Urteil
Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand - Polizeidienstunfähigkeit - Keine Suchpflicht des Dienstherrn nach anderweitiger Verwendung bei fehlendem Restleistungsvermögen

Gericht:

VG Aachen 1. Kammer


Aktenzeichen:

1 K 68/14


Urteil vom:

11.04.2016


Leitsätze:

Die gemäß § 26 Abs. 1 Satz 3, Abs. 3 BeamtStG grundsätzlich bestehende Suchpflicht entfällt bei fehlendem Restleistungsvermögen des Beamten.

Rechtsweg:

OVG NRW, Urteil vom 11.09.2017 - 6 A 1013/16

Quelle:

Justizportal des Landes NRW

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Zurruhesetzung des Klägers.

Der 1955 geborene Kläger steht seit dem Jahr 1973 im Dienst des beklagten Landes. Zuletzt hatte er das Amt eines Polizeihauptkommissars inne.

Da der Kläger im Jahr 2010 im Zeitraum bis September bereits an 103 Arbeitstagen dienstunfähig erkrankt war, wurde er im Dezember 2010 vom polizeiärztlichen Dienst in Köln untersucht. Dabei wurde festgestellt, dass er unter einer chronischen Rückenerkrankung leide, die neben Bewegungseinschränkungen und verminderter körperlicher Belastbarkeit auch die regelmäßige Einnahme von Medikamenten mit sich bringe. Letztgenannte beeinträchtigten das Reaktionsvermögen, sodass bis auf Widerruf keine Tauglichkeit für das Führen von Polizeikraftfahrzeugen bestehe. Zur Wiedereingliederung in den Dienst sollte der Kläger in den Monaten Januar und Februar 2011 zunächst an 4 Stunden pro Tag Dienst verrichten, im März und April auf 6 Stunden täglich erhöhen und im Mai und Juni wieder vollschichtig arbeiten und sich anschließend erneut beim polizeiärztlichen Dienst vorstellen.

Nachdem er im Rahmen der Wiedereingliederung von der 3. bis einschließlich der 7. Kalenderwoche erneut erkrankt war und auch nur in einer Woche das volle Stundenpensum absolvieren konnte, wurde die Wiedereingliederung am 16. Juni 2011 abgebrochen. Der polizeiärztlichen Dienst stellte am 21. Juni 2011 fest, dass der Kläger nur im Innendienst verwendbar sei. Zudem wurde festgestellt, dass er austherapiert sei und weitere Rehabilitationsmaßnahmen nicht förderlich sein dürften. Daher werde er für nicht polizeidienstfähig gehalten und eine Erlassuntersuchung gemäß §§ 116, 33 LBG NRW empfohlen.

Unter dem 26. Juli 2011 ordnete die Kreispolizeibehörde (KPB) Euskirchen die polizeiärztliche Begutachtung der Polizei- und allgemeinen Dienstfähigkeit durch das Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei Nordrhein-Westfalen (LAFP NRW) an. Teil des Gutachtenauftrags war es, abzuklären, ob und gegebenenfalls welche Maßnahmen zur Wiederherstellung der Dienstfähigkeit ergriffen werden könnten.

Nachdem der Kläger zu diversen Untersuchungsterminen nicht erschienen war, begutachtete der Polizeiarzt beim LAFP NRW dessen gesundheitliche Lage anhand der Krankenakten. Dabei stellte er fest, dass bisher weder eine fachärztliche Behandlung, noch eine stationäre oder rehabilitative (ambulante, teilstationäre oder stationäre) Behandlung erfolgt seien. Er bitte darum, durch den zuständigen Polizeiarzt umgehend eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme einzuleiten.

Unter dem 2. August 2012 hielt der polizeiärztliche Dienst fest, dass eine stationäre Reha mit dem Kläger besprochen und ihm empfohlen worden sei. Er habe dies jedoch abgelehnt. Mit einer Wiederherstellung der Dienstfähigkeit sei nicht zu rechnen. Auf dieser Basis ersuchte die Dienststelle das LAFP NRW unter dem 3. September 2012 erneut um die Begutachtung der (Polizei-)Dienstfähigkeit des Klägers.

Im Rahmen der Terminabsprache für die Untersuchung in Düsseldorf schrieb der Kläger am 10. Oktober 2012, man solle über seine vorzeitige Zurruhesetzung zum 1. Januar oder 1. Februar 2013 nachdenken, da sich sein gesundheitlicher Zustand nach Ansicht seines Hausarztes nicht verbessern werde.

