Urteil
Erfolgsaussichten einer Beschwerde gegen die Ablehnung einer einstweiligen Feststellung der Nichtverpflichtung des Beschwerdeführers zur Unterziehung einer polizeiärztlichen Untersuchung zwecks Feststellung der Polizei- u. d. allgemeinen Dienstfähigkeit

Gericht:

OVG NRW 6. Senat


Aktenzeichen:

6 B 563/18


Urteil vom:

23.07.2018


Grundlage:

  • BeamtStG § 26 Abs. 1 S. 2 |
  • LBG NRW § 33 Abs. 1 S. 1 |
  • LBG NRW § 115

Tenor:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller. Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

Rechtsweg:

VG Aachen, Beschluss vom 24.02.2018 - 1 L 692/18

Quelle:

Justizportal des Landes NRW

Gründe:

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, die der Senat gemäß § 146 Abs. 6 Satz 4 VwGO allein zu prüfen hat, rechtfertigen nicht die Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Beschlusses.

Das Verwaltungsgericht hat es abgelehnt, im Wege der einstweiligen Anordnung festzustellen, dass der Antragsteller vorläufig nicht verpflichtet ist, sich auf der Grundlage der Untersuchungsaufforderung des Antragsgegners vom 12. April 2018 einer polizeiärztlichen Untersuchung seiner Polizeidienstfähigkeit und gegebenenfalls nachfolgend seiner allgemeinen Dienstfähigkeit zu unterziehen. Der Antragsteller habe keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO). Die auf § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG i.V.m. § 33 Abs. 1 Satz 1 LBG NRW gestützte Untersuchungsaufforderung genüge den rechtlichen Anforderungen. Aufgrund der seit dem 3. November 2017 bestehenden und immer noch andauernden Dienstunfähigkeit des Antragstellers lägen hinreichende Anhaltspunkte für seine Polizeidienstfähigkeit und allgemeine Dienstunfähigkeit vor, die in der Untersuchungsaufforderung auch als Grund genannt würden. Art und Umfang der Untersuchung (Anamnese, allgemeine körperliche Untersuchung, Ruhe- und Belastungs-EKG, Lungenfunktionsprüfung, Hörtest, Untersuchung der Sehschärfe, des Gesichtsfeldes, des Farbsinns und des räumlichen Sehens, allgemeine Blut- und Urinuntersuchung) seien ebenfalls hinreichend konkretisiert. Die Einholung eines fachärztlichen Zusatzgutachtens sei demgegenüber durch die Untersuchungsaufforderung nicht gedeckt, sondern werde ausdrücklich einer gesonderten Aufforderung vorbehalten.

Die mit der Beschwerde gegen diese weiter begründeten Feststellungen des Verwaltungsgerichts erhobenen Einwendungen führen zu keiner abweichenden Entscheidung.

Die Beschwerde wendet sich gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, der Antragsgegner habe zu Recht auf der Grundlage des § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG hinreichende Zweifel an der Dienstfähigkeit und der Polizeidienstfähigkeit des Antragstellers wegen seiner seit dem 3. November 2017 bestehenden und noch andauernden Dienstunfähigkeit angenommen. Der Antragsteller macht ohne Erfolg geltend, Zweifel an der Polizeidienstfähigkeit und der allgemeinen Dienstfähigkeit könnten nicht ohne Weiteres auf die vermutete Dienstunfähigkeit gemäß § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG gestützt werden, weil sich diese Regelung nicht auf Polizeivollzugsbeamte beziehe, für die vielmehr die Sonderregelung des § 115 LBG NRW gelte. Damit weist der Antragsteller nur im Ausgangspunkt zutreffend darauf hin, dass sich die Voraussetzungen für die Annahme der Polizeidienstunfähigkeit (nach § 115 Abs. 1, 1. Halbsatz LBG NRW) von denen der allgemeinen Dienstunfähigkeit (nach § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG, § 33 Abs. 1 Satz 3 LBG NRW) maßgeblich unterscheiden. Er verkennt indessen, dass diese Vorgaben unmittelbar lediglich die Feststellung der Polizeidienstunfähigkeit bzw. allgemeinen Dienstunfähigkeit betreffen. Zweifel an der Polizeidienstfähigkeit können hingegen - ebenso wie an der allgemeinen Dienstfähigkeit - regelmäßig bereits dann begründet sein, wenn der Polizeivollzugsbeamte über einen längeren Zeitraum, insbesondere in dem in § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG i.V.m. § 33 Abs. 1 Satz 3 LBG NRW festgelegten Umfang (d.h. drei Monate innerhalb von sechs Monaten) und - wie hier - noch darüber hinaus dienstunfähig erkrankt ist. Erscheint ein Polizeivollzugsbeamter über einen solchen erheblichen Zeitraum krankheitsbedingt nicht zum Dienst, ist es nicht fernliegend, dass dies (auch) auf einer Erkrankung beruhen kann, die die Polizeidienstunfähigkeit und die allgemeine Dienstunfähigkeit begründet.

