II.
Die statthaften und auch im Übrigen zulässigen Beschwerden (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (
SGG)) der Antragstellerin vom 26.02.2014 gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 31.01.2014 sind unbegründet.
1. Das Sozialgericht hat es zu Recht abgelehnt, die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, die Antragstellerin mit dem Hilfsmittel Aktiv-Leichtlauf-Faltrollstuhl Traveller Classicline der Firma ProActiv mit anatomischer Sitz-Rückeneinheit nach Maß zu gewähren.
Die Voraussetzungen für den Erlass der begehrten einstweiligen (Regelungs-) Anordnung gemäß § 86b
Abs. 2
S. 2
SGG liegen nicht vor.
Nach § 86b
Abs. 2
S. 2
SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer Regelungsanordnung setzt die Glaubhaftmachung (§ 86b
Abs. 2 Satz 4
SGG i.V.m. 920
Abs. 2 Zivilprozessordnung (
ZPO)) eines materiell-rechtlichen Anspruchs auf die begehrten Leistungen (Anordnungsanspruch) sowie einer Eilrechtsschutz rechtfertigenden Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) voraus. Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander. Es besteht vielmehr eine Wechselbeziehung der Art, dass die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit
bzw. Schwere des drohenden Nachteils zu verringern sind und umgekehrt.
Aus
Art. 19
Abs. 4 Grundgesetz (
GG) können sich besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens ergeben, wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. Die Gerichte müssen in solchen Fällen, wenn sie sich an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren wollen, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend prüfen. Dies gilt insbesondere, wenn das einstweilige Rechtsschutzverfahren vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens übernimmt und eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung eines Beteiligten droht. Ist dem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Auch in diesem Fall sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen. Dies gilt ganz besonders, wenn es um die Wahrung der Würde des Menschen geht (
vgl. zu alledem
BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05).
a) Zur Überzeugung des Senats ist ein Anordnungsanspruch, d.h. ein materiell-rechtlicher Anspruch auf Versorgung mit den begehrten Hilfsmitteln, nicht glaubhaft gemacht. Die P
GmbH bestätigte mit Schreiben vom 15.01.2014, dass ihr die Versorgung der Antragstellerin grundsätzlich mit einem passenden Rollstuhl "in der Versorgungspauschale" möglich sei. Darauf hat die Antragsgegnerin wiederholt hingewiesen und eine entsprechende Versorgung der Antragstellerin angeboten. Auch unter Berücksichtigung der Ausführungen der behandelnden Ärzte der Kinderklinik E spricht derzeit zur Überzeugung des Senats mehr gegen einen Anspruch auf Versorgung mit dem konkret gewünschten Rollstuhl als dafür. Die Ausführungen im Behandlungs- und Befundbericht der Kinderklinik E vom 06.05.2014 stehen dieser - den Ausführungen des MDK entsprechenden - Einschätzung nicht entgegen. Dort wird hinsichtlich des Rollstuhls gefordert, dass die Antragstellerin diesen in Zweihandantrieb selbst fahren können müsse, um ihre Selbstständigkeit zu fördern. Hingegen ist dem Behandlungs- und Befundbericht nicht zu entnehmen, dass eine Versorgung innerhalb der Versorgungspauschale durch im Hilfsmittelverzeichnis unter der Position 18.50.03.0 gelistete Adaptivrollstühle nicht möglich sein soll. Die Aussage, ein Standardprodukt, das nicht speziell an die Bedürfnisse der Patientin angepasst sei, komme nicht infrage, schließt eine entsprechende Versorgung nicht aus. Vielmehr zeichnen sich die im Hilfsmittelverzeichnis aufgeführten Adaptivrollstühle gerade dadurch aus, dass sie an die Bedürfnisse des Nutzers angepasst werden können. Den bisher vorliegenden medizinischen Unterlagen vermag der Senat nicht zu entnehmen, dass eine den Bedürfnissen der Antragstellerin genügende Versorgung nicht möglich wäre. Die von der Antragstellerin zur Begründung ihres spezifischen Versorgungswunsches in den Vordergrund gestellte Möglichkeit des leichteren Transportes des Faltrollstuhls zur Schule ist rechtlich unerheblich. Das Sozialgericht hat zutreffend unter Hinweis auf die Rechtsprechung des
BSG darauf hingewiesen, dass
ggf. der Schulträger ein für die Mitnahme des Rollstuhls geeignetes Transportmittel einzusetzen hat.