In seinem Gutachten vom 29. Oktober 2012 (Langfassung) kam der Polizeiarzt beim LAFP NRW zu dem Ergebnis, dass der Kläger sowohl polizei- als auch allgemein dienstunfähig sei. Das Gutachten enthielt Auszüge aus diversen medizinischen Attesten, die bis ins Jahr 1992 zurückdatierten. Unter anderem wurde ein Bericht der Praxis für Radiologie und Nuklearmedizin F. vom 20. September 2008 zitiert, in dem unter anderem eine völlig aufgebrauchte Bandscheibe im Segment L5/S1 attestiert wurde. In einem zitierten Bericht des Hausarztes des Klägers aus November 2010 hieß es dann: "Trotz intensiver Therapiemaßnahmen wie Infusionsbehandlungen, lokalen Injektionen, Blockaden etc. konnte die Arbeitsfähigkeit bisher nicht wiederhergestellt werden, da ein Sitzen im Streifenwagen nur ganz kurze Zeit möglich ist. Der MRT-Befund zeigt eine völlig aufgebrauchte untere Bandscheibe, man sieht kaum noch einen Abstand zwischen dem 5. Lendenwirbel und dem 1. Kreuzbeinwirbel." Der letzte auszugweise zitierte Arztbericht datierte auf den 5. Oktober 2012. In dessen allgemeiner Anamnese wurde ausgeführt, der Kläger habe mitgeteilt, dass er ständig Schmerzen sowie ein Druckgefühl im Rücken habe, ferner leide er unter einem Taubheitsgefühl im rechten Oberschenkel. Auch komme es vor, dass ihm das Bein wegknicke. Eine stationäre Reha lehne er jedoch ab, da seine Frau erkrankt sei. Hinsichtlich des Stütz- und Bewegungsapparats wurde festgehalten, dass eine Fehlhaltung/Deformation vorliege, an der unteren Brustwirbelsäule Druck- und Klopfschmerz bestehe und eine Bewegungseinschränkung vorliege, wobei der Finger-Bodenabstand 30 cm betrage. Ferner liege eine beidseitige Hochtonschwerhörigkeit vor. Entscheidungsrelevante Diagnosen seien die ausgeprägte degenerativer Wirbelsäulenveränderung, ein Beckenschiefstand links (1 cm), eine arterielle Verschlusskrankheit, die arterielle Hypertonie, die Erhöhung der leberspezifischen Laborparameter, die Hochtonschwerhörigkeit sowie eine Visusstörung. Nicht entscheidungsrelevant seien die diagnostizierte Adipositas, die festgestellte Nabelhernie sowie der Nikotinabusus. Diese Befunde wurden schließlich zusammengefasst, wobei der Polizeiarzt zu dem Ergebnis kam, der Kläger sei aufgrund der ausgeprägten degenerativen Wirbelsäulenveränderungen sowie der internistischen Erkrankungen von verschiedenen Tätigkeiten bzw. Funktionen zu befreien. Er sei weder polizei- noch allgemein dienstfähig. Auch sei nicht damit zu rechnen, dass in absehbarer Zeit die Dienstfähigkeit wiedererlangt werde. Im Anschluss wurden die folgenden Verwendungseinschränkungen aufgeführt: Einschränkung der persönlichen Mobilität, Einschränkungen für Tätigkeiten in Zwangshaltung sowie beim Heben und Tragen von Lasten, bei der Verwendung in Lärmbereichen, in der Verwendung an Büro-/PC-Arbeitsplätzen (weil längeres Sitzen nicht möglich sei) sowie in der Aus- und Fortbildung. Ferner sei der Kläger in keinem spezifischen Dienst (Wechselschichtdienst, Nachtdienst etc.) verwendbar. Hinsichtlich der polizeilichen Aufgabenverrichtung sei er im Außendienst nicht verwendbar; ihm sei weder der körperlicher Einsatz gegen Rechtsbrecher noch das Führen von Schusswaffen möglich. Darüber hinaus sei er beim Führen von Dienst-KFZ eingeschränkt, wobei er weder Einsatzfahrten noch Fahrten bei Dunkelheit oder unsichtiger Witterung vornehmen dürfe. In der abschließenden Beurteilung wurde sowohl die Eignung für den Polizeivollzugsdienst als auch die Eignung für den allgemeinen Verwaltungsdienst verneint. Mit einer Wiederherstellung der gesundheitlichen Eignung für den Polizeivollzugsdienst innerhalb der nächsten zwei Jahre sei nicht zu rechnen. Die Zusammenfassung der Befunde und die festgestellten Einschränkungen sowie die abschließende Beurteilung waren auch Gegenstand des Kurzgutachtens vom 12. November 2012, das der Dienststelle zugesandt wurde.

Im Laufe des sich anschließenden Verwaltungsverfahrens aufgrund des am 23. November 2012 eingeleiteten Zurruhesetzungsverfahrens hatte der nunmehrige Prozessbevollmächtigte des Klägers Einsicht in beide Fassungen des Gutachtens.

Im Rahmen seiner Anhörung trug der Kläger diverse Einwände gegen die getroffenen Feststellungen zur Polizei- und allgemeinen Dienstunfähigkeit sowie zur beabsichtigten vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand vor. Insbesondere machte er geltend, man müsse abwarten, ob seine Dienstfähigkeit nicht durch Rehabilitationsmaßnahmen wiederherzustellen sei.

Auf dieser Grundlage konsultierte die Dienststelle den Polizeiarzt des LAFP NRW. Dieser führte unter dem 20. Januar 2013 aus, der Kläger habe eine stationäre Reha aufgrund der Erkrankung seiner Ehefrau abgelehnt. Dass er ihm den Gang zu einem Orthopäden empfohlen und ihn an einen Gefäßchirurgen überwiesen habe, stehe in keinem wesentlichen Zusammenhang mit seiner abschließenden Beurteilung, die sich wesentlich auf die Wirbelsäulenerkrankung gestützt habe. Denn selbst bei vollständiger Beseitigung der festgestellten sonstigen Auffälligkeiten (Beckenschiefstand, Gefäßauffälligkeiten) sei der Kläger weiterhin (polizei-)dienstunfähig, wobei eine Polizeidienstunfähigkeit bereits aufgrund der festgestellten Höreinschränkungen vorliege. Eine ambulante Reha habe der Kläger, der bereits seit 1992 unter Rückenbeschwerden leide, augenscheinlich nie beantragt. Eine solche Maßnahme könne auch an der festgestellten Polizeidienstunfähigkeit nichts ändern. Denkbar sei lediglich, dass er dadurch wieder in die Lage versetzt werde, eventuell eine Sachbearbeitertätigkeit auszuführen.

Der ebenfalls erneut konsultierte zuständige Polizeiarzt führte mit Schreiben vom 26. April 2013 aus, dass eine ambulante Rehabilitationsmaßnahme durchaus Sinn mache, er dem Kläger eine solche ursprünglich jedoch aufgrund der ausdrücklichen Empfehlung des Polizeiarztes beim LAFP NRW nicht empfohlen habe.

