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Urteil
Ruhestandsversetzung bei nicht zweifelsfrei festgestellter Polizeidienstunfähigkeit

Gericht:

VG Wiesbaden 3. Kammer


Aktenzeichen:

3 L 1311/16.WI


Urteil vom:

02.05.2018


Grundlage:

  • HBG § 111 |
  • BeamtstG § 26

Leitsätze:

§ 111 Abs. 1 Satz 1 HBG setzt neben der Feststellung, den besonderen gesundheitlichen Anforderungen für den Polizeidienst nicht mehr zu genügen, kumulativ die Vornahme einer Zweijahresprognose darüber voraus, ob zu erwarten ist, dass der Antragsteller die volle Verwendungsfähigkeit innerhalb von zwei Jahren wiedererlangt.

§ 111 Abs. 1 HBG geht als lex specialis § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG i.V.m. § 36 Abs. 2 HBG vor, wonach als dienstunfähig auch angesehen werden kann, wer infolge Erkrankung innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst getan hat und keine Aussicht besteht, dass innerhalb einer Frist von sechs Monaten die Dienstfähigkeit wieder voll hergestellt ist.

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

Rechtsprechungsdatenbank Hessen

Tenor:

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 18. August 2016 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 13. Juli 2016 in Gestalt der redaktionell berichtigten Fassung vom 21. Juli 2016 wird wiederhergestellt.

Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.

Der Streitwert wird auf 41.303,16 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Der Antragsteller ist Kriminaloberkommissar und war bis zum 31. Juli 2016 als Polizeivollzugsbeamter im Dienste des Antragsgegners bei der Kriminaldirektion XXX, Regionale Kriminalinspektion, Kommissariat XXX eingesetzt. Mit vorliegendem Eilantrag wendet er sich gegen seine Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand wegen Polizeidienstunfähigkeit.

Jedenfalls seit Anfang der 1990er Jahre war der Antragsteller wegen verschiedener Erkrankungen mehrfach ausgefallen und wurde wiederholt in zeitlichen Abständen polizeiärztlich untersucht, um seine Polizeidienstfähigkeit festzustellen. Aufgrund polizeiärztlicher Gutachten vom 19. Januar 2000, vom 23. Januar 2001, vom 15. Oktober 2001 sowie vom 20. April 2005 wurde er unter Berücksichtigung seines zugleich sukzessive steigenden GdB jeweils für nur noch eingeschränkt polizeidienstfähig befunden. Im Nachgang der Festsetzung eines GdB in Höhe von 50 v.H. durch das Hessische Amt für Versorgung und Soziales mit Bescheid vom 27. September 2007 wurde der Antragsteller aufgrund einer polizeiärztlichen Begutachtung vom 16. April 2008, die am 8. Juli 2008 sowie am 15. September 2008 konkretisiert wurde, abermals für lediglich eingeschränkt polizeidienstfähig befunden, wobei die Einschränkungen gegenüber den Vorbegutachtungen zunahmen. Mit polizeiärztlicher Begutachtung vom 15. Dezember 2009 wurde diese Feststellungen im Wesentlichen bestätigt und eine erneute Begutachtung für Oktober 2010 angeraten.

Nachdem dem Antragsteller bereits zuvor jeweils unter Berücksichtigung seines Krankheitsbildes geeignete Tätigkeiten übertragen wurden, setzte der Antragsgegner ihn Anfang 2010 einvernehmlich als Sachbearbeiter in das Geschäftszimmer des Kommissariats XXX um, wo er fortan einfache Innendiensttätigkeiten verrichtete. Dabei wurde die - im Verhältnis zum statusrechtlichen Amt des Antragstellers unterwertige - Stelle extra geschaffen, um dem Antragsteller eine leidensgerechte Weiterbeschäftigung zu ermöglichen. Im Rahmen einer auf Wunsch des Antragstellers vorgezogenen erneuten polizeiärztlichen Begutachtung vom 28. Mai 2010 sowie einer Nachuntersuchung vom 7. Dezember 2010 wurde erneut festgestellt, dass dem Antragsteller "keine uneingeschränkte Polizeidienstfähigkeit" bescheinigt werden könne. Er könne die ihm zwischenzeitlich zugewiesenen Aufgaben im Geschäftszimmer des Kommissariats XXX jedoch weiter ausüben. Insoweit sei er jedenfalls eingeschränkt dienstfähig, wobei seine Tätigkeit auf den Innendienst unter Vermeidung des Hebens schwerer Lasten zu beschränken sei. Außerdem wurde ihm ein höhenverstellbarer Schreibtisch mit Stehhilfe attestiert. Schließlich bedürften seine Blutzuckerwerte abschließender Klärung. Eine zunächst zugesagte Überlassung vorhandener Laborwerte und -befunde zog der Antragsteller allerdings zurück, so dass eine abschließende Begutachtung insoweit nicht erfolgte (vgl. Bl. 180 d. Personalakte).

Beginnend ab 2010 hatte der Antragsteller infolge eines Wirbelsäulenleidens erneut wiederholt längere krankheitsbedingte Ausfallzeiten zu verzeichnen. So fehlte er alleine in 2013 an 173 und in 2014 an 101 Tagen. Im Zeitraum vom 13. März 2015 bis 17. Januar 2016, vom 22. Februar 2016 bis 22. März 2016 sowie ab dem 14. April 2016 fehlte der Antragsteller ebenfalls aus gesundheitlichen Gründen, wobei er in den Zwischenzeiten übertragenen Alturlaub aus Vorjahren nahm, so dass er im Ergebnis ab dem 13. März 2015 keinen Dienst mehr verrichtete.

