1. Die Klage ist zulässig. Das Amtsgericht Hameln als Gericht des Wohnorts der Versicherungsnehmerin ist örtlich zuständig. Die Zuständigkeit ergibt sich aus § 215 VVG wie auch aus
Nr. 4 der Verbraucherinformation zur Restkredit-Lebensversicherung mit Arbeitsunfähigkeits-Zusatzversicherung. Hinsichtlich des Zahlungsempfängers liegt eine zulässige Klageänderung
gem. § 264
Nr. 3
ZPO vor.
2. Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung der Versicherungsleistung in Höhe von 1.080,70 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.05.2009 an sich selbst und Zahlung weiterer 680,90 Euro an die darlehensgebende
S. C. Bank
AG zugunsten ihres Kontos.
a) Soweit Zahlung an die darlehensgebende Bank direkt gefordert wird, ergibt sich der Anspruch aus § 1
Abs.1
S.1 VVG in Verbindung mit dem Versicherungsvertrag. Soweit sie Erstattung geleisteter Zahlungen an sich geltend macht, besteht jedenfalls ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung nach § 812
Abs. 1
S. 1 Alt. 1
BGB, sodass dahin stehen kann, ob die Klägerin einen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte
gem. § 280
Abs. 1
BGB i.V.m. § 1 AVB infolge einer schuldhaften Vertragsverletzung hat, weil die Beklagte trotz Versicherungsfalls die Raten an die
S. C. Bank nicht geleistet hat.
Die Beklagte hat durch die Ratenzahlung der Klägerin an die
S. C. Bank
AG etwas erlangt
i.S.d. § 812
BGB. Der vermögenswerte Vorteil besteht in der Befreiung von einer Verbindlichkeit. Indem die Klägerin selbst am 06.05., 08.06., 08.07. und 17.08.2009 Ratenzahlungen in Höhe von insgesamt 1.080,70
EUR gegenüber der
S. C. Bank vornahm, befreite sie die Beklagte von ihrer Verpflichtung. Diese war
gem. § 1
Abs. 1 AVB verpflichtet, von Februar bis Juli 2009 an die Bank die Darlehensraten i.H.v. 293,60
EUR monatlich zu zahlen.
b) Die Teilnahme der Klägerin an einer Wiedereingliederungsmaßnahme steht der Annahme von Arbeitsunfähigkeit
i.S.v.. § 1
Abs. 2 AVB nicht entgegen. Dies gilt jedenfalls für den Versuch einer gesetzlich geregelten und ärztlich überwachten Wiedereingliederung nach dem "Hamburger Modell". Zwar ist das der Definition des Versicherungsfalls zugrundeliegende "alles-oder-nichts-Prinzip" anzuerkennen. Danach fehlt es an einer Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich bereits dann, wenn ein Arbeitnehmer eingeschränkt, etwa stundenweise, arbeitsfähig ist. Dies gilt jedoch nicht im Falle einer wie oben beschriebenen Wiedereingliederungsmaßnahme.
Allerdings ist diese Frage streitig (ebenso
AG Wiesbaden, Urteil vom 01.12.98 - 93 C 4164/98-15 - in VersR 1999, 1270;
LG Berlin, Urteil vom 25.09.01 -
7 S 13/01 - in VersR 2002, 1235;
LG Saarbrücken, Urteil vom 16.09.92 - 12 O 64/92 -; Prölls/Martin, 27. Aufl., Rz. 11 zu § 1 MBKT94; anderer Ansicht dagegen
LG Köln, Urteil vom 11.03.2009 - 23 O 319/06 -;
OLG Köln, Urteil vom 03.03.1994 - 5 U 150/93 -;
LG München, Urteil vom 20.09.07 - 10V O 4877/06 -). Für die Entscheidung des Gerichts war dabei folgendes maßgebend:
aa) In § 1
Abs. 2 AVB ist bereits nicht eindeutig geregelt, dass der Versicherungsfall nur bei vollständiger Arbeitsunfähigkeit gegeben ist. Bereits unter diesem Gesichtspunkt endet die Arbeitsunfähigkeit nicht mit dem Beginn der Wiedereingliederungsmaßnahme, sondern erst dann, wenn wieder volle Einsatzfähigkeit gegeben ist (ebenso Terbille, Münchener Anwaltshandbuch, Versicherungsrecht, 2. Auflage 2008, § 25 Rn. 307;
LG Berlin, Urteil vom 25.09.2001 - 7 S 13/01 - in VersR 2002, 1235).
