Urteil
Behindertenbegriff - Rechtsänderung vor Einlegung der Revision - Salmonellendauerausscheider - Grenzen tatrichterlicher Überzeugungsbildung

Gericht:

BSG 9a. Senat


Aktenzeichen:

9a RVs 5/86


Urteil vom:

09.10.1987


Grundlage:

  • SGG § 128 Abs 1 S 1 |
  • SchwbG § 3 Abs 1 Fassung 1986-08-26 |
  • BSeuchG § 17 Abs 1 Nr 3 |
  • SchwbG § 4 Abs 3 Fassung 1986-08-26

Leitsatz:

1. Eine Behinderung iS des Schwerbehindertengesetzes liegt selbst dann vor, wenn die zu Einschränkungen der Mobilität auf dem Arbeitsmarkt und/oder der Bewegungsfreiheit in der Gesellschaft führende körperliche, geistige oder seelische Regelwidrigkeit an sich nur geringfügig ist.

Orientierungssatz:

Behindertenbegriff - Rechtsänderung nach der letzten mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren und vor Einlegung der Revision - Salmonellendauerausscheider - Grenzen tatrichterlicher Überzeugungsbildung:

1. Durch § 2a Abs 1 SchwbGÄndG 1 vom 24.7.1986, nunmehr § 3 Abs 1 SchwbG idF der Bekanntmachung vom 26.8. 1986, ist erstmals dargelegt worden, was unter "Behinderung" zu verstehen ist. Obwohl das genannte Änderungsgesetz erst am 1.8.1986 und somit erst nach der letzten mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren und vor Einlegung der Revision in Kraft getreten ist, ist von dieser gesetzlichen Begriffsbestimmung auszugehen, denn bei Verpflichtungsklagen - wie hier - ist die Rechtsentwicklung im Laufe des gerichtlichen Verfahrens zu beachten.

2. Eine Salmonellendauerausscheidung ist eine Behinderung iS des § 3 Abs 1 SchwbG. Die von dieser Erkrankung für andere Personen ausgehende Ansteckungsgefahr führt zu einer konkreten Einschränkung sowohl der Mobilität auf dem Arbeitsmarkt wie auch der Bewegungsfreiheit in der Gesellschaft.

3. Das Berufungsgericht hat die Grenzen tatrichterlicher Überzeugungsbildung nicht überschritten, wenn es von der Schätzung der in erster bzw in zweiter Instanz gehörten Sachverständigen abgewichen ist, die die Salmonellendauerausscheidung mit einer MdE um 10 vH bewertet hatten, und bei der Feststellung der Gesamt-MdE von einem höheren Einzelwert ausgegangen ist, wie dies ein weiterer im Berufungsverfahren nach zahlreichen Ermittlungen gehörter Sachverständiger, der als Gesundheitsarzt in einer Großstadt mit der Seuchenbekämpfung maßgeblich befaßt ist, befürwortet hat.

Rechtszug:

vorgehend SG Hamburg 1983-01-04 32 Vs 331/82
vorgehend LSG Hamburg 1985-10-30 IV VSBf 4/83

Referenznummer:

KSRE018421319


Informationsstand: 01.01.1990