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Urteil
Antrag auf Zulassung der Berufung - Subsidiaritätsprinzip des Beihilferechts - Hilfsmittelversorgung durch die gesetzliche Krankenversicherung - Sachleistungsprinzip - Kostenerstattung - Restbetrag - Beihilfe

Gericht:

OVG Nordrhein-Westfalen 1. Senat


Aktenzeichen:

1 A 3036/08


Urteil vom:

14.10.2010


Tenor:

Der Antrag wird auf Kosten des Klägers abgelehnt.

Der Streitwert wird auch für das Berufungszulassungsverfahren auf 8.624,62 Euro festgesetzt.

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

Justizportal des Landes NRW

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

Die vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe liegen auf der Grundlage der maßgeblichen Darlegungen (vgl. § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) in der fristgerecht eingereichten Antragsbegründungsschrift nicht vor.

1. Die Berufung ist zunächst nicht wegen einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Wird dieser Zulassungsgrund geltend gemacht, so muss regelmäßig eine konkrete noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage bezeichnet werden, die sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat der Rechtsmittelführer (Antragsteller) in fallbezogener Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil darzulegen. Dem wird die vorliegende Antragsbegründung indes nicht gerecht. Die dort sinngemäß aufgeworfene Frage, ob § 3 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Satz 2 BVO NRW dahin auszulegen ist, dass Beihilfezahlungen nur entfallen, "soweit" der Beihilfeberechtigte Sachleistungen (bzw. hier Geldleistungen bei Hilfsmitteln) erhält, mit der Folge, dass nach dem System der Gesetzlichen Krankenversicherung verbleibende ungedeckte Aufwendungen von der Beihilfe erstattet werden müssen bedarf nicht erst der Klärung in einem Berufungsverfahren. Sie ist vielmehr unter Berücksichtigung der bisher zu der hier betroffenen Thematik der Subsidiarität der Beihilfe ergangenen Rechtsprechung auf der Grundlage des eindeutigen Wortlauts der Norm sowie im Einklang mit ihrer Systematik und ihrem Regelungszweck ohne weiteres zu verneinen. Die für ein angeblich in Betracht kommendes abweichendes Auslegungsergebnis angeführten Argumente des Klägers überzeugen dagegen ersichtlich nicht.

§ 3 Abs. 3 Satz 1 BVO NRW in der hier maßgeblichen Fassung der 19. Änderungsverordnung vom 12. Dezember 2003 (GV NRW 756) hat folgenden Wortlaut: "Erhält ein Beihilfeberechtigter oder eine berücksichtigungsfähige Person Sach- oder Dienstleistungen (....), werden keine Beihilfen gezahlt." Damit ist die Vorschrift so gefasst worden, dass es maßgeblich und allein auf den Umstand des "Erhaltens" von Leistungen der genannten Art - und zwar schon dem Grunde nach - ankommt, nicht aber auch auf einen bestimmten Umfang dieser Leistungen. An Letzteres musste in dem betreffenden Sachzusammenhang vom Beihilfegeber auch nicht notwendig mit angeknüpft werden, weil im Falle der Erbringung von Sach- oder Dienstleistungen durch Dritte dem Leistungsempfänger typischerweise keine eigenen Aufwendungen entstehen und sich die Frage von deren Erstattung somit grundsätzlich nicht stellt. Wählt der Berechtigte bzw. sein Ehegatte statt der Sach- oder Dienstleistung eine Kostenerstattung, was nach § 13 Abs. 2 Satz 1 SGB V unter bestimmten Voraussetzungen möglich ist, so soll allein hierdurch keine beihilferechtliche Besserstellung im Verhältnis zu dem vorbehandelten Grundfall eintreten. Dies gilt auch dann, wenn die tatsächlich angefallenen Aufwendungen durch die Kostenerstattung seitens der Gesetzlichen Krankenversicherung nicht vollständig gedeckt werden. Das ergibt sich mit hinreichender Klarheit bereits aus der in § 3 Abs. 3 Satz 2 BVO NRW enthaltenen Fiktion, wonach als Sach- oder Dienstleistungen auch Geldleistungen (u.a.) bei Hilfsmitteln (§ 33 SGB V) "gelten", in Verbindung mit der zuvor angesprochenen grammatischen Auslegung des § 3 Abs. 3 Satz 1 BVO NRW. Im Besonderen greift § 3 Abs. 3 Satz 3 Fall 1 BVO NRW diese Sachlage aber nochmals auf, wenn es dort heißt, dass Aufwendungen nicht beihilfefähig sind, die dadurch entstehen, dass Pflichtversicherte an Stelle von Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung nach § 13 Abs. 2 SGB V wählen oder (dort betreffend Leistungsträger im Ausland) nach § 13 Abs. 4 SGB V erhalten.