Da der Antragsteller sich zwischenzeitlich mit seiner vorgesetzten Kommissariatsleiterin überworfen hatte und eine Weiterbeschäftigung dort einvernehmlich ausgeschlossen wurde, wobei er im Rahmen eines Konfliktgesprächs am 27. Februar 2015 erklärte, dass er ein grundlegendes Problem mit der Autorität von Frauen als Vorgesetzte habe, prüfte der Antragsgegner eine anderweitige Verwendung des Antragstellers unter Berücksichtigung seiner eingeschränkten Dienstfähigkeit (vgl. 219 - 220 d. Personalakte). Mit Schreiben vom 6. Juli 2015 teilte der Antragsgegner dem Antragsteller mit, dass er nach Prüfung einer anderweitigen Verwendung und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Antragsteller nur eingeschränkt polizeidienstfähig sei, eine Verwendung im allgemeinen Verwaltungsdienst prüfe und ihn deshalb zu einem gemeinsamen Erörterungstermin einlade (vgl. Bl. 226 - 227 d. Personalakte).

Im Verlauf des Erörterungstermins wurde am 17. Juli 2015 unter anderem festgehalten, dass man die seinerzeitige Stelle im Geschäftszimmer des Kommissariats XXX extra für den Antragsteller geschaffen habe und es aufgrund dessen Vielzahl an gesundheitlichen Einschränkungen sowie unter Berücksichtigung des statusrechtlichen Amtes des Antragstellers schwierig sei, eine dienstliche Verwendung auf einem Dienstposten im originären Polizeivollzugsdienst zu finden. Aufgrund der langen Erkrankung des Antragstellers, der fortgesetzten Verschlechterung seines Krankheitsbildes sowie dessen Verweigerung, künftig mit der Kommissariatsleiterin zusammenzuarbeiten, sei eine weitere Verwendung im Geschäftszimmer des Kommissariats XXX nicht mehr möglich. Daher habe man erfolglos eine adäquate anderweitige Verwendung gesucht. Die interne Prüfung habe ergeben, dass auf absehbare Zeit kein Dienstposten für eine leidensgerechte Weiterverwendung des Antragstellers zur Verfügung stehe; die Aufgabenentwicklung und die permanente Aufgabenerweiterung machten es unmöglich, vergleichbare leidensgerechte Stellen zu schaffen, so dass im Kernbereich der vollzugspolizeilichen Aufgaben keine adäquate Einsatzmöglichkeit mehr gefunden werden könne. Eine Stelle mit noch niedrigeren Anforderungen, die möglicherweise geeignet wäre, die krankheitsbedingten Fehlzeiten des Antragstellers zu reduzieren, sei innerhalb der Behörde überhaupt nicht vorhanden. Eine ihm angebotene Stelle im gehobenen allgemeinen Verwaltungsdienst beim Polizeipräsidium XXX habe der Antragsteller bereits abgelehnt, da ein Wechsel in die Laufbahn der allgemeinen Verwaltung eine Erhöhung des regulären Pensionsalters bewirke. Der Antragsteller stellte sodann eine mögliche Verwendung in der Hessischen Erstaufnahmeeinrichtung (HEAE) in Aussicht, die zum damaligen Zeitpunkt einen großen Bedarf an zusätzlichem Personal gehabt habe. Alternativ komme - so der Antragsgegner - im Hinblick auf die Negativentwicklung bei den krankheitsbedingen Fehlzeiten auch eine vorzeitige Versetzung in den Ruhestand in Betracht (vgl. Vermerk, Bl. 229 - 230 d. Personalakte).

Parallel bewarb sich der Antragsteller erfolglos beim Landesamt für Verfassungsschutz (vgl. Bl. 241 d. Personalakte). In der Folge offerierte Stellen in der HEAE an den zum damaligen Zeitpunkt nächstgelegenen Standorten XXX und XXX lehnte der Antragsteller wegen der aus seiner Sicht zu weiten Fahrtstrecken ab (vgl. Bl. 242 f., 270 f. d. Personalakte).

Der Antragsteller wurde sodann am 13. November 2015 erneut polizeiärztlich untersucht. Mit polizeiärztlicher Dienstfähigkeitsbeurteilung vom 19. November 2015 (Bl. 266 ff. d. Personalakte), die dem Bevollmächtigten des Antragstellers mit Schreiben vom 17. Dezember 2015 zur Kenntnis gegeben wurde (Bl. 277 ff. d. Personalakte), wurde dem Antragsteller hierauf attestiert, polizeidienstunfähig zu sein (Ziffer 1.2). Zugleich wurde festgestellt, dass er für die von ihm "derzeit" ausgeübte "Funktion im Polizeivollzugsdienst" gesundheitlich geeignet sei, wobei die in Ziffer 2 genannten funktionsbezogenen Tätigkeitseinschränkungen vorlägen (Ziffer 1.2.1). Überdies sei er für den allgemeinen Verwaltungsdienst einschließlich erforderlicher Aus- und Fortbildungsmaßnahmen gesundheitlich geeignet (Ziffer 1.2.4). Nach den Erläuterungen (Ziffer 5) lasse sich das Ende seines bis Ende November 2015 attestierten Krankenstandes nicht absehen. Aufgrund des Krankheitsbildes könne ein fortgesetzter Krankenstand über Wochen, schlimmstenfalls Monate nicht ausgeschlossen werden. Es sei denkbar, dass der Antragsteller am Ende seiner Heilbehandlung auch weiterhin nur "begrenzt dienstfähig" bleibe. Insoweit werde eine Nachuntersuchung für Mai 2016 oder bei Anlass empfohlen. Eine Prognose darüber, ob die Wiedererlangung der vollen Verwendungsfähigkeit für den Polizeivollzugsdienst innerhalb von zwei Jahren zu erwarten sei, enthielt die polizeiärztliche Dienstfähigkeitsbeurteilung nicht.

