Urteil
Zuständiger Leistungsträger für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in einer Werkstatt für behinderte Menschen

Gericht:

BSG


Aktenzeichen:

B 5 R 1/19 R


Urteil vom:

26.02.2020


Terminvorschau:

Die klagende Bundesagentur für Arbeit verlangt vom beklagten Rentenversicherungsträger die Erstattung von Kosten in Höhe von ca 49 000 Euro für eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben, die dazu diente, den Versicherten in eine Werkstatt für behinderte Menschen zu integrieren.

Der Rentenversicherungsträger gewährte dem Versicherten im Anschluss an eine stationäre psychiatrische Behandlung eine ganztägige ambulante medizinische Reha. Diese endete mit der Diagnose einer Psychose und der Empfehlung zu seiner Eingliederung in eine Werkstatt für behinderte Menschen, da bereits eine halbschichtige Arbeit auf dem "ersten Arbeitsmarkt" ihn an die Grenze seiner psychischen Belastbarkeit gebracht habe. Nachdem die Beklagte den entsprechenden Antrag an die Klägerin weitergeleitet hatte, bewilligte diese dem Versicherten ab Juni 2013 das Eingangsverfahren sowie den Grund- und Aufbaukurs des Berufsbildungsbereichs in einer Werkstatt für behinderte Menschen. Der Versicherte brach die Maßnahme nach einer vorübergehenden Unterbrechung im Juni 2015 endgültig ab.

Die Beklagte lehnte das Verlangen der Klägerin auf Erstattung ihrer Aufwendungen für die berufliche Reha ab. Nach einem im Klageverfahren eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten war zum Zeitpunkt der Entlassung aus der medizinischen Reha nicht zu erwarten, dass eine Integration des Versicherten in den "ersten Arbeitsmarkt" gelinge, doch sei dessen Wettbewerbsfähigkeit auf dem besonders geschützten Arbeitsmarkt der Behindertenwerkstätten erreichbar gewesen. Das SG hat der Klage stattgegeben. Der Rentenversicherungsträger sei auch für die berufliche Reha zuständig gewesen. Eine "voraussichtlich erfolgreiche Rehabilitation" im Sinne des § 11 Abs 2a Nr 2 SGB VI sei auch dann anzunehmen, wenn die Prognose ergebe, dass der Versicherte eine Wettbewerbsfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt der Werkstätten für behinderte Menschen erreichen könne. Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG dieses Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Zielsetzung für Reha-Leistungen des Rentenversicherungsträgers müsse stets eine Wiedereingliederung in den "ersten Arbeitsmarkt" sein.

Die Klägerin macht mit ihrer Revision geltend, dass eine voraussichtlich erfolgreiche Teilhabeleistung nicht auf die Reintegration in den "ersten Arbeitsmarkt" beschränkt sei. Der Rentenversicherungsträger müsse im Anschluss an eine medizinische Reha weiter zuständig bleiben, damit ein einheitliches Reha-Verfahren bis zur erfolgreichen Teilhabe des Versicherten gewährleistet sei.

Terminbericht:

Die Revision der Klägerin wurde zurückgewiesen. Das LSG hat zu Recht die Entscheidung des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der Bundesagentur für Arbeit steht gegen den Rentenversicherungsträger kein Anspruch auf Erstattung ihrer Aufwendungen für die zugunsten des Versicherten erbrachten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in einer Werkstatt für behinderte Menschen zu.

Die Voraussetzungen des allein als Anspruchsgrundlage in Betracht kommenden und hier noch maßgeblichen § 14 Abs 4 SGB IX aF sind nicht erfüllt. Die Beklagte war für die Erbringung von Leistungen der beruflichen Reha an den Versicherten nicht zuständig. Welcher Träger zuständig ist, richtet sich nach den für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Vorschriften. Das folgt aus § 7 Satz 2 SGB IX aF und für die hier streitbefangenen Leistungen in einer Werkstatt für behinderte Menschen durch den Rentenversicherungsträger speziell aus § 42 Abs 1 Nr 3 SGB IX aF. Der Versicherte erfüllte die vom Rentenversicherungsträger zu beachtenden versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des § 11 Abs 2a Nr 2 SGB VI nicht. Danach ist der Rentenversicherungsträger für die Erbringung von Leistungen der beruflichen Reha auch dann zuständig, wenn diese für eine voraussichtlich erfolgreiche Rehabilitation unmittelbar im Anschluss an Leistungen zur medizinischen Rehabilitation der Träger der Rentenversicherung erforderlich sind. Das verlangt eine positive Prognose dahingehend, dass der Versicherte durch die berufliche Reha zu einer Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt befähigt wird. Dies folgt aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift und ihren systematischen Zusammenhängen. Auch der Sinn und Zweck der gesetzlichen Rentenversicherung, die in erster Linie an eine Erwerbstätigkeit auf dem ersten Arbeitsmarkt anknüpft, spricht für dieses Normverständnis. Eine solche Prognose konnte nach den Feststellungen des LSG für den Versicherten nicht getroffen werden.

Der Umstand, dass auch Menschen mit Behinderungen aufgrund der Tätigkeit in einer Werkstatt für behinderte Menschen Rentenanwartschaften erwerben, erweitert die Zuständigkeit der Rentenversicherungsträger für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht. Daraus, dass das Rehabilitationsziel einer Maßnahme in einer Werkstatt für behinderte Menschen auch die Wiedereingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt sein kann, ergibt sich für den hier zu entscheidenden Fall nichts anderes, weil die Prognose für den Versicherten dieses Ziel nicht als erreichbar erscheinen ließ.

Referenznummer:

R/R8293


Informationsstand: 27.02.2020