Die Definition in § 1
Abs. 2 AVB "außerstande, die bisherige oder eine andere Tätigkeit auszuüben" kann im Laienverständnis des Versicherungsnehmer dahin verstanden werden, dass eine Tätigkeit gegen Entlohnung gemeint ist. Dass der Versicherungsnehmer keinerlei Tätigkeit mehr ausüben darf, um arbeitsunfähig
i.S.d. § 1
Abs. 2 AVB zu sein, selbst wenn er an einer Wiedereingliederungsmaßnahme teilnimmt, ergibt sich aus ihrem Wortlaut nicht eindeutig. Dies geht zu Lasten der Beklagten. Versicherungsbedingungen sind grundsätzlich so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer diese bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei ist entscheidend der Sinn und Zweck der Versicherung zu berücksichtigen. Zweck der Restschuld-Arbeitsunfähigkeitsversicherung ist es gerade, zu leisten, wenn der Arbeitnehmer infolge arbeitsunfähiger Krankschreibung keinen Lohn erhält. Die Versicherung dient der wirtschaftlichen Absicherung des Versicherungsnehmers. Sie soll ihm Schutz gewähren, wenn dieser infolge von Gesundheitsstörungen außer Stande ist, seine Arbeitskraft zum Zwecke des Gelderwerbs einzusetzen. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer versteht die Bedingung daher dahingehend, dass gerade bei arbeitsunfähiger Krankschreibung und fehlender Lohnzahlung wie hier, die Versicherung zahlen muss. (
LG Berlin, Urteil vom 25.09.2001 - 7 S 13/01 - in VersR 2002, 1235;
LG Saarbrücken, Urteil vom 16.09.1992 - 12 O 64/92 -). Somit ist der Aspekt der fehlenden Lohnzahlung durchaus relevant.
bb) Darüber hinaus und unabhängig von dem Inhalt der AVB kann eine Wiedereingliederungsmaßnahme der vorliegenden Art zur Überzeugung des Gerichts nicht als Teilarbeitsfähigkeit i.
S. des Versicherungsvertrages gewertet werden. Denn nicht jedwede Tätigkeit beraubt den Versicherungsnehmer seines Anspruchs (Prölls/Martin, a.a.O.). Vielmehr ist der Zweck der Tätigkeit mit zu berücksichtigen.
Hier spricht der Zweck einer Wiedereingliederungsmaßnahme, nämlich die langsame Heranführung kranker Menschen an den Arbeitsprozess und verbunden damit eine steigende Belastbarkeit und Gesundung gegen einen Rechtsverlust. Die Gegenansicht, die bedingungsgemäße Arbeitsunfähigkeit bei Vornahme eines Wiedereingliederungsversuchs ablehnt, wird den Interessen des Versicherungsnehmers nicht gerecht. Einem Versicherungsnehmer darf es nicht zum Nachteil gereichen, wenn er den Versuch einer Wiedereingliederung unternimmt. Es ist nicht sachgerecht, einen Versicherungsnehmer "finanziell" besser zu stellen, wenn er sich einer Wiedereingliederungsmaßnahme verweigert,
bzw. ihn dafür zu bestrafen, dass er sich bei fortbestehender Erkrankung den Belastungen seines Arbeitsprozesses aussetzt. Der Versicherungsnehmer würde gegebenenfalls gegen die eigene Gesundheit handeln, um den Anspruch auf die Versicherungsleistung nicht zu verlieren. Denn der unterbliebene Versuch der Wiedereingliederung kann die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit verzögern oder sogar verhindern. Eine Wertung der Gesamtinteressenlage ergibt, dass dies langfristig auch nicht im Interesse der Beklagte
bzw. des Versicherungsgebers sein kann. Vielmehr müsste die Beklagte die Teilnahme ihrer Versicherungsnehmer an einer Wiedereingliederungsmaßnahme, die ja das Ziel der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit hat, fördern, um so bei Erfolg der Maßnahme ebenfalls zu profitieren, da sie die Versicherungsleistung nicht mehr leisten müsste. Die hier vertretene Ansicht berücksichtigt somit auch die Interessen des Versicherungsgebers ausreichend. Schließlich liegt es auch im gesamtgesellschaftlichen Interesse, dass durch Versicherungsbedingungen eine Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess nicht verhindert oder erschwert wird. Dies alles gilt allerdings nur für eine ärztlich angeordnete und begleitete Maßnahme.