Auf der Grundlage dieser Auskünfte absolvierte der Kläger im Zeitraum vom 5. August 2013 bis 29. August 2013 eine ambulante Reha in Düren. In dem Abschlussbericht wurde als Diagnose eine chronische Lumbalgie und sensible L5-Radikulopathie rechts bei Bandscheibenvorfall L5/S1 sowie eine mehretagige Degeneration der Lendenwirbelsäule aufgeführt. Im Rahmen der allgemeinen klinischen Anamnese wurde ausgeführt, der Kläger habe angegeben, er leide seit 1992 an Rückenschmerzen und sei seit zwei Jahren arbeitsunfähig. Keine der bisher ergriffenen Therapiemaßnahmen hätten eine Linderung gebracht; er leide an Ruhe- und Belastungsschmerzen, wodurch sein Schlaf stark eingeschränkt sei. Ferner seien die Aktivitäten des täglichen Lebens ausgeprägt eingeschränkt, es sei ihm kaum möglich, längere Strecken zu laufen und die Wirbelsäule (z.B. durch Anheben eines Wasserkastens) zu belasten. Zum Untersuchungsbefund vom 5. August 2013 hieß es weiter, ein langes Sitzen in normaler Position sei dem Kläger nur schlecht möglich. Das An- und Ausziehen sowie die Körperpflege seien mit leichten Einschränkungen möglich, längere Gehstrecken oder das Anheben von Gewichten seien nicht durchführbar. Im Untersuchungsbefund vom 29. August 2013 wurde ausgeführt, der Kläger käme trotz aller Therapien weiterhin nicht vom Boden oder Stuhl hoch. Er könne sich schlecht Schuhe und Strümpfe an- und ausziehen. Ferner habe er weiterhin Schmerzen wie vorher; vielmehr klage er jetzt auch über Schmerzen im linken Bein. Diese seien aber noch nicht so stark wie rechts - in diesem Bein habe er immer wieder stichartige Schmerzen, die auch dazu führen könnten, dass ihm das Bein wegknicke. Er habe ein permanentes Druckgefühl im Rücken; Auto fahren könne er nur 20 Minuten, gehen nicht weiter als 100 Meter. Bei der Untersuchung habe sich unter anderem Schmerz über dem L5/S1 sowie deutlich über dem Kreuzbein gezeigt. Im rechten Bein, vor allem im Oberschenkelbereich, läge eine Hypästhesie vor.

Da der Kläger auch im Anschluss an die Reha weiterhin dienstunfähig erkrankt war (im Zeitraum vom 27. Juni 2011 bis zum 25. Oktober 2013 hatte er an 589 Arbeitstagen gefehlt), wurde er am 11. Oktober 2013 erneut polizeiärztlich untersucht. Dabei kam der Polizeiarzt des LAFP NRW in seinem (Kurz-)Gutachten vom 18. Oktober 2013 zu dem Ergebnis, dass der Kläger polizeidienstunfähig sei und er auch nicht in der Lage sei, Tätigkeiten im allgemeinen Verwaltungsdienst wahrzunehmen. Im Rahmen dieses Gutachtens wurde das Gutachten aus dem Jahr 2012 auszugweise zitiert und festgestellt, dass der Kläger bei der Untersuchung angegeben habe, dass seine Beschwerden auch nach der ambulante Reha schlimmer geworden seien. Ferner sehe er sich selber nicht mehr in der Lage, entsprechende Tätigkeiten zu verrichten. Die Diagnosen entsprächen denen des Vorgutachtens. Die bereits in diesem Gutachten ausgeführten Einschränkungen fanden sich deckungsgleich auch im nunmehrigen (Kurz-)Gutachten.

Der Kläger wurde über seinen Prozessbevollmächtigten unter dem 11. November 2013 zur beabsichtigten Feststellung der Polizei- und allgemeinen Dienstunfähigkeit sowie der vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand angehört. Im Rahmen dieses Verfahrens begehrte er u.a. Einsicht in die Langfassung des polizeiärztlichen Gutachtens, die ihm über den Polizeiarzt gewährt werden sollte. Nachdem die Akteneinsicht auch innerhalb einer verlängerten Stellungnahmefrist trotz Einverständnis der Dienststelle und des Polizeiarztes beim LAFP NRW nicht erfolgt war, stellte die KPB F. mit Bescheid vom 19. Dezember 2013 die Polizei- und allgemeine Dienstunfähigkeit des Klägers fest und versetzte ihn mit Ablauf des Zustellungsmonats in den vorzeitigen Ruhestand. Zur Begründung bezog sie sich im Wesentlichen auf die vorliegenden Gutachten. Der Personalrat hatte diesen Maßnahmen im Vorfeld zugestimmt; das Anhörungsschreiben war der Gleichstellungsbeauftragten zur gefälligen Kenntnisnahme übersandt worden.

Der Kläger hat am 15. Januar 2014 Klage erhoben. Zur Begründung führt er aus, die streitgegenständliche Verfügung sei bereits verfahrensfehlerhaft zustande gekommen, da er nicht ordnungsgemäß angehört worden sei. Trotz Aufforderung und entsprechender Anträge zur Verlängerung der Begründungsfrist sei ihm die Langfassung des Gutachtens vom 18. Oktober 2013 nicht zugänglich gemacht worden. Demnach gehe die KPB F. auch von falschen Tatsachen aus, wenn sie aus der fehlenden Geltendmachung von Einwänden innerhalb der gewährten Fristverlängerung schließe, dass es keine Einwände gegeben habe. Vielmehr sei ihm das Langgutachten bis zum gerichtlichen Verfahren nicht zur Kenntnis gelangt. In materieller Hinsicht sei anzumerken, dass jedenfalls seine allgemeine Dienstfähigkeit mittels einer stationären Reha hätte wiederhergestellt werden können, sodass der Beklagte aus Fürsorgegesichtspunkten zur Gewährung bzw. Anordnung verpflichtet gewesen wäre. Eine solche habe er auch nicht abgelehnt, vielmehr habe er lediglich zuvor eine ambulante Reha durchführen wollen. Auch habe er gegenüber dem Polizeiarzt beim LAFP NRW keine Einschränkungen hinsichtlich seiner Tätigkeiten geäußert, sondern nur von muskelkaterähnlichen Beschwerden berichtet. Dass er geäußert haben solle, seine Beschwerden hätten sich auch in der Reha nicht gebessert, treffe nicht zu. Ferner erschließe sich nicht, wieso der Polizeiarzt in seinem Langgutachten auf die erhöhten Leberparameter, die eindeutig aus seinem Schmerzmittelkonsum resultierten, sowie auf den laut Orthopäden gar nicht vorliegenden Beckenschiefstand eingegangen sei. Zudem könne dieses Gutachten nicht verwendet werden, da der Polizeiarzt beim LAFP NRW ausweislich der eingeholten Stellungnahme im gerichtlichen Verfahren nicht mehr mit Sicherheit sagen könne, ob ihm der Abschlussbericht der (von ihm empfohlenen) Rehabilitationsmaßnahme vorgelegen habe. Seine Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand sei nicht nur unverhältnismäßig, sondern verstoße auch gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, da zwei Kollegen mit ähnlichen Beschwerden im Innendienst weiterverwendet würden.


Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 19. Dezember 2013 aufzuheben.


Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wiederholt und vertieft er zunächst die Ausführungen aus dem angefochtenen Bescheid. Die KPB F. habe ihrerseits alles getan, um dem Kläger die Einsicht in die Langfassung des Gutachtens zu gewähren. Dass dieser vor der Geltendmachung dieses Begehrens sowie vor der Kontaktierung des Polizeiarztes beim LAFP jeweils ca. zwei Wochen habe verstreichen lassen, liege nicht in ihrem Verantwortungsbereich. Eine stationäre Reha habe der Kläger stets abgelehnt. Zudem sei er auch unmittelbar im Anschluss an die Reha weiterhin dienstunfähig krank gewesen. Auch der Abschlussbericht der Reha-Klinik zeige, dass sich seine gesundheitliche Situation nicht verbessert habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge und Personalakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Seine Rechtsgrundlage findet er in § 26 Abs. 1 BeamtStG.

Nach § 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG sind Beamte auf Lebenszeit in den Ruhestand zu versetzen, wenn sie wegen ihres körperlichen Zustands oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten dauernd unfähig (dienstunfähig) sind. Als dienstunfähig kann gemäß § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG auch angesehen werden, wer infolge Erkrankung innerhalb eines Zeitraums von mehr als drei Monaten keinen Dienst getan hat und bei dem keine Aussicht besteht, dass innerhalb einer Frist, deren Bestimmung dem Landesrecht vorbehalten bleibt, die Dienstfähigkeit wieder voll hergestellt ist. Nach § 33 Abs. 1 Satz 3 LBG NRW beträgt diese Frist sechs Monate. Von der Versetzung in den Ruhestand soll allerdings gemäß § 26 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG abgesehen werden, wenn eine anderweitige Verwendung möglich ist. Eine anderweitige Verwendung ist nach § 26 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG möglich, wenn dem Beamten ein anderes Amt derselben oder einer anderen Laufbahn übertragen werden kann. In diesen Fällen ist die Übertragung eines anderen Amtes ohne Zustimmung zulässig, wenn das neue Amt zum Bereich desselben Dienstherrn gehört, es mit mindestens demselben Grundgehalt verbunden ist wie das bisherige Amt und wenn zu erwarten ist, dass die gesundheitlichen Anforderungen des neuen Amtes erfüllt werden (§ 26 Abs. 2 Satz 2 BeamtStG). Beamte, die nicht die Befähigung für die andere Laufbahn besitzen, haben an Qualifizierungsmaßnahmen für den Erwerb der neuen Befähigung teilzunehmen (§ 26 Abs. 2 Satz 3 BeamtStG).

Der angefochtene Bescheid ist formell rechtmäßig.

Der Kläger ist ordnungsgemäß nach § 34 Abs. 1 LBG NRW i.V.m. § 28 VwVfG NRW angehört worden.

Gemäß § 28 VwVfG NRW ist einem Beteiligten vor Erlass eines Verwaltungsakt, der in seine Rechte eingreift, Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.

Diesen Anforderungen wurde im Verwaltungsverfahren entsprochen. Das polizeiärztliche Kurzgutachten vom 18. Oktober 2013, auf das in der Zurruhesetzungsverfügung Bezug genommen wird, ist dem Kläger vor Erlass des Bescheides übersandt worden. Die Übersendung des Gutachtens in der Langfassung vom 14. Oktober 2013 war nicht erforderlich.

Vgl. zu einer ähnlichen Konstellation: VG Berlin, Urteil vom 3. September 2014 - 26 K 381.13 -, juris Rn. 21, das die Frage der rechtlichen Bewertung offen lässt.

Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die für die Entscheidung erheblichen Tatsachen alle in dem Kurzgutachten vom 18. Oktober 2013 enthalten sind. Die Überlassung der Langfassung des polizeiärztlichen Gutachtens kann von § 34 Abs. 1 LBG NRW und § 28 VwVfG NRW nicht gefordert sein, da diese der KPB F. nicht vorlag und auch nicht vorliegen durfte, sodass darin schon gar keine für die Entscheidung erheblichen Tatsachen enthalten sein konnten. Vielmehr ist das Kurzgutachten so aufgebaut, dass die Diagnose(n) sowie die daraus resultierenden Einschränkungen und die abschließende Bewertung des Polizeiarztes zur Frage der (Polizei-)Dienstunfähigkeit und damit alle für den erlassenen Bescheid relevanten Tatsachen (alleine) hieraus ersichtlich sind. Zudem war dem Kläger bzw. seinem Prozessbevollmächtigtem das im Kurzgutachten aus Oktober 2013 in Bezug genommene Langgutachten vom 29. Oktober 2012 bekannt, sodass auch vor diesem Hintergrund ausgeschlossen werden kann, dass dem Kläger substantiierte Einwände abgeschnitten wurden. Der Polizeiarzt ging aufgrund der geschilderten Beschwerden des Klägers keinesfalls von einer positiven Veränderung gegenüber den damaligen Feststellungen aus. Darüber hinaus erschließt es sich nicht, wieso der Kläger bzw. sein Prozessbevollmächtigter ausweislich des Verwaltungsvorgangs im Jahr 2012 in der Lage war, das damals erstellte Gutachten in der Langfassung über den Polizeiarzt beim LAFP NRW einzusehen und ein entsprechendes Vorgehen ihm hinsichtlich des neuen Gutachtens nicht möglich gewesen sein sollte.

Auch wurde der Personalrat ordnungsgemäß beteiligt.