Entgegen der in der Antragsbegründung geäußerten Auffassung lässt sich auch § 3 Abs. 3 Satz 3 Fall 2 BVO NRW ohne weiteres in einem hierzu nicht in Widerspruch stehenden Sinne verstehen. Nach dieser Regelung sind Aufwendungen nicht beihilfefähig, bei denen die Krankenkasse die Kosten bis zur Höhe des Festbetrags nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch übernimmt. Auch in jenem Zusammenhang wird ersichtlich nur an den Umstand angeknüpft, dass für bestimmte Aufwendungen dem Grunde nach eine Übernahme (Erstattung) schon durch die Gesetzliche Krankenversicherung erfolgt, sei es auch - mit Blick auf den Festbetrag - nicht in voller Höhe. Nicht beihilfefähig sind somit auch dort die betreffenden Aufwendungen als solche, also im Ganzen, und nicht nur zu dem Teil, in dem sie von der Gesetzlichen Krankenversicherung tatsächlich übernommen werden. Für eine Auslegung dahin, dass es an der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen allein bis zur Höhe des jeweiligen Festbetrages fehle, wie sie der Kläger für richtig hält, fehlt es dagegen an jedem objektiven Anhalt.

Die einzelnen Regelungen des § 3 Abs. 3 BVO NRW sind jeweils Ausdruck des das Beihilferecht des Bundes und der Länder prägenden Subsidiaritätsprinzips. Wer aufgrund anderweitiger Vorschriften einen Anspruch darauf hat, dass sein krankheitsbedingter Bedarf durch Sach- oder Dienstleistungen grundsätzlich vollständig gedeckt wird, soll nicht zugleich auch noch Beihilfeleistungen (auch nicht zu einem Teil) erhalten. Letztere sind vielmehr gegenüber jenen sonstigen Leistungen nachrangig. In diesem Zusammenhang soll auch derjenige beihilferechtlich nicht besser gestellt sein, der durch autonome Entscheidung auf Leistungen in Form von Sach- oder Dienstleistungen verzichtet und den Weg der Kostenerstattung wählt.

Vgl. etwa (dort entsprechend zum Bundesbeihilferecht) BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2005 - 2 C 35.04 -, ZBR 2006, 195 = juris, Rn. 15; zur Vereinbarkeit derartiger Regelungen mit höherrangigem Recht ferner BVerfG, Beschluss vom 13. Februar 2008 - 2 BvR 613/06 -, ZBR 2008, 318 = juris, Rn. 9 ff.; BayVerfGH, Entsch. vom 24. Juni 2008 - Vf. 3-VIII-07 -, NVwZ-RR 2008, 708 (709 f.); OVG NRW, Beschluss vom 21. Juli 2010 - 1 A 1223/10 - (n.v.).

Soweit der Kläger weiter anführt, dass Versicherte in der Gesetzlichen Krankenversicherung längst nicht mehr alle Leistungen berechnungsfrei "auf Krankenschein" erhielten, vielmehr häufig nur noch ein Zuschuss gezahlt werde, welcher durch Zuzahlungen aus eigenen Mitteln ergänzt werden müsse, vermag dieser recht allgemein bleibende Hinweis auf einen rechtstatsächlichen Befund nicht schon als solcher auf eine andere Auslegung der anwendbar bleibenden beihilferechtlichen Bestimmungen zu führen, jedenfalls dann nicht, wenn diese Bestimmungen wie hier eindeutig gefasst sind und keine Wertungsspielräume in die erstrebte Richtung enthalten. Davon abgesehen sind die allgemein thematisierten Leistungskürzungen im System der Gesetzlichen Krankenversicherung inzwischen zu einem großen Teil (entsprechend) auch auf das Beihilferecht der Beamten übertragen worden, worauf der Kläger nicht mit eingeht. Das Antragsvorbringen tritt im Übrigen nicht dem Argument des Verwaltungsgerichts substantiiert entgegen, dass die gesetzlich Krankenversicherten nach wie vor einen Anspruch darauf haben, in dem im Einzelfall erforderlichen Maße - und insofern grundsätzlich ausreichend - mit orthopädischen und anderen Hilfsmitteln versorgt zu werden (vgl. § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V).

2. Eine Zulassung der Berufung kann hier auch nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wegen besonderer rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache erfolgen. Der Zulassungsantrag legt die Voraussetzungen dieses Zulassungsgrundes schon nicht hinreichend dar. Hierzu müsste konkret aufgezeigt werden, woraus sich - in einem entscheidungserheblichen Zusammenhang - die das normale Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeit der Sache ergeben soll. Daran fehlt es hier. Zwar werden mit dem Zulassungsantrag bestimmte, vom Kläger ohne nähere Erläuterung als "offenkundig rechtlich schwierig" bewertete Rechtsfragen abstrakt aufgeworfen und andiskutiert. Das Vorbringen vermittelt jedoch nicht in dem erforderlichen Maße, dass diese Fragen in einem etwaigen Berufungsverfahren auch klärungsbedürftig wären, weil ihre Beantwortung für die Entscheidung in dem konkreten Fall erheblich wäre. Auch objektiv besteht für das Vorliegen des Zulassungsgrundes übrigens kein Anhalt. Insbesondere erweist sich die Auslegung des § 3 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Satz 2 BVO NRW unter Berücksichtigung der Ausführungen zu 1. nicht als besonders schwierig.

