II.
1. Die Beschwerde ist mit der Zustellung des Gerichtsbescheides unzulässig geworden.
Sinn und Zweck des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens liegen in der Sicherung der Entscheidungsfähigkeit und der prozessualen Lage, um eine endgültige Rechtsverwirklichung im Hauptsacheprozess zu ermöglichen. Es will nichts anderes als allein wegen der Zeitdimension der Rechtserkenntnis und der Rechtsdurchsetzung im Hauptsacheverfahren eine zukünftige oder gegenwärtige prozessuale Rechtsstellung vor zeitüberholenden Entwicklungen sichern und irreparable Folgen ausschließen und der Schaffung vollendeter Tatsachen vorbeugen, die auch dann nicht mehr rückgängig gemacht werden können, wenn sich die angefochtene Verwaltungsentscheidung im Nachhinein als rechtswidrig erweist.
Durch den Erlass des Gerichtsbescheides besteht weder für die Gewährung noch für die Versagung von vorläufigem Rechtsschutz im erstinstanzlichen Verfahren - und nur dies ist hier Streitgegenstand - ein fortbestehendes Rechtsschutzinteresse. Mit Abschluss des erstinstanzlichen Hauptsacheverfahrens kann für diese Instanz kein vorläufiger Rechtsschutz mehr gewährt werden.
2. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass ein Anspruch auf den begehrten Multifunktionsrollstuhl bestehen dürfte.
Nach
§ 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Dabei umfasst die Krankenbehandlung gemäß § 27
Abs. 1 Satz 2
Nr. 3 die Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln. Gemäß
§ 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach
§ 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind. Der Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich hängt bei stationärer Pflege nicht davon ab, in welchem Umfang eine Teilhabe am Leben der Gemeinschaft noch möglich ist; die Pflicht der stationären Pflegeeinrichtungen zur Vorhaltung von Hilfsmittel und Pflegehilfsmitteln, die für den üblichen Pflegebetrieb jeweils notwendig sind, bleibt hiervon unberührt (§ 33
Abs. 1 Satz 2
SGB V).
Versicherte, die aufgrund einer Krankheit oder Behinderung die Fähigkeit zum selbstständigen Gehen und Sitzen verloren haben, können hiernach zur Erhaltung ihrer Mobilität einen Rollstuhl als Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung beanspruchen, soweit Geh- und Sitzhilfen einfacherer und preiswerterer Art nicht ausreichen. Ein Multifunktionsrollstuhl ist kein allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens, weil er von Gesunden nicht benutzt wird. Multifunktionsrollstühle werden auch nicht von der Regelung des § 34
Abs. 4
SGB V über den Ausschluss von Heil- und Hilfsmitteln von geringem oder umstrittenem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis erfasst. Die Versorgung mit einem Standardrollstuhl genügt bei der Beschwerdegegnerin nicht. Denn darin kann sie ausweislich der Stellungnahmen der Hilfsmittelberaterin H vom 22.06.2010 und vom 16.07.2010 nicht sitzen. Insofern bedarf sie der Versorgung mit einem Pflegerollstuhl, dessen Rückenlehne sich verstellen lässt, der aber nur innerhalb der Pflegeeinrichtung zur Verfügung steht.
Der Multifunktionsrollstuhl ist zum Behinderungsausgleich im Sinne der dritten Variante des § 33
Abs. 1 Satz 1
SGB V erforderlich. Gegenstand des Behinderungsausgleichs im Sinne der dritten Variante des § 33
Abs. 1 Satz 1
SGB V sind nach der Rechtsprechung des
BSG zunächst solche Hilfsmittel, die auf den Ausgleich der Behinderung selbst gerichtet sind, also zum unmittelbaren Ersatz der ausgefallenen Organfunktionen dienen (
BSG, Urteil vom 19.04.2007 -
B 3 KR 9/06 R - juris Rn. 12; Urteil vom 17.01.1996 -
3 RK 16/95 - SozR 3-2500 § 33
Nr. 20; Urteil vom 17.01.1996 -
3 RK 38/94 - SozR 3-2500 § 33
Nr. 18). Ein Multifunktionsrollstuhl ersetzt nicht die bei der Klägerin ausgefallenen Funktionen (Sitzen und Gehen). Er kompensiert diese ausgefallenen Funktionen nur teilweise; es handelt sich um einen Fall des mittelbaren Behinderungsausgleichs. Dies reicht zur Begründung der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung allein nicht aus. Wird eine Organfunktion durch ein Hilfsmittel nicht für alle Lebensbereiche, sondern nur noch für bestimmte Lebensbereiche weitergehend ausgeglichen, so kommt es nur dann zu einer weiteren Leistungsverpflichtung der Krankenversicherung, wenn es sich um Lebensbereiche handelt, die zu den menschlichen Grundbedürfnissen zählen (
BSG, Urteil vom 03.11.1999 -
B 3 KR 3/99 R - SozR 3-2500 § 33
Nr. 34; Urteil vom 06.08.1998 -
B 3 KR 3/97 R - SozR 3-2500 § 33
Nr. 29). Denn der Behinderungsausgleich im Sinne des
§ 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V umfasst auch Hilfsmittel, welche die direkten und indirekten Folgen der Behinderung ausgleichen, wenn ihr Einsatz zur Lebensbetätigung im Rahmen der allgemeinen Grundbedürfnisse benötigt wird (
BSG, Urteil vom 19.04.2007 -
B 3 KR 9/06 R - juris Rn. 12; Urteil vom 16.09.2004 -
B 3 KR 19/03 R - BSGE 93, 176 = SozR 4-2500 § 33
Nr. 7).