Gemäß § 72 Abs. 1 Ziff. 9 des Landespersonalvertretungsgesetzes (LPVG) NRW hat der Personalrat u.a. bei vorzeitiger Versetzung in den Ruhestand, bei Feststellung der begrenzten Dienstfähigkeit und der Polizeidienstunfähigkeit mitzubestimmen, wenn die Maßnahme nicht selbst beantragt wurde. Nach § 66 Abs. 1 Satz 1 LPVG NRW kann eine Maßnahme, die der Mitbestimmung des Personalrats unterliegt, nur mit dessen Zustimmung getroffen werden. § 66 Abs. 2 LPVG NRW regelt, dass die Dienststelle den Personalrat von der beabsichtigten Maßnahme unterrichtet und seine Zustimmung beantragt.

Vorliegend hat der Personalratsvorsitzende der KPB F. unter dem 19. Dezember 2013 mitgeteilt, dass der Personalrat den beabsichtigten Maßnahmen zugestimmt habe. Auch wurde er ausweislich des Verwaltungsvorgangs im Vorfeld hinlänglich unterrichtet.

Es ist zwar zweifelhaft, ob die Gleichstellungsbeauftragte ordnungsgemäß beteiligt wurde, da ihr lediglich die Vorlage an den Personalrat zur gefälligen Kenntnisnahme zugeleitet wurde, allerdings wäre ein Beteiligungsmangel gem. § 46 VwVfG NRW unbeachtlich.

Nach § 17 Abs. 1 Halbsatz 2 Nr. 1 des Landesgleichstellungsgesetzes NRW (LGG NRW) wirkt die Gleichstellungsbeauftragte unter anderem bei personellen Maßnahmen mit. Sie ist gemäß § 18 Abs. 2 LGG frühzeitig über beabsichtigte Maßnahmen zu unterrichten und anzuhören (Satz 1); ihr ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (Satz 2). Zu den personellen Maßnahmen, die der Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten unterliegen, zählt auch die Versetzung eines Beamten in den Ruhestand. Dies gilt unabhängig davon, ob dieser weiblichen oder männlichen Geschlechts ist.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. Januar 2015 - 6 A 2234/13 -, juris Rn. 7 ff., m.w.N.

Gemäß § 46 VwVfG NRW kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 VwVfG nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Diese Norm ist auch auf Verwaltungsakte anwendbar, durch die ein Beamter wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt wird.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. August 2014 - 2 B 78/13 -, juris Rn. 7, m.w.N.; OVG NRW, Urteile vom 4. April 2014 - 1 A 1707/11 -, juris Rn. 34; und vom 14. Mai 2013 - 6 A 1883/09 -, juris Rn. 126 ff., m.w.N.

Gemessen an diesen Grundsätzen wäre eine fehlende ordnungsgemäße Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten unbeachtlich, da ausgeschlossen werden kann, dass diese zu einem anderen Ergebnis geführt hätte, denn bei der Entscheidung, ob ein dienstunfähiger Beamter in den vorzeitigen Ruhestand versetzt wird, handelt es sich gemäß § 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG um eine gebundene Entscheidung. Ein Entscheidungsspielraum, auf dessen Ausübung die Gleichstellungsbeauftragte hätte Einfluss nehmen können, lag insoweit nicht vor.

Soweit der Kläger mit seinem Hinweis darauf, dass das angedachte Personalgespräch nicht stattgefunden habe, möglicherweise die fehlende Durchführung eines Gesprächs zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) rügt, bleibt festzuhalten, dass dieses keine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung der Zurruhesetzung ist.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 15. Dezember 2015 - 6 B 1022/15 -, juris Rn. 9, m.w.N.

Die Versetzung in den Ruhestand ist auch materiell rechtmäßig.

Für die Rechtmäßigkeit einer Versetzung in den Ruhestand kommt es auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung an.

Vgl. OVG NRW Urteil vom 3. Februar 2015 - 6 A 371/12 -, juris Rn. 79; BVerwG, Urteil vom 5. Juni 2014 - 2 C 22/13 -, a.a.O., Rn. 10, m.w.N.

Rechtsgrundlage für die Feststellung der Polizeidienstunfähigkeit ist § 116 Abs. 1 LBG NRW. Danach ist ein Polizeivollzugsbeamter dienstunfähig, wenn er den besonderen gesundheitlichen Anforderungen für den Polizeivollzugsdienst nicht mehr genügt und nicht zu erwarten ist, dass er seine volle Verwendungsfähigkeit innerhalb von zwei Jahren wiedererlangt (Polizeidienstunfähigkeit), es sei denn, die auszuübende Funktion erfordert bei Beamten auf Lebenszeit diese besonderen gesundheitlichen Anforderungen auf Dauer nicht mehr uneingeschränkt. Gemäß Absatz 2 der Vorschrift ist vor der Zurruhesetzung eines Polizeivollzugsbeamten wegen Dienstunfähigkeit ein amtliches Gutachten der unteren Gesundheitsbehörde oder ein Gutachten eines beamteten Polizeiarztes einzuholen. Nach § 116 Abs. 3 LBG NRW soll der polizeidienstunfähige Beamte, falls nicht zwingende dienstliche Gründe entgegenstehen, in ein Amt einer anderen Laufbahn bei einem der in § 1 LBG NRW bezeichneten Dienstherren versetzt werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen des § 25 LBG NRW erfüllt sind. Soweit der Polizeivollzugsbeamte für die neue Laufbahn die Befähigung nicht besitzt, hat er die ihm gebotene Gelegenheit wahrzunehmen, die ergänzenden Kenntnisse und Fähigkeiten nach Maßgabe der Rechtsverordnungen zu den §§ 5 und 6 LBG NRW zu erwerben. § 26 Abs.1 Satz 3 und Abs. 2 BeamtStG bleiben unberührt.

