Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Klägers auf Versorgung mit einer elektrischen Schiebe- und Bremshilfe für dessen Aktivrollstuhl. Der 1999 geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Infolge eines Pitt-Hopkins-Syndroms leidet er an einer schweren geistigen und körperlichen Behinderung. Bei ihm wurde die Pflegestufe III festgestellt. Der bei seinen Eltern lebende Kläger ist auf einen Rollstuhl angewiesen, den er nicht selbst bewegen kann. Er ist mit einem zum Schieben angepassten und mit einer durch die schiebende Person zu bedienenden Trommelbremse versehenen Aktivrollstuhl versorgt, der für Schulbesuche, zum Besuch der Krankengymnastik und insbesondere für mehrstündige Spaziergänge am Tag sowie für andere allgemeine Aktivitäten genutzt wird. Laut Angaben des Vaters des Klägers wird der Rollstuhl zu 40 % von ihm und zu 40 % von einer dritten Pflegeperson (Verhinderungspflege) sowie zu 20 % von der Mutter des Klägers geschoben. Am 08.10.2012 beantragte das Sanitätshaus G. in L. die Übernahme der Kosten einer elektrischen Brems- und Schiebehilfe für den Rollstuhl des Klägers. Dem Antrag war die vom Stationsarzt der Kinderklinik Sch.,
Dr. W., am 17.09.2012 ausgestellte Verordnung für einen E-Fix-Zusatzantrieb beigefügt (Bl. 14 VerwA). Auf Nachfrage der Beklagten führte der Vater des Klägers mit Schreiben vom 08.11.2012 aus, die Familie lebe in H. "a. d. Sch.", welches eine Bergspitze sei. Es sei nicht leicht, den Rollstuhl seines Sohnes den Berg hinunter und wieder hoch zu schieben. H. sei kein Flachland. Außerdem werde der Rollstuhl nicht nur auf bergigem und befestigtem Gelände, sondern auch auf unbefestigtem Gelände eingesetzt. Sein Sohn nutze den Rollstuhl den ganzen Tag, das bedeute, während der gesamten Schulzeit, zum Besuch der Krankengymnastik, im Rahmen der Betreuungsleistung für Spaziergänge sowie bei allen Aktivitäten des täglichen Lebens außerhalb der Schulzeit. Dies dürften schätzungsweise im Durchschnitt vier bis sechs Stunden täglich sein (Bl. 22 VerwA). Auf Nachfrage der Beklagten bestätigte die Kinderklinik Sch. mit Schreiben vom 14.11.2012 der Beklagten, dass der Kläger immobil sei und eine eigenständige Teilnahme am Straßenverkehr weder kognitiv noch motorisch vorstellbar sei. Dies sei mit der Verordnung auch nicht beabsichtigt gewesen (Bl. 26 VerwA). Am 21.11.2012 vertrat der Chirurg und Sozialmediziner
Dr. A. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) auf eine seitens der Beklagten veranlasste Direktberatung die Auffassung, mit 29
kg Körpergewicht des Klägers im Oktober 2011 sei der vorhandene Rollstuhl auch künftig ausreichend. Die Voraussetzungen für eine Versorgung mit einer Brems- und Schiebehilfe lägen nicht vor (Bl. 28 VerwA).
Mit Bescheid vom 22.11.2012 lehnte die Beklagte hierauf den Antrag ab (Bl. 30 VerwA). Der Kläger könne von der Begleitperson im Rollstuhl ohne Brems- und Schiebehilfe geschoben werden. Die Versorgung werde nicht mit medizinischen Gründen, sondern wegen der landschaftlichen Gegebenheiten des Wohnortes begründet. Allein deswegen entstehe der Anspruch auf Übernahme der Kosten aber nicht.
Dagegen erhob der Kläger am 10.12.2012 durch seinen Vater Widerspruch. Die medizinische Notwendigkeit könne nicht von der topographischen Lage der Wohnung abhängig gemacht werden. Spaziergänge seien wichtiger Teil der Rehabilitation des Klägers. Dieser sei ohne Spaziergänge in einem größeren Radius als dem Nahbereich nicht zufrieden zu stellen. Er äußere seine Unzufriedenheit durch eine extreme Verhaltensstörung, indem er sich mit der Hand an den Kopf und den Mund schlage. Er könne dann auch nicht mehr beruhigt werden. An schulfreien Tagen müssten diese Spaziergänge mindestens zweimal täglich erfolgen. Wegen des so beschriebenen psychischen und therapeutischen Nutzens seien die Spaziergänge eindeutig Aktivitäten zur medizinischen Rehabilitation. Man müsse kein Mediziner sei, um das zu erkennen. Und daher sei die Schiebehilfe erforderlich. Da auch bei dem zwölf Jahre alten Kind das Schieben des Rollstuhles bei den bestehenden topographischen Verhältnissen sehr anstrengend geworden sei und die Mutter des Klägers inzwischen wegen des nötigen Kraftaufwands die Rückenschule besuchen müsse, fordere er die Bewilligung der Brems- und Schiebehilfe.