c) Die Klägerin hat auch die notwendigen Belege vorgelegt. Die Beklagte beruft sich zwar zutreffend auf das Urteil des
OLG Köln vom 09.08.2000 - 5 U 20/00 - (r+s 2000, 473). Danach reicht allein die Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht zum Nachweis der bedingungsgemäßen Arbeitsunfähigkeit. Der vom
OLG Köln geforderte substantiierte Vortrag dazu, auf Grund welcher Umstände es zu einer vollständigen Arbeitsunfähigkeit gekommen ist, ist hier jedoch während des Verfahrens erfolgt. Der nach den AVB vorausgesetzte ärztliche Nachweis von Gesundheitsstörungen der Klägerin liegt vor. Als Belege sind die verschiedenen ärztlichen Bescheinigungen, Wiedereingliederungspläne und insbes. das ärztliche Attest vom 13.11.2009 ausreichend und anzuerkennen.
d) Schließlich war die Klägerin zur Überzeugung des Gerichts auch tatsächlich im Zeitraum von Februar 2009 bis Juli 2009 arbeitsunfähig
i.S.v. § 1
Abs. 2 AVB.
Dass sie im Herbst 2008 arbeitsunfähig war, ist belegt und auch von der Beklagten nicht in Zweifel gezogen, vielmehr hat diese vorbehaltslos nach Ablauf der Karenzzeit geleistet. Ein Bandscheibenvorfall im hier beschriebenen Umfang begründet auch uneingeschränkt die Arbeitsunfähigkeit. Die Klägerin war arbeitsunfähig krank geschrieben und erhielt Krankengeld, wie es
§ 74 SGB V zur stufenweise Wiedereingliederung explizit verlangt.
Durch die vorgelegten Krankenunterlagen und schließlich das gerichtlich aufgegebene Attestes ist auch belegt, dass diese Arbeitsunfähigkeit im Frühjahr 2009 fortbestand. Außer der Tatsache der Wiedereingliederungsmaßnahme selbst spricht keinerlei tatsächlicher Anhaltspunkt für eine veränderte gesundheitliche Situation. Der Wiedereingliederungsversuch wurde ärztlich überwacht und erfolgte sowohl nach der Stundenzahl als auch im übrigen (Lasten; Gehwege) mit deutlichen Einschränkungen. Die Klägerin war den gesamten Zeitraum weiterhin arbeitsunfähig krank geschrieben. Der Zeitpunkt der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit war nicht absehbar, wie ausdrücklich vermerkt ist. Während der Maßnahme wurde der Arzt erneut tätig, der Plan wurde zusätzlich eingeschränkt. Eine weitere Operation wurde notwendig und belegt, dass die Klägerin weiterhin nicht gesund war. Das Attest vom 13.11.2009 gibt ausführlich die Beschwerden zwischen der ersten Operation im Oktober 2008 und der zweiten Operation im Juli 2009 - also in dem hier streitgegenständlichen Zeitraum - wieder. Nach der ersten Operation hatte sich ein Rezidiv-Bandscheibenvorfall entwickelt. So habe sich laut Attest nach der Operation im Oktober 2008 keine wesentliche Besserung der Beschwerden in Form von Parästhesien und einer motorischen Schwäche im Bereich des rechten Beines ergeben. Die Klägerin sei dauerhaft auf Schmerzmittel angewiesen gewesen. Aufgrund dieser Symptomatik sei die Klägerin nicht in der Lage gewesen ihre gewohnte Arbeit wieder aufzunehmen, da es ihr gar nicht möglich gewesen sei, eine längere Zeit zu stehen. Die schmerzfreie Gehstrecke sei deutlich reduziert gewesen, nämlich auf wenige Meter.