Zu derartigen Grundbedürfnissen gehören die allgemeinen Verrichtungen des täglichen Lebens wie Gehen, Stehen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnahme, Ausscheidung, elementare Körperpflege, das selbständige Wohnen sowie die Erschließung eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraumes, der die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben umfasst (
vgl. BSG, Urteil vom 19.04.2007 - B 3 KR 9/06 R - juris Rn. 12; Urteil vom 10.11.2005 -
B 3 KR 31/04 R - SozR 4-2500 § 33
Nr. 10 Rn. 14; Urteil vom 23.07.2002 -
B 3 KR 3/02 R - SozR 3-2500 § 33
Nr. 46).
Vorliegend ist das Grundbedürfnis der Erschließung eines gewissen körperlichen Freiraumes zu bejahen. Denn die Beschwerdegegnerin wird ausweislich der eidesstattlichen Versicherung vom 22.10.2010 von ihren in der Nähe wohnenden Familienangehörigen mindestens einmal pro Woche besucht. Diese Erklärung ist unter Berücksichtigung des Vorbringens im Widerspruchsverfahren dahin zu verstehen, dass damit die beabsichtigte Nutzung des Multifunktionsrollstuhls gemeint ist, der erst den Transfer in die Wohnung des Enkels und den Aufenthalt im Freien ermöglicht. Bei diesen Besuchen soll sie regelmäßig entweder in die nur 300 m entfernt gelegene Wohnung ihrer Angehörigen verbracht oder außerhalb der Pflegeeinrichtung ausgefahren werden. Dadurch wird es der Beschwerdegegnerin ermöglicht, sich regelmäßig auch außerhalb der Pflegeeinrichtung - allerdings in deren Nahbereich - aufzuhalten. Zum körperlichen Freiraum gehört - im Sinne eines Basisausgleichs der eingeschränkten Bewegungsfreiheit - die Fähigkeit, sich in der eigenen Wohnung zu bewegen und die Wohnung zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang "an die frische Luft zu kommen" oder um die - üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden - Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind, nicht aber die Bewegung außerhalb dieses Nahbereich (
BSG, Urteil vom 07.10.2010 -
B 3 KR 13/09 - juris Rn. 18). Die 300 m entfernt befindliche Wohnung ihrer Familienangehörigen gehört zum Nahbereich.
Der Umstand, dass die Beschwerdegegnerin ursprünglich nur einmal pro Monat von ihrem Enkel ausgefahren wurde, steht dem nicht entgegen, weil auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Beschlussfassung unter Berücksichtigung der zumindest beabsichtigten Nutzung abzustellen ist.
Die Anwendung des § 33
SGB V ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Beschwerdegegnerin zum Kreis pflegebedürftiger Personen nach §§ 14, 15 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB XI) gehört (Schwerstpflegebedürftigkeit nach Pflegestufe III) und der Rollstuhl auch der Erleichterung ihrer Pflege dient. Die Versorgung mit Pflegehilfsmitteln gemäß § 40
Abs. 1 Satz 1
SGB XI bezieht sich nur auf die Versorgung mit Pflegehilfsmitteln im häuslichen Bereich, nicht aber auf diejenige im hier maßgeblichen stationären Bereich (
BSG, Urteil vom 10.02.2000 -
B 3 KR 26/99 R - SozR 3-2500 § 33
Nr. 37
S. 213 f.) und schließt einen Anspruch auf Hilfsmittel nach
§ 33 SGB V nicht grundsätzlich aus.
Der Versorgungsanspruch nach § 33
SGB V wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass sich die Klägerin in einem Pflegeheim befindet und dort vollstationär gepflegt wird (
vgl. BSG, Urteil vom 10.02.2000 - B 3 KR 26/99 R - SozR 3-2500 § 33
Nr. 37
S. 214; Urteil vom 28.05.2003 -
B 3 KR 30/02 R - SozR 4-2500 § 33
Nr. 4 Rn. 6). Ihr pflegeversicherungsrechtlicher und heimvertraglicher Anspruch auf Pflege steht dem krankenversicherungsrechtlichen Anspruch auf Versorgung mit einem eigenen Multifunktionsrollstuhl nicht entgegen, weil sie das Hilfsmittel regelmäßig auch außerhalb des Pflegeheimes und des Heimgeländes benötigt. Der Heimträger hat lediglich für die Versorgung mit üblichen Hilfsmitteln im Pflegeheim einschließlich des Heimgeländes einzustehen. Hilfsmittel, die der Befriedigung eines allgemeinen Grundbedürfnisses außerhalb des Pflegeheimes dienen, sind von der gesetzlichen Krankenversicherung zur Verfügung zu stellen, weil sie nicht dem Bereich der vollstationären Pflege zuzurechnen sind (
BSG, Urteil vom 10.02.2000 -
B 3 KR 26/99 R - SozR 3-2500 § 33
Nr. 37
S. 216). Vorliegend sind keine Spazierfahrten an der frischen Luft auf dem Heimgelände betroffen, sondern regelmäßige Aktivitäten außerhalb des Heimes. Sie können nicht mehr der Sphäre des Heimes und seinem Verantwortungsbereich zugerechnet werden, auch wenn sie sich in dessen unmittelbarer Nähe abspielen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193
SGG.
Die Entscheidung ist nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177
SGG).