In einer daraufhin seitens der Beklagten veranlassten weiteren Direktberatung durch den MDK führte
Dr. A. mit Schreiben vom 11.12.2012 erneut aus, der im Oktober 2011 mit 29
kg gewogene, jetzt 13-jährige Kläger könne nach wie vor mit dem Standard-Schiebe-Rollstuhl befördert werden. Im Übrigen sei das Wirtschaftlichkeitsgebot des
§ 12 SGB V zu beachten.
Mit Schreiben vom 14.12.2012 teilte die Beklagte dem Vater des Klägers mit, dass die Entscheidung nicht geändert werden könne. Daraufhin teilte der Vater des Klägers mit Schreiben vom 23.12.2012 mit, dass er dem widerspreche (Bl. 41). Das Körpergewicht des Klägers betrage mittlerweile mehr als 35
kg. Es werde unterstellt, dass die topographisch ungünstig gelegene Wohnung absichtlich ausgesucht worden sei. Vergessen würden die Vorurteile gegen ausländische, arbeitslose Wohnungssuchende. Er habe in H. keine Wohnung mit ebenerdigem Zugang bekommen. Darüber hinaus entspreche der Radius, in dem sich die Familie bewege, dem Nahbereich, der auch der Erfüllung der Grundbedürfnisse entspreche. Man schaffe es nicht, die notwendigen Banken, Geschäfte, Bäcker, Apotheken
etc. in einem Radius von 500 Metern zusammenzupferchen. Darüber hinaus könne dieser Maßstab nicht angesetzt werden, weil die medizinische Rehabilitation eine Ausweitung des Radius notwendig mache. Physikalisch betrage der Kraftaufwand zur Überwindung einer Steigung von 4,1 % bei einem Gesamtgewicht von
ca. 50
kg (Gewicht des Klägers und Gewicht des Rollstuhles)
ca. 25 Newton.
Mit Schreiben vom 11.01.2013 informierte die Beklagte den Vater des Klägers darüber, dass eine elektrische Brems- und Schiebehilfe für den Rollstuhl seines Sohnes nur dann in Betracht komme, wenn es den Schiebepersonen aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich sei, den Rollstuhl im Wohnumfeld zu schieben. Es werde daher um Angaben zu den Schiebepersonen und um Angaben
bzw. Atteste über eventuelle gesundheitliche Beeinträchtigungen dieser Personen gebeten (Bl. 42 VerwA).
Mit Schreiben vom 13.01.2013 teilte die Klägerseite hierauf mit, die Versorgung des Klägers mit einer elektrischen Brems- und Schiebehilfe könne nicht von der Schiebeperson abhängig gemacht werden. Die Forderung von Attesten über den Gesundheitszustand dieser Personen sei daher nicht als rechtmäßig anzusehen (Bl. 43). Mit weiterem Schreiben vom 27.01.2013 teilte der Vater des Klägers mit, dass es keine Vorgaben gebe, welches Gewicht eines Rollstuhlfahrers als zumutbar für die Schiebeperson anzusehen sei. Auf die individuelle Konstitution der Schiebeperson könne es nicht ankommen. Er informierte die Beklagte, dass sein Sohn im Rollstuhl von insgesamt drei Personen geschoben werden. Es handle sich um ihn, die Mutter des Klägers und eine weitere Betreuungskraft. Auf die Betreuungskraft und ihn entfielen jeweils
ca. 40 % und auf seine Ehefrau
ca. 20 %. Seine Ehefrau leide an Epilepsie. Mit zunehmender Erschöpfung nehme auch das Anfallsrisiko zu. Seine Ehefrau sei allein schon durch die Pflege des Klägers erschöpft. Er selbst müsse seinen Sohn viermal täglich aus dem Rollstuhl in das Auto setzen und er müsse zudem noch sieben Stufen aus der/in die Wohnung bewältigen. Dazu sei er nicht mehr lange in der Lage. Die Beklagte beauftragte daraufhin den MDK mit der Erstellung eines Gutachtens nach Aktenlage (Bl. 61
ff. VA). In seinem Gutachten vom 30.01.2013 stellte
Dr. A. folgende Diagnosen des Klägers: Hypertone Mobilitätsstörungen beim Pitt-Hopkins-Syndrom, somatomentale Retardierung, Thrombophilie, Skoliose, rezidivierende Gelenksergüsse. Bei dem genannten Krankheitsbild seien u.a. auch Muskelhypotonien und Ataxien, sowie ferner eine Atemregulationsstörung relevant. Die Fähigkeit des Stehens und Gehens sei beim Kläger nicht vorhanden. Nach dem Hilfsmittelverzeichnis seien bei der Gewährung von Rollstuhl-Schubgeräten zur Fremdnutzung folgende Voraussetzungen zu erfüllen: Ein handbetriebener oder Schieberollstuhl sei normalerweise ausreichend, es sei denn der Rollstuhlbenutzer könne sich nicht selbst fortbewegen und die Begleitperson verfüge nicht über genügend Eigenkräfte, einen Rollstuhl zu schieben. Die Mutter des Klägers leide an Epilepsie, im Rahmen derer eine mögliche Schwäche sowie ein Verlust der Steuerungsfähigkeit mit Eigen- und Fremdgefährdung auftreten könne. Hinweise für Beeinträchtigungen des Vaters und der anderen Betreuungsperson bezüglich der Fähigkeit, einen Rollstuhl zu schieben, seien nicht vorgelegt worden. Im Übrigen sei die
GKV nicht für solche Hilfsmittel eintrittspflichtig, die ein dauerhaft behinderter Versicherter allein wegen seiner individuellen Wohnsituation benötige. Das Mobilitätskriterium laute, Gehunfähigkeit
bzw. stark eingeschränkte Gehfähigkeit im Rahmen des Grundbedürfnisses, sich in der eigenen Wohnung zu bewegen und die Wohnung zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang an die frische Luft zu kommen oder um die üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen seien. Nach dem aktuellen Sachstand sei diese Fähigkeit mit dem zur Verfügung stehenden Rollstuhl zu bejahen.