Vgl. bereits OVG NRW, Beschluss vom 27. März 2018 - 6 B 208/18 -, juris, Rn. 12.

Zu keinem abweichenden Ergebnis führt der Einwand des Antragstellers, angesichts der höheren Anforderungen im Polizeivollzugsdienst sage der Umstand, dass der Beamte dienstunfähig erkrankt sei, nichts darüber aus, ob er zudem auch nicht in der Lage sei, allgemeine Verwaltungstätigkeiten wahrzunehmen, also ob (auch) Zweifel an seiner allgemeinen Dienstunfähigkeit bestünden. Denn krankheitsbedingte längere Fehlzeiten eines Polizeivollzugsbeamten werfen jedenfalls dann Zweifel auch an dessen allgemeiner Dienstfähigkeit auf, wenn dem Dienstherrn keine konkreten Anhaltspunkte vorliegen, dass die Fehlzeiten gerade nur auf spezifischen Verwendungseinschränkungen beruhen, also auf Erkrankungen, die nur der mit besonderen Anforderungen verbundenen Dienstverrichtung im Polizeivollzugsdienst entgegenstehen. Festzustellen, welche Erkrankungen im Einzelnen tatsächlich vorliegen und ob diese zur Polizeidienstunfähigkeit und ggf. sogar zur Dienstunfähigkeit führen, ist hingegen gerade erst Ziel der Untersuchung.

Vgl. ebenso OVG NRW, Beschluss vom 23. Juli 2018 - 6 B 859/18 -.

Die Beschwerde macht ferner erfolglos geltend, der Antragsgegner sei den in Ziffer 2.1.1 lit. d) des Runderlasses des Ministeriums für Inneres und Kommunales - 401/403-42.01.05 - vom 22. Mai 2017 ("Landeseinheitliches Verfahren zur Feststellung der Polizeidienstfähigkeit gemäß § 26 des Beamtenstatusgesetz in Verbindung mit § 115 des Landesbeamtengesetzes bei Vorliegen von Verwendungseinschränkungen sowie aufgrund einer dauerhaften Erkrankung", im Folgenden: Erlass) konkretisierten Verpflichtungen gleichheitswidrig (Art. 3 GG) nicht nachgekommen. Nach dieser Bestimmung sind, wenn keine Erkenntnisse über die Ursache (wohl: der möglichen Polizeidienstfähigkeit bzw. allgemeinen Dienstfähigkeit) vorliegen, diese nach Möglichkeit bei den Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten zu erfragen. Die Berufung des Antragstellers auf das behauptete Versäumnis des Antragsgegners stellt sich indessen als rechtsmissbräuchlich dar. Denn der Antragsteller hat in mittlerweile zwei Instanzen Gelegenheit gehabt, zur Ursache seiner Ausfallzeiten bzw. zu den bei ihm vorliegenden Erkrankungen vorzutragen und dem Antragsgegner dadurch zu ermöglichen, hierauf gegebenenfalls zu reagieren. Er hat aber hierzu (auch) im gerichtlichen Verfahren keine Angaben gemacht, sondern sich auf die Rüge beschränkt, der Antragsgegner sei seiner Verpflichtung zur Nachfrage nicht nachgekommen. Abgesehen davon spricht viel dafür, dass ein etwaiger Fehler auswirkungslos geblieben ist, weil der Antragsgegner (zunächst) ohnehin lediglich eine wohl stets erforderliche Grunduntersuchung angeordnet hat.

Vgl. ebenso OVG NRW, Beschluss vom 23. Juli 2018 - 6 B 859/18 -.

Entgegen der Rüge der Beschwerde enthält die Untersuchungsanordnung auch hinreichende Angaben zu Art und Umfang der Untersuchung. Mit den Vorgaben "Anamnese, allgemeine körperliche Untersuchung, Ruhe- und Belastungs-EKG, Lungenfunktionsprüfung, Hörtest, Untersuchung der Sehschärfe, des Gesichtsfeldes, des Farbsinns und des räumlichen Sehens, allgemeine Blut- und Urinuntersuchung" wird die Untersuchung sogar mehr als nur in ihren Grundzügen konkretisiert.