b) Ein Anordnungsanspruch ergibt sich auch nicht aus
§ 13 Abs. 3a S. 6 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - gesetzliche Krankenversicherung (
SGB V).
Die Genehmigungsfiktion des § 13
Abs. 3a
S. 6
SGB V greift zur Überzeugung des Senats nur ein, wenn der Antrag eine grundsätzlich von der Kasse innerhalb des Systems der
GKV geschuldete Leistung betrifft und sie dem Qualitätsgebot (
§ 2 Abs. 1 S. 3 SGB V) und dem Wirtschaftlichkeitsgebot (
§ 12 Abs. 1 SGB V) entspricht.
Der Wortlaut des § 13
Abs. 3a
S. 6
SGB V steht dieser Auslegung nicht entgegen (a.A.
LSG NRW, Beschluss vom 23.05.2014 -
L 5 KR 222/14 B ER; SG Dessau-Roßlau, Urteil vom 18.12.2013 -
S 21 KR 282/13; SG Nürnberg, Beschluss vom 25.03.2014 - S 7 KR 100/14 ER und Urteil vom 27.03.2014 - S 7 KR 520/13; Noftz in Hauck/Haines,
SGB V, Erg.-Lfg. 1/14, § 13
S. 78g
ff. m.w.N.). Zwar gilt "die" Leistung nach Ablauf der in
S. 1 und 4 vorgesehenen Fristen als genehmigt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass eine nicht dem Qualitätsgebot (§ 2
Abs. 1
S. 3
SGB V) und dem Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12
Abs. 1
SGB V) entsprechende und damit an sich nicht geschuldete Leistung als genehmigt gelten würde (so aber dezidiert Vogl, NZS 2014, 210, der meint, im Zweifel sollten lieber unwirtschaftliche Methoden bezahlt werden, um allzu lange Verfahren um den Nutzen von Behandlungsmethoden zu vermeiden). Die auf
S. 6 verengte Wortlautbetrachtung lässt sich mit dem Regelungsgehalt des
S. 7, der einen Kostenerstattungsanspruch nur für die Selbstbeschaffung einer "erforderlichen" Leistung einräumt, zur Überzeugung des Senats nicht vereinbaren. Der Regelungsgehalt des
S. 7 korrespondiert mit der Absicht des Gesetzgebers lediglich einen Kostenerstattungsanspruch für erforderliche Leistungen zu schaffen (
vgl. hierzu den Entwurf des Patientenrechtegesetz (PatRechtG) BR-Drs. 312/12,
S.46, siehe auch BT-Drs. 17/10488,
S. 32). Es fehlen zur Überzeugung des Senats auch nach Einfügung des
S. 6 bei Festhalten am Regelungsgehalt des
S. 7 Anhaltspunkte dafür, dass die ursprüngliche gesetzgeberische Zielsetzung aufgegeben worden sein könnte, zumal die Beschränkung auf die Selbstbeschaffung einer erforderlichen Leistung in
S. 7 faktisch leerlaufen würde. Die Erklärung, der Begriff der Erforderlichkeit habe (nur) die Funktion zu überprüfen, wie der Umfang der Leistung "im Rahmen ihrer Ausführung konkret ausgestaltet oder modifiziert wird" (Noftz, a.a.O.,
S.78i), überzeugt nicht. Für eine Ausgestaltung oder gar Modifizierung ist kein Raum, denn die Genehmigungsfiktion setzt einen inhaltlich konkreten Antrag voraus. Da faktisch das "Ja" der Kasse zum Antrag fingiert wird, muss dieser inhaltlich so bestimmt sein, dass ein entsprechender förmlicher Verwaltungsakt im Sinne des § 33
Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (
SGB X) hinreichend bestimmt wäre. Bei einem unbestimmten Antrag kann die Genehmigungsfiktion nicht eingreifen, sie setzt einen fiktionsfähigen Antrag voraus (