Mit Schreiben vom 05.02.2013 teilte die Beklagte dem Kläger erneut mit, dass eine Übernahme der Kosten für eine Brems- und Schiebehilfe nicht möglich sei. Der MDK habe in seinem Gutachten vom 30.01.2013 darüber hinaus zu erkennen gegeben, dass aufgrund der Erkrankung der Mutter des Klägers an Epilepsie eine Brems- und Schiebehilfe nicht bedient werden könne. Bei einer plötzlich auftretenden Schwäche bestehe vielmehr die Gefahr der Eigen- und Fremdgefährdung (Bl. 63 VerwA ).
Mit Schreiben vom 01.03.2013 teilte der Vater des Klägers mit, dass er nach wie vor mit der Entscheidung der Beklagten nicht einverstanden sei. Der Hinweis der Beklagten auf die Gefährdung durch die Epilepsie seiner Frau sei naiv. Seine Ehefrau sei im Besitz einer Fahrerlaubnis der Führerscheinklasse B, die sie durch die Vorlage eines Gutachtens erworben habe. Mit Widerspruchsbescheid vom 10.06.2013 (Bl. 8 WidersprA) wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Da der Rollstuhl beim Kläger die fehlende Körperfunktion des Gehens nicht wiederherstellen könne, handle es sich um Hilfsmittel, das dem sog. mittelbaren Behinderungsausgleich diene. Gleiches gelte letztlich für Zusatzausstattungen eines Rollstuhls wie
z.B. eine Brems- und Schiebehilfe. Nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung sei die Versorgung mit Hilfsmitteln zum mittelbaren Behinderungsausgleich Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung nur insoweit, als sie der Sicherung eines allgemeinen Grundbedürfnisses dienten. Der Ausgleich der Grundbedürfnisse sei dabei nur als Basisausgleich zu verstehen und bedeute nicht die vollständige Gleichstellung mit den unbegrenzten Mobilitätsmöglichkeiten eines Gesunden. Soweit das allgemeine Grundbedürfnis, selbständig zu Gehen
bzw. andere Grundbedürfnisse, die ein bestimmtes Maß an Mobilität erforderten, betroffen seien, fielen darunter nur diejenigen Entfernungen, die ein Gesunder üblicherweise zu Fuß zurücklege. Hierbei sei allerdings nicht auf Wegstrecken jeder Art und Länge abzustellen, die ein Nichtbehinderter bei normalem Gehen zu Fuß noch bewältigen könne. Zu den vitalen Lebensbedürfnissen im Bereich des Gehens gehörten vielmehr nur die Fähigkeit, sich in der eigenen Wohnung zu bewegen und die Wohnung zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang "an die frische Luft zu kommen" oder um die üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen seien. Besonderheiten des Wohnortes, die gegebenenfalls das Zurücklegen weiterer Strecken oder besonderer Strecken erforderten, seien nicht maßgeblich. Nach Auffassung des Bundessozialgerichts könne von einer zumutbaren Erschließung des Nahbereichs ausgegangen werden, wenn ein Versicherter unabhängig von seinem konkreten Wohnumfeld gesundheitlich in der Lage sei, eine Wegstrecke von 500 bis 1000 Metern am Stück zurückzulegen und nach jeweils einer kurzen Pause wiederum entsprechende Strecken zu bewältigen und ihm diese Fortbewegung schmerzfrei und ohne gesundheitliche Beeinträchtigungen möglich sei. Sei ein Behinderter nicht in der Lage, sich selbständig in einem manuell oder elektrisch betriebenen Rollstuhl fortzubewegen, er also in jedem Fall auf die Hilfe einer Schiebeperson angewiesen sei, seien die genannten Grundsätze zur Erschließung des Nahbereichs auf die gesundheitliche Situation
bzw. die Fähigkeiten der Schiebeperson anzuwenden. Eine Versorgung mit einem elektrischen Zusatzantrieb komme daher nur dann in Betracht, wenn die Schiebeperson nicht in der Lage sei, den Nahbereich der Wohnung zu erschließen. Der Kläger sei nicht in der Lage, sich in einem Rollstuhl selbständig fortzubewegen
bzw. einen elektrischen Rollstuhl selbständig zu führen. Er werde von drei Personen geschoben. Hauptsächlich werde der Rollstuhl außer Haus für längere Spazierfahrten an den schulfreien Tagen genutzt. Das Gesamtgewicht von Kläger und Rollstuhl betrage
ca. 50
kg. Normalerweise seien manuelle Schieberollstühle von Erwachsenen problemlos auch in etwas hügeligerem Gelände zu schieben. Lediglich wenn ein Behinderter besonders schwer sei oder die Schiebeperson selbst erhebliche gesundheitliche Einschränkungen habe, könne in einem Einzelfall die Notwendigkeit der Versorgung mit einer elektrischen Schiebehilfe bestehen. Hier sei davon auszugehen, dass die Eltern des Klägers und die andere Betreuungsperson in der Lage seien, mit dem manuell betriebenen Rollstuhl den fiktiv anzunehmenden Nahbereich der Wohnung zu erschließen. Die Schwierigkeiten beim Transfer des Klägers vom Rollstuhl in das Auto spielten für die Frage der Nutzung eines manuell betriebenen Schieberollstuhls keine Rolle. Die Mutter des Klägers leide zwar an einer Epilepsie. Offenbar sei diese Krankheit