Daraus folgt, dass der Dienstherr auf der ersten Stufe seiner Prüfung feststellen muss, ob der Polizeivollzugsbeamte noch den besonderen gesundheitlichen Anforderungen des Polizeivollzugsdienstes genügt, mithin polizeidienstfähig ist. Polizeidienstfähig ist ein Beamter, wenn er die besonderen gesundheitlichen Anforderungen für sämtliche Funktionen der Laufbahnen der Fachrichtung Polizei erfüllt und demzufolge zu jeder Zeit, an jedem Ort und in jeder seinem statusrechtlichen Amt entsprechenden Stellung auf allen entsprechenden Dienstposten einsetzbar ist.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. November 2014 - 2 B 97/13 -, IÖD 2015, 2, juris Rn. 10, m.w.N.

Bereits aufgrund der durch den Polizeiarzt festgestellten Hochtonschwerhörigkeit sowie den diversen zeitlichen wie qualitativen Tätigkeitseinschränkungen aufgrund der degenerativen Wirbelsäulenerkrankung war der Kläger zum Zeitpunkt des Erlasses der Zurruhesetzungsverfügung nicht mehr in der Lage, sämtliche Aufgaben eines Polizeivollzugsbeamten auszuführen, und damit polizeidienstunfähig.

Genügt der Beamte des Polizeivollzugsdienstes, wie hier der Kläger, nicht mehr den besonderen gesundheitlichen Anforderungen an eine uneingeschränkte Verwendungsfähigkeit im Polizeivollzugsdienst und ist er deshalb dauerhaft unfähig, ein statusrechtliches Amt in einer Laufbahn des Polizeivollzugsdienstes wahrzunehmen, ermächtigt § 116 Abs. 1 2. Hs. LBG NRW den Dienstherrn auf der zweiten Stufe seiner Prüfung, polizeidienstunfähige, aber nicht allgemein dienstunfähige Polizeivollzugsbeamte, sofern sie Lebenszeitbeamte sind, im Polizeidienst zu behalten und für Dienstposten im Polizeivollzugsdienst vorzusehen, auf denen die ansonsten für Polizeivollzugsbeamte erforderliche besondere gesundheitliche Belastbarkeit entbehrlich ist. Kann der Beamte nach § 116 Abs. 1 2. Hs. LBG NRW nur noch eingeschränkt im Polizeivollzugsdienst verwendet werden, hat er einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung des Dienstherrn über eine solche Verwendung. Diese Entscheidung muss eine Prognose darüber enthalten, dass der Beamte während seiner gesamten verbleibenden Dienstzeit auf derartigen Dienstposten verwendet werden kann. Einzubeziehen sind dabei die dienstlichen Gegebenheiten und Erfordernisse der jeweiligen Behörde, die einzelfallbezogene Einschätzung der Verwendungsbreite des Beamten im polizeilichen Innendienst, grundsätzliche Erwägungen personalwirtschaftlicher Art für den gesamten Polizeivollzugsdienst sowie die Anzahl der zur Verfügung stehenden vakanten Dienstposten, auf denen der Beamte während seiner verbleibenden Dienstzeit verwendet werden kann. Der Dienstherr darf in seine Prognose weitreichende organisatorische und personalpolitische Erwägungen einstellen.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 20. Januar 2016 - 6 A 2630/14 -, juris Rn. 7 f., m.w.N.; Sächsisches OVG, Urteil vom 25. März 2014 - 2 A 16/13 -, juris Rn. 20, m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 03. März 2005 - 2 C 4/04 -, juris Rn. 11 ff.

Aufgrund der festgestellten Beeinträchtigungen des Klägers, insbesondere seiner Unfähigkeit zu längerem Sitzen und Gehen, die er bei diversen Anlässen selbst beschrieben hat, ist eine eingeschränkte Polizeidienstfähigkeit im o.g. Sinn auszuschließen. Die Kammer hat keinen Anlass daran zu zweifeln, dass der Kläger derartige Aussagen getätigt hat, da diese sich nicht nur in den polizeiärztlichen Gutachten, sondern u.a. auch in dem Abschlussbericht der Reha-Klinik - an deren Objektivität auch der Kläger keinen Zweifel haben dürfte - finden. Dabei ist ferner zu berücksichtigen, dass er seit dem gescheiterten Versuch seiner Wiedereingliederung im Juni 2011 - auch nach der durchgeführten Reha-Maßnahme - keinen Dienst mehr verrichtet hat.

Aufgrund der erheblichen Einschränkungen, denen der Kläger unterliegt, und der von ihm selbst geschilderten Beschwerden war es auch nicht erforderlich, auf der dritten Stufe gemäß § 26 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 und 3 BeamtStG nach einer anderweitigen Verwendung zu suchen.

§ 26 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG ist Ausdruck des Grundsatzes "Weiterverwendung vor Versorgung". Ein dienstunfähiger Beamter soll nur dann aus dem aktiven Dienst ausscheiden, wenn er dort nicht mehr eingesetzt werden kann. Nach § 26 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG ist eine anderweitige Verwendung möglich, wenn dem Beamten gleichwertige Funktionsämter einer anderen Laufbahn übertragen werden können. Der Anwendungsbereich der Vorschrift betrifft aber auch solche anderweitigen Verwendungen, die mit der Versetzung zu einer anderen Behörde verbunden sind. Bei dieser muss dem Beamten ein neues statusrechtliches Amt gleicher Wertigkeit verliehen werden, wenn er nicht auf einem Dienstposten eingesetzt wird, der dem bisherigen statusrechtlichen Amt zugeordnet ist. Neue Funktionsämter, die nicht dem bisherigen Amt im statusrechtlichen Sinne zugeordnet sind, können nur unter Verleihung des entsprechenden Amtes im statusrechtlichen Sinn übertragen werden.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 22. Januar 2010 - 1 A 2211/07 -, juris Rn. 68 ff.; BVerwG, Urteil vom 26. März 2009 - 2 C 73/08 -, a.a.O., juris Rn. 20 ff.