vgl. zu § 42a VwVfG Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl., § 42a
Rdnr. 35
m.w.N.). Aus dem Antrag muss sich ergeben, welche Behandlungsmaßnahmen durchgeführt werden sollen, damit der Umfang der (fiktiven) Bewilligung feststünde. Daher ist nicht ersichtlich, wie bei Bestehen einer Genehmigung noch Raum für die Ausgestaltung der "Erforderlichkeit" der Leistung bleiben soll. Andererseits kann nicht angenommen werden, dass
S. 6 und
S. 7 einen unterschiedlichen Regelungsgehalt haben, also die Kostenerstattung sich auf erforderliche Leistungen beschränken soll, während
S. 6 dem Versicherten einen weitergehenden Sachleistungsanspruch einräumen würde.
Dass § 13
Abs. 3a
SGB V auf die Beschleunigung des Bewilligungsverfahrens zielt und der raschen Klärung von Leistungsansprüchen dienen soll (BT-Drs. 17/10488,
S. 32), rechtfertigt eine abweichende rechtliche Beurteilung zur Überzeugung des Senats nicht. Dagegen sprechen neben der Entstehungsgeschichte der Norm auch systematische Überlegungen. Die ursprüngliche Gesetzesfassung des
S. 6 sah eine an
§ 15 Abs. 1 SGB IX orientierte Regelung vor (BT-Drs. 17/10488,
S. 32). Unterblieb die Mitteilung eines hinreichenden Grundes, konnte der Versicherte der Kasse eine angemessene Frist für die Entscheidung setzen und darauf hinweisen, dass er sich nach Fristablauf die erforderliche Leistung selbst beschaffen werde, während die Kostenerstattungsregelung in
S. 7 im Wesentlichen den gleichen Inhalt hatte wie die jetzige. In der Gesetzesbegründung wurde dazu unter anderem ausgeführt, bei nicht rechtzeitiger Leistungserbringung könne sich der Versicherte die erforderliche Leistung selbst beschaffen, diese Ausnahme vom Sachleistungsprinzip sei eine Sanktion für die Verzögerung der Verwaltungsentscheidung. Der Versicherte sei so zu stellen, als habe die Kasse die Leistung rechtzeitig erbracht (BT-Drs. 17/10488,
S. 32 unter Hinweis auf § 13
Abs. 3
SGB V). Im Zuge der Gesetzesberatung erhielt
S. 6 die jetzige Fassung. Begründet wurde die Änderung damit,
S. 6 sehe nunmehr vor, dass die Leistung nach Fristablauf ohne Nennung eines hinreichenden Grundes für die Nichteinhaltung der Frist als genehmigt gelte. Eine zusätzliche eigene Fristsetzung sei nicht mehr als Voraussetzung für eine Selbstbeschaffung vorgesehen, "dies erleichtert es dem Versicherten, sich die ihm zustehende Leistung zeitnah zu beschaffen" (BT-Drs. 17/11710, 30). Die Genese der jetzigen Regelung zeigt, dass der Gesetzgeber selbstverständlich davon ausgegangen ist, dass sie nur innerhalb der Systemgrenzen der
GKV gelten soll, wie das Abstellen auf die "erforderliche"
bzw. " ihm zustehende" Leistung und der Bezug zum Sachleistungsanspruch belegt. Die Genehmigungsfiktion sollte nur die Beschaffung der zustehenden Leistung einfacher machen, der Gesetzgeber verband mit ihr offenkundig nicht die Vorstellung, dass insoweit künftig auch "nicht zustehende" Leistungen fiktiv bewilligt werden sollten.