nach dem Vorbringen des Vaters des Klägers medikamentös aber so gut eingestellt, dass ihr eine Fahrerlaubnis erteilt worden sei. Daher könne die Epilepsie nicht zur Begründung der Unfähigkeit, den Rollstuhl im fiktiv anzunehmenden Nahbereich der Wohnung zu schieben, herangezogen werden. Falls dennoch tatsächlich eine erhöhte Anfallsneigung bestehen sollte, sei auch damit die Notwendigkeit der Versorgung mit einer elektrischen Schiebehilfe nicht begründbar. Eine erhöhte Anfallsneigung würde durch die damit letztlich verbundene andauernde Gefährdung des im Rollstuhl sitzenden Kindes und Dritter in diesem Fall nämlich sowohl das Schieben eines manuell betriebenen Rollstuhls als auch das Schieben eines mit einem elektrischen Zusatzantrieb ausgestatteten Rollstuhls durch die Mutter des Klägers von vornherein ausschließen. Da die Erschließung des Nahbereichs der Wohnung durch die Versorgung mit einem manuell betriebenen Schieberollstuhl möglich sei, bestehe unter dem Gesichtspunkt des Behinderungsausgleichs kein Anspruch auf die zusätzliche Ausstattung des vorhandenen Rollstuhls mit einer elektrischen Brems- und Schiebehilfe. Ein entsprechender Anspruch bestehe auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Sicherung des Erfolgs einer Krankenbehandlung. Bei Hilfsmitteln, die der Mobilität dienten, sei die Begrenzung auf die Erschließung des Nahbereichs der Wohnung dann nicht relevant, wenn das Hilfsmittel konkret der Sicherung der Krankenbehandlung diene, es also
z.B. als therapeutisch wirkendes Hilfsmittel anstelle einer sonst notwendigen, krankengymnastischen Behandlung mit dem Ziel der Heilung einer Krankheit, der Linderung von Krankheitsbeschwerden oder der Verhütung der Krankheitsverschlimmerung eingesetzt werde. Die Spazierfahrten seien als Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation dargestellt worden, da der Kläger diese Fahrt wünsche und er ansonsten seinen Unmut durch entsprechende Verhaltensauffälligkeiten zum Ausdruck bringe. Letztlich handle es sich damit um die gleiche Situation wie bei einem kleinen Kind, das zur Durchsetzung seines Wunsches beispielsweise schreie. Mit den Spazierfahrten sei aber keine Heilung einer Krankheit, keine Linderung von Beschwerden und auch keine Verhütung der Krankheitsverschlimmerung bezweckt
bzw. möglich. Also handle es sich bei den Spazierfahrten auch nicht um eine Maßnahme der Krankenbehandlung
bzw. der medizinischen Rehabilitation.
Hiergegen erhob der Kläger durch seine Eltern und gesetzlichen Vertreter am 02.07.2013 Klage zum Sozialgericht Heilbronn. Zur Begründung brachte er vor, bei den lang ausgedehnten, täglichen Spaziergängen handele es sich um eine Rehabilitationsmaßnahme. Jede Aktivität trainiere und fördere die Wahrnehmung. Dies wiederum stimuliere das Gleichgewichtsorgan. Folglich sei jede Aktivität, insbesondere in der Umwelt, eine wichtige Therapie, die helfen solle, selbständig auf den Beinen zu stehen. Ohne diesen Ausgleich zeige der Kläger eine extreme Auto-Aggressivität, er neige dazu, sich selbst physisch zu verletzen. Darüber hinaus habe die Beklagte nicht beachtet, welcher Kraftaufwand beim Schieben des Rollstuhles aufgebracht werden müsse. Die körperliche Belastung durch die Pflege selbst als auch durch die Gewährleistung der Mobilität bei zunehmendem Gewicht des Klägers sei außer Acht gelassen worden. Die chronische Erkrankung der Mutter des Klägers werde statt als einschränkende Tatsache als Grund für die Ablehnung der Leistungserbringung dargestellt. Ganz klar sei, dass die Mutter des Klägers gerade durch die Epilepsie, welche gut eingestellt sei, möglichst kräfteschonend ihren Alltag bewältigen müsse. Ein Alltag, der durch die Pflege des Klägers ohnehin anstrengend genug sei. Speziell in ihrem Falle würde eine Brems- und Schiebehilfe einen entlastenden Effekt haben. Die Mobilität sei ebenfalls Teil der Pflege und werde auch von der Mutter erbracht. Eine entsprechende Entlastung, gerade im Hinblick auf die nötige Kraft, die im Wohngebiet des Klägers und dem Nahbereich aufgebracht werden müsse, machten eine Brems- und Schiebehilfe mittlerweile unentbehrlich. Insgesamt setze die Beklagte allgemeingültige Maßstäbe bei ihrer Entscheidung über den Anspruch auf Versorgung mit einer Brems- und Schiebehilfe an und missachte dabei das Individualitätsprinzip. Sie missachte ihre Verpflichtung, behinderten Menschen gemäß den Vorschriften des
SGB IX Rehabilitation und Teilhabe zu gewähren. Die Beklagte setze falsche Maßstäbe an und vergleiche die gesundheitliche Situation des Klägers mal mit einem Erwachsenen, lediglich körperlich behinderten Menschen, mal mit den Reaktionen eines normal entwickelten Kindes bei unerfüllten Wünschen.
