 Abs. 1 Satz 1 a.E. BVO, wonach Hilfsmittel soweit von der Leistungspflicht ausgenommen sind, wie sie als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen sind. Zwar handelt es sich bei dem begehrten Therapie-Dreirad - wie ausgeführt - nicht um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens, allerdings umfasst es funktional - unter zusätzlicher Abdeckung krankheits - beziehungsweise behindertenspezifischen Sonderbedarfs - auch einen solchen Gebrauchsgegenstand, vorliegend ein zweirädriges Herrenfahrrad. Dies spricht gleichfalls dafür, vorliegend die durchschnittlichen Anschaffungskosten für ein handelsübliches Herrenrad in Abzug zu bringen. Die Kammer bringt - wie mit den Beteiligten im Rahmen der mündlichen Verhandlung erörtert und vom Kläger bei seiner Antragstellung berücksichtigt - insoweit einen Betrag von 600,- EUR in Ansatz.

bbb. Eine weitere - über die in der Antragstellung bereits berücksichtigte -Beschränkung des Genehmigungs- und Erstattungsanspruchs des Klägers ist nicht vorzunehmen. Zwar beschränkt sich der Anspruch aus § 12 Abs. 1 Satz 1 HVO auf die kostengünstigste Hilfsmittelversorgung; es besteht kein Anspruch auf eine Optimalversorgung, sondern nur auf die Bereitstellung ausreichender, wirtschaftlicher und zweckmäßiger Hilfsmittel. Vorliegend ist jedoch nicht ersichtlich, dass für den Kläger günstigere, aber gleichermaßen geeignete Hilfsmittel beschafft werden könnten. Die vom Landesamt vorgelegten alternativen Angebote für Erwachsenen-Dreiräder zum Preis von ca. 5.480,- EUR beziehungsweise 3.889,- EUR kommen für den Kläger bereits deshalb nicht in Betracht, weil diese bauartbedingt über hoch angebrachte Lenker verfügen, die nur mit nach vorne gestreckten Armen zu erreichen sind. Wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen vorgetragen hat, vermag er eine entsprechende Armhaltung wegen seiner Erkrankung (über längere Zeiträume) nicht einzunehmen. Die Kammer sieht keinen Anlass, diese Ausführungen des Klägers in Zweifel zu ziehen, zumal er nach eigenen Angaben bereits im Vorfeld ein entsprechendes Modell getestet und sich dieses für seine besonderen Bedürfnisse als ungeeignet erwiesen hat. Schließlich hat das Landesamt kein günstigeres Angebot vorgelegt, das über den vom Kläger benötigten Unterlenker verfügen würde.

ee. Die Voraussetzungen für die Gewährung der Heilfürsorge im Wege der Kostenübernahme und - damit einhergehend - die Erteilung der insoweit erforderlichen Vorabgenehmigung liegen vor.