§ 26 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG begründet die Pflicht des Dienstherrn, nach einer anderweitigen Verwendung zu suchen (Suchpflicht). Die Suche nach einer anderweitigen Verwendung ist regelmäßig auf den gesamten Bereich des Dienstherrn zu erstrecken; im Einzelfall kann sich unter Fürsorgeaspekten eine räumliche Begrenzung ergeben. Inhaltliche Vorgaben für eine Beschränkung der Suche auf bestimmte Bereiche der Verwaltungsorganisation des Dienstherrn lassen sich aus § 26 Abs. 2 BeamtStG hingegen nicht herleiten. Die Suchpflicht darf sich nicht auf die Nachfrage beschränken, ob eine andere Behörde im Bereich des Dienstherrn bereit ist, den Beamten zu übernehmen. Vielmehr sind konkrete, ggfs. auch dialogische Bemühungen erforderlich, den Beamten anderweitig zu verwenden. Ist bei einer anderen Behörde im Bereich des Dienstherrn ein amtsangemessener Dienstposten vakant, dann ist der Beamte auf diesem Dienstposten zu verwenden. Zur Suchpflicht gehört auch eine Nachfrage bei einer anderen Behörde, wenn diese eine Anfrage unbeantwortet lässt. Wenn die Suche nach einer anderweitigen Verwendung nach § 26 Abs. 2 BeamtStG auch unter Beachtung der insoweit zu stellenden Anforderungen erfolglos geblieben ist, ist vor der Versetzung des Beamten in den Ruhestand zu prüfen, ob dem Beamten unter Beibehaltung des übertragenen Amtes ohne Zustimmung auch eine geringerwertige Tätigkeit übertragen werden kann (§ 26 Abs. 3 BeamtStG). Es ist Sache des Dienstherrn, schlüssig darzulegen, dass er bei der Suche nach einer anderweitigen Verwendung für den Beamten diese Vorgaben beachtet hat (Dokumentationspflicht). Denn es geht um Vorgänge aus dem Verantwortungsbereich des Dienstherrn, die dem Einblick des betroffenen Beamten in aller Regel entzogen sind. Daher geht es zulasten des Dienstherrn, wenn nicht aufgeklärt werden kann, ob die erforderliche Suche den gesetzlichen Anforderungen entsprochen hat.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 19. März 2015 - 2 C 37/13 -, juris Rn. 17 ff.; vom 6. März 2012 - 2 A 5/10 -, IÖD 2012, 122, juris Rn. 4 und vom 26. März 2009 - 2 C 73/08 -, a.a.O., juris Rn. 25 ff.; OVG NRW, Urteil vom 22. Januar 2010 - 1 A 2211/07 -, a.a.O., juris Rn. 75 ff.

Nach diesen Grundsätzen ist der Beklagte der Suchpflicht nach einer anderweitigen Verwendung zwar nicht nachgekommen, allerdings war dies vorliegend auch nicht erforderlich, da der Kläger ausweislich der medizinischen Befunde und der jahrelangen Erfahrungen, die der Beklagte mit seiner Verwendung gemacht hatte, nicht mehr über ein ausreichendes Restleistungsvermögen verfügt.

Vgl. zur Frage des Restleistungsvermögens: OVG NRW, Beschluss vom 25. Februar 2015 - 1 A 2111/13 -, nrwe.de Rn. 13 ff. m.w.N.; BVerwG, Beschluss vom 6. November 2014 - 2 B 97/13 -, a.a.O., juris Rn. 13; und Urteil vom 5. Juni 2014 - 2 C 22/13 -, BVerwGE 150, 1, juris Rn. 34 f., m.w.N.

Betrachtet man die in den polizeiärztlichen Gutachten und auch in dem Abschlussbericht der Reha-Klinik aufgezählten Befunde sowie die vom Kläger selbst geschilderten Einschränkungen bereits bei der Verrichtung alltäglicher Dinge (Autofahren höchstens 20 Minuten, Gehen nicht weiter als 100 Meter, Probleme beim Aufstehen vom Stuhl und beim An- und Ausziehen von Schuhen und Socken) drängt es sich auf, dass er auch nicht mehr in der Lage ist, einer Tätigkeit im allgemeinen Verwaltungsdienst nachzukommen. Bereits vor dem Jahr 2011 wies er erhebliche Fehlzeiten auf. Die Wiedereingliederung zu Beginn des Jahres 2011 scheiterte, weil er selbst in den ersten Wochen, in denen er täglich an lediglich vier Stunden Dienst verrichten sollte, erneut dienstunfähig erkrankte. Seitdem hat es keinen einzigen Arbeitsversuch mehr gegeben. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Kläger ausweislich des polizeiärztlichen Gutachtens vom 18. Oktober 2013, des Abschlussberichts der Reha-Klinik in Düren und insbesondere ausweislich seines eigenen Schreibens vom 10. Oktober 2012, in dem er seine vorzeitige Zurruhesetzung angeregt hat, selbst davon auszugehen scheint, dass sich seine gesundheitliche Situation nicht mehr verbessern wird. Auch die durchgeführte ambulante Reha hat ausweislich des Abschlussberichtes keine Verbesserung des klägerischen Zustands mit sich gebracht. Wenngleich in dem Bericht von einem erfolgreichen Abschluss der Maßnahme die Rede ist, kann angesichts der getroffenen Diagnosen und insbesondere des Untersuchungsbefunds vom 29. August 2013 keinesfalls angenommen werden, dass sich das Beschwerdebild oder gar die diesem zugrundeliegenden Erkrankungen in irgendeiner Form gebessert hätten. Vielmehr findet sich sowohl im Reha-Abschlussbericht als auch in dem sich anschließenden polizeiärztlichen Gutachten die klägerische Feststellung, dass sich seine Beschwerden sogar noch verschlimmert hätten. Da er die Verschlimmerung seiner Beschwerden augenscheinlich auch gegenüber den betreuenden Ärzten in der Reha geäußert hat und dort in keinster Weise erkennbar ist, dass diese mit der dort durchgeführten bzw. eingeleiteten Physiotherapie in Zusammenhang steht, besteht für die Kammer kein Anlass, seiner nunmehrigen Behauptung nachzugehen, er habe dem Polizeiarzt gegenüber lediglich von muskelkaterähnlichen Beschwerden berichtet. Auch die im Abschlussbericht festgehaltene Taubheit im linken Bein, die sich erstmals während der Reha gezeigt haben soll, lässt sich mit dieser Behauptung nicht übereinbringen, sondern spricht angesichts der schon früher bestehenden Taubheit im rechten Bein für eine Verschlimmerung, jedenfalls aber gegen eine Verbesserung der diagnostizierten Erkrankungen.