Die Beklagte bezog sich auf die angefochtenen Bescheide.
Der Vater des Klägers teilte auf Nachfrage mit, dass er selbst keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen habe und zur dritten Person keine Angaben machen werde. Die Mutter des Klägers befinde sich in orthopädischer Behandlung. Das Sozialgericht Heilbronn hat die Orthopädin
Dr. A.-G. als sachverständige Zeugin zum Gesundheitszustand der Mutter des Klägers befragt. Insbesondere wurde sie um ihre Einschätzung gebeten, ob die Mutter des Klägers ohne übermäßige Anstrengung in der Lage sei, den Rollstuhl ihres Sohnes schmerzfrei und aus eigener Kraft in normalem Rollstuhltempo im Nahbereich der Wohnung auf ebenem Untergrund und kurzen Steigungen zu schieben (Bl. 44). Die behandelnde Orthopädin teilte mit, dass bei der Mutter des Klägers ein Knick-Senk-Spreiz-Fuß beidseits bestehe sowie eine Tendinose Plantarfascie an der rechten Ferse, ein Facettensyndrom der Lendenwirbelsäule bei Sacrum acutum sowie eine geringe Skoliose. Aufgrund der vorliegenden Untersuchungsergebnisse sei die Mutter des Klägers in der Lage, ohne übermäßige Anstrengung den Rollstuhl ihres Sohnes schmerzfrei und aus eigener Kraft in normalen Rollstuhltempo im Nahbereich der Wohnung auf ebenem Untergrund sowie kurzen Steigungen zu schieben.
Das Sozialgericht Heilbronn wies nach Anhörung des Klägers die Klage durch Gerichtsbescheid vom 03.07.2014 ab. Der Bescheid der Beklagten vom 22.11.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.06.2013 sei rechtmäßig und verletzte den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Gewährung einer Brems- und Schiebehilfe als Sachleistung. Das Gericht schließe sich der Darstellung im Widerspruchsbescheid vom 10.06.2013 in vollem Umfang an und sehe nach § 136
Abs. 3
SGG von einer weiteren Darstellung der Gründe ab. Auch nach Auffassung des Gerichts habe der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Versorgung mit einer Brems- und Schiebehilfe, weil sowohl dessen Vater als auch Mutter in der Lage seien, den Rollstuhl im Nahbereich der Wohnung zu schieben. Der Vater des Klägers habe selbst bestätigt, dass bei ihm aktuell keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen bestünden, die ihn am Schieben des Rollstuhls hindern. Daher habe er auch keine behandelnden Ärzte benannt, die dazu hätten befragt werden können. Die behandelnde Ärztin der Mutter des Klägers habe bestätigt, dass die Mutter des Klägers in der Lage sei, trotz bestehender orthopädischer Diagnosen den Rollstuhl des Klägers zu schieben. Im Rahmen des mittelbaren Behinderungsausgleichs sei der Kläger nach Auffassung des Gerichts mit dem ihm zur Verfügung stehenden Aktivrollstuhl mit Trommelbremse ausreichend versorgt. Die darüber hinaus beantragte Brems- und Schiebehilfe sei auch nicht erforderlich, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern. Ein weitgehender spezifischer Bezug zur ärztlich verantworteten Krankenbehandlung im Sinne des
§ 27 Abs. 1 SGB V komme nur bei solchen Maßnahmen zur körperlichen Mobilisation in Betracht, die in einem engen Zusammenhang zu einer andauernden, auf einem ärztlichen Therapieplan beruhenden Behandlung durch ärztliche und ärztlich angeleitete Leistungserbringer stünden und für die gezielte Versorgung im Sinne der Behandlungsziele des § 27
Abs. 1 Satz 1
SGB V als erforderlich anzusehen sein. Dies sei hier offensichtlich nicht der Fall.