Für sich genommen nicht zielführend ist namentlich der Ansatz des Klägers, wegen limitierter Geldzuschüsse der Gesetzlichen Krankenversicherung entstehe nach Maßgabe des § 3 Abs. 3 BVO NRW - wollte man nicht der vom Kläger befürworteten Auslegung der dortigen Regelungen folgen - bezogen auf die volle Erstattung der entstehenden Aufwendungen im Beihilfebereich ein "Lückenproblem", wobei die auftretende Lücke nicht mit der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht zu vereinbaren sei. Dieser Ansatz entfernt sich insofern von demjenigen des § 3 Abs. 3 BVO NRW (bzw. geht über diesen hinaus), als er ausblendet, dass nicht ein Geldzuschuss, sondern vielmehr das Sachleistungsprinzip - jedenfalls vom System her - die Standardform der Leistungen der Gesetzlichen Krankenversicherung geblieben ist.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2005 - 2 C 35.04 -, a.a.O., sowie juris, Rn. 21.

Auch § 3 Abs. 3 Satz 3 BVO NRW knüpft zumindest im Ausgangspunkt ersichtlich an diese strukturelle Grundentscheidung im Leistungssystem der Gesetzlichen Krankenversicherung an. Insofern kann es für die Auslegung des § 3 Abs. 3 BVO NRW nicht allgemein darauf ankommen, ob und ggf. inwieweit Kürzungen im Bereich von Gelderstattungen durch die Gesetzliche Krankenversicherung bei wirkungsgleicher Übertragung auf die Beihilfe noch mit der Fürsorgepflicht des Dienstherrn in Einklang stehen bzw. die amtsangemessene Alimentation in Frage stellen würden. Dies zugrunde gelegt, mangelt es der Antragsbegründung des Klägers aber an konkreten Darlegungen dazu, wieso in Bezug auf die Erkrankung/Behinderung seiner Ehefrau, was hier das Hilfsmittel eines Elektrorollstuhls betrifft, eine Sachleistung der Krankenversicherung nicht zumutbar hätte in Anspruch genommen werden können. Davon abgesehen fehlt es aber auch an hinreichend substantiierten Argumenten zur Stützung der Auffassung des Klägers, die unvollständige Gelderstattung der ihm entstandenen Aufwendungen für den erworbenen Elektrorollstuhl führe zu einem fürsorgepflichtwidrigen Ergebnis. Aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn lässt sich nämlich (in aller Regel) nicht unmittelbar ein Anspruch auf vollständige Erstattung bestimmter krankheitsbedingter Aufwendungen herleiten. Auch insoweit hätte es deswegen näherer fallbezogener Erwägungen bedurft. Soweit durch die Höhe von privaten Zuzahlungen, pauschalen Einbehalten o.ä. die Amtsangemessenheit der Gesamtalimentation in Frage gestellt sein sollte, hätte darauf nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts der Alimentationsgeber zu reagieren bzw. der Betroffene eine entsprechende gerichtliche Feststellung zu beantragen, welche hier nicht Streitgegenstand ist.

Vgl. BVerwG, zuletzt Urteil vom 25. März 2010 - 2 C 52.08 -, juris, Rn. 14, mit zahlreichen weiteren Nachweisen.

Schließlich vernachlässigt auch das Zulassungsvorbringen zu § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO die Frage der - im Ergebnis zu verneinenden - Auslegungsfähigkeit der in Rede stehenden beihilferechtlichen Normen in Richtung auf das vom Kläger gewünschte Auslegungsergebnis.

3. Soweit auf Seiten 3 unten/4 oben der Antragsbegründung vom 22. Dezember 2008 auch noch die Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nrn. 1 und 5 VwGO kurz angesprochen werden, betrifft dies allein ein "vorsorgliches" Vorbringen des Klägers für den (hypothetischen) Fall, dass das Verwaltungsgericht die Notwendigkeit und Angemessenheit eines Rollstuhls der in Rede stehenden Art hätte in Zweifel ziehen wollen. Argumente dafür, dass das Verwaltungsgericht tatsächlich diesbezügliche Zweifel gehabt hat, enthält das Zulassungsvorbringen indes nicht. Von daher ist davon auszugehen, dass diese Zulassungsgründe schon nicht unmittelbar geltend gemacht werden, sondern höchstens hilfsweise in Erwägung gezogen werden sollten. Jedenfalls sind aber ihre Voraussetzungen nicht hinreichend dargelegt. Sie erschließen sich auch objektiv nicht, denn für das erstinstanzliche Gericht war die Frage der Notwendigkeit und Angemessenheit der Aufwendungen nach der tragenden Begründung seiner Entscheidung erkennbar nicht erheblich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 52 Abs. 3, 47 Abs. 1 und 3 GKG.

Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO und - hinsichtlich der Streitwertfestsetzung - gemäß §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar. Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist nunmehr rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Referenznummer:

R/R4640


Informationsstand: 19.11.2010