Mit Schreiben vom 12. Januar 2016 leitete der Antragsgegner beim Hessischen Ministerium des Innern und für Sport (HMdIS) das Verfahren zur Prüfung einer Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand ein, mit dem zugleich die Abfrage einer landesweiten anderweitigen leidensgerechten und amtsangemessenen Verwendung angestoßen werden sollte. Zur sich hieran anschließenden landesweiten und ressortübergreifenden Abfrage wird auf den Inhalt des Behördenakte Bezug genommen (Sonderband Polizeidienstfähigkeit, Vorgang-Gz.: XXX).

Im Verlauf eines Telefonats zwischen der zuständigen Sachbearbeiterin, Frau XXX (LPP 34), und dem Leitenden Polizeiarzt XXX vom 19. Januar 2016 wurde erörtert, dass der Antragsteller "derzeit als dienstfähig zu beurteilen" sei und "unter Beachtung des 30-km Radius für die Verwendungssuche (...) eine vollschichtige Arbeitsleistung erprobt werden" könne (Bl. 67 Sonderband Polizeidienstfähigkeit).

Mit Schreiben vom 5. April 2016 bat der Antragsgegner das Hessische Bereitschaftspolizeipräsidium sodann, die empfohlene Nachuntersuchung mit dem Ziel einer erneuten Überprüfung der Polizeidienstfähigkeit durchzuführen. Von dort wurde per E-Mail vom 3. Mai 2016 ein Termin zur polizeiärztlichen Untersuchung für den 17. Juni 2016 avisiert und um behördenseitige Einladung des Antragstellers gebeten (vgl. 304 d. Personalakte). Mit Stellungnahme vom 23. April 2016 teilte das HMdIS mit, dass die landesweite und ressortübergreifende Abfrage ausschließlich Fehlanzeigen erbracht hätte und man daher einer Ruhestandsversetzung des Antragstellers gemäß § 26 BeamtStG i.V.m. § 111 Abs. 1 HBG nach § 42 Abs. 1 Satz 1 HBG zustimme (Bl. 303 d. Personalakte). Hierauf teilte der Antragsgegner dem Antragsteller mit Schreiben an seinen Bevollmächtigten vom 25. Mail 2016, gegen Empfangsbekenntnis zur Post aufgegeben am 2. Juni 2016, (vgl. Bl. 305 ff. d. Personalakte) das Ergebnis der landesweiten und ressortübergreifenden Abfrage mit und bemerkte, dass man nunmehr die Ruhestandsversetzung des Antragstellers beabsichtige. Zugleich wurde ihm gemäß § 36 Abs. 3 HBG Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

Mit E-Mail vom 27. Mai 2016 übersandte der Antragsgegner zuvor der Schwerbehindertenvertretung hiervon eine Abschrift und gab dieser nach § 95 Abs. 2 SGB IX Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Tagen (vgl. Bl. 308 d. Personalakte).

Per E-Mail vom 31. Mai 2016 teilte der Antragsgegner dem Hessischen Bereitschaftspolizeipräsidium sodann mit, dass die Nachuntersuchung des Antragstellers aufgrund der beabsichtigten Ruhestandsversetzung nicht mehr benötigt werde (vgl. Bl. 309 d. Personalakte). Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 6. Juli 2016 bemerkte der Antragsteller, dass er zu der beabsichtigten Ruhestandsversetzung kein Einverständnis erteilen werde.

Mit Bescheid an seinen Bevollmächtigten und Versetzungsurkunde vom 13. Juli 2016, gegen Empfangsbekenntnis zur Post aufgegeben am 19. Juli 2016, versetzte der Antragsgegner den Antragsteller wegen Polizeidienstunfähigkeit nach § 26 BeamtStG i.V.m. §§ 111 Abs. 1 und 36 HBG mit Wirkung zum Ende des Monats Juli 2016 in den Ruhestand und ordnete zugleich die sofortige Vollziehbarkeit gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO an, wobei sie zur Begründung derselben auf die angespannte Arbeits- und Personalsituation sowie die allgemeine Sicherheitslage rekurrierte (Bl. 317 ff. d. Personalakte).

Per E-Mail vom 13. Juli 2016 übersandte der Antragsgegner zuvor der Schwerbehindertenvertretung eine Abschrift des Bescheidentwurfs und gab dieser nach § 95 Abs. 2 SGB IX abermals Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Tagen (vgl. Bl. 316 d. Personalakte).

Da der am 20. Juli 2016 gegen Empfangsbekenntnis beim Bevollmächtigten zugestellte Bescheid auf Seite 3 und 4 einen Umbruchfehler enthielt, wurde dieser mit Datum vom 21. Juli 2016 erneut zur Post aufgegeben und ging beim Bevollmächtigten des Antragstellers am 25. Juli 2016 zu (vgl. Empfangsbekenntnis, Bl. 326 d. Personalakte).

Hiergegen legte der Antragsteller mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 18. August 2016 Widerspruch ein, der vom Antragsgegner bislang noch nicht entschieden worden ist.

Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom selben Tag hat der Antragsteller den vorliegenden Eilantrag gestellt.

Der Antragsteller ist der Auffassung, die Polizeidienstunfähigkeit sei vor Erlass der Versetzungsverfügung nicht positiv festgestellt worden, weil die polizeiärztliche Dienstfähigkeitsbeurteilung vom 19. November 2015 zu diesem Zeitpunkt bereits 8 Monate alt gewesen sei und damit nicht den aktuellen Gesundheitszustand des Antragstellers wiedergegeben habe. Der Gutachter habe nämlich unter anderem ausgeführt, dass am Ende des Heilungsverlaufs eine begrenzte Dienstfähigkeit verbleiben könne, und daher eine Nachuntersuchung für Mai 2016 oder bei Anlass empfohlen. Der Antragsgegner habe daher nicht einfach davon ausgehen dürfen, dass sich der Gesundheitszustand des Antragstellers in der Zwischenzeit nicht verändert habe. Außerdem verkenne der Antragsgegner, dass die Ausfallzeiten in 2016 auf eine andere Erkrankung zurückzuführen gewesen seien - nämlich eine Sepsis, in deren Folge am rechten Fuß ein Zeh amputiert worden sei. Der behandelnde Orthopäde Dr. XXX habe mit Attest vom 26. Juli 2016 bescheinigt, dass bei optimaler Therapie eine zeitnahe zumindest eingeschränkte Polizeidienstfähigkeit wiederhergestellt werden könne. Der Antragsgegner habe selbst zugestanden, dass der Antragsteller "derzeit als dienstfähig zu beurteilen" sei, was sich aus der Gesprächsnotiz (Bl. 67 Sonderband Polizeidienstfähigkeit) zwischen Frau XXX (LPP 34) und dem Leitenden Polizeiarzt Dr. XXX ergebe. Darin sei der Leitende Polizeiarzt sogar davon ausgegangen, dass eine vollschichtige Arbeitsleistung des Antragstellers erprobt werden könne.

Überdies seien auch die Feststellungen in der polizeiärztlichen Dienstfähigkeitsbeurteilung vom 19. November 2015 insoweit widersprüchlich, als dort unter Ziffer 1.2 ausgeführt werde, dass der Antragsteller polizeidienstunfähig sei, während unter Ziffer 1.2.1 zu lesen sei, dass er unter den auf der Folgeseite beschriebenen Tätigkeitseinschränkungen gesundheitlich für die derzeitige Funktion im Polizeivollzugsdienst geeignet sei. Mithin müsse auch davon ausgegangen werden, dass er nicht vollständig polizeidienstunfähig sei. Dabei sei zumindest naheliegend gewesen, den Antragsteller auf seinem bisherigen Dienstposten im Geschäftszimmer des Kommissariats 31 weiterzuverwenden. Auf Grundlage der vorbeschriebenen Feststellungen habe der Antragsgegner auch nicht hinreichend nach einer leidensgerechten anderweitigen Verwendung des Antragstellers gesucht, was einen Verstoß gegen § 26 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 BeamtStG darstelle, wobei nach § 26 Abs. 3 BeamtStG auch eine geringerwertige Tätigkeit im Bereich desselben Dienstherrn habe in Betracht gezogen werden müssen. Der Antragsgegner sei seiner umfassenden Suchpflicht nicht nachgekommen; jedenfalls sei nicht nachvollziehbar, dass der Antragsgegner neben den Ministerien auch die nachgeordneten Behörden um Prüfung ersucht habe. In der Suchanfrage sei auch lediglich auf aktuelle Stellen eingegangen worden, nicht jedoch auf künftig freiwerdende. So habe es beispielsweise in der HEAE am Standort XXX (vormals XXX) eine Verwendungsmöglichkeit gegeben. Überdies sei der Antragsteller auch mit der mit Übertragung einer gegenüber seinem statusrechtlichen Amt geringerwertigen Tätigkeit einverstanden gewesen. Jedenfalls habe der Antragsgegner eine stufenweise Wiedereingliederung nach § 84 Abs. 2 SGB IX initiieren müssen, bevor er den Antragsteller in den Ruhestand versetzt, zumal der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten hierzu mit Schreiben vom 15. Dezember 2015 einen Vorschlag gemacht habe.

Schließlich sei vom Antragsgegner auch ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit nicht hinreichend dargelegt worden. Die Bemerkung, ein Zuwarten für die Dauer eines Widerspruchs- und sich gegebenenfalls anschließendes Klageverfahren sei im Interesse eines funktionierenden Dienstbetriebes und die angespannte Personalsituation sowie im Hinblick auf die angespannte Sicherheitslage nicht zumutbar, sei jedenfalls zu abstrakt formuliert und daher nicht geeignet, die konkreten Auswirkung von Fehlzeiten des Antragstellers auf den Dienstbetrieb zu belegen. Ein das Suspensivinteresse des Antragstellers überwiegendes Vollzugsinteresse sei mithin nicht dargelegt worden.


Der Antragsteller beantragt,

die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 18. August 2016 gegen den Bescheid des Antragsgegners über die Versetzung in des Antragstellers in den Ruhestand vom 13. Juli 2016 in der korrigierten Fassung vom 21. Juli 2016 wiederherzustellen.


Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Der Antragsteller sei aufgrund polizeiärztlicher Untersuchungen vom 7. Dezember 2010 und vom 13. November 2015 als polizeidienstunfähig zu betrachten. Er sei lediglich noch geeignet für eine Funktion in einem Geschäftszimmer bzw. unter den näher bezeichneten erheblichen Tätigkeitseinschränkungen oder für den allgemeinen Verwaltungsdienst. Die vom Antragsteller insoweit vorgetragenen Zweifel an den Feststellungen seien nicht nachvollziehbar. Insbesondere sei das Vorbringen des Antragstellers, das letzte polizeiärztliche Gutachten vom 19. November 2015 gebe nicht seinen aktuellen Gesundheitszustand wieder, ungeeignet, die Feststellungen zu widerlegen, da die gravierenden gesundheitlichen Einschränkungen des Antragstellers bereits seit sehr vielen Jahren bestünden und insbesondere vor dem Hintergrund dessen erneuter erheblicher Fehlzeiten keine Verbesserungen erkennbar seien. Da der Antragsteller zuletzt mit seiner örtlichen Verwendbarkeit eine weitere Einschränkung vorgetragen habe, sei auch keine Verbesserung, sondern eine Verschlechterung indiziert. Eine erneute polizeiärztliche Untersuchung sei daher entbehrlich gewesen.

Eine weitere Verwendung im Geschäftszimmer des Kommissariats XXX sei im Verlauf des Personalgesprächs am 17. Juli 2015 bereits eingehend erörtert und für nicht mehr praktikabel befunden worden. Alternative Verwendungsmöglichkeiten seien - unter Berücksichtigung der vom Antragsteller geäußerten Wünsche - umfassend, aber ergebnislos gesucht worden. Aus den Antwortschreiben der Ministerien ergebe sich entgegen der Auffassung des Antragstellers, dass auch die nachgeordneten Behörden berücksichtigt worden seien. Damit sei der Vorhalt, der Dienstherr habe seine umfangreichen Suchpflichten nicht erfüllt, widerlegt. Soweit der Antragsteller einen fehlenden Wiedereingliederungsversuch rügt, stehe dem bereits entgegen, dass ein solcher lediglich auf einem geeigneten Dienstposten möglich sei, was vorliegend gerade nicht gegeben und auch nicht absehbar gewesen sei.

Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 9. September 2016 nach vorheriger Anhörung der Beteiligten auf den Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Gegenstand des Verfahrens waren die Gerichtsakte und die vorgelegten Behördenakten (drei Bände Personalakten des Antragstellers, ein Sonderband Polizeidienstfähigkeit).

Entscheidungsgründe:

Der Antrag ist zulässig.

Insbesondere ist der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Alt. 2 VwGO statthaft. Dem mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 18. August 2016 form- und fristgemäß erhobenen Widerspruch des Antragstellers fehlt die aufschiebende Wirkung, da der Antragsgegner mit dem Bescheid über die Versetzung in den Ruhestand wegen festgestellter Polizeidienstfähigkeit vom 13. Juli 2016 in der korrigierten Fassung vom 21. Juli 2016 zugleich den Sofortvollzug angeordnet hat (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO).

Der Antrag ist auch in der Sache begründet.

Ein nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellter Antrag ist im Falle der Anordnung der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsakts gem. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO begründet, wenn eine durch das Gericht vorzunehmende Interessensabwägung ergibt, dass das Interesse des Adressaten des Verwaltungsaktes an der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs oder seiner Anfechtungsklage (sog. Suspensivinteresse) das von der Behörde geltend gemachte öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes (sog. Vollzugsinteresse) überwiegt. Ob dies der Fall ist, richtet sich nach den Erfolgsaussichten in der Hauptsache. Soweit hinsichtlich der Rechtswidrigkeit eine eindeutige Prognose zum Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht möglich ist, findet eine Interessenabwägung unter Einbeziehung der überschaubaren Erfolgsaussichten in dem Hauptsacheverfahren statt (Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 80 Rn. 373).

Es ist bereits mehr als fraglich, ob die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ruhestandsversetzung formell ordnungsgemäß erfolgt ist. Das formelle Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO verlangt, dass die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO zu erkennen gibt, dass die Behörde aus Gründen des zu entscheidenden Einzelfalls eine sofortige Vollziehung ausnahmsweise für geboten erachtet. Der Antragsgegner hat hierzu im Wesentlichen abstrakt ausgeführt, die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei erforderlich, weil die Arbeits- und Personalsituation äußerst angespannt und im Interesse eines funktionierenden Dienstbetriebes insbesondere vor dem Hintergrund der angespannten Sicherheitslage eine unmittelbare Nachbesetzung erforderlich sei. Ob der Antragsgegner damit eine auf den konkreten Einzelfall bezogene, nicht nur formelhafte Begründung des Sofortvollzugs abgegeben hat, die dem besonderen Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 VwGO hinreichend Rechnung trägt, kann im Ergebnis dahinstehen, weil jedenfalls begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ruhestandsversetzung bestehen.

Der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem der Antragsgegner den Antragsteller wegen festgestellter Polizeidienstfähigkeit in den Ruhestand versetzt hat, hält der im Eilverfahren allein gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht stand.

Es bestehen jedenfalls Zweifel daran, dass die Voraussetzungen für eine Versetzung in den Ruhestand wegen Polizeidienstunfähigkeit vorlagen, wobei es für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Zurruhesetzungsverfügung auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung ankommt (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.03.2009 - 2 C 46/08 -, BeckRS 2009, 34132; Urt. v. 16.10.1997 - 2 C 7/97 -, NVwZ-RR 1998, 572; VGH München, Beschl. v. 12.08.2005 - 3 B 98/1080 -, BeckRS 2005, 17071).

Zunächst vermag das Gericht keine formellen Fehler festzustellen.