Gegen den Gerichtsbescheid, der den gesetzlichen Vertretern des Klägers am 09.07.2014 zugestellt wurde, legte der Kläger am 05.08.2014 Berufung ein.
Er brachte vor, die Eltern seien auf die Brems- und Schiebehilfe angewiesen. Sie hätten als erwerbslose Eltern trotz großer Mühe keine Alternative zur jetzigen Wohnung gefunden. Der Kläger sei inzwischen 15 Jahre alt und wiege 42
kg. Das Gesamtgewicht des Klägers mit Rollstuhl, der einen Pflegerollstuhl bekomme, der 36
kg wiege, werde 78
kg betragen. In der Schule, die der Kläger besuche, gebe es vier oder fünf Kinder, die bereits eine Brems- und Schiebehilfe hätten. Die Mutter des gesetzlichen Vertreters, die 62
kg gewogen habe, sei mit einem Leichtgewichtrollstuhl und einer Brems- und Schiebehilfe versorgt worden. Ein abstrakter Maßstab ohne Berücksichtigung des konkreten Wohnumfeldes, wie er nach den Urteilen des
BSG anzuwenden sei (
BSG, Urt. v. 20.08.2008 - B 3 KN 4/07;
BSG, Urt. v. 19.04.2007 - BSGE 98,213) sei realitätsfremd. Physikalische Berechnungen würden außer Betracht gelassen.
Der Kläger beantragt (sachdienlich), den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 03.07.2014 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 22.11.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.06.2013 zu verurteilen, ihn mit einer Brems- und Schiebehilfe als Sachleistung zu versorgen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Gewährung einer Brems- und Schiebehilfe sei nicht nach den konkreten individuellen Wohnverhältnissen, sondern abstrakt festzustellen. Der Kläger könne wegen seiner Behinderung nicht selbständig einen elektrisch betriebenen Rollstuhl benutzen. Er sei ohnehin auf eine Schiebeperson angewiesen. Der Vater des Klägers und die Mutter des Klägers sowie eine dritte Person seien in der Lage, das Gesamtgewicht des nun neu angeschafften Rollstuhls, dessen Gewicht nach Auskunft des abgebenden Orthopädietechnikers
ca. 30
kg betrage einschließlich des Gewichts des Klägers zu schieben. Beim Schieben von
ca. 75
kg sei davon auszugehen, dass erwachsene Personen dies bewerkstelligen könnten.
Der Vater des Klägers wandte mit Schreiben vom 30.10.2014 ein, Gericht und Krankenkasse täten sich zusammen, dem kleinen Bürger ihre Rechts zu verwehren. Das Gesamtgewicht liege bei derzeit 78,7
kg. Bei seiner 60
kg schweren Mutter sei zu dem 16
kg schweren Rollstuhl eine Schiebehilfe gewährt worden (Gesamtgewicht:76
kg).
Die Berichterstatterin hat einen nicht öffentlichen Erörterungstermin am 19.12.2014 durchgeführt. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Rechtsstreits ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats, die Akte des Sozialgerichts Heilbronn (S 8 KR 2156/13) und die vorgelegte Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (§§ 153
Abs. 1, 124
Abs. 2
SGG).
I. Die Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144
Abs. 1 Satz 1
Nr. 1
SGG ohne Zulassung durch das Sozialgericht statthaft; der Beschwerdewert des § 144
Abs. 1 Satz 1
Nr. 1
SGG (750
EUR) ist bei einem Wert der begehrten Sachleistung von 3.629,50
EUR (
vgl. Bl. 29 SG-Akte) eindeutig überschritten. Die Berufung ist auch sonst zulässig (§ 151
SGG). Sie ist jedoch nicht begründet.
II. Das Sozialgericht Heilbronn hat die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§§ 54
Abs. 1 und 5, 56
SGG) des Klägers zu Recht als unbegründet abgewiesen. Den Leistungsantrag des Klägers hat die Beklagte mit Bescheid vom 22.11.2012 abgelehnt und den dagegen eingelegten Widerspruch mit dem Widerspruchsbescheid vom 10.06.2013 zu Recht zurückgewiesen. Die angefochtenen Entscheidungen verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
1. Das Leistungsbegehren des Klägers ist nach
§ 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V zu beurteilen. Nach dieser Norm haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach
§ 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind.