S. 6 hatte in der ursprünglichen Fassung ausschließlich die Funktion der Vorbereitung des in
S. 7 eingeräumten Kostenerstattungsanspruchs. Der Versicherte musste der Krankenkasse nochmals Gelegenheit zur Entscheidung geben, bevor er sich die Leistung selbst beschaffen und die Kosten von der Kasse fordern konnte. Diese zusätzliche eigene Fristsetzung sollte als Voraussetzung entfallen, die Genehmigungsfiktion sollte allein die Geltendmachung der Kostenerstattung erleichtern (BT-Drs. 17/11710, 30). Unverändert ist der Gesetzgeber aber davon ausgegangen, dass die Genehmigungsfiktion nur die Verfolgung eines Kostenerstattungsanspruchs vorbereiten soll.
S. 6 ist also zusammen mit
S. 7 zu lesen, dem Versicherten soll einfacher (und rascher) ermöglicht werden, sich eine "erforderliche" (ihm zustehende) Leistung selbst zu besorgen. Der Gesetzesbegründung lässt sich aber an keiner Stelle entnehmen, dass mit der Neufassung ein weitergehender Zweck wie etwa die Entlastung der Versicherten von dem Risiko einer Fehlbeurteilung der Leistungsberechtigung verfolgt worden wäre und der Gesetzgeber den Willen gehabt hätte, über
S. 6 auch die Einstandspflicht der Krankenkassen für nicht vom Leistungskatalog der
GKV umfasste Leistungen begründen zu wollen.
Dagegen sprechen auch systematische, die sonstigen Kostenerstattungsregelungen in § 13
SGB V und
§ 15 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (
SGB IX) in Bezug nehmende Erwägungen. Sämtliche Kostenerstattungsregelungen reichen nicht weiter als der Naturalleistungsanspruch aus § 2
Abs. 2
S. 1
SGB V. Ein davon abweichendes (weites) Verständnis des § 13
Abs. 3a
S. 7
SGB V, dass auch die Erstattung von an sich nicht geschuldeten Leistungen ermöglichte, erscheint systemfremd. Der Begriff der Erforderlichkeit in § 13
Abs. 3a
S. 7
SGB V hätte dann einen anderen Inhalt als der in § 15
Abs. 1
S. 3
SGB IX, obwohl sich der Gesetzgeber bei Schaffung des § 13
Abs. 3a
SGB V an § 15
Abs. 1
SGB IX orientiert hat (BT-Drs. 17/10488, 32).
c) Ebenso wenig lässt sich ein Anordnungsanspruch über
§ 14 Abs.1 Satz 2 SGB IX begründen; insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts verwiesen (§ 142
Abs. 2 Satz 3
SGG).
d) Wird eine abschließende Klärung zwar erst im Hauptsacheverfahren möglich sein, kommt eine Verpflichtung der Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vorliegend auch als Ergebnis einer Folgenabwägung nicht in Betracht. Zur Überzeugung des Senats ist es aktuell unter Berücksichtigung des Vortrags der Beteiligten möglich, den Schulbesuch der Antragstellerin in zumutbarer Weise sicherzustellen.
2. Aus den Gründen zu II. 1. hatte der Antrag von Anbeginn an keine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne der §§ 73a
Abs. 1
S. 1
SGG i.V.m. 114
S. 1 Zivilprozessordnung (
ZPO). Die Einholung eines Befundberichts im Beschwerdeverfahren rechtfertigt vorliegend deshalb die Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht, weil sie lediglich der Ausräumung letzter Zweifel diente.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193
Abs. 1
S. 1
SGG bzw. - hinsichtlich der gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe durch das Sozialgericht gerichteten Beschwerde - auf §§ 73a
Abs. 1
S. 1
SGG i.V.m. § 127
Abs. 4
ZPO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177
SGG).