Insbesondere wurde dem Antragsteller vor Erlass des Bescheides nach § 36 Abs. 3 Satz 1 bis 3 HBG Gelegenheit gegeben, Einwendungen zu erheben.

Auch die Schwerbehindertenvertretung wurde gemäß § 95 Abs. 2 SGB IX in der maßgeblichen Fassung vom 23. April 2004 (BGBl. I S. 606) per E-Mails vom 27. Mai 2016 und vom 13. Juli 2016 ordnungsgemäß beteiligt. Da § 95 Abs. 2 SGB IX a.F. keine Formvorgabe enthält, erfolgte die Anhörung per E-Mail auch insoweit fehlerfrei.

Der Rechtmäßigkeit der Ruhestandsversetzung steht auch nicht entgegen, dass zuvor kein betriebliches Eingliederungsmanagement nach § 83 Abs. 2 Satz 1 SGB IX in der maßgeblichen Fassung vom 21. März 2005 (BGBl. I S. 818) durchgeführt worden ist. Zwar gilt die Verpflichtung, bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen des § 83 Abs. 2 Satz 1 SGB IX a.F. ein betriebliches Eingliederungsmanagement anzubieten, auch für Beamte. Die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements ist jedoch keine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Versetzung eines Beamten in den Ruhestand wegen dauernder Dienstunfähigkeit (BVerwG, Urt. v. 05.06.2014 - 2 C 22/13 -, NVwZ 2014, 1319).

Das Gericht hat in Anbetracht der im Eilverfahren allein möglichen summarischen Prüfung jedoch Zweifel an der materiellen Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Verwaltungsaktes.

Dass der Antragsteller zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Bescheides über die Ruhestandsversetzung polizeidienstunfähig gewesen sein soll, mag sich zwar aufgrund der wiederholten, auch längerfristigen krankheitsbedingten Fehlzeiten des Antragstellers seit immerhin den 1990er Jahren sowie der enormen und sukzessive ansteigenden krankheitsbedingten Ausfallzeiten des Antragstellers jedenfalls seit 2010 nahezu aufdrängen. Die Polizeidienstunfähigkeit stand aufgrund insoweit in der Personalakte des Antragstellers vorhandener Unstimmigkeiten bzw. Unklarheiten - dort insbesondere hinsichtlich der polizeiärztlichen Dienstfähigkeitsbeurteilung vom 19. November 2015, auf die sich der Antragsgegner maßgeblich stützt - allerdings nicht zweifelsfrei fest.

Nach § 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG sind Beamte auf Lebenszeit in den Ruhestand zu versetzen, wenn sie wegen ihres körperlichen Zustandes oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten dauerhaft unfähig (dienstunfähig) sind, wobei § 36 HBG das Verfahren hierzu näher regelt. Für Polizeivollzugsbeamte enthält § 111 Abs. 1 HBG überdies eine spezialgesetzliche Regelung. Danach ist ein Polizeivollzugsbeamter dann dienstunfähig, wenn er nach amtsärztlichem Gutachten den besonderen gesundheitlichen Anforderungen für den Polizeivollzugsdienst nicht mehr genügt und nicht zu erwarten ist, dass er seine volle Verwendungsfähigkeit innerhalb von zwei Jahren wiedererlangt (Polizeidienstunfähigkeit), es sei denn, die auszuübende Funktion erfordert bei Beamten auf Lebenszeit diese besonderen gesundheitlichen Anforderungen auf Dauer nicht mehr uneingeschränkt. Das Landesrecht trifft damit eine von § 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG abweichende Sonderregelung für die Dienstunfähigkeit von Polizeivollzugsbeamten, zu der wiederum § 26 Abs. 1 Satz 4 BeamtStG die Länder ermächtigt. § 111 Abs. 1 HBG geht damit als lex specialis zugleich § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG i.V.m. § 36 Abs. 2 HBG vor, wonach als dienstunfähig auch angesehen werden kann, wer infolge Erkrankung innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst getan hat und keine Aussicht besteht, dass innerhalb einer Frist von sechs Monaten die Dienstfähigkeit wieder voll hergestellt ist (v. Roetteken/Rothländer, HBR, Band IV/5, 7. Auflage, EL 332 Juni 2017, § 111 HBG Rn. 18; Schnellenbach/Bodanowitz, Beamtenrecht in der Praxis, 9. Auflage 2017, § 5 Rn. 52, wonach das einschlägige Bundes- und Landesrecht eine "vermutete Polizeidienstunfähigkeit" nicht kennt).

Anders als die "allgemeine" Dienstfähigkeit, deren Bezugspunkt die Anforderungen des innegehabten abstrakt-funktionellen Amtes sind, orientiert sich die Polizeidienstfähigkeit an den besonderen gesundheitlichen Anforderungen für sämtliche Dienstposten der Laufbahn "Polizeivollzugsdienst". Maßstab ist insoweit der Vollzugsdienst insgesamt. Die Polizeidienstfähigkeit setzt dabei voraus, dass der Polizeivollzugsbeamte zu jeder Zeit, an jedem Ort und in jeder seinem statusrechtlichen Amt entsprechenden Stellung einsetzbar ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 03.03.2005 - 2 C 4.04 -, NJOZ 2005, 3232). Anknüpfungspunkt ist die volle Verwendungsfähigkeit bezogen auf die gesamte Breite der Tätigkeit einer Polizeivollzugskraft. Dabei trägt im Falle der Zurruhesetzung der Dienstherr die materielle Beweislast für die (besondere) Dienstunfähigkeit des Beamten (OVG Lüneburg, Beschl. v. 01.03.2013 - 5 LB 79/11 -, NVwZ-RR 2013, 851; Schnellenbach/Bodanowitz, Beamtenrecht in der Praxis, 9. Auflage 2017, § 5 Rn. 75).