Bei der Frage der Erforderlichkeit eines Hilfsmittels zum Behinderungsausgleich im Sinne der dritten Variante des § 33
Abs. 1
S. 1
SGB V wird stets unterschieden zwischen dem unmittelbaren Behinderungsausgleich einerseits und dem mittelbaren Behinderungsausgleich andererseits. Im Vordergrund steht der unmittelbare Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion selbst, wie es
z.B. insbesondere bei Prothesen der Fall ist. Bei diesem sogenannten unmittelbaren Behinderungsausgleich gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits, und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts. Im Rahmen des mittelbaren Behinderungsausgleichs ist die
GKV nur für den Basisausgleich der Folgen einer Behinderung eintrittspflichtig. Es geht hier nicht um einen Ausgleich im Sinne des vollständigen Gleichziehens mit den Möglichkeiten eines gesunden Menschen. Ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich ist von der
GKV vielmehr nur zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft. Nach ständiger Rechtsprechung gehören zu diesen elementaren Grundbedürfnissen eines Menschen das Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, die Nahrungsaufnahme, das Ausscheiden, die elementare Körperpflege, das selbstständige Wohnen sowie das Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums (BSGE 93, 176 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7, Rn 12; BSGE 91, 60, 63 RdNr 10 = SozR 4-2500 § 33 Nr 3 RdNr 9;
BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 14; stRspr). Zum körperlichen Freiraum gehört - im Sinne eines Basisausgleichs der eingeschränkten Bewegungsfreiheit - die Fähigkeit, sich in der eigenen Wohnung zu bewegen und die Wohnung zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang "an die frische Luft zu kommen" oder um die üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind (
z.B. Supermarkt, Arzt, Apotheke, Geldinstitut, Post), nicht aber die Bewegung außerhalb dieses Nahbereichs (
BSG, Urt. v. 16.07.2014 – B 3 KR 1/14 R –, SozR 4-3300 § 40 Nr 11). Für den unmittelbaren Behinderungsausgleich besteht ebenso wie für den mittelbaren Behinderungsausgleich Anspruch auf die im Einzelfall ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Hilfsmittelversorgung, nicht jedoch auf eine Optimalversorgung. Deshalb besteht kein Anspruch auf ein teureres Hilfsmittel, soweit die kostengünstigere Versorgung für den angestrebten Nachteilsausgleich funktionell in gleicher Weise geeignet ist (stRspr, vgl
BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 26 S 153); anderenfalls sind die Mehrkosten gemäß § 33
Abs. 1
S. 5
SGB V vom Versicherten selbst zu tragen. Demgemäß haben die Krankenkassen nicht für solche "Innovationen" aufzukommen, die keine wesentlichen Gebrauchsvorteile für den Versicherten bewirken, sondern sich auf einen bloß besseren Komfort im Gebrauch oder eine bessere Optik beschränken (
BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 44; BSGE 93, 183, 188 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8, RdNr 15).
Der gehunfähige Kläger, der bereits mit einem Rollstuhl versorgt ist, erstrebt die Gewährung einer zusätzlichen Brems- und Schiebehilfe als mittelbaren Behinderungsausgleich, weil durch das Hilfsmittel Brems- und Schiebehilfe nicht das Gehen des Klägers selbst ermöglicht wird. Die Bewegungsmöglichkeit des Klägers wird grundsätzlich bereits durch den vorhandenen Rollstuhl gewährleistet. Die zusätzliche Brems- und Schiebehilfe ist zur Befriedigung des Grundbedürfnisses auf Erschließung eines körperlichen Freiraums in Form der Bewegungsmöglichkeit in der eigenen Wohnung und im umliegenden Nahbereich allerdings nur dann erforderlich, wenn mit dem Rollstuhl aufgrund der Konstitution der Pflegepersonen eine Bewegung im Nahbereich der Wohnung nicht möglich wäre.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der sich der Senat anschließt, gilt für die Bestimmung des Nahbereichs der Wohnung ein abstrakter, von den Gegebenheiten des jeweiligen Wohnorts unabhängiger Maßstab (BSGE 102, 90 = SozR 4-2500 § 33 Nr 21, RdNr 14 - Kraftknoten; BSGE 98, 213 = SozR 4-2500 § 33 Nr 15, RdNr 17 - behinderungsgerechter PKW; zuletzt BSGE 108, 206 = SozR 4-2500 § 33 Nr 34, RdNr 35 - Rollstuhl-Bike). Bei der Hilfsmittelversorgung durch die
GKV kommt es nicht auf die konkreten Wohnverhältnisse des einzelnen Versicherten an. Die baulichen Gegebenheiten der Wohnung und die Gestaltung des individuellen Umfeldes, die anderswo - etwa nach einem Umzug - nicht ebenso vorhanden sind, sind bei der Hilfsmittelversorgung durch die
GKV nicht zu berücksichtigen. Denn für die medizinische Rehabilitation als Aufgabe der
GKV ist allein der Gesundheitszustand des Versicherten maßgeblich, nicht aber seine Wohnsituation. Die Leistungen der
GKV dürfen - soweit gesetzlich nicht ausdrücklich vorgesehen - nicht maßgeblich von anderen als medizinischen Erfordernissen abhängig gemacht werden. Aus diesem Grund ist auch bezüglich anderer Hilfsmittel grundsätzlich auf einen abstrakten, von den konkreten Gegebenheiten des jeweiligen Wohnorts unabhängigen Maßstab abzustellen (stRspr, BSGE 108, 206 = SozR 4-2500 § 33 Nr 34, RdNr 35 - Rollstuhl-Bike). Der Versicherte muss das Hilfsmittel also nicht nur gerade wegen der Gegebenheiten seiner konkreten Wohnverhältnisse, sondern in gleicher Weise auch in praktisch jeder Art von Wohnung und deren Umfeld benötigen. Fehlt es daran, ist ein Anspruch nach § 33
SGB V in der Regel ausgeschlossen. Es kann sich dann nur um eine Form der Hilfe zur Anpassung an die konkrete Wohnsituation handeln, für die nicht die Krankenkassen, sondern der Versicherte selbst - im Rahmen seiner Eigenverantwortung - oder andere Sozialleistungsträger zuständig sein können.