aaa. Nach § 79 Abs. 2 Satz 1 LBG sind die Leistungen der Heilfürsorge zwar grundsätzlich als Sach- und Dienstleistungen zu gewähren. Nach § 2 Abs. 5 Satz 1 HVO werden über die nach dieser Verordnung zu gewährenden Leistungen vom Innenministerium im erforderlichen Umfang Verträge mit Dritten abgeschlossen. § 2 Abs. 5 Satz 2 HVO sieht aber eine Ausnahme vom Sachleistungsgrundsatz vor. Danach können die Kosten außervertraglicher Leistungen in Ausnahmefällen nach grundsätzlich vorheriger Genehmigung übernommen werden (§ 2 Abs. 5 Satz 2 HVO). Von einer außervertraglichen Leistung im Sinne des § 2 Abs. 5 Satz 2 HVO ist im systematischen Gegenschluss zu § 2 Abs. 5 Satz 1 HVO dann auszugehen, wenn die betreffende Leistung nicht Gegenstand der Verträge ist, die das Innenministerium mit Dritten abgeschlossen hat. Davon ist mit Blick auf das begehrte Therapie-Dreirad auszugehen. Zunächst hat das Landesamt die Genehmigungsbedürftigkeit der vom Kläger begehrten Anschaffung nicht bestritten und auch nicht vorgetragen, dass Therapie-Dreiräder in den Anwendungsbereich des § 2 Abs. 5 Satz 1 HVO fielen. Hiergegen spricht auch, dass das Landesamt (im Zusammenhang mit der Höhe des Erstattungsanspruchs) kostengünstigere Alternativangebote vorgelegt hat, die augenscheinlich ebenfalls dem freien Anbietermarkt entnommen waren, mithin nicht auf (vorbestehenden) Verträgen mit Dritten beruhten. Schließlich erscheint es der Kammer auch schwerlich vorstellbar, dass hinsichtlich patientenspezifischer Sonderanfertigungen vorab überhaupt substantielle Verträge mit Dritten zur Konkretisierung des Leistungsumfangs beziehungsweise der Entgelte geschlossen werden könnten. Darüber hinaus dürfte es sich für das Landesamt auch kaum als sinnvoll erweisen, über vergleichsweise seltene Hilfsmittel wie Therapie-Dreiräder vorab mit Dritten in vertragliche Beziehung zu treten. Nach alledem ist die Kammer vorliegend zu der Überzeugung gelangt, dass es sich bei dem Therapie-Dreirad um eine außervertragliche Leistung im Sinne des § 2 Abs. 5 Satz 2 HVO handelt. Etwas anderes ergibt sich - ungeachtet ihrer ohnedies zu verneinenden Bindungswirkung gegenüber der erkennenden Kammer - auch nicht aus Nr. 2.4 der Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums zur Heilfürsorgeverordnung (HVOVwV). Danach handelt es sich bei außervertraglichen Leistungen im Sinne des § 2 Abs. 5 Satz 2 HVO um Leistungen von Ärzten oder Zahnärzten, die nicht verpflichtet sind, nach den Polizeivertragssätzen abzurechnen, sowie wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethoden. Denn mit dieser Definition verfolgte das Innenministerium erkennbar nicht den Zweck, Leistungen von Dritten (außer Ärzten oder Zahnärzten) vom Anwendungsbereich des § 2 Abs. 5 Satz 2 HVO auszuschließen. Ein anderes Verständnis der Nr. 2.4 (HVOVwV) widerspräche zum einen dem systematischen Dualismus von § 2 Abs. 5 Satz 1 und Satz 2 HVO, der nur vertragliche oder außervertragliche Leistungen, nicht aber eine dritte Kategorie kennt und hätte darüber hinaus - wie gerade der vorliegende Fall zeigt - verfassungsrechtlich bedenkliche Lücken (vgl. Art. 33 Abs. 5 GG) hinsichtlich der Gewährung von Heilfürsorge für nichtärztliche Leistungen zur Folge. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass Nr. 2.4 HVOVwV das Tatbestandsmerkmal der "außervertraglichen Leistungen" ausschließlich auf Ärzte oder Zahnärzte beschränken will. Schließlich ist auch vom Vorliegen eines Ausnahmefalls auszugehen, weil - wie dargetan - mit Blick auf Therapie-Dreiräder der vorherige Vertragsschluss mit Dritten (vgl. § 2 Abs. 5 Satz 1 HVO) nicht in Betracht kam.

bbb. Dem Anspruch des Klägers steht nicht entgegen, dass § 2 Abs. 5 Satz 2 HVO der Behörde ein Ermessen einräumt, ob sie die Heilfürsorge durch Vorabgenehmigung und Kostenübernahme gewähren will. Wenn die Behörde - wie vorliegend - das begehrte Hilfsmittel nicht als Sachleistung gewähren kann, so reduziert sich das in § 2 Abs. 5 Satz 2 HVO gewährte Ermessen auf einen gebundenen Anspruch des Heilfürsorgeberechtigten. Denn andernfalls hätte es die Behörde in der Hand, den materiell bestehenden Heilfürsorgeanspruch ("ob") auf der Ebene seiner praktischen Umsetzung ("wie") auszuhebeln.

3. a. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

b. Die Berufung ist nicht zuzulassen, da keiner der in § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO genannten Gründe vorliegt.

Referenznummer:

R/R7069


Informationsstand: 08.11.2016