Die Annahme des Antragsgegners, der Antragsteller habe im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung den besonderen gesundheitlichen Anforderungen für den Polizeivollzugsdienst nicht mehr genügt und es sei nicht zu erwarten, dass er seine volle Verwendungsfähigkeit innerhalb von zwei Jahren wiedererlange, ist durch das Ergebnis amtsärztlicher Untersuchungen jedenfalls nicht zweifelsfrei zur Überzeugung des Gerichts belegt.

Dabei existiert für den Polizeivollzugsdienst in § 111 Abs. 1 Satz 2 HBG eine Sonderregelung dahingehend, dass zur Erstattung von amtsärztlichen Gutachten auch die Polizeiärzte befugt sind, die hierzu von der obersten Dienstbehörde bestimmt werden. Ein solches polizeiärztliches Gutachten liegt zwar vor (seit den 1990er Jahren sind mehrfach polizeiärztliche Gutachten erstellt und zur Personalakte genommen worden).

Die hier maßgebliche polizeiärztliche Dienstfähigkeitsbeurteilung vom 19. November 2015 (Bl. 266 ff., 269 d. Personalakte) schweigt sich in Ziff. 1.2 und 5 jedoch dazu aus, ob zu erwarten ist, dass der Antragsteller die volle Verwendungsfähigkeit innerhalb von zwei Jahren wiedererlangt (was gemäß § 111 Abs. 1 Satz 1 HBG neben der Feststellung, den besonderen gesundheitlichen Anforderungen für den Polizeidienst nicht mehr zu genügen, gesetzliche Voraussetzung für die Annahme der Polizeidienstunfähigkeit ist). Mangels kumulativ vorzunehmender Zweijahresprognose ist die Polizeidienstunfähigkeit nicht durch den Antragsgegner zweifelsfrei positiv festgestellt worden. Vielmehr empfahl der die Untersuchung vornehmende Leitende Polizeiarzt Dr. XXX in Ziff. 5 eine Nachuntersuchung für Mai 2016 oder bei Anlass und führte zugleich aus, dass sich ein Ende des attestierten Krankenstandes "noch nicht absehen" lasse. Auch der Antragsgegner hatte hinsichtlich der Polizeidienstunfähigkeit des Antragstellers offenkundig selbst Zweifel; jedenfalls lässt sich der Gesprächsvermerk über das Telefonat zwischen der zuständigen Sachbearbeiterin XXX und dem Leitenden Polizeiarzt Dr. XXX vom 19. Januar 2016 nicht anders deuten, wonach der Antragsteller "derzeit als dienstfähig zu beurteilen" sei und man daher eine Erprobung seiner vollschichtigen Arbeitsleistung für möglich erachte. So passt es ins Gesamtbild, dass der Antragsgegner hierauf die empfohlene Nachuntersuchung mit dem Ziel einer erneuten Überprüfung der Polizeidienstfähigkeit für den 17. Juni 2016 avisierte. Dass selbige sodann aufgrund der zwischenzeitlich erfolgten Stellungnahme des HMdIS über die landesweite und ressortübergreifende Abfrage vom 23. April 2016 ohne weitere medizinische Indikation abgesagt wurde, lässt sich anhand der Aktenlage dem Grunde nach nicht zweifelsfrei nachvollziehen.

Überdies ist der Formulierung in Ziffer 1.2.1 zu entnehmen, dass der Antragsteller gesundheitlich geeignet für seine derzeitige Funktion im Polizeivollzugsdienst sei, wenngleich die in Ziff. 2 näher beschriebenen Einschränkungen bestehen - die überdies jedoch nur unwesentlich von den Einschränkungen vorangegangener polizeiärztlicher Gutachten abweichen (vgl. hierzu § 111 Abs. 1 Satz 1 a.E. HBG, wonach der Polizeidienstunfähigkeit entgegenstehe, wenn die auszuübende Funktion bei Beamten auf Lebenszeit diese besonderen gesundheitlichen Anforderungen auf Dauer nicht mehr uneingeschränkt erfordert). Danach wurde dem Antragsteller als Beamten auf Lebenszeit wohl attestiert, für eine Verwendung auf dem bis dato innegehabten geringerwertigen Dienstposten im Kommissariat XXX weiterhin dienstfähig zu sein. Dahingehend erschließt sich dem Gericht nicht, warum der Antragsgegner dem Antragsteller nicht beispielsweise per Dienstanweisung aufgegeben hat, seine Aversion gegen weibliche Vorgesetzte zu überwinden und seinen Dienstpflichten auch weiterhin auf seinem bis dato innegehabten Dienstposten nachzukommen.

Im Ergebnis steht daher nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Antragsteller im maßgeblichen Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung mit Bescheid vom 21. Juli 2016 (redaktionell berichtigten Fassung) gemäß § 111 Abs. 1 HBG, § 26 Abs. 1 BeamtStG polizeidienstunfähig war.