Es besteht kein Anspruch des Klägers nach § 33
Abs. 1
S. 1
SGB V, auf Kosten der Beklagten mit einer Brems- und Schiebehilfe versorgt zu werden. Eine Notwendigkeit der Versorgung des Klägers mit einer solchen Vorrichtung, um seinen Nahbereich erschließen zu können, hat die Beweisaufnahme zur Überzeugung des Senats nicht ergeben. Bei keiner der Schiebepersonen ist ein Defizit festzustellen, den Rollstuhl des zwischenzeitlich 15-jährigen Klägers zu schieben. Zu berücksichtigen ist, dass der Vater des Klägers keine gesundheitlichen Defizite angegeben hat, die bei seinem Einsatz als Schiebeperson die Erschließung des Nahbereichs hindern. Auch bezüglich der zur Verhinderungspflege eingesetzten dritten Person, die ebenfalls zu 40% als Schiebepersonen tätig werden, ist ein Kraftdefizit, das einer Erschließung des Nahbereichs entgegenstünde, nicht behauptet und nicht festzustellen. Soweit die Mutter des Klägers an orthopädischen Beschwerden leidet, bedingen diese zur Überzeugung des Senats keine Einschränkung, den Rollstuhl des Klägers im Nahbereich der Wohnung zu schieben. Hierzu hat das Sozialgericht Heilbronn Beweis erhoben. Die behandelnde Orthopädin beantwortete die Frage, ob die Mutter des Klägers dazu in der Lage sei, den Kläger samt Rollstuhl im Nahbereich der Wohnung auch auf kurzen Steigungen im normalen Tempo zu schieben, mit einem eindeutigen "Ja". Eine gesundheitliche Einschränkung der Mutter als Schiebeperson wegen der Epilepsie ist ebenfalls nicht festzustellen. Falls eine Schiebeperson zu Anfällen neigte, könnten gravierende Risiken durch eine Brems- und Schiebehilfe nicht ausgeschlossen werden. Die Erkrankung ist jedoch gut eingestellt und die Mutter des Klägers verfügt über eine Fahrerlaubnis. Damit ist die Ausstattung des Rollstuhls mit einer Brems- und Schiebehilfe zur Erschließung des Nahbereichs nicht erforderlich, sodass nach § 33
SGB V kein Leistungsanspruch des Klägers hierauf besteht.
2. Auch aus anderen Rechtsgrundlagen lässt sich kein Rechtsanspruch herleiten. Die Brems- und Schiebehilfe ist auch nicht zu Zwecken der Rehabilitation erforderlich. Versicherte haben nach § 27
Abs. 1,
S. 1. und 2
Nr. 6
SGB V einen Anspruch auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, wenn sie notwendig sind, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Wie sowohl bereits im Widerspruchsbescheid der Beklagten als auch im Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn zutreffend ausgeführt, sind die ausgedehnteren Spaziergänge keine Krankenbehandlung
bzw. Leistung zur medizinischen Rehabilitation. Der Senat stellt hierbei nicht in Abrede, dass der gesetzliche Vertreter des Klägers wohl die Erfahrung gemacht hat, dass der Kläger seine Unzufriedenheit äußert, wenn er nicht wie gewohnt nach draußen kommt. Dass wegen der Spaziergänge eine Brems- und Schiebehilfe notwendig ist, erschließt sich daraus aber nicht.
Weiterreichende Rechte kann der Kläger auch aus dem grundrechtlichen Verbot der Benachteiligung behinderter Menschen in
Art. 3
Abs. 2 Satz 2
GG nicht herleiten. Vielmehr folgt aus der genannten Grundrechtsbestimmung ein Auftrag an den Staat, auf die gleichberechtigte Teilhabe behinderter Menschen hinzuwirken. Der Auftrag zur Ausgestaltung des Sozialstaatsgebots begründet keine konkreten Leistungsansprüche (
vgl. BSG, Urt. v. 12.08.2009, -
B 3 KR 11/08 R -; Urt. v. 26.03.2003, -
B 3 KR 23/02 R -).
Selbst wenn in gleichgelagerten Fällen anderen Versicherten - zu Unrecht - eine Brems- und Schiebehilfe auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung gewährt worden ist, kann der Kläger hieraus für sich selbst keinen Leistungsanspruch aus
Art. 3
Abs. 1
GG herleiten. Einen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht kennt die Rechtsordnung wegen der vorrangigen Bindung von Verwaltung und Gerichten an Gesetz und Recht (
Art. 20
Abs. 3
GG) nicht (ständige Rechtsprechung
vgl. allgemein etwa BVerfGE 50, 142, 166;
BSG, Beschl. v. 18.07.2006 - B 1 KR 62/06 B - juris -Rn.6).
III. Das Sozialgericht hat die Klage danach zu Recht abgewiesen, weshalb die Berufung des Klägers erfolglos bleiben muss. Hierauf und auf § 193
SGG beruht die Kostenentscheidung.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160
Abs. 2
SGG).