Die Klägerin hat auch nicht ihre bisherige Tätigkeit wie früher ausgeübt. Die Tätigkeit während des Wiedereingliederungsversuchs unterschied sich von ihrer bisherigen hinsichtlich des Stundenaufwands und der Belastung wie sich aus dem Wiedereingliederungsplan ergibt (hierauf auch abstellend
LG Berlin, Urteil vom 25.09.2001 - 7 S 13/01 - in VersR 2002, 1235). Die Wiedereingliederung nach dem so genannten Hamburger Modell sah eine anfängliche Tätigkeit ab dem 02.02.2009 von 3 Stunden bei leichter Belastung vor. Die Stundenzahl sollte erst ab dem 03.03.2009 auf 5 Stunden täglich und ab dem 05.04.2009 auf 7 Stunden täglich gesteigert werden. Die Klägerin arbeitete gerade nicht mehr wie zuvor 8 - 10 Stunden täglich. Weiter durfte sie keine Lasten tragen und nur kurze Strecken gehen. Dies wird auch dadurch bestätigt, dass in der Filiale, in der die Klägerin tätig ist, vor ihrer Erkrankung 2 - 3 Arbeitnehmer gleichzeitig arbeiteten, aber während des Wiedereingliederungsversuchs der Klägerin 3 - 4 Arbeitnehmer vor Ort waren. Sie ersetzte also auch keine Arbeitskraft. Zudem konnte die Wiedereingliederung nicht wie geplant umgesetzt werden. Vom 02.02. bis zum 03.05.2009 arbeitete die Klägerin tatsächlich nur 3 Stunden täglich und konnte laut ärztlichem Attest nicht länger arbeiten. Der Wiedereingliederungsplan vom 28.04.2009 sah daher ab sofort eine herabgesetzte Stundenzahl von 4 Stunden Arbeit vor. Schließlich brach man die Wiedereingliederung am 02.07.2009 ab
Das Gericht hält im Rahmen seines Ermessens
gem. § 144
ZPO die Einholung eines Sachverständigengutachtens, das die Beklagte vor der Vorlage des Attests beantragt hatte, nicht für erforderlich. Es liegt von Seiten der Beklagten lediglich ein einfaches und pauschales Bestreiten der Arbeitsunfähigkeit vor (Schriftsatz v. 10.12.2009 letzter Absatz; Bl.66 d.A.). Konkrete Anhaltspunkte für eine Arbeitsfähigkeit werden nicht benannt. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Inhalt des Attests selbst nicht bestritten wird - was in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich klargestellt wurde -, ist damit dem Vorbringen der Beklagten nichts zu entnehmen, was die durch die Belege und das aussagekräftige Attest gebildete Überzeugung des Gerichts erschüttert. Eines Sachverständigengutachtens bedarf es deshalb nicht.
e) Ein Erstattungsanspruch der Klägerin
gem. § 812
Abs. 1
S. 1 Alt. 1
BGB ist auch nicht
gem. § 814
BGB ausgeschlossen. Die Klägerin wusste nicht, dass sie nicht zur Zahlung der Darlehensraten verpflichtet war. Sie vertrat zwar die Rechtsansicht, dass die Beklagte die Versicherungsleistung an die Bank erbringen müsse, doch konnte sie keine positive Kenntnis der Nichtschuld haben, da die zugrunde liegende Rechtsfrage wie aufgeführt unterschiedlich beurteilt wird.
f) Der Zinsanspruch ergibt sich aus den §§ 288
Abs. 1, 286
BGB i.V.m. § 187
Abs. 1
BGB analog.
3. Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 92
Abs.2, 709
S. 1, 2
ZPO. Die Teilklagerücknahme betrifft eine geringe Nebenforderung.