Die von der Beschwerde geltend gemachte Widersprüchlichkeit der Untersuchungsanordnung sieht der Senat nicht. Der Antragsteller irrt, wenn er meint, eine fachärztliche Zusatzbegutachtung auf einem "beliebigen Fachgebiet" sei bereits angeordnet bzw. die Untersuchungsanordnung sei insoweit mindestens widersprüchlich. Der Antragsgegner hat unter "Art und Umfang" der Untersuchungen den Punkt "eine fachärztliche Zusatzbegutachtung auf dem Fachgebiet:" angekreuzt; in dem zugehörigen Feld "konkrete Benennung" hat er vermerkt "- ist momentan nicht absehbar -". Damit wird hinreichend klar, dass eine fachärztliche Zusatzbegutachtung von der Untersuchungsanordnung gerade noch nicht umfasst ist. Dies wird spätestens im Zusammenhang mit dem anschließenden ergänzenden Hinweis unmissverständlich deutlich, wonach der Antragsteller "gesondert aufgefordert" werde, wenn "im Falle von spezifischen Erkrankungen oder unklaren Befunden/Symptomen Ergänzungen um spezielle Laboruntersuchungen, technische Untersuchungen oder Zusatzgutachten von Fachärztinnen/Fachärzten erforderlich werden". Die Rüge der Beschwerde, der Passus gelte nur bei spezifischen Erkrankungen oder unklaren Befunden, ist unverständlich. Soweit sie damit meint, in anderen Fällen sei die Einholung von Zusatzbegutachtungen bereits von der Untersuchungsanordnung gedeckt, ist dies abwegig. Im Übrigen lässt die Beschwerde nicht erkennen und ist auch sonst nicht ersichtlich, welche Fälle dies sein sollen.

Entgegen der Auffassung der Beschwerde hat der Antragsgegner mit der Anordnung, neben der Polizeidienstfähigkeit "gegebenenfalls nachfolgend die allgemeine Dienstfähigkeit" zu untersuchen, die Entscheidung über die Untersuchung der allgemeinen Dienstfähigkeit nicht "in das Belieben des Amtsarztes" gestellt. Die vom Antragsteller aufgegriffene Formulierung "im Zuge der amtsärztlichen Untersuchung können sich des Weiteren Zweifel an Ihrer allgemeinen Dienstfähigkeit ergeben" mag für sich gesehen die Annahme zulassen, der Dienstherr habe beim Erlass der Untersuchungsanordnung noch keine Zweifel (auch) an der allgemeinen Dienstfähigkeit gehabt. Dass dies indessen nicht der Fall ist, wird aus der Bezugnahme auf § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG, § 33 Abs. 1 Satz 3 LBG (allgemeine Dienstfähigkeit) sowie auf die längeren Krankheitszeiten hinreichend deutlich, die der Antragsgegner zur Begründung anführt, dass der Antragsteller sich der polizeiamtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen habe.

Diese Vorgehensweise beruht im Übrigen ersichtlich auf der - auch unter Ziffer 2.1.1 des o.g. Erlasses - niedergelegten Erkenntnis, dass zwischen der Polizeidienstfähigkeit und der allgemeinen Dienstfähigkeit ein Stufenverhältnis besteht und nur dann, wenn die Polizeidienstfähigkeit nicht mehr anzunehmen ist, Anlass besteht zu überprüfen, ob der Polizeivollzugsbeamte über die vorliegende Polizeidienstunfähigkeit hinaus auch allgemein dienstunfähig ist.

Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 10. April 2014 - 2 B 80.13 -, juris, Rn. 8 und vom 30. Mai 2013 - 2 C 68.11 -, juris, Rn. 23, sowie Urteil vom 26. April 2012 - 2 C 17.10 -, juris, Rn. 16; OVG NRW, Beschluss vom 23. Juli 2018 - 6 B 859/18 -.

Eine dieses Stufenverhältnis berücksichtigende Vorgehensweise hat der Antragsgegner in der Untersuchungsanordnung zum Ausdruck gebracht, in dem er formuliert: "Sofern Ihre Überprüfung ergeben sollte, dass eine Polizeidienstunfähigkeit gemäß § 115 Abs. 1 LBG NRW vorliegt, ordne ich bereits jetzt zudem die Überprüfung Ihrer allgemeinen Dienstfähigkeit im Sinne des § 26 BeamtStG an." Diese Vorgehensweise ist ersichtlich von dem Gedanken getragen, dass es nur dann einer Überprüfung der allgemeinen Dienstfähigkeit bedarf, wenn es an der Polizeidienstfähigkeit fehlt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 und 2, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Referenznummer:

R/R7898


Informationsstand: 11.01.2019