Hinsichtlich der aufgeworfenen Frage nach der Möglichkeit einer anderweitigen Verwendung des Antragstellers (vgl. § 26 Abs. 2 und 3 BeamtStG i. V. m. § 111 Abs. 2 HBG) bestehen hierneben auch in Bezug auf die landesweite und ressortübergreifende Suchabfrage Bedenken.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 26.03.2009 - 2 C 73/08 -, NVwZ 2009, 1311) besteht eine Suchpflicht des Dienstherrn, die sich auf den gesamten Bereich des Dienstherrn beziehen muss. Dabei muss sich die Suche auf alle Dienstposten erstrecken, auch solche, die in absehbarer Zeit voraussichtlich neu zu besetzen sind. Eine Beschränkung dieser Suche auf bestimmte Bereiche der Verwaltungsorganisation des Dienstherrn ist nicht zulässig. Die Suchpflicht darf sich nicht auf die Nachfrage beschränken, ob eine andere Behörde im Bereich des Dienstherrn bereit ist, den Beamten zu übernehmen. Vielmehr ist bei einer Nichtbeantwortung der Anfrage eine Nachfrage erforderlich, und es sind konkrete, gegebenenfalls auch dialogische Bemühungen, den Beamten anderweitig zu verwenden, zu unternehmen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 06.0.2012 - 2 A 5/10 -, BeckRS 2012, 48895). Es ist Aufgabe des Dienstherrn, schlüssig darzulegen, dass er bei einer Suche nach einer anderweitigen Verwendung diese Vorgaben beachtet hat.

Dabei muss der Dienstherr zur Vermeidung der Versetzung in den Ruhestand nach § 26 Abs. 3 BeamtStG i.V.m. § 111 Abs. 2 Satz 2 HBG auch die Übertragung einer geringerwertigen Tätigkeit im Bereich desselben Dienstherrn in Betracht ziehen, wenn eine anderweitige Tätigkeit nicht möglich ist und die Wahrnehmung der neuen Aufgabe unter Berücksichtigung der bisherigen Tätigkeit zumutbar ist, wobei auch der Verlust einer Stellenzulage hingenommen werden muss (v. Roetteken/Rothländer, HBR, Band IV/2, 7. Auflage, EL 332 Juni 2017, § 26 BeamtStG Rn. 163).

Die polizeiärztliche Dienstfähigkeitsbeurteilung vom 19. November 2015 führt insoweit in Ziff. 1.2.4 aus, dass der Antragsteller für den allgemeinen Verwaltungsdienst einschließlich der erforderlichen Aus- und Fortbildungsmaßnahmen gesundheitlich geeignet sei, wobei in Ziff. 5 keinerlei weitere Einschränkungen bemerkt sind.

Unter Zugrundelegung der vorbeschriebenen Grundsätze dürfte es jedenfalls hinsichtlich der Rückmeldungen des Hessischen Kultusministeriums (HKM) vom 3. Februar 2016 (Bl. 77 Sonderband Polizeidienstfähigkeit) sowie des Hessischen Ministeriums der Finanzen (HMdF) vom 14. April 2016 (Bl. 89 Sonderband Polizeidienstfähigkeit) geboten gewesen sein, auf die gemeldeten Fehlanzeigen rückzufragen. Soweit das HKM darin ausführt, dass "vor dem Hintergrund der erheblichen Stelleneinsparungen" eine Verwendung des Antragstellers "nicht realisierbar" sei, bestehen jedenfalls Zweifel daran, ob die recht vage gehaltene Formulierung den Anforderungen an die ressortübergreifende Suchpflicht im Hinblick auf die dem Antragsgegner auferlegten dialogischen Bemühungen genügt. Soweit das HMdF sich hingegen darauf beruft, dass eine "Einsatzmöglichkeit derzeit nicht vorhanden" sei, erschließt sich dem Gericht nicht, ob und inwieweit auch Dienstposten einbezogen wurden, die in absehbarer Zeit voraussichtlich neu zu besetzen sind.

Schließlich lässt sich dem Sonderband Polizeidienstfähigkeit auch nicht entnehmen, dass die Übertragung einer geringerwertigen Tätigkeit im Bereich desselben Dienstherrn nach § 26 Abs. 3 BeamtStG i.V.m. § 111 Abs. 2 Satz 2 HBG hinreichend in Betracht gezogen wurde.

Zusammenfassend bestehen nach summarischer Prüfung ernstliche Zweifel am Vorliegen der Voraussetzungen für eine Versetzung in den Ruhestand gegen den Willen des Antragstellers. Da die summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache eine eindeutige Prognose nicht zulässt, war eine Interessenabwägung unter Einbeziehung der überschaubaren Erfolgsaussichten in dem Hauptsacheverfahren vorzunehmen. Da einerseits die nach Aktenlage gegebenen Erfolgsaussichten überwiegen und andererseits die beschriebenen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ruhestandsversetzung darauf zurückzuführen sind, dass der die materielle Beweislast tragende Antragsgegner die Polizeidienstunfähigkeit nicht zweifelsfrei positiv festgestellt hat, dem wiederum zur Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung lediglich die allgemein angespannte Arbeits- und Personalsituation sowie die allgemeine Sicherheitslage gegenüberstehen, war ein das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegendes Suspensivinteresse des Antragstellers anzunehmen, so dass dem Antrag mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben war.

Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 und Abs. 6 Nr. 1 GKG. Die Summe der für das Kalenderjahr (bezogen auf den Antragseingang) dem Antragsteller für das bis zur Ruhestandsversetzung innegehabte Amt zustehenden vom Familienstand unabhängigen Bezüge beträgt nach dem Vortrag des Antragstellers 41.303,16 EUR. Der Betrag ist als Streitwert anzusetzen.

Referenznummer:

R/R8332


Informationsstand: 19.12.2019