Das Gericht hatte auch keinen Anlass zur Einholung des beantragten bzw. angeregten Sachverständigengutachtens zur Frage der gesundheitlichen Situation des Klägers.

Zwar unterliegt die Beurteilung der Dienstfähigkeit schon mit Blick auf die gerichtliche Amtsermittlungspflicht (vgl. § 86 Abs. 1 VwGO) der inhaltlich nicht eingeschränkten gerichtlichen Nachprüfung. Eines weiteren Gutachtens bedarf es jedoch nur dann, wenn ein bereits vorliegendes Gutachten nicht den ihm obliegenden Zweck erfüllen kann, dem Gericht die zur Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts notwendige Sachkunde zu vermitteln und ihm dadurch die für die Entscheidung notwendige Überzeugungsbildung zu ermöglichen. In diesem Sinne kann ein Sachverständigengutachten für die Entscheidungsfindung des Gerichts ungeeignet oder jedenfalls unzureichend sein, wenn es grobe, offen erkennbare Mängel oder unlösbare Widersprüche aufweist, wenn es von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgeht oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit des Gutachters besteht.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 4. November 2015 - 6 A 1364/14 -, juris Rn. 47; BVerwG, Beschluss vom 14. April 2011 - 2 B 80/10 -, juris, Rn. 7.

Derartige Mängel hat der Kläger weder (erfolgreich) aufgezeigt, noch lassen sie sich den Akten entnehmen. Die von ihm angebrachten Zweifel an der Unparteilichkeit des polizeiärztlichen Gutachters teilt das Gericht nicht. Zum Teil treffen die hierfür angebrachten Tatsachen (unvollständige Sätze bzw. Leerzeilen im Langgutachten vom 14. Oktober 2013 und falsche Feststellungen zu durchgeführten Therapiemaßnahmen auf dessen Seite 7) bereits nicht zu. Im Übrigen fügen sich die Feststellungen des Polizeiarztes in das Gesamtbild der Erkrankung des Klägers, das sich insbesondere aufgrund der bereits im polizeiärztlichen Gutachten von 2012 zitieren Aussagen der behandelnden Ärzte, des klägerischen Schreibens aus Oktober 2012, des Abschlussberichts der Reha-Klinik sowie der Tatsache, dass der Kläger seit dem Jahr 2011 keinen Dienst mehr verrichtet hat, ergibt. Soweit er rügt, der Polizeiarzt sei unzutreffend von einem Beckenschiefstand ausgegangen, folgt hieraus keine Veranlassung, an der Richtigkeit des Gutachtens (im Übrigen) zu zweifeln, da bereits nicht klar ist, ob der anderslautende Befund des Orthopäden an den Polizeiarzt weitergeleitet wurde. Zudem findet sich der Beckenschiefstand zwar in der Aufzählung der entscheidungsrelevanten Erkrankungen auf Seite 15 des Gutachtens vom 14. Oktober 2013, allerdings wird im Gesamtkontext des Gutachtens deutlich, dass bereits die degenerative Wirbelsäulenveränderung aus polizeiärztlicher Sicht die Feststellung zur Polizei- und allgemeinen Dienstunfähigkeit trägt.

Grundsätzlich ohne Belang für die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurruhesetzung wegen Dienstunfähigkeit ist es auch, ob und inwieweit die Dienstunfähigkeit durch ein Verhalten des Dienstherrn (mit-)verursacht worden ist. Es wäre mit der Fürsorgepflicht unvereinbar, einen dienstunfähigen Beamten weiterhin im Dienst zu belassen. Daher bleibt es im vorliegenden Verfahren auch ohne Auswirkung, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass jedenfalls die allgemeine Dienstfähigkeit durch eine frühzeitig (angeordnete) stationäre Reha eventuell erhalten geblieben wäre.

Vgl. zur Unbeachtlichkeit etwaiger Mitverursachungsbeiträge des Dienstherrn: OVG NRW, Beschluss vom 3. August 2015 - 6 A 684/14 -, juris Rn. 22.

Da es sich bei der Zurruhesetzung wegen Dienstunfähigkeit gemäß § 26 Abs. 1 BeamtStG um eine gebundene Entscheidung handelt, verfängt auch der klägerische Einwand der Unverhältnismäßigkeit nicht. Ungeachtet der sehr fraglichen Erfolgsaussichten einer stationären Reha - der er sich ausweislich des Verwaltungsvorgangs stets verweigert hat - ist nach den obigen Feststellungen von einer Polizei- und allgemeinen Dienstunfähigkeit auszugehen, für die das Gesetz (alleine) die Rechtsfolge der vorzeitigen Zurruhesetzung vorsieht. Vor diesem Hintergrund kann auch dahinstehen, ob die erwähnten Kollegen tatsächlich vergleichbaren Einschränkungen unterliegen. Da dem Beklagten kein Ermessen eingeräumt ist, konnte er den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG auch nicht in seine Überlegungen einstellen.

Soweit der Kläger nunmehr geltend macht, sein Zustand habe sich erheblich verbessert und er sei dienstfähig, berührt dies die Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Verfügung nicht, da der entscheidungserhebliche Zeitpunkt vorliegend die letzte Behördenentscheidung ist. Zu diesem Zeitpunkt lagen nach den obigen Feststellungen sowohl eine Polizei- als auch eine allgemeine Dienstunfähigkeit vor. Mangels Relevanz war es auch in diesem Zusammenhang nicht erforderlich, ein Sachverständigengutachten zur aktuellen gesundheitlichen Situation des Klägers einzuholen. Wenn er der Ansicht ist, er sei (wieder) dienstfähig, bleibt es ihm unbenommen, gemäß § 29 BeamtStG einen Reaktivierungsantrag zu stellen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2, Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Referenznummer:

R/R7713


Informationsstand: 07.05.2018